Tiger-Absturz in Mali: Mehr Erkenntnisse, aber noch keine Klarheit über Ursache (Nachtrag: BPK)

Zum Absturz eines Tiger-Kampfhubschraubers der Bundeswehr in Mali am 26. Juli, bei dem zwei deutsche Soldaten ums Leben kamen, gibt es inzwischen mehr technische Erkenntnisse – aber nach wie vor keine Klarheit über die Absturzursache. So ging die Maschine nach zuvor unauffälligem Flug rund 82 Kilometer nördlich von Gao plötzlich in einen starken Sinkflug über, wie die bisherigen Untersuchungen ergaben. Dabei hätten sich auch die Hauptrotorblätter gelöst, allerdings erst nach Beginn dieses Sinkflugs.

Bislang gebe es keine tragfähige Grundlage für Vermutungen zur Unglücksursache, betonte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Markus Grübel am (heutigen) Dienstag in einem Schreiben an die Obleute der Bundestagsfraktionen im Verteidigungsausschuss.

Aus Grübels Schreiben:

Das Luftfahrzeug flog mit einer Geschwindigkeit von ca. 135 Knoten (ca. 250 km/h) in einer Höhe von ca. 1.800 Fuß (ca. 550 m) über Grund in nordostwärtige Richtung, als es plötzlich und für die Besatzung überraschend radikal die Nase senkte und in einen starken Sinkflug überging. Nach ca. 10 Sekunden schlug das Luftfahrzeug am Boden auf und fing unmittelbar Feuer. Das Luftfahrzeug wurde zerstört, der Aufprall war nicht zu überleben. Nach bisherigen Erkenntnissen lösten sich, nachdem das Luftfahrzeug in den starken Sinkflug übergegangen war, vor dem Aufschlag Teile vom Luftfahrzeug, darunter die Hauptrotorblätter. Bis zum Absturz zeigte sich ein unauffälliger Flugverlauf.
(…)
Spekulationen zur Unfallursache entbehren zum jetzigen Zeitpunkt jeder tragfähigen Grundlage. Die Untersuchungen hinsichtlich möglicher Ursachenbereiche werden weiterhin ergebnisoffen geführt.

Die beiden Flugschreiber der Maschine, so genannte Crash Survivable Memory Units des Flugdatenrekorders, werden nach Grübels Angaben derzeit noch in Deutschland ausgewertet.

Bei dem Absturz im UN-Einsatz MINUSMA in dem westafrikanischen Land starben Major Jan Färber und Stabshauptmann Thomas Müller. Stabshauptmann Müller war einer der erfahrensten, wenn nicht der erfahrenste Tiger-Pilot der Bundeswehr, hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Trauerfeier für die beiden Soldaten in der vergangenen Woche in Fritzlar betont.

Nachtrag: Zur Ergänzung aus der Bundespressekonferenz am Mittwoch die Aussagen von BMVg-Sprecher Jens Flosdorff:

FRAGE: Ich würde gerne das Verteidigungsministerium zum Thema Absturz eines Bundeswehr-Kampfhubschraubers in Mali fragen. Es gibt ja offensichtlich zumindest neue Teilerkenntnisse, von wegen abfliegende Rotorenblätter und so etwas. Können Sie einfach noch einmal kurz sagen, was da der Stand der Dinge ist, den Sie haben?

FLOSDORFF: Ja, das kann ich gerne tun. Ich möchte erst einmal qualifizierend einordnen, was es für Erkenntnisse gibt: Wir haben im Moment den aktuellen Sachstand aus der Untersuchungsgruppe. Das ist jetzt nicht zu verwechseln mit irgendwelchen Ergebnissen oder Zwischenergebnissen; vielmehr geht es hier um erste Erkenntnisse, die vorliegen, über die gestern auch das Parlament unterrichtet worden ist.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand gehen wir davon aus, dass der Hubschrauber sehr überraschend in einen starken Sinkflug übergegangen ist und dann nach zehn Sekunden auf den Boden aufgeschlagen ist. Das Fahrzeug hat dann sofort Feuer gefangen, und nach Einschätzung der Experten gab es da auch keine Überlebenschance für die Piloten. Bis dahin darum „überraschend“ gab es einen sehr unauffälligen Flugverlauf. Auf einem Flug von Gao ins Einsatzgebiet in ungefähr 82 Kilometern Entfernung von Gao trat dieses Ereignis ein. Wir haben in der Untersuchungsgruppe Erkenntnisse darüber, dass sich die Hauptrotorblätter in dieser Absturzphase vom Hubschrauber gelöst haben.

Hinsichtlich der Frage, was das jetzt genau heißt, bitte ich um Verständnis, dass wir jetzt nicht weiter ins Detail gehen können. Diese Untersuchungen laufen weiter. Das ist jetzt die Hypothese, der man in diesem Untersuchungsbericht nachgeht. Es kann auch sein, dass sich hinsichtlich der genauen Ursache für den Sinkflug warum sind Teile abgerissen? noch ganz andere Spuren und Erkenntnisse weiter entwickeln. Insofern warne ich hier vor voreiligen Schlüssen in die eine oder andere Richtung. Das ist auch der Tenor der Experten, die das weiter untersuchen. Es kann noch Wochen und Monate dauern, bis man gesicherte Erkenntnisse über die genaue Ursache und den genauen Kausalverlauf hat.

ZUSATZFRAGE: Ich kenne mich leider mit solchen Sachen gar nicht aus. Ohne dass Sie jetzt sagen können „Deswegen war das so und so“: Sind diese abgeflogenen Rotorenblätter etwas, was für Sie überraschend kommt, oder ist das etwas, von dem man sagt: „Na ja, klar, das kann in so einem Fall passieren“. Lenkt das die Untersuchung noch einmal in eine ganz andere Richtung?

FLOSDORFF: Ich möchte das hier nicht qualifizieren. Genau das ist die Aufgabe des Expertenteams vom General Flugsicherheit auch in Verbindung mit internationalen Experten, denn es sind ja auch andere Nationen, die diesen Hubschrauber nutzen. Das wird auch beobachtet durch Experten der Vereinten Nationen, und wir sind in Kontakt mit dem Hersteller. Es kann im Moment nur Puzzleteil an Puzzleteil gefügt werden, und die Experten werden das einordnen, wenn sie soweit sind. Ich bitte hier einfach um Verständnis. Wir haben vor zwei Wochen ja erlebt, dass von dritter Seite, von außen, Spekulationen genährt wurden, dass es möglicherweise an der Erfahrung der Piloten liege. Das hat zu sehr belastenden Situationen im Einsatzverband, aber auch bei den Angehörigen der zu Tode gekommenen Soldaten geführt. Ich werde mich hier daher jetzt nicht weiter versteigen, das irgendwie für Sie einzuordnen. Ich bitte einfach um Geduld. Das ist der jetzige Erkenntnisstand. Weitere Schlussfolgerungen daraus möchte ich den Experten überlassen.

FRAGE : Können Sie uns denn sagen, wo dieser Flugschreiber jetzt genau ausgewertet wird und ob da auch Experten von Airbus mitwirken bzw. wie dieses Expertenteam aussieht?

FLOSDORFF: Es sind zwei Flugschreiber geborgen worden, von denen einer ausgelesen werden kann. Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen jetzt nicht genau Namen und Adresse der Institution gebe, in der das ausgewertet wird. Das sind auch Experten. Es ist für alle Beteiligten sehr transparent, was dort ausgelesen wird, und das fließt mit in die Analyse ein, die dann in einigen Wochen oder Monaten vorliegen wird.

FRAGE: Herr Flosdorff, ist bekannt, ob es schon einmal so ein Vorkommnis gab, dass bei einem Transporthelikopter die Rotorenblätter abgeflogen sind?

FLOSDORFF: Es handelt sich hier nicht um einen Transporthubschrauber, sondern um einen Kampfhubschrauber des Typs „Tiger“. Das einzige Vorkommnis, das wir im Zusammenhang mit dem „Tiger“ hatten, hatte nichts mit Rotorenblättern zu tun gehabt; da gab es vielmehr andere Ursachen. Es ist jetzt Aufgabe der Experten, aber auch des Abgleichs mit den anderen Nationen und mit dem Hersteller, zu schauen, ob es irgendwelche parallelen Ereignisse gibt, die Aufschluss über die Kausalkette geben. Das kann und möchte ich an dieser Stelle nicht tun.

FRAGE: Haben Sie denn jetzt eine Untersuchung der anderen „Tiger“-Hubschrauber angeordnet?

FLOSDORFF: Die anderen Hubschrauber diese Nachricht ist schon älter sind im Moment gegroundet. Das heißt, sie fliegen nicht weder im Grundbetrieb noch im Einsatz in Mali , bis man genauer weiß, in welcher Richtung die Ursache zu suchen ist. Einzige Ausnahme ist: Wenn es Gefahr für Leib und Leben der Soldaten im Einsatz gibt die „Tiger“ begleiten im Einsatz in Mali ja auch unsere MedEvac-Hubschrauber , dann kann im Ausnahmefall das wird dann vor Ort entschieden eine Starterlaubnis für diese Hubschrauber gegeben werden. Diese Hubschrauber sind ja schon seit vielen Jahren im Einsatz sind und auch in ähnlichen klimatischen Bedingungen geflogen worden, und sie werden auch nicht nur von Deutschland geflogen, sondern zum Beispiel auch von Frankreich und Australien. Es gibt ja viele Erfahrungswerte mit diesen Hubschraubern; die sind ja nicht erst in diesem Jahr bei der Bundeswehr eingeführt worden.

(Foto: Ankunft der ersten zwei Kampfhubschrauber des Typs Tiger in Gao/Mali im Rahmen der Mission MINUSMA am 25.03.2017 – Bundeswehr/Marc Tessensohn)