SPD verlangt sofortigen „Verlegeplan“ für Abzug aus Incirlik
Angesichts der anhaltenden Weigerung der Türkei, deutschen Abgeordneten den Besuch bei Bundeswehrsoldaten auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik zu erlauben, hat die mitregierende SPD förmlich einen Plan für eine schnelle Verlegung der deutschen Truppen verlangt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erklärte am (heutigen) Dienstag, die Bundesregierung müsse unverzüglich die Konseqenzen ziehen und einen Abzug der Bundeswehr aus Incirlik einleiten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zwar in der vergangenen Woche vor einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan bei der NATO in Brüssel erklärt, es sei für Deutschland unabdingbar, dass die Türkei den Bundestagsabgeordneten den Besuch gestatte: Ansonsten müssen wir İncirlik verlassen. Auch blieb das Gespräch selbst offensichtlich ohne Ergebnis. Dennoch folgte bislang die Union als größerer Koalitionspartner nicht der Haltung der SPD, den Abzug auch tatsächlich einzuleiten.
Der Beschluss der SPD-Fraktion im Wortlaut:
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, die der Kontrolle des Deutschen Bundestages unterliegt. Zur Erfüllung ihrer verfassungsgemäßen Aufgaben muss der Besuch von Mitgliedern des Bundestages bei im Auslandseinsatz stationierten Soldaten und Soldatinnen grundsätzlich jederzeit möglich sein.
Wiederholt hat die türkische Regierung den Besuch einer Delegation des Bundestages in Incirlik untersagt. Die Bundeskanzlerin hat es nicht geschafft, in ihrem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Erdogan das unabdingbare Besuchsrecht von Bundestagsabgeordneten durchzusetzen.
Daher muss die Bundesregierung – wie vom Deutschen Bundestag bereits für das laufende Mandat verlangt – die Konsequenzen ziehen und unverzüglich die Verlegung einleiten. Die Bundesverteidigungsministerin muss dem Bundestag sofort einen Verlegeplan für die Bundeswehreinheiten in Incirlik vorlegen.
Gleichwohl begrüßen wir weitere hochrangige Gespräche zwischen der deutschen und der türkischen Regierung, um grundsätzliche Regelungen für parlamentarische Truppenbesuche zu finden. Das NATO-Bündnis basiert auf der Akzeptanz von Normen und Regeln, die Grundlage für Bündnispflichten bleiben müssen.
Den letzten Absatz kann man natürlich auch als einen möglichen Ausweg verstehen – die hochrangigen Gespräche, voraussichtlich auch vom Außenminister, Vizekanzler und SPD-Politiker Sigmar Gabriel, könnten ja noch eine Änderung bewirken. Dennoch bleibt ja die Frage, ob das Verteidigungsministerium der sehr eindeutigen Aufforderung einer Regierungspartei folgt.
Nachtrag:
Still not possible to open #Incirlik base to Germany, #Turkey minister says – @Reuters pic.twitter.com/1lMF2nFpua
— Christian Thiels (@ThielsChristian) 30. Mai 2017
(Archivbild: Ankunft deutscher Soldaten in Incirlik im Dezember 2015 – Bundeswehr/Falk Bärwald)
Lt. Unionsfraktion wird es in dieser Woche keine Bratung im BT und den Ausschüssen geben.
„Die Bundesverteidigungsministerin muss dem Bundestag sofort einen Verlegeplan für die Bundeswehreinheiten in Incirlik vorlegen.“
Nach dem bewährten Grundsatz A – B – F (ansprechen -beurteilen-folgern) fehlt der
– ZUMINDEST – Vorschlag einer Folgerung, nämlich: Verlegeplan wohin.
Angenommen, das ist aus CDU-BMVG-Sicht nicht ohnehin klar, nach dem Besuch der Ministerin in https://en.wikipedia.org/wiki/Muwaffaq_Salti_Air_Base und die SPD stimmte zu, hat die kleine Regierungsfraktion billigkeitshalber herauszustellen, was sie konkret eigentlich vorschlägt.
Letztlich wird die Kanzlerin nicht folgen, wie „eindeutig“ auch immer sie sich aufgefordert sieht. Eine Stellungnahme auf Ebene Regierungssprecher darf als wahrscheinlich gelten.
Nach Vergehen der „hochrangigen Gespräche“ erfolgt der formelle Beschluss zu „Bleiben oder Abrücken“. Schließlich hat die Kanzlerin Erdogan 14 TAGE Bedenkzeit eingeräumt, für eine Neubewertung.
Die Pläne sind vorhanden, deren Umsetzung ist unterwegs, allerdings nur bis zum Stichtag.
Unter Druck wird sie sich nicht setzen lassen! Alles den bescheidenen Umfragen geschuldet.
In dieser und ähnlichen Angelegenheiten finde ich es richtig, das wohl überlegt, ruhig und in der Folge entschieden gehandelt wird.
Es hilft niemandem und ist nicht zielführend, wenn man sein Land aus der Hosentasche und mit „tweeds“ führt.
Die populistische Aufforderung der SPD kann ich nachvollziehen und erwarte sie sogar von einer guten Opposition.
@ KPK
Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, dass die SPD keine konkreten Vorschläge macht. Denn würde die SPD mit Konkretem ankommen, würde sich nur auf die Unmöglichkeit der Durchführung und nicht auf den Vorschlag an sich gestürzt.
Wir werden in diesem Wahljahr noch viele gute Vorschläge zu hören bekommen, von denen niemand so richtig sagen kann wie sie durchgeführt werden sollen.
Man darf gespannt sein ;-)
@KPK
Das ist doch Auftragstaktik – der Auftrag: Verlegung. Die Ausplanung obliegt dem BMVg ICCW AA. Dann M1 und M2.
Der türkische Außenminister hat heute erklärt, laut ‚Spon u.a., daß Deutschlandd alles unterstützt was gegen die Türkei sei und deshalb keine Besuche von Abgeordneten in Incirlik gestattet würden.
Am Montag reist Außenminister Gabriel in die Türkei, dies dürfte wohl der letzte Lösungsversuch sein.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-aussenminister-stellt-bedingungen-fuer-oeffnung-von-incirlik-a-1149977.html
Die Aufforderung der SPD Fraktion hätte nur Gewicht, wenn der Verlegungsantrag offiziell in den Bt eingebracht würde, weil dann die Opposition mit der SPD der Kanzlerin und der CDU eine Abstimmungsniederlage bereiten könnten, wenn die PDS mitstimmt für eine Verlegung.
Ich rieche hier ein Wahlkampfmanöver.
Es ist dich sicherlich schwer vorstellbar, dass die SOD auf einmal ihre tiefe Zuneigung zu Soldatenthemen entdeckt.
Ich vermute eher, dass der SPD bewusst ist, dass eine Verlegung eines feldlagers von A nach B die Bundeswehr vor eine riesenhafte, vielleicht sogar gar nicht zu stemmende Herausforderung stellt.
Feldlagermaterial dürfte knapp sein. Darüber hinaus hat die genial Verlegung des Spez Pi Rgt von Speyer nach Husum , vermutlich auch dazu geführt, dass die Anzahl der echten Spezialisten überschaubar ist. (Falls diese nicht ohnehin schon für andere Einsätze geplant sind)
Für die SPD doch ein gefundenes fressen, die Unfähigkeit der Truppe nach 3 1/2 Jahren VdL zur Sprache zu bringen.
@Nick von Stra
Was auch immer Sie riechen – von welchem Feldlager sprechen Sie?
Zum Glück interessiert in wenigen Monaten niemand mehr was die SPD verlangt oder welche Personalrochaden sie noch durchführt, eventuell können sogar diverse Angriffe des derzeitigen Außenministers auf die Deutsche Rüstungsindustrie und Wehrkraft rückgängig gemacht werden.
[Wer hier Wahlkampf machen will, sollte sich woanders umsehen. Und das gilt für Zuneigung wie Gegnerschaft zu allen Parteien. T.W.]
@ Thomas Melber
„Das ist doch Auftragstaktik – der Auftrag: Verlegung. Die Ausplanung obliegt dem BMVg ICCW AA. Dann M1 und M2.“
Bitte was ist ICCW AA; M1; M2?
Wie ist denn unter diesem Gesichtspunkt das „plötzliche“ auftauchen eines Videos über die Auseinandersetzung von DEU ISAF-Kräften mit jordanischen Soldaten zu werten? Die Zeitung mit den großen Buchstaben und vielen Bildern berichtet…
Zufall?
@napoleon
ICCW: in Close cooperation with
M1/2: Möglichkeit des Handelns 1/2
Danke
@Mitleser
Das würde ich auch gerne wissen. Zwei Dinge finde ich interessant: warum taucht so ein Video gerade jetzt auf und warum läuft das nur über Bild?
Das ist ja, wenn der Bild Bericht stimmen sollte, ein schwerwiegender Vorfall. Da wären auch die Hintergründe interesant!
Sowohl die TUR als auch DEU Seite scheinen bereits einander die Tür zugeschlagen zu haben. Die möglichen Konsequenzen daraus lassen mich schlimmes für die letzten Monate vor der Bundestagswahl erwarten. DEU hat deutlich mehr zu verlieren als TUR vor allem i der Flüchtlingsfrage, zudem andere NATO-Partner in dieser Frage wahrscheinlich nicht alle an der Seite Deutschlands stehen.
Der Abzug ist auch nach der starken Betonung der Parlamentsarmee und des Parlamentsvorbehalts in der Kolbow-Komission der Koalitionsfraktionen folgerichtig. Ein paar rote Linien gibt es, beim Syrien-Einsatz wurde die rote Linie eines sauberen UNO-Mandats bereits überschritten. Jetzt auch noch die parlamentarische Kontrolle aufzugeben wäre desaströs.
Da bleibt für mich die Frage…
ob es für die/dem dort in Incirlik stationierte Soldaten / Personal wirklich nicht möglich ist, den Ihnen gestellten Auftrag auch ohne die Hilfe / Unterstützung von reisenden Parlamentariern zu erfüllen…?
Ich denke da z.B. an die Verlegungskosten, Reisekosten der Parlamentarier, der zusätzliche Zeitaufwand für alle Beteiligten unter Beachtung der EU-Arbeitszeitverordnung und wirkt sich die zusätzliche Abwesenheit der Parlamentarier von der Hauptstadt nicht auch negativ auf ihre eigentliche Arbeit in Berlin aus…?
Meiner *Meinung nach sollte man in Incirlik versuchen auf solche Kosten und Problembehafteten-Einladungen zu verzichten.
Eine Umfrage unter den dort Betroffenen würde meiner *Meinung auch weiterhelfen. ( evtl. auch durch intl. Medien…falls deutschen Medien der Zugang in Incirlik nicht möglich ist… )
* Ich akzeptiere natürlich auch jede andere Meinung ;-)
Der Besuch des Außenministers in der Türkei blieb ergolglos:
https://m.heute.de/detail/47314406
Wenn man sich die Sachlage anschaut wenig überraschend.
Ob der Außenminister wirklich daran geglaubt hat, dass eine Einigung möglich ist – oder schlichtweg Wahlkampf in unbeholfener und kurzsichter Art?
Die SPD-Fraktion hat den Abzug gefordert, die Union erklärt, man wolle diese Reise des Außenministers abwarten, als letzten Einigungsversuch.
Daß die Türkei nicht nachgeben würde, war zu erwarten und selbst wenn jetzt ein Besuch gestattet worden wäre, hätte sich der Ärger spätestens nach dem nächsten Asyl in Deutschland für angebliche Putschisten oder türkische Nato-Offiziere wiederholt.
Angesichts dieser Ausgangslage, hat dieser letzte Versuch, der vor allem im Interessen der Kanzlerin und der Union war, nichts mit Wahlkampf zu tun.
Nach einem Bericht bei Welt.de stellte BM Gabriel jedoch auch fest, es gebe „noch keine Entscheidung oder konkreten Plan, den wir heute besprechen konnten“.
Wie war das bei all den Reden in München?
Vorausschauend, entschlossen usw.
Die Verlegeplanung wird offenbar erneut ein Beispiel für die strategische und operative Agilität der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.
Das Problem mit der Türkei war vorhersehbar. Vor der Verlegung nach Incirlik gab es schon die Gezi-Park Probleme und die Verschlechterung der Menschenrechtslage in der Türkei!
Und man wusste schon, von den Flugabwehrraketeneinheiten, daß deutsche Soldaten in der Türkei nicht wirklich willkommen sind.
Auch Probleme mit dem Völkermord an den Armeniern waren vorhersehbar, nur der Putsch war überraschend.
Nachdem man Jordanien erkundet hat, und geeignet sein soll, und die SPD-Fraktion die Verlegung gefordert hat, wäre es ein Armutszeugnis für die BW-Führung und VDL, wenn jetzt keine fertigen Pläne für eine Verlegung vorhanden wären.
Es ist ja schon peinlich genug, daß wegen der Verlegung von nur 6 Aufklärungstornados, diese wochen- oder monatelang angeblich nicht aufklären können sollten. Warum dies so ist, hat leider noch niemand hier in AG erklären können.
Ich kann nur vermuten, daß es der BW an Ausrüstung und Material für die Tornados fehlt, denn eigentlich müsste eine anständige Luftwaffe in der Lage sein, aus Deutschland Ersatzmaterial nach Jordanien zu verlegen, statt Material aus Incirlik verlegen zu müssen, und den Flugbetrieb aufrecht erhalten können, ohne jede Unterbrechung und das Material aus Incirlik erst nachträglich nach Deutschland zurück holen zu müssen.
Denn was macht die Luftwaffe, wenn morgen wieder Tornados nach AFG oder erstmals nach Mali oder sonstwo hin sollen, erklären, daß es leider an Aufkllärungsbehältern, Ersatzteilen für Tornados oder Bildauswertern fehlt und die Luftwaffe deshalb den Offenbarungseid leisten muss?
@all
Nach dem Gespräch Gabriels in Incirlik gibt es einen neuen Thread zu diesem Thema.