Netanjahu und die Drohne: Vergleich von Iran und Nazi-Deutschland
Das dürfte als einer der öffentlichkeitswirksamsten Auftritte der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz im Gedächtnis bleiben: Die Rede des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu, der plötzlich ein Stück Metall in die Höhe hob. Teile der iranischen Drohne, die Israel vor einer Woche über seinem Staatsgebiet abschoss. Und seine direkte Ansprache an den iranischen Außenminister Mohammed Jawad Sarif, ebenfalls Gast der Sicherheitskonferenz: Erkennen Sie das? Sollten Sie, das gehört Ihnen.
Natürlich wird das Foto oben Wahrnemung und Optik prägen, und das dürfte beabsichtigt gewesen sein. Denn der israelische Premier wollte einen Punkt machen, der so zumindest in Europa nicht widerspruchslos geteilt wird: Der Iran, so der Tenor seiner Rede, ist mit einer nach wie vor möglichen atomaren Aufrüstung eine Gefahr nicht nur für die Region, sondern darüber hinaus auch für Europa und die ganze Welt.
Netanjahu griff dazu bewusst auf das Ereignis zurück, dass mit München, dem Ort der Sicherheitskonferenz, vor 80 Jahren verbunden wird: Das Münchner Abkommen, in dem 1938 Großbritannien und Frankreich mit den faschistischen Regierungen Deutschlands und Italiens eine scheinbar friedliche Lösung für eine Krise fanden. Wie damals dieses Abkommen letztlich Hitler nicht gestoppt und damit den Zweiten Weltkrieg ermöglicht habe, so drohe jetzt die Gefahr, dass das Atom-Abkommen mit dem Iran erneut einen Krieg herbeiführe.
Natürlich beeilte sich der israelische Regierungschef, zumindest formal zu sagen, dass er nicht Iran und Nazi-Deutschland gleichsetze. So gebe es (und das funktioniert nur im englischen Original der Rede) zwar nicht die Nazi-Ideologie der Master Race, dafür aber den Versuch, den Master Faith durchzusetzen – also eine Glaubens-Diktatur. Doch es gebe bedrückende Ähnlichkeiten beider Regime, nicht zuletzt das Ziel, mit Aggression und Terror die Welt zu beherrschen.
Er habe eine Nachricht für die Tyrannen in Teheran, rief Netanjahu dann dem iranischen Vertreter zu: Stellen Sie nicht Israels Entschlossenheit auf die Probe. Und: Aus der Geschichte des Münchner Abkommens habe Israel gelernt, dass Beschwichtigungspolitik einen Krieg wahrscheinlicher werden lasse. Diesen Fehler, so die mehr oder weniger ausgesprochene Drohung, werde das Land nicht machen.
Das Video mit Netanjahus Rede gibt es hier.
Es war Netanjahus erster Auftritt vor der Münchner Sicherheitskonferenz. Und er beeindruckte nicht alle seine Zuhörer: Auch wenn das derzeitige Abkommen mit dem Iran keineswegs perfekt sei – so wisse doch jeder: kein Abkommen – keine Inspektionen – der schnelle Weg zur Atombombe, twitterte der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour.
Der (verbale) Schlagabtausch in München ist übrigens noch nicht zuende: am Mittag ist die Rede des iranischen Außenministers geplant.
(Foto: MSC/Preiss)
Ich freue mich schon auf die Reaktionen derjenigen hierzulande, die in diesem Fall davor warnen, dass jemand die Lehren aus der Geschichte bitte schön nicht allzu wörtlich nehmen soll!
Die MSC ist nicht die Vollversammlung der VN. Ich sehe die Politisierung der Konfernz negativ, dies wird ihrem Anspruch auf einen eher neutralen fachlichen Austausch nicht gerecht.
Gleichzeitig arbeitet Israel mit Saudi-Arabien eng zusammen…..
@JCR
Folgerichtige Kooperation. Schließlich ist das KSA in Konkurrenz um die Hegemonie auf der Halbinsel, und dann noch um die Dominanz im Islam.
Fakt ist, Iran ist nicht der Hauptsponsor des weltweiten Salafismus, sondern Saudi-Arabien.
De facto ist Israel im Moment Verbündeter der Strömung des Islam, welche die größte Bedrohung darstellt.
Interessant ist, wie sich der Narrativ geändert hat. Erst wurde behauptet, dass die Drohne über den (besetzten) Golanhöhen abgeschossen wurde, sobald sie eingedrungen war. Einen Tag später soll die Drohne allerdings südwestlich der Golanhöhen abgeschossen worden sein – also auf isr. Staatsgebiet.
Dass Netanjahu schon seit Jahren den Konflikt mit dem Iran beschwört und jede Verständigungspolitik ablehnt, ist bekannt. Dass er aber gerade zu diesem Zeitpunkt noch ein paar Gänge hochschaltet, hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass ihm innenpolitisch das Wasser gerade bis zum Hals steht – die israelischen Polizeibehörden haben ja vor einigen Tagen ihre Anfangsermittlungen zu Netanjahus Korruptionsaffären mit der Empfehlung, Anklage zu erheben, abgeschlossen.
@Klauspeterkaikowsky
Folgerichtig wäre die Aufrüstung beider Seiten, wobei man sich selbst zurückhält. Wir sehen allerdings eine Eskalation in alllen Bereichen, die eher zu einem Zusammenrücken der Schiiten geführt hat!!
wird hier wieder das Narrativ mit der Ambivalenz des Adjektivs von Staatsnamen in Anspruch genommen? Oder täusche ich mich da?
Ist die „iranische“ Drohne so iranisch wie die Leoparden in Afrin „deutsch“ sind? Also: Gäbe es einen Sprecher der Kurden auf der MSC – könnte der mit gleichem Recht ein Panzerteil hochhalten und zu Vertretern der BuRe sagen: „Erkennen Sie das? Sollten Sie – das gehört Ihnen“?
[Ich glaube, das ist ein Irrtum – die Israelis sprechen ja nicht von einer von Iran gelieferten Drohne, die von Syrien genutzt wird, sondern werfen dem Iran die Nutzung dieser Drohne vor. Insofern nicht der gleiche Sachverhalt wie die von Deutschland gelieferten Leopard-Kampfpanzer der türkischen Streitkräfte. T.W.
Die Besandsaufnahme der SiPo Welt ist ernüchternd……doch was bedeutet dies für Europa, was ist zu tun?
Die größte Gefahr für Europa ist wohl nicht, dass es angegriffen wird, sondern dass es durch seine außereuropäischen Verbündeten in einen Konflikt gezogen wird.
Europa benötigt eine SiPo Positionierung und sollte das Militär gerade nicht als ein Mittel der Politik betrachten, sondern als „ultima ratio“ denn alles andere kann Europa nicht gewinnen.
Europa ist zu verletzlich und im Grunde nur ein Wurmfortsatz Asiens. Bald hängt Europa am seidenen Faden Chinas und ein Husten würde uns schon jetzt in die Grippe treiben.
@elahan
Was hindert Europa daran, „Stop“ zu sagen? Davon ab divergieren die Interessen der Mitglieder eben stark, und leider macht DEU immer nolens volens mit, ohne wirklich überzeugt zu sein. Was sich dann auch in der Umsetzung zeigt.
@JCR: Wie kommen Sie darauf, dass aus israelischer Sicht der Salafismus die größte Bedrohung ist?
@Thomas Melber
Wir Europäer haben alle das selbe Interesse unser Recht und unsere Freiheit. Doch leider haben zB gerade unser Nachbar im Osten aus innenpolitischen Gründen kurzfristig andere Interessen, auch wenn sie am Ende gegen die Interessen der Bürger wirken. Die wird Putin und Trump nutzen, sollte die europäische Zivilgesellschaft keine Gegenwehr bilden.
Es kommt wie vor dem 1. und 2. WK auf die meinungsbildende Schicht an, biedert sie sich den neuen Geistern an oder entdeckt sie die Eigenart und den Mehrwert unseres Kontinentes. Leider zeigen die Zeichen auf Heimat, Jugend, Militär, Gemeinschaft, Tradition, Sicherheit, Terrorangst, Haß auf Presse, Demokratie, Eliten uvm in dieser Richtung. Europa wird wohl nicht die politische Kraft haben zu widerstehen…..leider.
Interessant zu lesen, wie wenig man sich hier um die eigentliche Rolle des Iran kümmert.
Der Iran unterstützt Terroristen und hat die Vernichtung Israels zum Staatsziel. Die Folge sind unzählige Attentate und terroristische Übergriffe auf Juden; seit Jahrzehnten. Unter diesen Umständen muss niemand einen Konflikt mit dem Iran „heraufbeschwören“, er ist real existent.
Ich möchte niemanden persönlich angreifen, aber etwas mehr Kenntnis über die Vorgänge in Nahost würde nicht schaden.
@Sascha Vohwinkel hat Recht, @T.W. Meine Ansätze zur diesbezüglichen Hintergrund-Info finde ich hier regelmäßig nicht wieder.
Gerade derzeit sind die Abläufe ohne historisch begründete Auseinandersetzungen um Hegemonie zwischen Schia und Sunna nicht nachvollziehbar.
Allerdings darf man erwähnen, daß ISR und IRN inoffiziell ganz gut zusammenarbeiten. Oder dies taten.
Ich werde jetzt mal sehr grundsätzlich: Ich stelle hier nicht eine Abspielfläche für lange, umfassende, sehr sehr längliche Erklärtexte für alles, was in irgendeiner Form mit den hier besprochenen Themen zu tun hat, zur Verfügung.
Wer fordert, eine aktuelle Meldung zu der Rede Netanjahus auf der Münchner Sicherheitskonferenz verpflichte mich dazu, einen umfangreichen Reader zum Thema der historisch begründeten Auseinandersetzungen um Hegemonie zwischen Schia und Sunna hier zu präsentieren, hat das mit dem Blog nicht verstanden.
Aber kein Grund, sich über mich zu ärgern – hier ist genug Platz, wo jeder schreiben kann, was er will.
Was wird in Europa – warum gerade Europa und nicht Deutschland oder in der Welt? – schon widerspruchslos geteilt? Bestenfalls Phrasen, die niemandem helfen.
War das ein iranisches Teil? Warum flog es dort? Das sind die Fragen. Was immer man von Herrn Netanhjahu meinen mag, der Mann hat eine Verantwortung zu tragen, die bundesrepublikanische Politiker nicht kennen und glauben dadurch vermeiden zu können, daß sie (Rechts)Positionen nicht durchzusetzen bzw. Geld in die Hand zu nehmen, um sich die Ruhe zu erkaufen bzw. unfreundliche Bilder und O-Töne zu vermeiden. Und da wären wir wieder bei München, aber 1974. Beige-grüne Polizisten gegen entschlossene arabische Terroristen. Opfer waren israelische Juden.
@Jan Hoffmann
Gut beschrieben!
Israel muss mit einer Situation zurecht kommen, die kaum jemand nachvollziehen kann. Vor allem nicht, wenn man meint, nur von Freunden umgeben zu sein und das keine wirkliche Bedrohungen gibt, solange man sich nur klein macht und ruhig verhält.
Die wirkliche Situation, mit der sich Israel jeden Tag befassen muss, möchte kaum jemand wahrnehmen.