Bundeswehr & re:publica – Fake News vom Soldatensender?

Die Aktion der Bundeswehr anlässlich der Internet-Konferenz re:publica hat hier und weiterhin in etlichen Diskussionen auf Facebook und Twitter die Wogen hochschlagen lassen. Am Rande dieser Debatte – und zwar dadurch ausgelöst, aber weit darüber hinaus gehend – stellt sich inzwischen die Frage, ob ein offizieller Social-Media-Kanal des Verteidigungsministeriums mit einer Falschmeldung die Debatte im Sinne des Ministeriums angeheizt hat.

Es geht um den oben abgebildeten Post des Bundeswehr-Betreuungssenders Radio Andernach auf dessen Facebook-Seite am 2. Mai, dem Tag der Aktion. Darin erklärt die Redaktion:

Zutritt verweigert. Unsere Hauptstadtkorrespondentin, Hauptmann Janika Papke, wollte heute eigentlich von der re:publica 2018 aus Berlin berichten.Sie stand jedoch vor verschlossenen Türen. Begründung: Kein Zutritt in Uniform.

Diese Aussage hielt die Redaktion von Radio Andernach eine Woche aufrecht. Am 9. Mai ergänzten die Veranstalter der re:publica ihre Chronologie des Vorfalls um diese Information:

Es liegt uns keine Presse-Anfrage von Janika Papke oder Radio Andernach vor. Weder Janika Papke noch Radio Andernach tauchen in der Liste der rund 800 im Vorfeld akkreditierten Journalistinnen und Journalisten auf. Nicht bei der re:publica, nicht bei der Media Convention. Am Mittwoch gab es keine nachträglichen Ad-hoc-Presseakkreditierungen.
Es gab im Vorfeld der rp18 keine Direktive „Kein Zutritt in Uniform“ an unser Team, auch nicht an die betreuende Security-Firma, in den Meetings mit der Security-Firma waren Uniformen überhaupt kein Thema.

Erst nach dieser Mitteilung der Veranstalter und auf die Nachfrage, ob die Redaktion bei ihrer Darstellung bleibe, reagierte Radio Andernach – in den Kommentaren zum ursprünglichen Posting. Dabei wurde die ursprüngliche Aussage aber nicht korrigiert, es war lediglich die Rede von möglichen Missverständnissen:

Wiederum zwei Tage später, am (heutigen) 11. Mai, veröffentlichte Radio Andernach ein gesondertes Posting, das aus Sicht der Redaktion einer Klarstellung dienen sollte:

Ungeachtet der ausgesprochenen Entschuldigung und der – angesichts gegensätzlicher Aussagen von Bundeswehr und re:publica strittigen – Frage, ob tatsächlich einzelnen Personen in Bundeswehruniform erklärt wurde, sie bekämen keinen Zutritt zur Veranstaltung: Die ursprüngliche Falschmeldung, der Redakteurin des Soldatensenders sei wegen der Uniform der Zutritt verweigert worden, wird weiterhin nicht zurückgenommen.

Das ist deshalb von Bedeutung, weil die ursprüngliche Falschmeldung die politische Debatte mit angefeuert hat. Die Behauptung, eine Soldatin habe wegen ihrer Uniform keinen Zutritt erhalten, war für zahlreiche Postings auf Twitter und Facebook ein Beleg dafür, dass die re:publica gegen die Bundeswehr handele (und die als Folge aufgestellten Aussagen von der Forderung eines Verbots dieser Veranstaltung bis zu einem Facebook-Kommentar einer CDU-Lokalpolitikerin, der die Veranstalter auf eine Stufe mit linksradikalen Gewalttätern stellte, erspare ich den Lesern an dieser Stelle, habe aber Screenshots).

Unterm Strich: Eine über sieben Tage noch nicht mal im Ansatz korrigierte Falschmeldung eines offiziellen Kanals der Bundeswehr hat die Debatte im Sinne des Dienstherrn beeinflusst.

Völlig unabhängig von dem zu Grunde liegenden Vorfall ist das ein schwer wiegender Vorgang. Dass eine solche Falschmeldung angesichts der angeheizten politischen Debatte auch Tage später nicht als Falschmeldung erkannt und folgerichtig korrigiert wurde, könnte einerseits einiges über die Arbeit der Redaktion aussagen.

Andererseits muss sich die Redaktion die Frage gefallen lassen, ob diese Falschmeldung gezielt entweder platziert oder auch nur stehen gelassen wurde. Offen ist zudem, in wessen Verantwortung diese Veröffentlichung letztendlich fällt: Radio Andernach gehört zum Zentrum für Operative Kommunikation der Bundeswehr in Mayen, untersteht aber fachlich dem Presse- und Informationsstab des Verteidigungsministeriums. Der wiederum verantwortete die Aktion vor dem re:publica-Gelände, und die Berliner Korrespondentin von Radio Andernach sitzt in der Zentralredaktion der Bundeswehr in Berlin und erfuhr, so die Aussage ihrer Zentrale in Mayen, in dieser Redaktion von der Aktion.

Das Verteidigungsministerium erklärte auf die Fragen dazu lediglich:

Radio Andernach hat bei Facebook ausführlich Stellung zum Sachverhalt genommen und ihren zuvorgehenden Post erklärt und eingeordnet. Somit ist er auch den Soldatinnen und Soldaten zugänglich. Ihren Hinweis, dass diese Einordnung nur in den Kommentaren erschienen ist, nehmen wir gern auf und werden im Laufe des Tages einen eigenständigen Post dazu bringen.
Zusammenfassend kann ich Ihnen nochmal sagen: die Bundeswehr wollte mit der Aktion darauf aufmerksam machen, dass uns eine generelle Teilnahme an der re:publica versagt wurde, weil Uniformen nachweislich auf dem Gelände nicht erwünscht waren.
Dieser Umstand ist zur Grundlage einer kontroversen Debatte geworden, die wir aufmerksam verfolgt haben.

Ob es zutreffend ist, dass Uniformen nachweislich auf dem Gelände nicht erwünscht waren, ist eine gesonderte Debatte (die sicherlich auch noch weitergehen wird). Zu der Falschmeldung selbst nimmt das Ministerium nicht Stellung. Auch die Frage, ob die Behauptung im Radioprogramm von Radio Andernach gesendet und ggf. korrigiert wurde, wurde nicht beantwortet.

Die Aufstellung und der Umgang mit der falschen Tatsachenbehauptung führt zudem zu der Frage, ob das Vorgehen den Grundsätzen der Bundesregierung und damit ihrer Ressorts und nachgeordneten Bereiche entspricht. Ebenso muss es sich an der Zentralen Dienstvorschrift der Bundeswehr Die Sozialen Medien in der Informationsarbeit messen lassen.

Wer diese Frage direkt an Radio Andernach unter dem Posting auf deren Facebook-Seite richtet, bekommt zwar keine Antwort von Radio Andernach – aber von empörten Lesern der Seite:

Thomas Wiegold, mir ist beigebracht worden, das ich erst alles lesen oder anhören soll, um dann darauf zu antworten. Bekanntlich, „lesen bildet“. Das würde Ihnen auch nicht schaden!!!
Ich habe grundsätzlich etwas dagegen, wenn Menschen wie Sie einer Soldatin mit haltlosen und dummen Kommentar versuchen etwas zu unterstellen!

Eine Reaktion der Redaktion dazu oder eine Antwort auf meine Frage gab es auch Stunden später nicht – auch das nicht im Einklang mit der Zentralen Dienstvorschrift:

414. Jede Frage ist möglichst innerhalb einer Stunde zu beantworten, sicher jedoch noch am selben Tag. Sollte dies auf Grund der Tiefe oder Komplexität der Frage nicht möglich sein, ist die Nutzerin bzw. der Nutzer auf eine spätere Antwort hinzuweisen (Zwischenbescheid).
(…)
422. Für alle Kanäle der Bundeswehr in Sozialen Medien gilt die einheitliche Netiquette. Sie weist die Nutzerin bzw. der Nutzer eindeutig auf die Konsequenzen von Verstößen hin. Alle Kommentare
und Nutzerprofile mit:
• beleidigendem Inhalt,
• Verleumdungen, übler Nachrede und Provokationen,
• vulgären, Gewalt verherrlichenden, diskriminierenden, rassistischen, ausländerfeindlichen, sexistischen, hasserfüllten, hetzerischen Inhalten,
• extremistischen Meinungsäußerungen,
• allgemein strafrechtlich relevanten Inhalten
sind durch die Community-Managerin/den Manager umgehend zu löschen. Entsprechende Nutzerprofile sind zu blockieren.

Das ist jetzt, noch einmal zur Klarstellung, nicht die Debatte über den Komplex re:publica. Sondern die ernstlich nötige Frage, ob ein offizielles Regierungsorgan mit Fake News in eine politische Debatte eingegriffen hat.

(Deshalb auch die dringende Bitte, in den Kommentaren nicht an dieser Stelle eine Debatte über Bundeswehr vs. re:publica zu führen, sondern bei dieser konkreten Fragestellung zu bleiben.)