Gabriel: Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben „nicht überinterpretieren“

So was schien bei der Münchner Sicherheitskonferenz die vergangenen Jahre eigentlich undenkbar: Europäer, die gebannt darauf warten, ob die USA denn ein Bekenntnis zur NATO ablegen, und ein russischer Außenminister, der in den harten Tönen gegen die NATO der Tonlage des US-Vizepräsidenten mit seinem Anspruch Die USA sind stärker als je zuvor in nichts nachsteht.

Mit anderen Worten: Willkommen in der Tonlage der  Zeit der früheren Blockkkonfrontation. Die Europäer nehmen es offensichtlich hin, weil sie auf den Beistand der USA angewiesen sind – und sie dürften die Aussagen von Mike Pence, der im Namen seines Präsidenten Donald Trump zwar das US-Bekenntnis zur NATO erneuerte, aber zugleich von den europäischen Partnern deutlich mehr eigene Anstrengungen forderte, mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen haben.

Zur Dokumentation unten (als Audio) die Reden von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Pence und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow – zuvor aber noch der Hinweis auf einen anderen Punkt: Deutschland hat wie alle anderen NATO-Länder auf zwei Gipfeltreffen ein Bekenntnis zum Ziel abgelegt, die Verteidigungsausgaben schrittweise auf zwei Prozent des Bruttoninlandsprodukts zu erhöhen. Zuletzt im Juli vergangenen Jahres in Warschau, und das hat nicht nur die Kanzlerin unterschrieben, sondern ihr damaliger SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier auch begrüßt (Ja, wir stärken unsere Verteidigungsbereitschaft, aber wir wollen keinen Kalten Krieg.)

Wie das von Steinmeiers Nachfolger Sigmar Gabriel (Foto oben) verstanden wird, hat der neue deutsche Außenminister in München etwas genauer erklärt. Und ich bin gespannt, ob diese Argumentation a) bei den USA ankommt und b) im Wahlkampf noch Stoff für Auseinandersetzungen bieten wird. Die Aussagen Gabriels dazu  ab ca. Minute  27:50 in diesem Video des Bayerischen Rundfunks*:

Auch mir ist klar, dass wir eine Verpflichtung eingegangen sind. Aber ein bisschen müssen wir aufpassen – Jens Stoltenberg sitzt hier vor mir – dass wir nicht zurückfallen in die Zeit, in der wir glauben, die Steigerung von Militärausgaben sei gleichbedeutend mit der Steigerung von Sicherheit. Wir wissen doch längst, dass Krisenprävention, dass Wiederaufbau, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Lebensperspektiven schaffen, dass das einen weit höheren Beitrag leisten kann als jede Militärausgabe.
Manchmal brauchen wir leider auch militärische Instrumente, weil man sozusagen gegen Gewalttäter und Terroristen keine Schulen bauen kann, bevor man sie nicht besiegt hat. Aber nicht in den Glauben zurückzufallen, hohe Militärausgaben seien gleichbedeutend mit mehr Sicherheit, das finde ich wichtig.
Bei allem Respekt vor dem Zwei-Prozent-Ziel: eines der Länder in Europa, die das erreicht haben, ist Griechenland. Ob das jetzt eine besonders kluge Idee ist, zwei Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt in Griechenland zu erreichen, während man zeitgleich die Renten nicht auszahlen kann, und ob das zu mehr Stabilität in Griechenland führt, darüber würde ich dann doch gerne mal nachdenken. Also man muss ein bisschen aufpassen, dass man es nicht überinterpretiert. Die Zielrichtung ist klar und die stellt niemand infrage.
Und wenn dann gesagt wird, Deutschland soll in wenigen Jahren 25 Milliarden Euro mehr für Verteidigungsausgaben ausgeben: Hier sitzen ein paar Abgeordnete und politische Profis mit Haushalten zusammen. Also, auch in Wahlkämpfen sollte man einigermaßen realistisch dabei bleiben, was Politik versprechen und tatsächlich einhalten kann. Ich weiß jedenfalls nicht, woher in kurzer Frist diese mittlere zweistellige Milliardenhöhe kommen soll, zumindest dann nicht, wenn zeitgleich großartige Steuersenkungsverabredungen getroffen werden. Also, Maß und Mitte halten. Die Zielrichtung beibehalten, aber nicht in sozusagen Glückseligkeit über eine neue Aufrüstungsspirale zu verfallen, weil am Ende damit alleine jedenfalls Sicherheit nicht gewährleistet werden kann.

Das klingt zwar nachvollziehbar, aber dennoch nicht wie eine Umsetzung der Gipfelbeschlüsse. Aber dazu werden wir bestimmt noch mehr hören, spätestens im Wahlkampf.

Zum Nachhören ansonsten:

Rede Bundeskanzlerin Angela Merkel

MSC_Merkel_18feb2017     

 

Rede US-Vizepräsident Mike Pence

MSC_Pence_18feb2017     

 

Rede und Frage/Antwort-Runde russischer Außenminister Sergej Lawrow

MSC_Lawrow_18feb2017     

 

 

(* Ich hoffe ja, dass diese Videos von der Münchner Sicherheitskonferenz nicht wie andere Videos öffentlicher-rechtlicher Anstalten nach einiger Zeit depubliziert werden. Die massiv mit Steuermitteln unterstützte Konferenz stellt alle Videos ihrer Veranstaltungen auschließlich mit einem Copyrightvermerk des Bayerischen Rundfunks online, der auch exklusiven Zugang zur Übertragung der Veranstaltungen hat. Sollte die Verlinkung darauf Rechte verletzen, werde ich das nach zumutbarer Kenntnisnahme natürlich entfernen. Die Frage wird allerdings zu klären sein, warum eine Rede eines Regierungsmitglieds bei einer steuerfinanzierten Veranstaltung entsprechenden Einschränkungen unterliegt und warum dieses Material nicht von der Münchner Sicherheitskonferenz selbst veröffentlicht wird.)

(Foto: MSC/Hildenbrand)