Zum Jahresende: Blick auf die Einsätze

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Zum Ende dieses Jahres verzichte ich (wie meist) auf einen Jahresrückblick – denn davon gibt es derzeit reichlich. Statt dessen ein Blick auf die laufenden Einsätze und so genannten Aktivitäten der Bundeswehr außerhalb des Grundbetriebs in der Heimat. Mit einem kleinen Ausblick, was da 2017 noch zu erwarten sein dürfte – nach heutigem Stand:

Afghanistan: Der Einsatz am Hindukusch ist (noch) der größte Auslandseinsatz der Bundeswehr. Knapp 1.000 deutsche Soldaten sind dort stationiert, die meisten davon in Masar-i-Scharif im Norden des Landes. Die deutsche Beteiligung an der NATO-geführten Mission Resolute Support wurde erst Mitte Dezember in das nun 16. Jahr verlängert – die Hoffnungen auf eine mögliche Verringerung des internationalen Truppeneinsatzes hatten sich angesichts der unverändert kritischen Sicherheitslage nicht erfüllt. Von der Basis in Masar-i-Scharif aus schicken die deutschen Resolute Support-Truppen auch immer wieder Berater nach Kundus, wo die afghanischen Sicherheitskräfte wie an etlichen anderen Stellen des Landes im Kampf gegen die Aufständischen nicht wirklich dauerhafte Erfolge erzielen.

Mali: In dem westafrikanischen Land ist die Bundeswehr gleich in zwei Einsätzen präsent: In der EU-Trainingsmission für die malische Armee (EUTM Mali) mit rund 170 Soldaten, vor allem aber in der Blauhelmtruppe der UN-Mission MINUSMA mit derzeit rund 560 Soldaten in Gao im unsicheren Norden des Landes. In der MINUSMA-Mission, die erst in diesem Jahr begonnen wurde, ist ihr Auftrag in erster Linie Aufklärung, am Boden und mit Heron-Drohnen. Aber im kommenden Jahr wird das Mandat deutlich ausgeweitet: Mit NH90-Transporthubschraubern und Tiger-Kampfhelikoptern löst die Bundeswehr die Chinook– und Apache-Hubschrauber der Niederländer ab und wird dann ab dem Frühjahr auch die Rettung verwundeter Soldaten mit Hubschraubern sicherstellen müssen. Dafür soll es im Januar ein neues Mandat geben, in dem die bisherige Obergrenze für den Einsatz von 650 Soldaten auf rund 1.000 erhöht wird. Mali wird dann für die Bundeswehr ihr größter Auslandseinsatz und Afghanistan auf dem Spitzenplatz ablösen.

Kosovo: Die inzwischen älteste Auslandsmissionder Bundeswehr (seit 1999). Noch immer sind dort gut 500 deutsche Soldaten im Einsatz, obwohl die deutschen Soldaten zum 1. Oktober ihre Patrouillen im Norden des Landes beendeten und die Einsatzkompanie zurückverlegt wurde. Weitere 500 Soldaten stehen als Teil des deutsch-österreichischen operativen Reservebataillons in Deutschland in Bereitschaft. Langfristig soll das deutsche Engagement in der ehemals serbischen Provinz weiter reduziert werden; am längsten werden wohl die Soldaten bleiben, die für den Betrieb des Feldlazaretts der KFOR-Truppen gebraucht werden.

Kampf gegen ISIS: In drei formal unterschiedlichen Missionen beteiligt sich die Bundeswehr an der internationalen Koalition gegen die islamistische Terrormiliz in Syrien und im Irak.Von der türkischen Basis Incirlik aus starten Tornado-Kampfjets zu Aufklärungsflügen über den beiden Ländern, außerdem ein Airbus-Tankflugzeug zur Unterstützung der Kampfjets anderer Nationen, die Teil dieser Koalition sind. Nach einer am (heutigen) Mittwoch von dpa veröffentlichten Statistik sind die Tornados seit Beginn dieses Jahres zu fast 700 Einsätzen aufgestiegen und haben Aufklärungsfotos geliefert.; der Tanker flog 315 Einsätze. Im November hatte der Bundestag diesen Einsatz verlängert; angesichts des gespannten Verhältnisses zwischen Deutschland und dem NATO-Partner Türkei und des zeitweisen Besuchsverbots für deutsche Abgeordnete in Incirlik sagte die Bundesregierung allerdings zu, Alternativen für eine Stationierung der Flugzeuge zu prüfen. Im Rahmen dieser Mission sind derzeit rund 280 deutsche Soldaten im Einsatz. Die Obergrenze von maximal 1.200 Soldaten lässt in diesem Rahmen auch weitere Einsätze zu, wie sie in diesem Jahr zum Beispiel mit der Abstellung einer deutschen Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers im Mittelmeer stattfanden.

Mit der Mandatsverlängerung im November wurde auch ein Einsatz von AWACS-Überwachungsflugzeugen der NATO zur Unterstützung der Anti-ISIS-Koalition mit deutschen Besatzungsmitgliedern möglich. Von der NATO-Basis in Konya in der Türkei aus gab es seitdem zehn AWACS-Flüge mit deutscher Beteiligung.

In Erbil, der Hauptstadt der Kurdenregion im Norden des Irak, bilden rund 135 deutsche Soldaten kurdische Peshmerga-Kämpfer für das militärische Vorgehen gegen ISIS aus, unter anderem an Panzerabwehrwaffen (Foto oben). Die Bundeswehr hatte diese Waffen und Sturmgewehre sowie weitere Ausrüstung an die Peshmerga geliefert; diese Waffenlieferungen sind allerdings vorerst abgeschlossen.

Zentrales Mittelmeer: Als Teil der European Naval Forces Mediterranean (EUNAVFOR MED) sind in der Operation Sophia seit 2015 ständig deutsche Kriegsschiffe vor der Küste Libyens präsent; derzeit mit dem Tender Main und nicht, wie in den vergangenen Monaten üblich mit zwei Schiffen. Die Aufgabe der EU-Einheiten ist formal in erster Linie die Aufklärung und Unterbrechung der Schleuser-Aktivitäten auf der Mittelmeerroute von Libyen nach Europa, seit diesem Jahr zudem auch die Ausbildung der libyschen Küstenwache und die Durchsetzung des Waffenembargos gegen Libyen zur See. Die Aktionen der Europäischen Union sollen zunehmend durch die NATO-Mission Sea Guardian (siehe unten) ergänzt werden.

Mittelmeer/Sea Guardian: Seit dem Herbst hat die NATO ihre vorangegangene, noch auf den Bündnisfall nach 9/11 gestützte Mission Active Endeavour in eine allgemeine Seeraumüberwachung des Mittelmeers überführt. Die Ende September vom Bundestag gebilligte Mission hat so weitreichende Befugnisse für Seestreitkräfte wie niemals zuvor außerhalb eines Kriegsfalles; praktisch das ganze Mittelmeer ist ihr Kontrollgebiet. Die Deutsche Marine stellt für Sea Guardian immer nur zeitweise Schiffe ab, die sich in der Regel auf dem Transit in ein anderes Operationsgebiet im Mittelmeer befinden.

Mittelmeer/Ägäis: Formal nicht als Einsatz, sondern als Aktivität der NATO gilt die Überwachung der Seegrenze zwischen den Bündnismitgliedern Griechenland und der Türkei in der Ägäis – unter deutscher Führung soll eine kleine Flotte aus verschiedenen NATO-Ländern sicherstellen, dass der kurze Seeweg zwischen dem türkischen Festland und den griechischen Inseln nicht als Schleuserroute für Flüchtlinge genutzt wird. Die Mission kam nach einer Einigung zwischen Deutschland und der Türkei zustande und soll vor allem die Konfrontationssituation zwischen Griechenland und der Türkei überwinden. Die Fortsetzung stand und steht angesichts der Spannungen zwischen der Türkei und der EU sowie Deutschland immer wieder infrage; jetzt wird sie bis auf Weiteres fortgesetzt. Erst unmittelbar vor Weihnachten übernahm der deutsche Flottillenadmiral Axel Deertz als neuer Kommandeur mit der Fregatte Sachsen als neuem Flaggschiff den Oberbefehl über diesen Einsatz.

Mittelmeer/UNIFIL: Die Marinemission vor der Küste des Libanon ist nach inzwischen mehr als zehn Jahren einer der älteren Auslandseinsätze der Bundeswehr – aber aus politischen Gründen an der politisch sensiblen Grenze zwischen Israel und dem Libanon nach wie vor gewünscht. Der UN-Verband steht derzeit unter brasilianischer Führung; die Bundeswehr ist mit der Korvette Braunschweig beteiligt.

Piraterie/Somalia: Erstmals seit Beginn der Antipirateriemission der Europäischen Union, der Mission Atalanta, im Jahr 2008 stellt die Bundeswehr seit dem Sommer dieses Jahres kein Kriegsschiff mehr für den Einsatz vor der Küste Ostafrikas. Das wird sich voraussichtlich auch im kommenden Jahr nicht ändern – offiziell ist der Grund der deutliche Rückgang der Aktivitäten somalischer Piraten (auch wenn es in diesem Jahr erstmals seit langem wieder Angriffe gab). Allerdings soll auch künftig zeitweise ein deutscher Seefernaufklärer vom Typ P-3C Orion bei Atalanta eingesetzt werden.

Sudan/Südsudan: Vor allem in der jungen Republik Südsudan droht, in Europa kaum noch wahrgenommen, eine massive Zunahme des innerstaatlichen Konflikts. Die Vereinten Nationen bemühen sich, nicht immer mit glücklicher Hand, um eine Befriedung des Landes – der deutsche Beitrag zu UNMISS besteht aus 15 Soldaten. Das Mandat wurde Mitte Dezember verlängert, ebenso die Beteiligung von derzeit sieben deutschen militärischen Experten an der gemischten Mission von UN und Afrikanischer Union, UNAMID, in der sudanesischen Unruheprovinz Darfur.

NATO-Nordostflanke: Wie die Mission in der Ägäis ist auch der deutsche Einsatz zur Luftraumüberwachung im Baltikum, die Beteiligung am so genannten Baltic Air Policing, formal kein Einsatz – er findet innerhalb des Bündnisgebiets statt und wurde deshalb nicht vom Bundestag mandatiert. Bis Ende April kommenden Jahres stehen dafür bis zu sechs Eurofighter-Abfangjänger für Starts von der Basis Ämari in Estland bereit.

Das deutsche Engagement zur Unterstützung der Verbündeten an der Nordostflanke der NATO und, wie vom NATO-Gipfel im Sommer in Warschau beschlossen, zur Abschreckung Russlands wird im kommenden Jahr deutlich ausgeweitet: Auch die Enhanced Forward Presence der Allianz ist formal kein Einsatz. Die Bundeswehr stellt dafür den Kern eines Einsatzverbandes in Litauen, zunächst mit Panzergrenadieren des Panzergrenadierbataillons 122 aus Oberviechtach. Langfristig sollen verschiedene Kampftruppen rotierend für mehrere Monate mit ihrem Gerät in das baltische Land verlegt werden.

(Die stärkere Präsenz von Truppen der NATO, aber auch zusätzlichen US-Einheiten wird die Bundeswehr auch im Inland fordern – denn Deutschland wird zur Drehscheibe für die Bewegung von Truppen und Gerät.)

(Archivbild November 2016: Trainer der Bundeswehr beobachten die Ausbildung von kurdischen Peshmerga-Kämpfern an der Panzerfaust bei Erbil im Kurdengebiet im Norden Iraks – Moe Zoyari)