Durch die VBB-Brille: „Gelddruckmaschine im Verteidigungsministerium“
Anfang der Woche kam der Spiegel mit einer Geschichte, die für das Verteidigungsministerium erheblichen Sprengstoff birgt: Für Beratungsleistungen, so heißt es unter Berufung auf einen Prüfbericht des Bundesrechnungshofes (BRH), gebe das Wehrressort bis zu 150 Millionen Euro im Jahr nur für Berater aus – auf mindestens zweifelhafter rechtlichen Grundlage. Ein Bericht in einem internen Mitteilungsblatt einer Beamtenvertretung stützt die Vorwürfe.
Zunächst aus dem Bericht bei Spiegel Online:
In dem 18-seitigen Papier, das dem SPIEGEL vorliegt, beschreiben die Experten ein regelrechtes Chaos bei der Beauftragung von Beratern und erheben schwere Vorwürfe gegen die Leitung. Demnach gibt von der Leyens Haus bis zu 150 Millionen Euro jährlich nur für Berater aus. (…)
Noch schwerer wirkt dieses Prüfergebnis: So stellen die Experten fest, dass die Bundeswehr große Berater-Budgets „häufig freihändig ohne Wettbewerb“ vergeben hatte. Die Gründe dafür seien „nicht immer überzeugend“. (…)
„In über 80 Prozent der betrachteten Fälle hat die Bundeswehr den Bedarf für die Beauftragung externer Leistungen nicht nachgewiesen“, stellen die Prüfer nüchtern fest.
Nun steht die Stellungnahme des Ministeriums zu diesem BRH-Bericht noch aus. Interessant ist aber in diesem Zusammenhang ein Text, der bereits vor den Spiegel-Berichten erschien. Im zwar internen, aber öffentlich abrufbaren Mitteilungsblatt des Verbandes der Beamten der Bundeswehr (VBB), die im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAInBw) abeiten, der VBB-Brille.
Ein Auszug aus der Ausgabe 290:
Beraten und verkauft – als das Verteidigungsministerium die Gelddruckmaschine erfand
(…) Es geht um Beratungsleistungen, die vom BAAINBw selbst gar nicht nachgefragt worden sind. Das Konstruktionsprinzip dieser Maschine ist dabei gleichermaßen einfach, unscheinbar und genial zugleich: Man nehme einen allgemein gehaltenen Rahmenvertrag des Bundesinnenministeriums über die Erbringung von softwarebezogenen Dienstleistung mit einem Allround-Informationstechnikdienstleister, aus dem auch die Bundeswehr abrufberechtigt ist. Sodann konstruiere man dazu im Ministerium ein passendes Chassis, bei dem ein ganz anderes Äußeres beschrieben wird. Und letzten Endes beauftrage man das BAAINBw, Leistungen aus diesem Rahmenvertrag abzurufen, mit dem ausdrücklichen Wunsch, dabei aufgrund der dort vorliegenden Vorerfahrungen und der Vorkenntnisse auf bestimmte Unterauftragnehmer aus der Beratungsbranche zurück zu greifen.
Der Kreis derjenigen Beraterfirmen, die dabei eine Rolle spielen, braucht an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden, es sind die üblichen Verdächtigen, die bereits in den letzten 4 Jahren im Mittelpunkt standen. (…)
Not macht eben erfinderisch, auch wenn es eine gefühlte Not im Verteidigungsministerium ist: Denn ob die an die externen Berater beauftragten Leistungen tatsächlich notwendig waren, weil weder verwaltungsseitige Erkenntnisse vorliegen noch diese intern erarbeitet oder erworben werden können, wurde nicht geprüft und nicht hinterfragt. Und es wurde auch nicht untersucht, ob die gewählte Art der Bedarfsdeckung mit diesen Beratungsdienstleistungen überhaupt die wirtschaftlichste Alternative ist.
Die Gelddruckmaschine läuft, gut verborgen, unter dem Tarnnetz Modernisierung und Digitalisierung der Bundeswehr. Ein wenig ministerielles Schmiermittel aus dem nichtdienstlichen Bereich hat die Maschine so richtig gut zum Laufen gebracht. Insgesamt geht es dabei um zweistellige Millionenbeträge, was bei einem zu Buche schlagenden Tagessatz von rund 1800 Euro (das entspricht 36.000 Euro pro Monat) für einen Berater auch nicht verwunderlich ist.
Das ist für die internen Kenner geschrieben und deshalb für Außenstehende nicht so direkt verständlich, zeichnet aber schon mal in Teilen das Bild, das sich auch aus dem vom Spiegel zitierten Rechnungshof-Bericht ergibt. Der Vorwurf wiegt schwer: Das Ministerium soll gezielt Berater eingesetzt und bezahlt haben, obwohl die nötigen Leistungen auch intern hätten erbracht werden können.
Was aus dem bisher bekannt Gewordenen folgt, ist im Moment noch offen. Von den Haushältern der Opposition scheint bislang nur der Grüne Tobias Lindner öffentlich auf diesen Fall eingestiegen zu sein (jedenfalls habe ich sonst noch nichts gefunden):
Das Ministerium setzt inzwischen teure Unternehmensberater für Alltagsarbeit ein, statt offene Stellen zu besetzen. Grundsätzlich spricht nichts gegen eine punktuelle Beratung durch Externe. Diese kann sogar äußerst hilfreich sein. Der dauerhafte Einsatz von externen Beratern droht zu einem Kompetenzabbau in der Verwaltung zu führen und die Lücken im Ressort zu vergrößern. Das Vorgehen des Ministerium lässt erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass bedacht vorgegangen und nur das Notwendigste ausgelagert wird. (…) Wir haben einen Beschluss eingebracht, der die Berichterstattung an den Haushaltsausschuss ausweitet und somit mehr Transparenz schafft. Nicht nur Beratungsleistungen, sondern auch sogenannte Unterstützungsleistungen, die meist von Beratungsfirmen erbracht werden, sollen aufgeführt werden. Zudem muss mehr Transparenz über die bestehenden Rahmenverträge hergestellt werden.
Mal sehen, was daraus noch wird.
Nachtrag: Bei Spiegel Online gibt es dazu jetzt auch Stimmen aus der SPD und der FDP.
@Koffer
„…Erstens besteht ein erheblicher Beratungsbedarf für das Lösen der aktuellen Probleme (welche maßgeblich durch den zu kleinen Verteidigungshaushalt der letzten Jahre im Vergleich zur Größe der SK verursacht wurde)…“
Ich kann Ihre Logik nicht nachvollziehen. Die Bundeswehr hat im Bereich der Generale und Admirale immer noch die Anzahl des Kalten Krieges. Auch im Bereich der Stabsoffiziere ist erheblich weniger reduziert wurden als im Bereich der Truppe. Warum können BMVg und nachgerade Ämter und Kommandobehörden die Probleme der Bundeswehr nicht intellektuell alleine lösen? Das ist keine Frage der Höhe des Verteidigungshaushaltes.
„…zweitens war die Bw sämtliche Reserven im Bereich eigener Planung und Verwaltung abgebaut, weswegen für kurzfristige Fragen die personellen Spitzen durch externen Sachverstand ausgeglichen werden müssen…“
Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass die Bundeswehr zu wenig Personal in Ämtern und Behörden hat, oder doch?
Die Bundeswehr hat zuviel „Wasserkopf“ und zu wenig Truppe.
@Pete | 01. Oktober 2018 – 15:48
„Ich kann Ihre Logik nicht nachvollziehen. Die Bundeswehr hat im Bereich der Generale und Admirale immer noch die Anzahl des Kalten Krieges.“
Das ist ersten richtig, zweitens mehr als nur ärgerlich und hat drittens nichts mit dem hier anhängigen Thema zu tun.
„Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, dass die Bundeswehr zu wenig Personal in Ämtern und Behörden hat, oder doch? Die Bundeswehr hat zuviel „Wasserkopf“ und zu wenig Truppe.“
In der Tat der allgemeine Wasserkopf ist äußerst ärgerlich. Aber bei den Bereichen für die man im Regelfall externe Berater/Dienstleister verwendet, bringt das auch nicht weiter (IT, Technik, Rechtsberatung, Spezialwissen etc.).
@ Pete
Ja die BW ist seit den 90ern deutlich kleiner geworden aber auch gleichzeitig deutlich komplexer. Man hat mehr unterschiedliche Aufgaben, viel mehr Vorschriften zu beachten und mehr unterschiedliche Belange, teilweise auch multinational, unter einen Hut zu bringen. Es müssen viel mehr Daten und Informationen in schneller Zeit verarbeitet und umgesetzt werden.
Auch wenn ich kein Freund von Wasserköpfen bin muss ich sagen, dass dies nur mit mehr „Hirnschmalz“ möglich ist.
Manchmal bin ich dann doch immer wieder überrascht, wie sich mediale Aufmerksamkeit entwickelt und verlagert…!
Da gibt es Vorgängen, um nicht das Wort Skandal zu benutzen, die lassen ein Damoklesschwert in Form eines Untersuchungsausschusses über der Leitung der BMVg schweben und weder die (mediale) Öffentlichkeit noch die politische Opposition steigen da wirklich ein.
Selbst die Fachcommunity in AG fokussiert auf schwelende Moore (schlimm genug, dass sowas SO passiert ist!) und nicht ordnungsgemäß (?) beim KpChef abgemeldete Hauptfeldwebel (schlimm genug, dass sowas SO passiert ist/sein soll)…
Ich jedenfalls bin mächtig gespannt, was da noch alles ans Licht kommt und wer letztendlich im BMVg die Verantwortung dafür übernimmt!
@Wa-Ge
„…Auch wenn ich kein Freund von Wasserköpfen bin muss ich sagen, dass dies nur mit mehr „Hirnschmalz“ möglich ist…“
Ich bin immer wieder überrscht, dass offensichtlich jeder glaubt, dass in der Bundeswehr nur Deppen ohne „Hitnschmalz“ als Soldaten und Beamte arbeiten.
Ich teile diese Einschätzung nicht, sondern bin der festen Überzeugung, dass, wenn man auf den Sachverstand innerhalb der Bundeswehr in den letzten Jahrzehnten gehört hätte, viele der heutigen Probleme nicht existieren würden. Angrfangen hat das Elend mit der damaligen Privatisierungskampagne des Herrn Minister Scharping. Angeblich konnten die Privaten besser was jahrzehntelang in der Bundeswehr prima funktionierte.
Das Ergebnis ist bekannt: Nichts, aber auch garnichts ist mit diesen Initiativen besser geworden, Beispiel Bekleidungswesen.
Ich habe den Glauben an die größere Intelligenz der Wirtschaft nicht!
Was haben denn Frau Suder und Herr Dr. Scherf, die mit großen Ankündigungen von McKinsey kamen, nachhaltig verbessert? Mir fällt NICHTS ein.
@T.W.
Sorry falscher Thread, gelobe Besserung. Bitte Kommentar verschieben.
[Verschiebebühne defekt; bitte im richtigen Thread noch mal neu einstellen. T.W.]
@ Pete | 02. Oktober 2018 – 9:36
„Ich bin immer wieder überrscht, dass offensichtlich jeder glaubt, dass in der Bundeswehr nur Deppen ohne „Hitnschmalz“ als Soldaten und Beamte arbeiten.“
Das habe ich doch garnicht behauptet.
Ich habe nur gesagt, dass es durchaus Gründe geben kann, dass der Wasserkopf gleich groß / größer geworden ist, obwohl die Truppe reduziert wurde.
Berater sind ein anderes Thema und in bestimmten Bereichen kann die BW sich das Wissen vermutlich nicht schnell genug „Inhouse“ aneignen.
Woher Sollen Stabsoffiziere, die ich übertreibe absichtlich, Pädagogik Anfang der 90er studiert haben und danach nur noch Soldaten über Übungsplätze befehligt haben, Ihr wissen über IT, Cyber und was weiß ich noch generiert haben.
Sie haben zwei Möglichkeiten:
1. Sie schulen Ihr Personal
2. Sie holen das Wissen von Außen
Lösung 1 dauert, da Sie erst geeignete Ausbildungswege identifizieren und evaluieren müssen, führt aber langfristig zu einer nachhaltigeren Lösung.
Lösung 2 verspricht schnellere Lösungen.
Von Außen betrachtet scheint man nicht rechtzeitig die Weichen für Lösung 1 gestellt zu haben (die notwendigen Studiengänge an der BW Uni in München werden jetzt gerade erst langsam aus dem Boden gestampft) und man versucht nun den Dampfer mit Lösung 2 über Wasser zu halten.
Ein schönes Beispiel sind Filme der 90er Jahre. Überall da wo man von „military grade“ im Zusammenhang mit Technologie gesprochen hat, wollte man „state of the art“ andeuten. Heute kann man das bei der BW auch als Synonym für Technologien aus dem letzten Jahrtausend (bspw. SEM Familie) nehmen. Wo soll in solch einem Ökosystem internes state of the art Fachwissen generiert werden?
Wundert micht auch, dass dieses Thema/Skandal extrem flach und kurz in der Öffentlichkeit behandelt wird.
Hier geht es ja wirklich um einen Systemfehler und richtig viel Geld.
Nur 10 Prozent der Beratungsleistung eingespart (in einem Jahr) und jeder Feuerwehrmann in Meppen könnte 10.000 Euro Bar auf die Kralle bekommen.
Mal so ins Verhältnis gesetzt um welche Summen es hier und dort geht.
@Pete | 02. Oktober 2018 – 9:36
Volle Zustimmung.
Und man lernt bw-seitig nichts dazu, wie die Beispiele Fuhrpark und Bekleidung zeigen.
Unternehmensberatung nach ökonomischen Gesichtspunkten funktioniert eben nicht in einer Organisation, in der die meisten Entscheidungen aus politischem Kalkül heraus getroffen werden. Und das fängt bei Beschaffung und Standorten an und hört bei Einsätzen auf.
@julian1
Also mich wundert das nicht. So funktioniert unsere Medienöffentlichkeit. „Beratungsleistungen“ klingt erstens kompliziert (ein Journalist riskiert, sich damit länger als die für oberflächlichste Internetrecherchen noch erträglichen 60 Minuten einarbeiten zu müssen), ausserdem ist das Wort „Unternehmensberater“ so schön zivil. Da will man doch nicht kleinlich sein und der guten Frau vdL am Zeug flicken wollen …
Es fehlen die in unserer Öffentlichkeit notwendigen Reizwörter.
@Pio-Fritz
„Unternehmensberatung nach ökonomischen Gesichtspunkten funktioniert eben nicht in einer Organisation, in der die meisten Entscheidungen aus politischem Kalkül heraus getroffen werden. Und das fängt bei Beschaffung und Standorten an und hört bei Einsätzen auf.“
Schön auf den Punkt gebracht. Punktlandung!
Vielleicht sollte man erstmal klären, über welche Beratungsleistungen wir hier diskutieren.
Sind die 150 MIo Euro für die G.E.B.B bzw. dessen Nachfolgeorganisation Bw-Consulting aufgewendet worden oder handelt es sich um Aufträge an externe, nicht bw-eigene Beratungsgesellschaften ?
150 Mio Euro ist im Verteidigungsetat ein relativ kleiner Posten, aber solche personalisierte Beratungsleistungen sind stark korruptionsgefährdet, denn die tatsächliche Arbeitsleistung des Beraters kann man selten objektiv ermitteln.
(siehe auch den Wikipedia-Eintrag zu der g.e.b.b bzw. dessen Nachfolgeorganisation bwConsulting https://de.wikipedia.org/wiki/BwConsulting)
Wenn man sich die Geschäftsfelder, bzw. Projekte der BwConsulting mal in Ruhe anschaut, ist da in einigen Bereichen sicherlich Beratungsbedarf da (IT, Cyber usw.). In anderen Bereichen geht es aber nur um den Abbau von bw-eigenen Fähigkeiten, z.B. bei der Instandsetzung von Waffensystemen und der Lagerhaltung von Erstatzteilen. Das Beratungsergebnis ist immer das von der Politik und der Industrie gewünschte Ergebnis, das aber nicht in erster Linie die Einsatzbereitschaft oder die Effektivität der Bw erhöht sondern nur Gelder des EP 14 in den Wirtschafskreislauf bringt.
https://www.bwconsulting.de/projekte/
Jüngstes Beispiel, Airbus Denfence and Space baut in Manching ein Logistikzentrum für militärische Kampfflugzeuge auf. Das Projekt soll 60 Mio Euro kosten, 2020 fertig gestellr werden und mit der logistischen Vollversorgung der Truppe mit bis zu 100 000 Ersatzteilen endlich die Ersatzteilproblematik für fliegendes Gerät in den Griff bekommen.
Das hätte man alles früher haben können, wenn man den Beratern mit der „just in time“ Ersatzteillieferketten-Philosophie nicht gefolgt wäre und die bw-eigenen Depots mit den vorab gekauften und eingelagerten Ersatzteilen beibehalten hätte. Das war aber den Beratern vor 15 Jahren zu teuer und deshalb sind diese Einheiten geschlossen worden und die Einsparung sind als Rationalisierungserfolg der Berater, namentlich der gebb, verkauft worden. Die mussten ja jedes Jahr ihre Einsparerfolge versus den von ihnen verursachten Kosten nachweisen.
Jetzt also doch wieder eine zentrale Ersatzteilbevorratung mit vermutlich bereits vorab bezahlten Ersatzteilen, die nach Bedarf „sofort“ ausgeliefert wrden können.
Nebenbei bemerkt, damit wird ein weiterer Baustein des damaligen DASA-Konzeptes von 1994 erfüllt, wo die Schaffung eines „Kompetenzzentrums Kampfflugzeuge“, zentralisiert am Standort Manching, unter Mitarbeit von Soldaten (SysZ Eurofighter), Schritt für Schritt vorgeschlagen und jetzt verwirklicht wird.
Ob man für die Umsetzung eines industriellen Konzeptes in der Logistik wirklich bw-eigene Berater oder externe Berater braucht, sei dahingestellt.