Keine Rüstungsexporte an Jemen-Kriegsparteien (Zusammenfassung, m. Transkript)

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Die geschäftsführende Bundesregierung wird keine Rüstungsexporte an Länder genehmigen, die am Krieg im Jemen beteiligt sind. Regierungssprecher Steffen Seibert sicherte am (heutigen) Freitag zu, die Ministerien würden eine entsprechende Vereinbarung von CDU, CSU und SPD in den Sondierungsgesprächen für eine neue Koalitionsregierung beachten.

Zuvor hatten sowohl der Regierungssprecher als auch das Bundeswirtschaftsministerium öffentlich eine derartige Festlegung abgelehnt. Die Vereinbarung der möglichen Koalitionspartner dürfte in erster Linie Exporte an Saudi-Arabien treffen. Das Königreich hatte insbesondere weitere Patrouillenboote aus Deutschland erhalten sollen.Hintergrund der Festlegung des Regierungssprechers ist ein Satz im Ergebnispapier der Sondierungsgespräche:

Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind.

Auf Fragen nach diese Aussage erklärte Seibert vor der Bundespressekonferenz zunächst, für die geschäftsführende Bundesregierung sei bindend, was die Ressorts in dieser Bundesregierung vereinbarten. Deshalb könne er einen generellen Exportstopp für am Jemen-Krieg beteiligte Länder

weder bestätigen noch dementieren; vielmehr kann ich Ihnen sagen, dass wir in der sich jeweils auch verändernden internationalen Situation die Einzelfallentscheidung treffen – unter Berücksichtigung der Art des Rüstungsgutes, das exportiert werden soll, unter Berücksichtigung der Lage in dem Land, in das der Export gehen soll, unter Berücksichtigung von menschenrechtlichen Fragen und von konfliktpolitischen Fragen.

Das war eine recht eindeutige Aussage, dass die geschäftsführende Bundesregierung sich an die Vereinbarung im Ergebnis der Sondierungsgespräche nicht gebunden fühlt und es eben keinen sofortigen Exportstopp gibt. Kurz nach der Pressekonferenz änderte der Regierungssprecher jedoch via Twitter und per Erklärung über das Bundespresseamt seine Aussage, genau genommen grundlegend:

Warum Seibert das nicht schon in der Bundespressekonferenz so gesagt hat – darüber kann man jetzt lange spekulieren.

Zur Dokumentation das komplette Transkript der Aussagen von Seibert und von Korbinian Wagner für das Wirtschaftsministerium in der Pressekonferenz:

Frage: Eine Verständnisfrage zum Thema Rüstungsexportpolitik an das Wirtschaftsministerium: In der Sondierungsvereinbarung von Union und SPD steht „Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind“. Was bedeutet dieses „ab sofort“? Heißt das auch, dass die geschäftsführende Bundesregierung keine Ausfuhren zum Beispiel an Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabische Emirate mehr genehmigen kann?

Wagner: Vielen Dank für die Frage. Das Sondierungspapier und die Zwischenstände dazu können wir natürlich nicht vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums kommentieren. Ich kann Ihnen nur unsere grundsätzliche Haltung der Bundesregierung zu Rüstungsexporten mitteilen – das haben wir an dieser Stelle ja schon öfter ausgeführt -: Wir haben mittlerweile das restriktivste Rüstungskontrollsystem, das wir je hatten, und es sind eben nicht wirtschaftspolitische, sondern außen- und sicherheitspolitische Maximen, die dieses System leiten. Die Entscheidungen über Genehmigungen sind immer Einzelfallentscheidungen der gesamten Bundesregierung, die auf Grundlage und nach Maßgabe der geltenden Gesetze im Einzelfall getroffen werden.

Ich kann Ihnen jetzt noch sagen, was die ganzen Maßgaben sind: Das sind natürlich das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Außenwirtschaftsgesetz und die Außenwirtschaftsverordnung, die politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter aus dem Jahr 2000, der gemeinsame Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2018 und daneben auch der Vertrag über den Waffenhandel. Das sind die Entscheidungskriterien, die die Bundesregierung anlegt.

Wie gesagt, die Sondierungspapiere kann ich von dieser Stelle aus nicht kommentieren.

Zusatzfrage: Was gilt denn jetzt? Kann exportiert werden oder nicht? Hat diese Auskunft in den Sondierungsvereinbarungen, an denen die Union ja beteiligt war, irgendeine Auswirkung?

Wagner: Wie gesagt, das sind Entscheidungen, die unter den beteiligten Ministerien jeweils im Einzelfall getroffen werden. Ich kann jetzt keine Aussagen zu dem Papier machen.

Frage : Vielleicht anders gefragt: Hat sich denn in der Praxis in den letzten sechs Monaten irgendetwas geändert?

Wagner: Die Praxis habe ich Ihnen gerade geschildert: Das ist jeweils eine Einzelfallentscheidung, die immer nach den aktuellen außen- und sicherheitspolitischen Erwägungen getroffen wird, wobei insbesondere das Auswärtige Amt seine Expertise mit einbringt. Wie gesagt, es gibt natürlich keine generelle Linie, denn es ist jeweils eine Einzelfallentscheidung.

Zusatzfrage : Das heißt, es hat sich an der Praxis nichts geändert?

Wagner: Die Praxis habe ich Ihnen dargestellt. Das sind die Maximen, die sie leiten, und die gelten weiterhin.

Frage: Herr Seibert, wir hatten diese Situation schon des Öfteren. Es geht aber bei dieser Frage gar nicht um einen inhaltlichen Kommentar zu den Sondierungspapieren. Deshalb noch einmal meine Frage: Kann es sein, dass irgendeine Vereinbarung in dem Sondierungspapier bindend ist für die geschäftsführende Bundesregierung?

StS Seibert: Für die geschäftsführende Bundesregierung ist das bindend, was die Mitglieder beziehungsweise die Ministerien der geschäftsführenden Bundesregierung miteinander vereinbaren.

Was die Rüstungsexportpolitik betrifft, hat der Kollege es genau so gesagt, wie es ist: Wir handeln in strenger Einzelfallprüfung nach den sehr restriktiven Grundsätzen für den Export von Rüstungsgütern, die in Deutschland wie in Europa seit langer Zeit gelten und wie sie zum Teil auch schon galten, als noch ganz andere Bundesregierungen hier in Berlin regiert haben. Das ist eine Einzelfallprüfung, deswegen können solche pauschalen Aussagen nicht getroffen werden. Das ist das, woran sich die geschäftsführende Bundesregierung hält.

Frage: Ich habe heute Morgen in einer Zeitung gelesen – Tatsachenbehauptung also -, dass ab Montag an die Kriegsparteien, die im Jemen-Konflikt mitkämpfen, keine Waffenexporte mehr genehmigt werden. Stimmt das oder stimmt das nicht?

StS Seibert: Ich kann Ihnen, wie es üblich ist, über den Ausgang von Einzelfallentscheidungen und die Überlegungen, die da einfließen, im spezifischen Fall natürlich hier nichts berichten. Deswegen kann ich das weder bestätigen noch dementieren; vielmehr kann ich Ihnen sagen, dass wir in der sich jeweils auch verändernden internationalen Situation die Einzelfallentscheidung treffen – unter Berücksichtigung der Art des Rüstungsgutes, das exportiert werden soll, unter Berücksichtigung der Lage in dem Land, in das der Export gehen soll, unter Berücksichtigung von menschenrechtlichen Fragen und von konfliktpolitischen Fragen.

Frage: Herr Wagner, können Sie uns sagen, wann zum letzten Mal terminlich die letzten, sagen wir einmal, drei Einzelfallentscheidungen positiv entschieden wurden, Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu genehmigen?

Wagner: Das kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht sagen. Wie Sie wissen, berichten wir regelmäßig in unseren Jahres- und Halbjahresberichten über die Exportentscheidungen, die getroffen wurden, und im Übrigen auch in den Antworten auf die zahlreichen parlamentarischen Anfragen. Darüber hinaus kann ich von hier aus keine Stellungnahme zu Einzelentscheidungen geben.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie könnten schon, aber mit Hinweis auf die übliche Halbjahres-Parlamentsberichtspraxis wollen Sie es nicht?

Wagner: Sie kennen unsere Transparenz, die wir in vielen Fällen leisten. Wir dürfen Einzelfallentscheidungen nicht kommentieren; das heißt aber nicht, dass es die gibt oder nicht, vielmehr ist das einfach die grundsätzliche Linie, die wir hier beachten müssen.

(Grafik: Lürssen Fast Patrol Boat 40 – Lürssen Werft)