Lesestoff: Detaillierte BMVg-Antwort auf den Wehrbeauftragten
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, hatte bei der Vorlage seines Jahresberichts für 2016 im Januar vom Verteidigungsministerium mehr Tempo verlangt – bei der Umsteuerung der Truppe, bei den Trendwenden für Material und Personal. Nun hat das Ministerium darauf reagiert, die sehr detaillierte Stellungnahme – zu fast jedem einzelnen Punkt, den Bartels aufgeführt hat – ging vor einer Woche an das Parlament.
Und das ist sehr interessanter Lesestoff, in dem viele Details drinstecken, die uns alle in Zukunft noch beschäftigen werden. Deshalb hier zum Nachlesen:
(Archivbild: Hans-Peter Bartels, SPD, Wehrbeauftragter Deutscher Bundestag, in der Bundespressekonferenz in Berlin am 26.01.2016 – Thomas Trutschel/photothek.net)
@Memoria
Beim Mörserzug war nicht das know-how oder die Personalverfügbarkeit das Problem (der erste Zug war reinrassig 373 besetzt), sondern das Material. Man war der Meinung, dass dieses Waffensystem für StabOp nicht notwendig sei und hat daher weder Munition, noch geschützte Fahrzeuge gehabt um diese in Afghanistan einsetzten zu können. In einer Nacht und Nebel Aktion wurden dann Rüstsätze aus Wölfen in „provisorisch“ angeschaffte SSA Wölfe verbaut, nichtüberlagerte Munition aus Österreich beschafft und die Waffenanlagen „on the Job“ für den Verschuss dieser Munition nachgerüstet.
@Wa-Ge:
Richtig. Genau so war es und genau deswegen offenbart es einen strukturellen (!) Fehler.
@klabautermann:
Abseits der konzeptionellen Terminologie zeigen sie aber mit ihren Aussagen der letzten Zeit, dass sie sich für die Grundlagen der Einsatzbereitschaft des Heeres und den aktuellen echten Problemen nicht interessieren. Stattdessen pflegen sie ihre Vorurteile über angeblich falschen mind-set im Heer. Widerspruch ist da ja zwecklos, da sie es als einziger ja erkannt haben – abgesehen natürlich von vdL. Wobei sie es manchmal noch besser als sie selbst zu wissen scheinen, warum sie manches redet und macht.
Ahoi.
@ Memoria
OK dann hätte ich Sie falsch verstanden.
Nicht nur bei den Drehfüglern scheint die Einsatzbereitschaft weiterhin problematisch zu sein.
Auch beim Eurofighter werden zwar weitere Waffensysteme geliefert, die Flugstunden werden jedoch relativ betrachtet auf dem zu niedrigen Niveau verbleiben.
Ein besonders prägnantes Beispiel aus Nörvenich:
Aktuell gibt es 20 EF, es sollen 31werden.
Damit einhergeht der Aufwuchs der 2. Staffel.
Es sollen je Staffel 14 oder 15 Piloten zur Verfügung stehen.
Die Flugstunden liegen aktuell bei 3.000, es sollen 4.700 bis 5.000 werden (bei einem Anstieg der Piloten um ca. 50% kein echter Zuwachs).
Die bis Anfang der 90er üblichen Flugstunden (8.000) sollen nicht mehr erreicht werden.
Simulatoren sollen hier deutlich intensivere Ausbildung ermöglichen.
Aber bald kommt die NATO-Zertifizierung.
Aber Boelcke macht ja Luft-Boden. Brauchen wir ja nicht. Denken wohl manche wieder.
Quelle: Kölner Rundschau, „Die Zahl der Eurofighter steigt von 20 auf 31“, online verfügbar.
Der Schwerpunkt liegt eben auf Einsatz und Übung, nicht auf Ausbildung.
Macht sich ja auch in der neuen Struktur der Lw deutlich.
Früher gab es, auch als Folge der Starfighter-Krise, Ausbildungsstaffeln.
Ausbildung wird überbewertet ;-)
@ Memoria:
Wir haben doch jetzt TaktLwG, da kann jeder fliegende Kampfverband alles – zumindest auf fancy Powerpoint-Folien…
@ klabautermann | 17. Juni 2017 – 11:49
(Zweiter Versuch)
Sie müssen bei der Schneiderhanschen Transformation etwas missverstanden haben. Der Schwerpunkt des Streitkräftedispositivs lag seinerzeit eindeutig bei den Stabilisierungskräften – und zwar für Einsätze eher im unteren Bereich des Intensitätsspektrums. Die Idee, dass auch Stabilisierungsoperationen einen sehr robusten Charakter annehmen könnten, wie wenige Jahre später in Afghanistan geschehen, war dem GI nicht in den Sinn gekommen. Daher untersagte er zeitweise die Ausbildung der Stabilisierungskräfte des Heeres im Gefecht im GÜZ und versuchte andererseits, auch Luftwaffen- und Marineoffiziere für den Einsatz in Stabilisierungsoperationen zu Lande auszubilden und heranzuziehen. „Warum kann nicht ein Kapitän z.S. das PRT in Kundus führen?“ [O-Ton Schneiderhan 2005]
Die Eingreifkräfte des Heeres wurden nicht priorisiert, sondern marginalisiert. Die hohen Kontingentumfänge erforderten zunehmend, sie ebenfalls in die Stabilisierungsoperation in Afghanistan einzubeziehen, mit der Folge, dass ihre High-Intensity-Fähigkeit zunehmend verlorenging. Daher muss die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung, die damals leichtfertigt aufgegeben wurde, heute mühsam wieder aufgebaut werden.
Nebenbei bemerkt: Dass Schneiderhan seine Vorstellungen unter Peter Struck und später unter F.J. Jung nicht durchgesetzt hätte, muss mir entgangen sein.
Kritischer Beobachter | 18. Juni 2017 – 12:18
„„Warum kann nicht ein Kapitän z.S. das PRT in Kundus führen?“ [O-Ton Schneiderhan 2005]“
Och – da fielen mir so einige Gründe ein. Und hatten wir da nicht mal so einen Luftwaffen-Floppy in Afrika? Schuster, bleib bei Deinem Leisten – diese Lebenshilfe hat schon ihren Grund.
„Ein deutscher Offizier kann alles – er braucht nur eine Vorschrift!“ – Gerd Fröbe in einer seiner Glanzrollen. Besser nicht.
Hans Schommer
@Kritischer Beobachter:
Vielen Dank. Genau so war es auch nach meiner Erinnerung und Bewertung.
Insbesondere die These von Klabautermann „die Politik“ habe Schneiderhan von seinen Ideen abgebracht kann auch nicht nachvollziehen.
Mal eine Verständnisfrage:
Nach Jugoslawien, nach Srebrenica, nach Ruanda wie konnte da jemand robuste Einsätze ausschließen ?
@ThoDan:
Es war eben angenehmer zwar von robusten Einsätzen zu reden, aber die Konsequenzen hierfür nicht stringent abzuleiten. Politisch opportun war es auch nicht.
Gerade auch General Schneiderhan hat ja risikoarme Stabilisierungseinätze als zukünftige Hauptaufgabe betrachtet. In anderen Einsätzen sollte Deutschland besonders viele Fähigkeiten in den Bereichen Logistik und Führungsunterstützung einbringen (weil teuer und ungefährlich).
Leider hat sich die Welt nicht daran gehalten.
Im Kern hat man bis heute nichts daraus gelernt, da über Gewaltandrohung und -anwendung weiterhin nicht konsequent nachgedacht wird.
Apropos:
Was ist eigentlich aus dem Think-Tank der FüAk geworden?
Wie sehr sich die deutsche Politik und Ministerialbürokratie (inkl. Generalität) in der Wünsch-Dir-Was-Welt befindet zeigen die neuen Leitlinien zu Krisen und Konflikten von letzter Woche:
http://www.auswaertiges-amt.de/nn_582140/DE/Aussenpolitik/Friedenspolitik/Krisenpraevention/7_PeaceLab/PeaceLab.html?nnm=582138
@ Memoria: Danke, die neuen ‚Leitlinien‘ gingen an mir völlig vorbei. Finde aber nichts darin, was den vernetzten Ansatz glaubhaft nach vorne bringt. Aber ebenso OT :-)
Memoria | 18. Juni 2017 – 17:23
„Was ist eigentlich aus dem Think-Tank der FüAk geworden?“
Mir sagte ein Kamerad, der an der FüAk Dienst leistet, dass es für ein „Sink-tänk“ aktuell keine keine Stellen gäbe – es sei denn, die Gruppe JACOP werde umetikettiert.
Da würden dann aber m.E. nach die „Advocati diaboli“ fehlen – die braucht man in Denkfabriken zwingend.
Hans Schommer
@holzi:
Gerne.
Leider gab es im Erstellungsprozess keine wesentlichen Debattenbeiträge der Generalität. Einmal stand Major Bohnert auf und fand abgewogenes und deutliche Worte:
(Fortsetzung)
http://www.peacelab2016.de/peacelab2016/debatte/politikkohaerenz/article/ressortzusammenarbeit-aus-sicht-eines-offiziers-der-bundeswehr-fuer-ein-besseres-miteinander/
Bezeichnenderweise weißt auch er auf die besondere Rolle von Streitkräften bei der Gewaltanwendung hin.
In den Leitlinien hingegen findet hierzu nichts. Aber viel Schönrednerei über Mali als Paradebeispiel der Vernetzung.
Vernetzung kann nur funktionieren wenn verstanden wird in welchem Umfeld man sich bewegt, was man erreichen will und wer was tun soll. Daran fehlt es weiterhin.
Die Jahresberichte des WB beschäftigen sich dann mit den Folgen. Mali zeigt deutlich, dass es weiterhin kein echtes Verständnis für Vernetzung gibt.
@ThoDan
“ Jugoslawien, nach Srebrenica, nach Ruanda wie konnte da jemand robuste Einsätze ausschließen ?“
Die frage ist nicht ob robust oder nicht, sondern der Umfang ist entscheidend.
Man glaubte wir kommen mit KSK und ein paar Fallis aus.
Ein Blick von Winnie Nachtwei nach Mali erinnert an Afghanistan 2005/ 2006:
http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1476
Aber sowas möchte man im BMVg ja nicht hören.
Ich würde mir wünschen, dass der WB die damit verbundenen Probleme weitaus deutlicher als bisher anspricht.
@Hans Schommer | 18. Juni 2017 – 18:29:
Vielen Dank für das „update“.
Das war doch im November 2016 noch so wichtig – und wurde entsprechend bejubelt.
Die AG JACOP ist wohl nicht der passende Rahmen für eine Strategieberatung der Bundesregierung.
@Zimdarsen
Dallaire schreibt mit 2 Brigaden hätte er die Massaker stoppen können,
Bei Srebrenica waren auch ein Paar Fallis im Einsatz IIRC
@ThoDan
Im Grunde ist es egal wer und in welcher Stärke vor Ort war. Auch ein Verpflegungtrupp kann in der Vergeltung einen passablen Einsatzwert erreichen ;-)
Nein, im Ernst, in erster Linie ist es wichtig welchen Auftrag und welche Linke/rechte Grenze die eingesetzten Soldaten haben. Es heißt, dass vier gut geführte Soldaten mehr wert sind als 20 ohne Führung (die Zahlen können Sie nach Belieben verändern).
Wenn der Führer vor Ort aber nicht handeln darf ohne, dass Potsdam zustimmt und Aus Potsdam nur Schweigen kommt, dann muss man sich über das Resultat nicht wundern.
Unsere Einsätze zeichnen sich aber primär dadurch aus, dass von den Kontingentführern kein militärisches Ziel erwartet wird (nehmen Sie geländeabschnitt xy, zerschlagen Sie die Gruppierung yz im Eaum ABC oder halten Sie den Raum Z) sondern ein möglichest reibungsloser Ablauf des Einsatzes (Sprich, ja keine eigenen und zivilen Opfer = keine schlechte PR). Da bleibt den Soldaten vor Ort wenig Spielraum und die die es doch versuchen werden künstlich ausgebremst (ab jetzt nur noch wenn jedes Fahrzeug einen Jammer hat, jetzt nur wenn dies und jenes unmögliches gewährleistet ist).