Zustand der Bundeswehr: Neuer Lesestoff
Zur materiellen Lage der Bundeswehr am (heutigen) Donnerstagmorgen zwei Lesehinweise – und es wird kaum überraschen, dass es nicht um positive Nachrichten geht.
Der Welt-Kollege Thorsten Jungholt hat einen internen Bericht zu dieser Materiallage in die Hand bekommen – vermutlich den Bericht, den das Ministerium dem Parlament im vergangenen Jahr mit der Begründung nicht weitergeben wollte, es gebe noch keinen Verteidigungsausschuss. ** Vielleicht hat es ja auch mit dem Inhalt zu tun:
Aus einem vertraulichen Papier des Verteidigungsministeriums geht hervor, dass der für die Aufgabe [der NATO-Speerspitze, T.W.] vorgesehenen Panzerlehrbrigade 9 in Munster derzeit nur neun von 44 vorgesehenen Leopard-2-Kampfpanzern zur Verfügung stehen. Von den 14 benötigten Marder-Schützenpanzern sind nur drei einsatzfähig. Gründe sind die mangelnde Ersatzteilversorgung und hoher Wartungsaufwand. Es fehlen auch Nachtsichtgeräte, Granatmaschinenwaffen, Unterstützungsfahrzeuge, Winterbekleidung und Schutzwesten.
Und Probleme gibt es nicht nur beim Heer:
So hat sich die Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme Eurofighter, Tornado (Kampfjets) und CH-53 (Transporthubschrauber) weiter verschlechtert. Jedes dieser Waffensysteme steht statistisch nur vier Monate im Jahr für Einsatz, Ausbildung und Übung zur Verfügung.
Die Online-Fassung des Welt-Berichts gibt es hier*.
Ergänzend dazu der Blick von außen: Die Financial Times hat eine sehr lange Bestandsaufnahme der deutschen Streitkräfte veröffentlicht. Die einzelnen Fakten sind den Augen geradeaus!-Lesern alle bekannt; als Zusammenschau mit den Augen der ausländischen Öffentlichkeit wirken sie (erneut) vernichtend:
German military: combat ready?
(Der Link funktioniert nicht für alle – deshalb auf dem Umweg über einen Tweet:
„Let’s not make too fine a point about this: the situation of Germany’s armed forces is dramatically bad. It will take a lot of time to turn this around.”@Ce_Moll in @FT
(In other words: readiness of now famous hipster bearded soldier is deceiving).https://t.co/FdfjLYPo9w— Thorsten Benner (@thorstenbenner) February 15, 2018
*Deutsche Verlagswebseiten werden hier i.d.R. nicht verlinkt; in diesem Fall scheint wieder eine Ausnahme gerechtfertigt.
**Bei weiterem Nachdenken: Es handelt sich vermutlich wohl doch nicht um den Bericht zur Lage der Hauptwaffensysteme – denn der orientiert sich eben an den Waffensystemen, nicht an NATO-Verpflichtungen. Also doch ein anderer Bericht, nach dem ich jetzt mal suche.
(Archivbild: Soldaten des Jägerbataillons 1 üben als Teil eines britischen Gefechtsverbandes die Interoperabilität während der Übung Lightning Ace II auf dem Truppenübungsplatz Salisbury Plains/Großbritannien am 20.11.2017 – Bundeswehr/Mario Bähr)
Sie bringen es wirklich sehr schön auf den Punkt. Nichts anderes wollte ich Eingangs ausdrücken mit “ was ist mein Job, wie kann ich auf meinem Arbeitsplatz -mit meiner mir übertragenen Aufgabe auf dem Dienstposten- daran arbeiten, die Trendwenden umzusetzen“
Mein lieber Grashüpfer,
ich halte das für eine Nebelkerze. Wir sind uns doch alle einig, dass es gerade auf den untersten Führungsebene immer noch zehntausende Soldaten gibt, die treu dienen und wirklich alles versuchen, teils auch unter Umgehung von Vorschriften, um den Dienst- und vor allem Übungsbetrieb aufrecht zu erhalten.
Diese „stille Reserve“ an Improvisation und Engagement des einzelnen Soldaten ist es doch, was den ganzen Laden noch irgendwie am Laufen hält und was aber auch schon seit Jahr und Tag als selbstverständlich erachtet und vor allem auch einkalkuliert („Sie machen das schon“) wird. Da gibt es keine Reserven mehr zu heben.
Dazu kommt: Wenn die ganze Struktur zu bürokratisch ist und es zu viel Ämter und Stäbe gibt, dann WILL ICH GAR NICHT, dass sich all diese Schreibtischtäter noch mehr anstrengen, denn die Anstrengung in ihrem Fachbereich produziert nur noch mehr Abfragen, Weisungen, Materialsperrungen, Anweisungen für Weiterbildungen usw. usw. die die Truppe von ihrer eigentlichen Aufgabe abhalten und , seien die Maßnahmen im Einzelnen auch sachlich richtig und gut gemeint, in der Masse am Ende nur behindern.
Sicherlich ist die Frage an sich selbst „Was kann ich beitragen?“ völlig richtig und sollte selbstverständlich sein, aber die Probleme sind weit größer, als dass wir sie allein damit in den Griff bekommen.
@Alex
Offensichtlich haben Sie das Prinzip hinter ZMZ undem damit einhergehenden Subsidiaritätsprinzip nicht verstanden. Die Bw ist nicht der erste Ansprechpartner in der Katastrophenhilfe. Und was nicht verfügbar ist, ist eben nicht da.
@Grashüpfer
Sie haben ein falsches Bild vom wirklichen Dienstbetrieb auf der ausführenden Ebene. Wenn Sie schreiben, dass jeder doch mal endlich seine Anfragen beantworten soll:
Was denken Sie, warum man nicht alles bearbeiten kann zu dem Zeitpunkt, wenn es eintrifft? Warum man nicht ans Telefon geht, wenn es klingelt?
Wissen Sie, auch die untere Ebene sortiert das Unsinnige gnadenlos aus. Mit dem Ergebnis, dass man ein Haltungsproblem attestiert bekommt. Das ganze nennt sich Zeitmanagement und wird intuitiv erledigt.
Würde wir das machen wollen, dann wäre doch die Aufgabenbeschreibung näher liegend. Erste, zweite, dritte Hauptaufgabe, ein oder zwei Nebenaufgaben im übergreifenden Rahmenkonstrukt und alles wäre klar?! Oder nicht?
Haben Sie eine Vorstellung was dann noch funktionieren würde?
Das ist doch nur eine Durchhalteparole zur Augenwischerei der überlasteten Soldaten. Keine Wende in Sicht hier unten! Im Gegenteil, die Führungsebenen schöpfen noch die Creme ab und entsorgen unliebsame Mitstreiter außer Sichtweite.
Wer will schon die Wahrheit hören oder glauben?
Nichts macht mehr Spaß, als eine Vorlage zur Entscheidung für einen 2-Sterner durch mehrere Führungsebenen mit entsprechenden Mitzeichnungsgängen vorzubereiten, in der es um die Abgabe von Einzel(Hochwert)Fahrzeugen von einem Btl einer Brig an ein anderes Btl einer anderen Brig geht. ;-)
@Pio-Fritz
Die Länder müssen die Bundeswehr nicht finanzieren für seltene Extremereignisse. Dass der zivile Katastrophenschutz nicht mehr die letzte Verteidigungslinie darstellt, bedeutet dann leider, dass die letzte Verteidigung im Zweifelsfall noch mehr leisten muss.
@Alex, Pio-Fritz
Wie im anderen Faden gilt auch hier: Wenn Sie sich weiter in Kästchenkunde zu Details ergehen wollen, bin ich gerne beim gegenseitigen Austausch der Mailadressen behilflich.