Rüstungsexport: Patrouillenboot für die Saudis; neue Höchstzahlen bei Ausfuhren (m. Nachtrag)

 

Luerssen_FPB40

Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch den Rüstungsexportbericht 2015 der Bundesregierung – oder genauer: den des Bundeswirtschaftsministers (und Vizekanzlers und SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel). Der Kern des Berichts – mehr Rüstungsexporte im vergangenen Jahr und im ersten Halbjahr 2016 – ist bereits in den vergangenen Tagen durchgesickert. Vielleicht auch, damit das Thema gegenüber dem ebenfalls heute stattfindenen Beschluss des Kabinetts über den Haushalt 2017 nicht völlig untergeht.

Mehr zum Bericht siehe unten; parallel dazu wurden am (gestrigen) Dienstagabend die jüngsten Beschlüsse des Bundessicherheitsrats zu den jüngsten Genehmigungen für Rüstungsexporte bekannt (zuerst bei Spiegel Online, allerdings haben die die Zahl der Genehmigungen für Panzerabwehrwaffen nach Mexiko mit fünf doch zunächst deutlich untertrieben).

Auffällig ist natürlich die Ausfuhrgenehmigung für das erste von 48 (Korrektur: wohl doch nur 33 plus drei für Kommando und Training) Patrouillenbooten an Saudi-Arabien – praktisch der Türöffner für diese Lieferungen (dahinter tritt der eigentlich ebenso große Aufreger, nämlich ein U-Boot für Ägypten, in den Hintergrund). Bei der Genehmigung für Saudi-Arabien soll, so berichtet Spiegel Online, Gabriel im Bundessicherheitsrat überstimmt worden sein:

Offenbar ist Gabriel im Geheimgremium überstimmt worden – ein Novum in der Geschichte der schwierigen Abwägung bei den Exporten. Sein Parteifreund Frank-Walter Steinmeier hatte zuvor öffentlich und vor seinen Genossen für den Deal geworben. Auch Kanzlerin Merkel oder Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen haben intern Zustimmung signalisiert, schließlich seien die Boote ja eher defensiv und nicht für den Einsatz im Inland oder dem Jemen geeignet.

Eine offizielle Bestätigung dafür wird es, wie üblich, wohl kaum geben.

Zur Übersicht die Liste der jüngsten Entscheidungen:

 

Nr.

Art des Exportgutes

Anzahl

Endempfänger- land

Antragsteller

Gesamt- volumen

1

U-Boot
mit zugehörigen Ausbildungssimulatoren, Depotersatzteilen, Batterie- Lade- und Entladestation und Zubehör

1

Ägypten

Thyssen Krupp Marine Systems

*

2

T orpedos

32

Ägypten

Atlas Elektronik GmbH

*

3

Patronen Kal. 4,6mm x 30

900.000

Brunei

RUAG Ammotec GmbH

*

4

Mehrfache vorübergehende Ausfuhr zur Erprobung: Gepanzertes Mannschaftstransportfahrzeug FUCHS 2

1

Kuwait

Rheinmetall MAN Military Vehicles

*

5

Tragbare Panzerabwehrwaffen

1.467

Mexiko

Dynamit Nobel Defence GmbH

*

6

Vorübergehende Ausfuhr zur Vorführung: Bergepanzer WISENT II (Folgeantrag zu abgelaufener Genehmigung)

1

Oman

Flensburger Fahrzeugbau GmbH

*

7

Lenkflugkörper (Luft-Luft) SIDEWINDER und zusätzliche Zielsuchköpfe, Triebwerke,

Zünder

160

25 9 3

Pakistan

Diehl BGT Defence GmbH & Co. KG

ca. 12,7 Mio.

8

Patrouillenboot 40m

1

Saudi-Arabien

Fr. Lürssen Werft GmbH & Co. KG

*

-2-

Nr.

Art des Exportgutes

Anzahl

Endempfänger-

Antragsteller

Gesamt-

land

volumen

9

Mehrfache vorübergehende Ausfuhr zur Erprobung: Torpedos ohne Gefechtskopf vollständig oder als Einzelteile (Rumpftorpedos, Zielsuchköpfe)

(Verlängerung)

4

Vereinigte Arabische Emirate

Atlas Elektronik GmbH

*

10

Vorübergehende Ausfuhr zur Erprobung: Gepanzertes Fahrzeug PMMC als Mannschaftstransporter

(Folgeantrag zu abgelaufener Genehmigung)

1

Vereinigte Arabische Emirate

Nachdem schon die Zahlen des Rüstungsexports 2015 heftige Kritik aus der Opposition hervorgerufen haben, stößt die Entscheidung über das Patrouillenboot für die Saudis erst recht auf empörten Widerstand, zum Beispiel von der Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger, Sprecherin für Sicherheitspolitik und Abrüstung:

Offensichtlich fehlt es den Mitgliedern des Bundessicherheitsrates ebenso an sicherheitspolitischem Sachverstand wie an Verantwortungsgefühl. Nach den üblen Rekordzahlen für das Jahr 2015 und das erste Halbjahr 2016 setzt die große Koalition ihre falsche Politik ohne mit der Wimper zu zucken weiter fort und genehmigt eine Reihe von Geschäften in Staaten außerhalb von NATO und EU. Insbesondere die Genehmigung des Patrouillenbootes für Saudi-Arabien ist eine große Fehlentscheidung. Patrouillenboote sind keine harmlosen Bötchen, die niemandem schaden, sondern Kriegswaffen. So ignoriert die schwarz-rote Bundesregierung auf fahrlässige Weise, dass Saudi-Arabien eine völkerrechtswidrige Seeblockade gegen den Jemen verhängt hat. Sigmar Gabriel lässt verbreiten, dass er diesen Deal aufhalten wollte. Der federführende Wirtschaftsminister ist schon wieder gescheitert, den dringend benötigten Kurswechsel auf den Weg zu bringen. Noch schlimmer ist aber, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier ohne jegliche Zweifel hinter dem Geschäft mit der Kriegspartei Saudi-Arabien stehen und zur Aufrüstung des Regimes beitragen, anstatt endlich alle Waffenexporte in Krisengebiete und an Menschenrechtsverletzer umgehend zu stoppen.

Der Rüstungsexportbericht 2015 selbst, hier beim Wirtschaftsministerium zum Herunterladen, bietet dagegen wenig Überraschungen. Die wesentlichen Zahlen hatte der Wirtschaftsminister selbst bereits im Februar öffentlich genannt, die haben sich bestätigt. Und weiterhin gilt aus Sicht des Ministeriums: Schatz, es ist nicht wie du denkst.

Das machte dessen Sprecherin Beate Braams vor der Bundespressekonferenz deutlich; dabei ging es außer um den Exportbericht auch um die Genehmigung des saudischen Patrouillenbootes. Der O-Ton mit Braams, Regierungssprecher Steffen Seibert und Außenamtssprecher Martin Schäfer zum Nachhören:

 

BPK_Ruestungsexport_06jul2017     

 

Interessant dabei: Im Februar hatte Gabriel erneut die Einsetzung einer Kommission angekündigt, die klären soll, ob an Stelle der bisher gültigen Richtlinien für Rüstungsexporte ein Gesetz geschaffen werden soll (was auch in der Bundesregierung umstritten ist). Mehr zu dieser Kommission, so hatte der Minister gesagt, sollte  es bei Vorlage des Rüstungsexportberichts 2015 geben. Das ist nun ein bisschen verschoben, zu der Kommission, sagt die Sprecherin, werde es wohl demnächst mehr Informationen geben. Immerhin, auch das die Ankündigung Gabriels, soll diese noch nicht existente Kommission ihre Arbeit noch vor der Bundestagswahl abschließen.

(Grafik: Lürssen Fast Patrol Boat 40 – Lürssen Werft)