Neuer Anlauf: Deutsche Zusagen für Blauhelm-Missionen der UN (Nachtrag)

Fast 20 Jahre nach dem – nie genutzten – Übereinkommen Deutschlands mit den Vereinten Nationen, kurzfristig Soldaten und Ausrüstung für UN-Friedensmissionen bereit zu stellen, gibt es einen neuen Anlauf. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will am (heutigen) Donnerstag in Bonn der UNO militärische Beiträge für Blauhelmeinsätze zusagen, unter anderem Feldjäger, Lufttransport und ein Feldhospital.

Die Bundeswehr ist zwar seit Jahren in unterschiedlicher Stärke an mehreren UN-Einsätzen beteiligt, von der MINUSMA-Mission in Mali mit mehr als 1.000 Soldaten bis zur Beobachtermission in der Westsahara mit vier Mann. Alle diese Einsätze wurden jedoch gesondert vereinbart; mit der Meldung von Fähigkeiten für das United Nations Peacekeeping Capability Readiness System (PCRS) soll den Vereinten Nationen eine schnellere Reaktionsfähigkeit in Krisenfällen ermöglicht werden. Jeder deutsche Beitrag zu einem UN-Einsatz muss aber wie jeder andere Auslandseinsatz vom Bundestag gebilligt werden.

Die Details der Vereinbarung nannten Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium in gleichlautenden Schreiben an den Auswärtigen Ausschuss und den Verteidigungsausschuss des Bundestages:

Mit der vorgesehenen Einmeldung deutscher Fähigkeiten in das PCRS wird sich Deutchland als viertgrößter Beitragszahler zum Peacekeeping-Haushalt und mit Entscheidung des Bundestags vom Januar 2017 zur Ausweitung an der Mission MINUSMA in Mali einer der größten europäischen Truppensteller, nun auch im Bereich militärischer Unterstützungskomponenten mit einem Spektrum von hochwertigen Fähigkeiten der Bundeswehr in das PCRS einbringen. Konkret gehören dazu die Bereitstellung von Stabspersonal und bis zu 75 Militärbeobachtern, ein Feldjägerbataillon mit bis zu fünf Einheiten, ein maritimes Expertenteam und eine Aufklärungskompanie. Des Weiteren werden mobile Trainingsteams zur Einsatzausbildung nationaler Kontingente und Ausbildungsunterstützungsteams für „in-mission training“, meteorologische Dienste, operative Kommunikationsfähigkeiten, zivil-militärische Spezialisten (CIMIC) und Spezialisten zur Minenräumung eingemeldet. Schließlich werden ein Feldhospital der Stufe 3 sowie Lufttransportfähigkeiten (Transall C-160 und CH-53 Hubschrauber) angezeigt. (…)
Die Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages über den tatsächlichen Einsatz der angezeigten militärischen Fähigkeiten werden uneingeschränkt gewahrt. Im Falle konkreter Anforderung von gemeldeten Fähigkeiten durch die Vereinten Nationen findet zunächst eine Einzelfallprüfung durch die Bundesregierung statt, die bei positivem Ergebnis den Bundestag im Rahmen der Beteiligungsvorgaben befasst. Jede der eingemeldeten Fähigkeiten steht unter dem Vorbehalt nationaler Freigabe.

Gerade die letzten zitierten Sätze dürften von besonderer Bedeutung sein. Denn was die Verteidigungsministerin den Vereinten Nationen anbietet, dürfte die Truppe ein bisschen unglücklich machen: Ein komplettes Feldjägerbataillon oder ein Feldhospital der Stufe 3 (also mindestens der Stand eines deutschen Kreiskrankenhauses, wenn nicht mehr) sowie Lufttransport mit Flugzeugen und Hubschraubern sind nicht gerade Fähigkeiten, von denen die Bundeswehr allzuviel über hat. Oder, um es direkter zu formulieren: Es ist alles Personal und Material, das der Bundeswehr schon in ihren laufenden Einsätzen nicht im Überfluss zur Verfügung steht. Schon gar nicht, wenn die Forderungen an die kollektive Verteidigung in der NATO steigen und dafür mehr Personal und Material bereitgestellt werden muss.

(Nachtrag: Natürlich gilt der Grundsatz: Irgend was geht immer, gerade wenn es um personell überschaubare Angebote geht. Das Verteidigungsministerium veröffentlichte passend dazu heute einen Bericht über den Einsatz eines solchen mobilen Trainingsteams im UN-Auftrag – in Ägypten.)

Vielleicht wird deshalb auch dem neuen Angebot ein ähnliches Schicksal beschieden sein wie dem Memorandum of Understanding between the United Nations and theGovernment of the Federal Republic of Germany concerning contributions to the United Nations Standby Arrangements System, am 24. Juli 1998 abgeschlossen wurde. (Den Originaltext dieser Vereinbarung suche ich noch, grob gesagt waren damals rund 1.000 Soldaten  für die Fähigkeiten Transport, Sanität, Feldjäger, Pioniere, See-Fernaufklärer und Minenabwehr eingeplant.) Wenn ich nicht was Entscheidendes übersehen habe, kamen im Rahmen dieses Standby Arrangements nie deutsche Soldaten in den Blauhelm-Einsatz.

Die derzeitigen deutschen militärischen Beteiligungen an UN-Missionen:

Mali – MINUSMA: rund 900 Soldatinnen und Soldaten
Mittelmeer/Libanon – UNIFIL: rund 120
Süd-Sudan – UNMISS: 16
Südan/Darfur – UNAMID: 8
Westsahara – MINURSO: 4

(Archivbild: Marinesoldaten an Bord derFregatte Bayern bei der Kommandoübergabe der Maritime Task Force UNIFIL am 29.02.2008 – Bundeswehr/Rott)