Falsche Blauhelme griffen UN-Truppe in Mali an
Die UN-Blauhelmtruppe und französische Soldaten in Mali sind am Wochenende erneut angegriffen worden – und auch wenn dieser Angriff bei Timbuktu und damit außerhalb des eigentlichen Einsatzgebiets der Bundeswehr in der UN-Mission MINUSMA stattfand, ist hier ein Hinweis nötig: Die Art des Angriffs bedeutet für den internationalen Einsatz in dem westafrikanischen Land eine neue Qualität. Es war ein komplexer Angriff, und die Angreifer tarnten sich als UN-Blauhelme.
Ein UN-Soldat wurde dabei getötet, sieben französische Soldaten der Operation Barkhane und weitere Blauhelme wurden verwundet. Offensichtlich konnte der Angriff vor allem deshalb zurückgeschlagen werden, weil die Franzosen am gleichen Ort waren und ihre Feuerkraft einsetzen konnten.
Aus der Mitteilung von MINUSMA am (heutigen) Sonntag:
Gestern [Samstag] Nachmittag haben die MINUSMA-Friedenstruppen in Timbuktu in enger Abstimmung mit den internationalen Streitkräften einen komplexen Großangriff tapfer abgewehrt.
Gestern gegen 15:00 Uhr wurden das MINUSMA-Lager und das Flughafengelände von Timbuktu zum Ziel von Raketen- oder Mörserfeuer, gefolgt von heftigem Schusswechsel und der Explosion von mindestens einem mit Sprengstoff beladenen Selbstmordfahrzeug in der Nähe des Lagers.MINUSMA, malische Verteidigungs- und Sicherheitskräfte und internationale Streitkräfte neutralisierten mehrere andere Angriffsfahrzeuge, von denen einige mit den Emblemen der Malischen Nationalen Streitkräfte (FAMas) und der Vereinten Nationen gekennzeichnet waren, und eliminierten eine beträchtliche Anzahl von Angreifern mit Sprenggurten. Einige von ihnen trugen Blauhelme.
Ein UN-Friedenssoldat wurde bei der Verteidigung des Lagereingangs getötet, sieben weitere wurden verletzt. Auch Mitglieder der internationalen Streitkräfte und zwei Zivilisten wurden verletzt.
(Übersetzung mit Hilfe von deepl.com)
In der Meldung der französischen Streitkräfte, ebenfalls vom Sonntag, klingt es noch ein wenig drastischer:
Am 14. April haben die UNMISMA-Truppen und die französischen Streitkräfte in Timbuktu einem besonders komplexen und hinterhältigen Angriff bewaffneter Terroristengruppen entgegengewirkt.
An diesem Tag, ab 17.00 Uhr Pariser Zeit, wurde das MINUSMA-Lager, in dem eine Abteilung französischer Soldaten der Operation Barkhane stationiert ist, von Terroristen angegriffen, die teilweise als Blauhelme verkleidet waren und Fahrzeuge mit Kennzeichnung der UN und der malischen Streitkräften verwendeten. Dieser Angriff sollte die Kontrolle über dieses Lager übernehmen und den größten Schaden anrichten. Dies beinhaltete indirektes Feuer, vermutlich Mörserfeuer, und die Explosion von drei Fahrzeugbomben, um einen Bruch im Gelände zu verursachen. MINUSMA- und Barkhane-Soldaten wehrten Angriffe innerhalb des Geländes ab und neutralisierten die Angreifer. Einige Terroristen waren mit Sprengstoffgürteln ausgestattet.
Von Gao und Niamey wurden sofort zusätzliche Ressourcen eingesetzt: eine Mirage 2000-Patrouille, eine Tiger-Hubschrauber-Patrouille sowie Spezialkräfte, die mit NH90-Hubschraubern und taktischen Transportflugzeugen verlegt wurden.
Das Engagement von Kräften der Operation Barkhane ermöglichte es, zuerst den Flughafen zu sichern, um die Verwundeten zu evakuieren und dann, mit MINUSMA, die Kontrolle wiederzuerlangen. Die Situation war am Morgen des 15. April stabilisiert.
Mindestens 15 Terroristen wurden außer Gefecht gesetzt. Sieben französische Soldaten wurden verwundet, sie wurden in den französischen medizinischen Strukturen in Gao (Mali) versorgt.
(Übersetzung mit Hilfe von deepl.com)
Unklar ist, welche NH90-Hubschrauber hier zum Einsatz kamen. Nach Angaben des Einsatzführungskommandos waren nach bisherigem Kenntnisstand keine deutschen Helikopter beteiligt; allerdings sind nur deutsche und belgische NH90 in einem gemeinsamen Verband in MINUSMA integriert; französische NH90 eher nicht. Korrektur: Irrtum meinerseits; Frankreich ist in Mali auch mit NH90 Caïman präsent.
(Archivbild Dezember 2016: Patrouille der UN-Polizei bei Timbuktu)
BEL hat in GAO seit 1. März und noch bis 30. Juni zwei NH 90 im Einsatz, Nachfolge auch durch BEL Kräfte.
https://www.mil.be/nl/artikel/nh90s-operationeel-mali
Auf den Webseiten der BEL Streitkräfte wird zu eigenen NH-90 in obigem Zusammenhang nichts ausgesagt, auf den NLD Seiten auch nicht.
Der FRA Anteil bei Barkane „soll“ 20 Hubschrauber umfassen, Tiger und AS532 Cougar.
Falls NH-90 bleibt die Frage der Bestätigung, und, von wem gestellt? EinsFüKdo MUSS solches wissen!
Der Anschlag wird „Al Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI)“ zugeschrieben.
Das Einsatzführungskommando hat’s noch mal geprüft und bleibt dabei, dass keine deutschen Soldaten beteiligt waren. (Evtl. haben die Franzosen da einen Fehler in ihrer Meldung?)
Die Franzosen sind mit Tiger, NH90, Puma und Gazelle in Gao. Also werden es wohl deren NH90 sein wenn es keine DEU oder BEL wären.
Barkhane fliegt doch auch NH90 Caïman? https://youtu.be/-_mKgM-nuOI
Die Aufzählung der Mittel in der fränzosischen Mitteilung enthält ja lediglich eigene Mittel.
Yep, Irrtum meinerseits; die Caïman hatte ich nicht auf dem Schirm.
@T.W.:
Auch aus der Formulierung des französischen Verteidigungsministerium ist es ja naheliegend, dass die NH90 aus dem SOF-Bereich von Barkhane kommen.
Da fragt man sicherlich bei uns nach.
@all
Die wachsenden Fähigkeiten von AQIM sind keine Überraschung. Ein strategisches Problem für Europa.
Operativ ein echtes Problem für MINUSMA und taktisch auch ein erhebliches Problem für das DtEinsKtgt.
Als Erinnerung nochmal:
Deutschland hat durch Lösegeld AQIM mit groß gemacht (http://augengeradeaus.net/2012/11/de-maiziere-lasst-mandat-fur-moglichen-mali-einsatz-offen/comment-page-1/#comment-45848).
@Memoria
Das Zitat von damals lässt sich leider nicht mehr finden, der Artikel ist aus dem Netz verschwunden. Weder bei web.archive.org noch bei archive.is ist er zu finden.
Sowas in Zukunft einfach mal zur Speicherung bei den Archiven „einreichen“. Dauert nur ein paar Sekunden (Browser Plugin kann helfen).
Bei Youtube kann ich auch keinen Beitrag finden.
@SvD
Bei mir funktioniert der Link.
@Memoria
Vielen Dank für die Rückblende, sehr aufschlussreich. Bei den Lösegeldern muss man fairerweise erwähnen, dass das seinerzeit gängige Praxis war. Es gab auch keine Alternativen.
Und wie man aus dem Artikel der DW entnehmen kann, hat sich sowohl die malische Regierung, die S5 und die UN mit einem militärischen Einsatz in Mali sehr schwer getan, so das die Islamisten genug Zeit hatten sich zu etablieren.
Die Tarnung als UN-Truppe bedeutet eine neue Qualität in dem Konflikt, militärisch wohl kaum zu lösen.
@ Pio-Fritz | 16. April 2018 – 10:18:
„Die Tarnung als UN-Truppe bedeutet eine neue Qualität in dem Konflikt, militärisch wohl kaum zu lösen.“
Interessant wäre in diesem Zusammenhang, welche Fahrzeuge die Angreifer genutzt haben. Falls es Technicals oder ganz einfach Geländewagen waren – wovon ich ausgehe -, dürfte in Zukunft die Schwierigkeit darin bestehen, solche Vehikel von denen afrikanischer (oder nahöstlicher) Partnernationen zu unterscheiden.
@Bürger
Es waren Toyota. In NLD Presse sind Fotos verfügbar. UN-„Weiß“ plus Emblem UN an den Seiten.
[Bitte ein Link; bislang habe ich noch kein einziges Bild von dem Angriff gesehen, nur Archivbilder. T.W.]
@Pio-Fritz
„Die Tarnung als UN-Truppe bedeutet eine neue Qualität in dem Konflikt, militärisch wohl kaum zu lösen.“
Tarnen und Täuschen stellt eine militärische Normalität dar, auch in dieser Region, z.B.: https://en.wikipedia.org/wiki/In_Amenas_hostage_crisis
Die militärische Lösung dafür stellt die Aufklärung entsprechender feindlicher Netzwerke und deren Bekämpfung von der Spitze beginnend dar. Da Deutschland so etwas nicht tut, ist dieses Problem nur für Deutschland nicht militärisch lösbar. Die Franzosen hingegen sollten das als im Vergleich zu Deutschland ernstzunehmener militärischer Akteur hinbekommen.
https://static.un.org/sg/en/content/sg/statement/2018-04-15/statement-attributable-spokesman-secretary-general-attack-against
https://www.weeklytimesnow.com.au/news/militants-disguised-as-peacekeepers-attack-french-and-un-bases-in-mali/news-story/02e7fedc0e0588b064445b667a72df8a
https://www.vrt.be/vrtnws/nl/2018/04/15/een-dode-bij-aanval-op-vn-basis-en-franse-basis-in-mali/
Diese NLD-sprachige https://nl.wikinews.org/wiki/Timboektoe:_aanval_op_VN-missie_en_operatie_Barkhane meldet zwei Fz, eines in UN-Aussehen, das andere im Stil der FAMA als im Gebrauch der Angreifer.
[Sie haben behauptet, hier in einem Kommentar: „Es waren Toyota. In NLD Presse sind Fotos verfügbar.“ Kein einziges Bild ist verfügbar, weder in der niederländischen Presse noch sonst wo, alle Links oben enthalten Archivfotos, der Wikipedia-Link gibt die Aussagen der UN bzw. der Franzosen wieder, wie sie auch oben im Text stehen. So funktioniert das nicht; solche falschen Behauptungen finden hier nicht mehr statt. T.W.]
@Simon Wendler | 16. April 2018 – 16:12
Interessanter Beitrag, kannte ich noch nicht. Aber was hat das mit „tarnen und täuschen“ zu tun? Das war ein ganz „normaler“ terroristischer Überfall.
Hier ist doch die neue Qualität, das die Kennzeichnung der UN für terroristische Überfälle missbraucht wird.
Ihr Vorschlag zur Aufklärung hört sich vom grünen Tisch gut an, aber nicht nur DEU hätte damit Probleme. Das wäre auch keine militärische Aufgabe.
@Pio-Fritz | 16. April 2018 – 17:06
„Ihr Vorschlag zur Aufklärung hört sich vom grünen Tisch gut an, aber nicht nur DEU hätte damit Probleme. Das wäre auch keine militärische Aufgabe.“
Das kommt auf den Konflikt und das Mandat an. Unter den aktuellen Einsatzbedingungen für DEU in Mali haben Sie damit Recht, aber warum sollte ein Targeting von „feindlichen Netzwerken“ für DEU grundsätzlich keine militärische Aufgabe sein?!
@TW Im Weeklytimesnow Artikel war ein Twitter-Link drin der ein Photo eines nicht explodierten Fahrzeugs des Angriffs zeigen soll.
https://twitter.com/MENASTREAM/status/985256454360895488
@Pio-Fritz: Also wirklich neu ist vielleicht nur der abgesessene Einsatz – weisse Fahrzeuge mit (etwas improvisierten) UN-Schriftzügen gabs schon im November 2016 (https://twitter.com/HKaaman/status/985282338333560832). Die UN sind ja zumindest für die zivilen Fahrzeuge ganz ordentlich im Tracken der eigenen Bewegungen – insofern wäre Erkennen von getarnten/nachgestellten Fz eigentlich lediglich ein Informationsproblem.
@ Simon Wendler | 16. April 2018 – 16:12:
„Tarnen und Täuschen stellt eine militärische Normalität dar […]“
Mir ist schon klar, dass das Terroristen höchstwahrscheinlich nicht interessiert, aber ein Angriff, bei dem fremde Hoheitszeichen und Uniformen zum Einsatz kommen, ist keine Maßnahme des Tarnens und Täuschens, sondern ein Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung.
@ T. W.:
In die Meldung der Weekly Times ist ein Tweet mit einem Bild vom 14. April eingebunden. Meines Erachtens handelt es sich bei dem gezeigten Fahrzeug tatsächlich um einen Toyota J70.
Ist die Verwendung von falschen Kennzeichnungen wirklich eine neue Qualität?
M.W. ist der Angriff auf das Radisson in Bamako vor einiger Zeit mit Diplomaten-Kennzeichen durchgeführt worden.
Wikipedia erinnert sich auch noch daran:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_das_Radisson_Blu_Hotel_in_Bamako_am_20._November_2015
Da bei diesem Angriff gem. den Meldungen auch Steilfeuer (Mörser etc.) erwähnt worden ist, wird doch der Effektor für MANTIS im Lager CASTOR bestimmt sofort nachgeführt……
(oder wer trägt die Verantwortung, wenn etwas durch das momentane Nichtvorhandensein passiert?)
@SvD und Pio-Fritz:
Nochmal zum Rückblick (die links funktionieren bei mir so wie die vorherigen zumindest bei mir). Die Geiseln wurden sogar aus Gao ausgeflogen:
http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/3163197.stm
Noch ein sehr guter Hintergrund zu den damaligen Aktivitäten und deren Folgen:
https://www.nytimes.com/2014/07/30/world/africa/ransoming-citizens-europe-becomes-al-qaedas-patron.html
Alternativen gab und gibt es – auch in diesem Fall.
Es fehlte aber der Mut.
Wie immer in diesem Pollitikfeld werden die Folgen von Entscheidungen mit großer zeitlicher Verzögerung auf der strategischen Ebene sichtbar, auch wenn diese weit voraus auf anderer Ebene absehbar waren.
Übrigens ist aktuell auch in Niger ein Deutscher entführt worden:
http://m.spiegel.de/politik/ausland/niger-deutscher-entwicklungshelfer-in-niger-entfuehrt-a-1202472.html
In dem Fall wohl ein IS-Hintergrund.
Man kann auch da wieder „Zeit kaufen“ oder das Thema frontal angehen. Wieder eine Frage des politischen Willens.
So langsam scheint auch etwas breiter klar zu werden, was sich in der Sahel-Zone zusammenbraut:
http://m.spiegel.de/politik/ausland/mali-und-die-islamisten-ein-neues-afghanistan-in-afrika-a-1203522.html
Aber auch da die Parallele zu AFG:
Möglichst lange alles negieren.
Wie zu letzt die Ministerin.
Wenn es zu spät ist, dann ist man in Regierung und Parlament wieder ganz überrascht.
Abziehen oder massiv verstärken (bei Barkhane) sind die Handlungsmöglichkeiten. Wobei zweitere Option wohl praktisch kaum umsetzbar wäre.
@Bürger | 16. April 2018 – 18:09
Ich vermute einmal das es den Terroristen so ziemlich „Wurst“ ist, was in der Haager Landkriegsordnung niedergeschrieben steht! Ebenfalls ist Genf und ihre „Geneva Convention of 1949“ auch weit weg!
Leider….denn im offenen Kampf würden solche Gruppierungen sich i.d.R. eine blutige Nase holen.