Bundeswehr-Blauhelme bleiben in Süd-Sudan und Darfur
Fürs Archiv: Der Bundestag hat am (heutigen) Donnerstag den weiteren Einsatz deutscher Soldaten bei den Blauhelmmissionen der Vereinten Nationen im Süd-Sudan und in der sudanesischen Unruheprovinz Darfur gebilligt. Dem verlängerten Mandat für die UN-Mission im Süd-Sudan (UNMISS) stimmten 503 Abgeordnete zu, 59 sprachen sich dagegen aus und ein Parlamentarier enthielt sich. Die weitere Bundeswehrbeteiligung an dem gemeinsamen Einsatz von UN und Afrikanischer Union in Darfur (UNAMID) billigten 526 Abgeordnete bei 60 Gegenstimmen und einer Enthaltung.
Die Mehrheitsverhältnisse sind damit im Wesentlichen wie schon in den Vorjahren, zum Beispiel 2013 und 2015: Mit Ausnahme der Linkspartei billigten alle Fraktionen weitgehend geschlossen die deutsche Beteiligung an diesen Missionen. Bei UNMISS im Süd-Sudan sind derzeit 16, bei der Mission UNAMID in Darfur derzeit neun deutsche Soldatinnen und Soldaten im Einsatz.
Gerade Süd-Sudan ist angesichts der Entwicklungen in Europa und vor allem in Syrien praktisch von der europäischen Tagesordnung verschwunden. Dabei ist die Lage in diesem sehr jungen, von ethnischen Konflikten zerrissenen Land schlimmer denn je, wie eine Kommission der Vereinten Nationen noch in dieser Woche feststellte:
A quarter of the population of South Sudan is already internally displaced or abroad as refugees. But South Sudan has fallen off the international radar and that’s why I, and my colleagues, urge you to make today’s special session a turning point for the country.
Already on our first mission to South Sudan in September, the ethnic polarization concerned us. However a clearer picture emerged from our latest mission in November and December to South Sudan, Kenya and Ethiopia. All of the early warning signals for mass atrocities in South Sudan are there, as the UN Special Representative for the Prevention of Genocide also stated.
Mehr dazu hier: Statement by Yasmin Sooka, Chair of the Commission on Human Rights in South Sudan at the 26th Special Session of the UN Human Rights Council
(Archivbild März 2016: UN-Blauhelme sichern ein Camp zum Schutz von Zivilisten nahe der süd-sudanesischen Haupstadt Juba – UNMISS/Eric Kanalstein)
Die Obergrenze des Mandats (50 Soldaten) könnte vielleicht noch erwähnt werden.
Im Chaos nach der Abzugsankündigung Kenias vielleicht etwas untergegangen:
Kenia stellt im Westen des Landes ein Infanteriebattalion und den Kommandeur UNMISS. Dieser wurde wegen seiner (passiven) Rolle im Zuge der Angriffe auf Zivilisten und UN-Personal im Sommer scharf kritisiert. Kenia wurde aufgefordert, einen anderen Kommandeur zu stellen, woraufhin das Land all seine Truppen abzog. Ersetzt wird das Battalion durch eines aus Bangladesch. Dieses Land war schon vorher mit (Kampf-) Unterstützungstruppen bei UNMISS.
Als Reaktion auf die Angriffe wurde das neue Kontingent aus Japan (Pionierbatallion) mit den am weitesten reichenden Befugnissen ausgestattet, die japanische Truppen je hatten. So dürfen die Soldaten proaktiv in Kämpfe eingreifen (sofern keine Kampftruppen greifbar sind). Japans pazifistische Verfassung ist deutlich strenger als die aktuelle politische Praxis der BRD.
Wurde auch schon etwas erreicht? Warum werde solche Einsätze eigtl. keiner objektiven Kosten-Nutzungs-Analyse unterworfen, bevor sie abgenickt werden? Hat ein „Blauhelm“-Einsatz überhaupt schonmal ein positives Ergebnis erzielt?
@Leichte Infanterie
Ich denke zu Recht wurde die Rolle von UNMISS vor allem nach den Kämpfen im Juli dieses Jahres heftig kritisiert. Zwei sehr interessante Berichte darüber finden sich hier:
http://civiliansinconflict.org/uploads/files/publications/CIVIC_-_Juba_Violence_Report_-_October_2016.pdf
http://www.un.org/News/dh/infocus/sudan/Public_Executive_Summary_on_the_Special_Investigation_Report_1_Nov_2016.pdf
Darin enthalten u. a. Hinweise, dass die MedEvac-Richtlinien aufgrund fehlerhafter Planung und fehlender Ausrüstung vor Ort nicht eingehalten werden konnten, und deswegen zwei chinesische Peacekeeper verbluteten oder, dass es unfassbare Probleme in der Befehlskette gibt da nationale Kontingente jeweils ihr eigenes Süppchen kochen. Keine Frage, dies sind Missstände, die es unverzüglich abzustellen gilt. Ich würde auch risikoavers handeln wenn ich wüsste, dass im Falle des Falles eben nicht alles für mich getan wird oder getan werden kann.
Ein Erfolg, soweit steht fest, ist UNMISS derzeit also nicht, da nach 2011 nicht geholfen werden konnte, Stabilität in diesen Rumpfstaat zu bringen. Was wäre denn aber die richtige Alternative? Abziehen und den Konflikt „ausbluten lassen“? Auch keine Option mehr in diesem Jahrtausend, da zu viele Interessen von außen in diesen Konflikt hineinspielen.
Man mag die Leistung von UNMISS daher kritisieren wie man möchte, Fakt ist aber, dass die Rahmenbedingungen denkbar schlecht sind: Die südsudanesische Regierung blockiert die Bewegungsfreiheit von UNMISS Personal und Material wo es nur geht, was zur deutlichen Minderung der Effektivität führt. Sowohl innerhalb der südsudanesischen Regierung als auch in den unzähligen Rebellengruppen im Land sitzen zudem Kriegstreiber, die seit über 30 Jahren nichts anderes kennen als Gewalt, Macht und Gier. Eine politische Beilegung dieses Konfliktes ist aus meiner Sicht mit diesen Protagonisten daher überhaupt nicht möglich und jede „neutrale“ Peacekeepingmission zum Scheitern verurteilt, weil überhaupt kein echtes Interesse daran besteht einen gemeinsamen Weg zum Wohle der Bevölkerung zu finden. Ganz nebenbei geht es den Führern beider Seiten finanziell auch nicht wirklich schlecht wie ein Bericht jüngst beleuchtete. Was man hier also bräuchte um wirklich etwas am Boden zu erreichen wäre eine vollkommen neue, unverbrannte politische Führungsriege, die es aber weder unter Salva Kiir und unter Riek Machar, wenn er denn überhaupt wieder zurück gelassen würde, nicht geben kann! UNMISS hängt daher im luftleeren Raum. Auf ihre Frage, ob es übrigens positive Beispiele gibt: Ich würde sagen ja mit Abschwächungen: UNAMSIL nach 2000 zum Beispiel oder auch UNMIL wenn die kommenden Wahlen gut überstanden werden.
Zurück zu UNMISS: Gemessen an der Fläche des Südsudan sind 12.000 Soldaten auch nicht gerade viel. Wir sprechen hier immerhin über ein Gebiet, welches fast zwei Mal so groß ist wie die Bundesrepublik und so gut wie über keine Infrastruktur verfügt. Ein Grund, wieso Kämpfe immer nur in der Trockenzeit zunehmen. Dann das jüngste Hickhack um die Regional Protection Force, die lange Zeit von der Regierung in Juba blockiert wurde, bis man sich Ende NOV darauf einigte, erst einmal 2.200 Soldaten aus Äthiopien, Kenia und Ruanda sowie „1.800 enablers“ ins Land zu lassen, obwohl gerade Nachbarstaaten zu Beginn vehement abgelehnt worden waren. Eine Regierung, die alle Möglichkeiten zum Schutz der Bevölkerung ausschöpft sieht definitiv anders aus.
Auf Ebene des Sicherheitsrates ist es noch wilder. Dort steht die Frage nach einem Waffenembargo seit Monaten im Raum. Gepuscht im Februar von Angola und Großbritannien stehen u. a. Russland und China dagegen. Die USA sind mittlerweile starke Befürworter. Ein wenig sehr spät wie ich finde. Ein weiteres Beispiel war die gestrige Resolution die UNMISS erst einmal um einen (1) Tag vom 15. auf den 16. Dezember verlängert. Klar, es hatte etwas mit dem VN-System zu tun, aber Einigkeit und klare Linien sehen für mich anders aus. Problematisch in diesem Zusammenhang ist einfach, dass es keine wirkliche „lead nation“ gibt, die ausreichend Personal und Material zur Verfügung stellt und andere Staaten mit zieht. Bis 2011 puschten noch die USA, mit der Abspaltung des Südsudan vom Sudan war für die aber die Sache mehr oder weniger gegessen. China hat noch große Eigeninteressen im Land und ist demnach sowohl diplomatisch als auch personell stark involviert. Proaktiv vorangehen ist für China aber auch nicht angesagt. Ich bezweifel auch mal, dass da andere Staaten aus Europa mitziehen würden.
Zurück daher zur Truppe. Es darf auch nicht vergessen werden, dass sich derzeit über 200.000 Menschen in den VN-Lagern befinden, die nie dafür vorgesehen waren, solche Menschenmengen aufzunehmen. Bei aller Kritik an der Handhabung sollte doch festgestellt werden, dass ohne die Präsenz von UNMISS nicht nur am 15. Dezember 2013 und den folgenden Tagen und Monaten tausende, vielleicht sogar zehntausende Menschen mehr ums Leben gekommen wären.
Also noch einmal: Was ist die Alternative? Abziehen und warten, bis ein Konsens gefunden wurde und bis dahin einfach nichts tun?
Eine interessante, schon öfter aufgekommene Idee war daher die Einrichtung eines trusteeships. U. a. zu lesen hier: http://i.cfr.org/content/publications/attachments/CSR77_Knopf_South%20Sudan.pdf.
Keine Frage: Die jetzige politische Führung des Landes würde so etwas nie erlauben. In persönlichen Gesprächen mit einigen jungen Südsudanesen kam auf diese Frage aber meist die Antwort, dass alles, was irgendwie zur Befriedung des Landes und zur langfristigen Entwicklung beitragen könne, Willkommen sei.
@ Abdul Iyodo | 16. Dezember 2016 – 5:42
Schöner, informativer Beitrag – Danke!
Falls jemand eine Übersicht braucht, die im Internet recht schwer zu finden ist:
http://www.un.org/Depts/Cartographic/map/dpko/unmiss.pdf
Man beachte das Datum in der linken unteren Ecke.
Zum Thema Führungsfähigkeit fällt auf, dass zumindest eine einheitliche Führungsunterstützung (durch indische Funker) vor Ort war. Das gab es in anderen Einsätzen ganz anders.
@ Abdul Iyodo
Danke für den ausführlichen Beitrag.
Ich stand im Kontakt mit einem deutschen Offzier, der als UN-Beobachter 2005 im Südsudan eingesetzt war. Er war in den Bergen stationiert, zur Hauptstadt Juba waren es 9 Autostunden mit dem Bus.
Bereits damals gab es den Konflikt zwischen den USA und China um die Vorherrschaft über die Ölvorkommen im Südsudan.
Nachdem der Südsudan selbstständig geworden war, gab es eben den Konflikt um diese Ressourcen zwischen den verschiedenen Stämmen im Südsudan, der vorher zwischen Südsudan und Sudan ausgetragen wurde. Abgesehen davon braucht der Südsudan immer noch die Pipeline durch den Südan um seine Ölvorräte an einen Hafen ans Meer zu bringen. Also auch hier ist Zusammenarbeit notwendig.
Es erhebt sich aber die Frage, warum der Westen einen Staat unterstützen soll, der nicht bereit ist seine Ressourcen fair unter den Bevölkerungsgruppen aufzuteilen.
Dies ist das Grundproblem aller afrikanischer Konflikte (auch Mali), wo die momentan herrschende Gruppe nicht bereit ist, die anderen Bevölkerungsgruppen, Stämme, Clans am natürlichen Reichtum des Landes zu beteiligen, z.B. durch einen föderalen Staatsaufbau (siehe auch Prof. Herfried Münkler, Berlin).
Die Gefahr für einen UN-Soldaten 2005 im Südsudan bestand auch in dem banalen Umstand, dass beispielsweise eine Blinddarmentzündung zum Tod führen konnte, weil man die 9 Std Busfahrt nach Juba in die nächstgrößere Stadt nicht mehr rechtzeitig schaffte.