Kanonen für die Polizei

Die Bundespolizei hat am (heutigen) Freitag das erste ihrer drei neuen Einsatzschiffe getauft. Der Neubau der Fassmer-Werft in Berne wäre kein Thema für Augen geradeaus!, wenn das jetzt Potsdam getaufte Schiff wie die beiden weiteren nicht eine Besonderheit aufwiese: Auf den neuen, 86 Meter langen Schiffen gibt es nicht nur ein Hubschrauberdeck für die Super Puma-Helikopter der Bundespolizei – sondern künftig auch Schiffsgeschütze im Kaliber 57 Millimeter.

Mit Waffen dieses Kalibers sind sonst nur Kriegsschiffe wie die schwedischen Visby-Korvetten und die Schiffe der US-Küstenwache unterwegs (die auch zu den Streitkräften gehört).

Die Bewaffnung wird im Datenblatt, das die Bundespolizei Küste via Twitter veröffentlichte, nicht aufgeführt. Sie ist auch noch nicht eingerüstet, wie mir die Bundespolizei auf Anfrage mitteilte. Das dürfte wohl erst nach der Indienststellung im kommenden Jahr erfolgen.

Die derzeit von der Bundespolizei genutzten Boote haben keine solche Bewaffnung – obwohl diese Behörde, der frühere Bundesgrenzschutz (BGS), zu früheren Zeiten auch mit Bordgeschützen unterwegs war. Damals hatte der BGS allerdings auch eine etwas andere Aufgabe an der Nahtstelle zwischen NATO und Warschauer Pakt.

Die Notwendigkeit der 57-Millimeter-Geschütze hatte das Bundesinnenministerium in den Unterlagen für die Haushaltsberatungen so begründet:

Anschläge oder die Gefahr von Anschlägen auf Kreuzfahrtschiffe/Fähren mit Geiselnahme durch Terroristen oder die Entführung von Gefahrgut-Frachtern/Tankern zur Bedrohung kritischer Infrastrukturen wie z.B. Offshore-Anlagen, Küstenfauna, Häfen bzw. Hafenstädte können mit der derzeitigen Bewaffnung nicht wirksam verhindert werden. Durch den starken Ausbau maritimer kritischer Infrastruktur muss ein frühzeitiger Schutz durch die Bundespolizei See vor terroristischen Bedrohungslagen gewährleistet werden. Zur effektiven Androhung und Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen auf See ist daher eine Bordbewaffnung für die neuen Einsatzschiffe mit einem Wirkbereich von 300 Meter bis mindestens 6.000 Meter Entfernung vorgesehen, die deutlich wahrnehmbare Warnschüsse abgeben können und geeignet sind, auch große Frachtschiffe durch Beschuss zum Aufstoppen zu zwingen. Für die Beschaffung von drei Schiffsgeschützen des Typs „57 mm Mk3“ einschließlich erforderlicher Unterstützungssysteme sind Haushaltsmittel von rund 24.000 T Euro erforderlich.

Über die geplante Bewaffnung mit diesen Geschützen hatten in den vergangenen Monaten bereits der NDR und das Blog Meer verstehen berichtet – und dabei auch die Frage gestellt, ob dieses Kaliber tatsächlich für die Polizei erforderlich ist.

Die drei neuen Einsatzschiffe mit ihrer Ausstattung und Bewaffnung ziehen praktischen Schlussstrich unter eine Debatte, die vor einem Jahrzehnt teilweise recht engagiert geführt wurde: Neben das Luftsicherheitsgesetz, das der Bundeswehr eine bestimmte Rolle beim Abfangen entführter Flugzeuge zuweist, hätte ein Seesicherheitsgesetz treten sollen, das die Aufgaben der Deutschen Marine bei der Bekämpfung von Terror-Aktivitäten in deutschen Hoheitsgewässern regelt.

Dafür hatten sich sogar die Fraktionen von Union und SPD 2007 in einer gemeinsamen Entschließung ausgesprochen. Ein solches Gesetz scheiterte aber an den unterschiedlichen Ansichten in den beiden Fraktionen im Detail.

Ein Argument war damals, dass die Bundespolizei eben nicht die Mittel habe, zum Beispiel einen entführten Tanker vor der Elbmündung zu stoppen. Spätestens mit der Einrüstung der 57mm-Geschütze ist dieses Argument hinfällig.

Nachtrag: So sieht das in Aktion aus, hier auf einem U.S. Coast Guard Cutter:

(Archivbild oben: SOUTH CHINA SEA (June 02. 2015) LCS Crew 102 conducts a 57MM live-fire exercise in the South China Sea during their first week underway aboard the littoral combat ship USS Fort Worth (LCS 3) – U.S. Navy photo by Lt. James Arterberry)