Koalitionsvertrag: Was heißt das denn nun für die Streitkräfte?


Der Koalitionsvertrag, auf den sich Union und SPD am (heutigen) Mittwoch nach einer Marathonsitzung geeinigt haben, ist formal immer noch ein Entwurf: Erst die Zustimmung der verschiedenen Parteigremien, bei der SPD dazu noch ein Mitgliederentscheid, machen ihn zu einer tatsächlichen Arbeitsgrundlage für eine neue Bundesregierung.

Dennoch ist der Stand vom Mittwochmittag vermutlich der, mit dem als verbindliches Papier für die nächsten Jahre Regierungshandeln zu rechnen ist. Deshalb ein erster Blick auf das hier interessierende Kapitel XII: Deutschlands Verantwortung für Frieden, Freiheit und Sicherheit in der
Welt – also vor allem die Außen- und Sicherheitspolitik.

(Nicht Bestandteil des bislang bekannten Papiers ist die Ressortverteilung in einer künftigen großen Koalition – aber es scheint sicher, dass das Außenministerium bei der SPD und das Verteidigungsministerium bei der CDU bleibt. Und damit, so meldet jedenfalls dpa, dürfte die Amtsinhaberin Ursula von der Leyen auch die künftige Verteidigungsministerin sein.)

Bei den Aussagen zur Bundeswehr findet sich im Koalitionsvertrag ein Textbaustein, der so oder ähnlich seit Jahren immer wieder auftaucht:

Damit die Bundeswehr die ihr erteilten Aufträge in allen Dimensionen sachgerecht erfüllen kann, werden wir den Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung zur Verfügung stellen – dies gilt insbesondere auch für den Bereich der persönlichen Ausstattung.

und

Die Bundeswehr beschafft, was sie braucht, und nicht, was ihr angeboten wird.

Nun sind das erst mal, pardon, wohlfeile Aussagen, die natürlich nicht zuletzt davon abhängen, welchen finanziellen Spielraum die Streitkräfte haben. Die Formulierung dazu im Koalitions-Entwurf ist recht trickreich gehalten. Sie lässt sich auch so verstehen, dass die im vergangenen Jahr eingeplante  Steigerung über die nächsten Jahre, die so genannte mittelfristige Finanzplanung mit dem 51. Finanzplan, gilt und nur dann aufgestockt wird, wenn zusätzliches Geld im Haushalt vorhanden sein sollte:

Im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellung ab 2018 bis 2021 wird die Koalition zusätzlich entstehende Haushaltsspielräume prioritär dazu nutzen, neben den Verteidigungsausgaben zugleich die Mittel für Krisenprävention, humanitäre Hilfe, auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit ausgehend von der Grundlage des 51. Finanzplans angemessen zu erhöhen im Verhältnis von eins zu eins beim Verteidigungshaushalt zu Ausgaben im Rahmen der ODA-Quote (Krisenprävention, humanitäre Hilfe, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit). Diese Erhöhungen dienen der Schließung von Fähigkeitslücken der Bundeswehr und der Stärkung der europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich wie auch gleichermaßen der Stärkung der zivilen Instrumente der Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen einer umfassenden gemeinsamen Friedens- und Sicherheitspolitik. Deutschland wird verbindlich mit dieser Haushaltspolitik und der Koppelung von Verteidigungsausgaben und ODA-quotenfähigen Ausgaben sowohl dem Zielkorridor der Vereinbarungen in der NATO folgen als auch den internationalen Verpflichtungen zur weiteren Steigerung der ODA-Quote nachkommen, deren beider Absinken bereits 2018 verhindert werden muss.

Vor einer Bewertung dieser Vereinbarung hätte ich gerne eine Erklärung der Koalitionäre, ob das in Euro und Cent zu übersetzen ist – also ob die Bundeswehr langfristig mit einer weiteren Aufstockung rechnen kann. Denn, auch das gehört dazu, eine formale Steigerung des Verteidigungshaushalts, die dann aber weitgehend für die Besoldungserhöhungen genutzt werden muss und sich nicht in einem (Wieder)Aufbau von Fähigkeiten der Streitkräfte niederschlägt, ist relativ bedeutungslos.

Mit anderen Worten: Da herrscht noch Aufklärungsbedarf.

Interessant übrigens, wie der in den Sondierungsgesprächen festgelegte Beschluss, Rüstungsexporte an am Jemen-Krieg beteiligte Nationen zu stoppen, nunmehr nachverhandelt wurde (etwas flapsig gesprochen: hat sich die SPD mit ihrer Forderung, die Ergebnisse der Sondierungsgespräche müssten nachverhandelt werden, doch durchgesetzt…):

Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben. Wir wollen diese restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen auch mit unseren Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden.

Bereits genehmigte Lieferungen, die ausschließlich im Empfängerland verbleiben: Das klingt doch wie maßgeschneidert für die Lieferung von Küstenschutzbooten an Saudi-Arabien.

Es gibt bestimmt noch viele Details zu entdecken in diesem Koalitionsvertrag, hier das außen- und sicherheitspolitische Kapitel komplett:

Entwurf Koalitionsvertrag 7.2.2018 – Außen- und Sicherheitspolitik

(Foto: Bundeskanzlerin Angela Merkel verlässt die CDU-Parteizentrale während der Koalitionsverhandlungen mit der SPD in Berlin a 07.02.2018. – Florian Gaertner/ photothek.net )