Einsatz in Afghanistan: Jetzt wieder aufstocken?

Nach Jahren der Truppenreduzierung in Afghanistan erhöhen die USA wieder die Zahl ihrer Soldaten am Hindukusch – und auch für die Bundeswehr gibt es Überlegungen, erneut das Kontingent aufzustocken. Hintergrund ist die nicht nur anhaltend schlechte, sondern sich wieder verschlechternde Sicherheitslage in Afghanistan und faktische Erfolge der Taliban, mit der die Afghan National Security and Defense Forces (ANSDF), neben der Armee vor allem die Polizei, nicht klarkommen.

Über die deutschen Überlegungen für eine Aufstockung berichtete zuerst der Spiegel (bereits vor einigen Tagen eher vage und am heutigen Samstag erneut): Um bis zu 450 Soldaten solle die bisherige Obergrenze von knapp 1.000 Soldatinnen und Soldaten angehoben werden; entsprechende Forderungen aus der Bundeswehr (nicht dem politischen Bereich) gebe es bereits.

Die offizielle Reaktion des Verteidigungsministeriums auf den heutigen Bericht:

(Die) Mandatsobergrenze Resolute Support liegt derzeit bei 980 Personen. Es endet am 31.12.17
Aufgrund der derzeitigen noch andauernden Regierungsbildung bei gleichzeitiger Verantwortung gegenüber unseren Partnern im Einsatz gibt es Überlegungen, die anstehenden Mandate insgesamt ohne inhaltliche Änderung noch in diesem Herbst für erstmal ein Quartal zu verlängern
Unabhängig davon gibt es im BMVg Überlegungen in verschiedene Richtungen, aber noch keine Entscheidung auf konkrete Zahlen.
In Bezug auf der von den USA geforderten generellen Erhöhung von Truppen für Resolute Support sieht sich Deuschland weiterhin nicht als erstes angesprochen, da wir bereits unsere Mandatsobergrenze letztes Jahr angehoben haben.

Entscheidend ist da der dritte Satz: Unabhängig davon gibt es im BMVg Überlegungen in verschiedene Richtungen, aber noch keine Entscheidung auf konkrete Zahlen. Ein Dementi einer möglichen Aufstockung sieht anders aus. Auch nicht als erstes angesprochen ist eine Aussage, die bereits für den Mali-Einsatz fiel: Da sah sich Deutschland bei der Nachfrage nach Hubschraubern für die UN-Mission nicht in der ersten Reihe – das Ergebnis ist bekannt.

Nach Informationen von Augen geradeaus! gibt es in der Tat die Aussage von hochrangigen deutschen Militärs gegenüber den USA, deren Aufstockung in Afghanistan mit einem Anteil von rund zehn Prozent der zusätzlichen US-Soldaten zu begleiten – das wären rund 400. Allerdings dürfte es dabei nicht allein, wie es im Spiegel heißt, um mehr Force Protection gehen: Die mit dem Übergang von ISAF zu Resolute Support zurückgefahrene Beratung der afghanischen Armee unterhalb der Korps-Ebene dürfte wieder im Fokus stehen. Konkret also mehr auch deutsche Berater, und dann auch an mehr gefährlichen Orten neben Masar-i-Scharif und Kundus.

Um eine Vorstellung von den erforderlichen Größenordnungen zu bekommen: Die so genannte expeditionary Train-Advise-Assist, zu deutsch: die mobile Beratung für den vorgeschobenen Gefechtsstand des 209. Korps der afghanischen Armee und der 808. Polizeizone in Kundus bindet derzeit rund 50 deutsche Soldaten (von knapp 120 Soldaten der Resolute Support Mission in dieser mobilen Beratung insgesamt). Wobei eine Ausweitung der Beratung auf Ebenen unterhalb des Korps eben nicht nur mehr Berater, sondern auch mehr Soldaten zu deren Schutz erfordern würde.

Die Bundesregierung wird sich vermutlich dann dazu erklären müssen, wenn sie (siehe den zweiten Satz der BMVg-Erklärung oben) dem Bundestag ein zunächst unverändertes Mandat zur Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes über das Jahresende hinaus vorlegt. Das dürfte noch im Oktober passieren. Zudem wird ebenfalls in diesem Monat US-General John Nicholson, Chef der US-Streitkräfte in Afghanistan ebenso wie der NATO-geführten Resolute Support Mission, in Berlin erwartet. Und der möchte vermutlich dann auch hören, wie sich Deutschland das künftige Engagement am Hindukusch vorstellt.

Nachtrag 9. Oktober: Ein paar aktuelle Meldungen aus Afghanistan vom heutigen Montag – nur als Schlaglicht für die Situation:

ICRC Closes Offices in Kunduz, Faryab Over Insecurity

British Special Forces Back in Helmand to Hunt Taliban Bomb-Maker

 

(Archivbild: Tag der deutschen Einheit 2015 im Hauptquartier Resolute Support in Kabul, mit dem damaligen deutschen Stabschef Frank Leidenberger – Resolute Support Media)