Türkischer Angriff auf Kurden in Syrien: Bundesregierung weiter ahnungslos (m. Transkript)

Die Operation der türkischen Armee gegen die Kurdenmiliz YPG im Norden Syriens läuft seit einer knappen Woche. Eine Bewertung der geschäftsführenden Bundesregierung, insbesondere zur völkerrechtlichen Frage dieses Angriffs, gibt es weiterhin nicht: Für eine solche Bewertung seine eine genaue Kenntnis der Umstände erforderlich, sagte Außenamtssprecherin Maria Adebahr am (heutigen) Freitag. Diese Kenntnis der ganz genauen Umstände haben wir noch nicht.

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Außer natürlich, das Transkript aller dieser Aussagen vor der Bundespressekonferenz: Es äußern sich Jens Flosdorff für das Verteidigungsministerium, Regierungssprecher Steffen Seibert und Adebahr.

(…)

Vors. Mayntz: Um diesen Dialog vielleicht ein bisschen abzukürzen: Liegen der Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse über die Natur des türkischen Einsatzes vor? – Offenbar nicht.

Frage: Ja, das wäre ein Teil meiner Frage gewesen, weil Ihr Kollege, Herr Neumann, in den beiden vergangenen Sitzungen der RegPK jeweils erklärt hat, es gäbe keine eigenen Erkenntnisse darüber, ob die Bilder von Lepoard-2-Panzern, die wir gesehen haben, in Zusammenhang mit diesem aktuellen Einsatz der Türkei stehen. Frage vor diesem Hintergrund: Wäre es im deutschen Interesse, über Luftbildaufnahmen zu verfügen, die klarmachen könnten, ob beim aktuellen Einsatz der Türkei in Syrien Panzer aus deutscher Produktion eingesetzt werden? Wenn das im deutschen Interesse wäre, wäre es dann möglich, die Tornados auch dort fliegen zu lassen, damit sie diese Fotos machen können? Wäre vielleicht die Möglichkeit gegeben, dass wir nicht dreimal hintereinander hören „Wir haben keine eigenen Erkenntnisse“?

Flosdorff: Wenn ich das Protokoll der Sitzung der Bundespressekonferenz vom Mittwoch richtig gelesen habe, dann ist hier ja ausgiebig über diese Frage geredet worden. Es ist hier auch von Kollegen Auskunft darüber gegeben worden, auf welchem Wege man sich dort berechtigt darum bemüht, Erkenntnisse darüber zu gewinnen. Das ändert aber nichts daran, dass die Bundeswehr einen auch vom Parlament klar definierten Auftrag hat. Egal wie herum Sie es jetzt irgendwie drehen, ist es einfach an dieser Stelle nicht meine Aufgabe, dieses Interesse zu definieren. Das Interesse ist berechtigt, aber das ist nicht die Aufgabe der Bundeswehr.

Zusatzfrage: Dennoch stelle ich die Frage, und vielleicht richte ich sie an den Regierungssprecher: Hat nicht die Bundesregierung insgesamt ein Interesse daran, zu wissen, ob in diesem Einsatz, wie es Fotos und Aufnahmen des türkischen Fernsehens nahelegen, Panzer aus deutscher Produktion eingesetzt werden? Wenn dieses Interesse besteht, wäre es dann nicht ein Gedanke, den Bundeswehreinsatz in dieser Richtung, was die Tornados betrifft, zu definieren?

StS Seibert: Ich kann Ihnen ganz grundsätzlich darin Recht geben, dass es immer wichtig ist, ein vollständiges Lagebild zu haben, um eine Beurteilung vornehmen zu können. Ich kann Sie vielleicht noch einmal auf die gestrige Erklärung des Bundesaußenministers verweisen, die ja eng mit der Bundeskanzlerin abgestimmt war. In der spricht er ja davon, dass er den Generalsekretär der Nato gebeten hat, also des Bündnisses, in dem sowohl wir als auch die Türkei Mitglied sind, auch innerhalb der Nato über die Lage im Norden von Syrien zu beraten. Das erscheint mir, ehrlich gesagt, auch das bessere Gremium zu sein, als das bilateral zu besprechen. Das wird geschehen. Natürlich wird man versuchen, ein Lagebild herzustellen; das ist doch ganz klar.

Frage: Frau Adebahr, was ist mit der Völkerrechtsfrage? Haben Sie mittlerweile einmal nachgeschaut?

Adebahr: Es geht dabei nicht darum, nachzuschauen oder nicht nachzuschauen, sondern es geht, und insofern gibt es keinen neuen Stand, darum, dass man eine völkerrechtliche Bewertung eben immer nur in Kenntnis der ganz genauen Umstände abgeben kann. Diese Kenntnis der ganz genauen Umstände haben wir nicht. Insofern gibt es keinen neuen Stand im Vergleich zu vorgestern.

Zusatzfrage: Warum haben Sie es denn in der Vergangenheit getan? Wenn die Russen etwas in Syrien gemacht haben, wenn die Syrer selbst etwas gemacht haben, dann haben Sie nicht darauf gewartet, ein vollumfängliches Bild zu haben, sondern Sie haben sofort gewusst und auch zurecht gewusst, dass das Völkerrechtsbrüche sind. Warum ist das in diesem Fall anders?

Adebahr: Sie versuchen jetzt, Sachverhalte aus verschiedenen Richtungen und verschiedenen Zeiten miteinander zu vergleichen. Das würde ich jetzt nicht tun. Hinsichtlich dieser Frage, die Sie zuerst gestellt haben, gibt es im Vergleich zu vorgestern keinen neuen Stand.