Neues Weißbuch: Deutsche Interessen, Kritik an Russland, Üben im Innern
Die Bundesregierung will am (morgigen) Mittwoch ein neues Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr beschließen, das erste seit 2006. Nach gut zehn Jahren hat sich, vor allem seit der Ukraine-Krise und dem gewandelten Verhältnis der NATO zu Russland, aber auch vor dem Hintergrund des so genannten Islamischen Staates in Syrien und im Irak die sicherheitspolitische Lage ziemlich verändert. Hinzu kommt anhaltender, wenn nicht zunehmender Druck der Verbündeten auf Deutschland, mehr internationale Verantwortung, auch mit militärischen Mitteln zu übernehmen – und die erklärte Ankündigung von Bundesregierung bis Bundespräsident, genau dazu bereit zu sein.
Auch wenn die endgültige Fassung erst vom Kabinett verabschiedet wird: Seit dem 24. Mai gibt es einen weitgehend, wenn auch noch nicht abschließend, zwischen den entscheidenden Ressorts Verteidigung und Auswärtiges abgestimmten Entwurf. Der kursiert bereits seit Wochen in Berlin, und die Kollegen von der taz haben ihn als Faksimile ins Internet gestellt (das macht die heutigen Pseudo-Exklusivmeldungen verschiedener Medien über den Inhalt ein bisschen, nun ja, merkwürdig).
Im Hinblick auf die Beschlussfassung am Mittwoch und die angekündigte Pressekonferenz von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen einige wenige Schwerpunkte aus dem Weißbuch in der Entwurfsfassung:
• Wie schon im zehn Jahre alten Weißbuch wird ein Zusammenhang zwischen sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands hergestellt (eine Aussage, die einem Bundespräsidenten schon mal übelgenommen wurde:
Deutsche Sicherheitspolitik ist wertegebunden und interessengeleitet. Die objektive Richtschnur für die Formulierung unserer nationalen Interessen bilden die Werteordnung unseres Grundgesetzes, insbesondere die Menschenwürde, und die sonstigen Grundrechte sowie Demokratie und Rechtstaatlichkeit sowie die Bestimmungen des Völkerrechts, insbesondere zum Schutz universaler Menschenrechte und zur Wahrung des Friedens.
Unsere sicherheitspolitischen Interessen werden zudem maßgeblich bestimmt durch unsere geographische Lage in der Mitte Europas und die Mitgliedschaft in der EU, unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Handelsabhängigkeit, unsere Bereitschaft zu verantwortungsbewusstem Engagement sowie das Friedensgebot nach Artikel 26 des Grundgesetzes.
In der Zusammenschau ergeben sich die folgenden sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands:
Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Souveränität und territorialen Integrität unseres Landes;
Schutz der Souveränität, territorialen Integrität und der Bürgerinnen und Bürger unserer Verbündeten;
Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung auf der Grundlage des Völkerrechts;
Wohlstand unserer Bürgerinnen und Bürger durch Prosperität unserer Wirtschaft und freien sowie ungehinderten Welthandel;
Förderung des verantwortungsvollen Umgangs mit begrenzten Ressourcen und knappen Gütern in der Welt;
Vertiefung der europäischen Integration und Festigung der transatlantischen Partnerschaft.
• Das Verhältnis zu Russland wird recht eindeutig definiert: Das Land stelle die europäische Friedensordnung offen in Frage – was dann natürlich auch Konsequenzen für die militärische Stärke von NATO und Bundeswehr haben wird:
Die Staaten Europas haben gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika — auf dem europäischen Kontinent seit Ende des Kalten Krieges eine einzigartige
Friedensordnung geschaffen, der sich alle Teilnehmerstaaten der OSZE verpflichtet haben. Diese Ordnung beruht auf der Vision einer unteilbaren Sicherheit für Europa. Ihr institutionelles Rückgrat ist ein enges Geflecht aus multilateralen regionalen und gesamteuropäischen Organisationen und Institutionen, die sich durch partnerschaftliche Beziehungen untereinander und gegenüber Dritten auszeichnen, auf einer gemeinsamenWertebasis aufbauen und von Regelwerken zu deren Umsetzung unterlegt sind.
Auch wenn diese Friedensordnung den. Ausbruch vorübergehender, lokal begrenzter gewaltsamer Auseinandersetzungen in Europa nie ganz verhindern konnte, so bildete sie doch die Grundlage für deren Bewältigung und damit für weitreichende Stabilität. Durch seine auf der Krim und im Osten der Ukraine zutage getretene Bereitschaft, die eigenen Interessen auch gewaltsam durchzusetzen und völkerrechtlich garantierte Grenzen einseitig zu verschieben, stellt Russland die europäische Friedensordnung offen in Frage. Dies hat tiefgreifende Folgen für die Sicherheit in Europa und damit auch für die Sicherheit Deutschlands.
Die Krise in und um die Ukraine ist konkreter Niederschlag einer langfristigen innen- und außenpolitischen Entwicklung. Russland wendet sich dabei von einer engen Partnerschaft mit dem Westen ab und betont strategische Rivalität. International präsentiert sich Russland als eigenständiges Gravitationszentrum mit globalem Gestaltungsanspruch. Hierzu gehört auch eine Erhöhung russischer militärischen Aktivitäten an den Außengrenzen von EU bzw. Nordatlantischer Allianz (NATO). Im Zuge einer umfassenden Modernisierung seiner Streitkräfte scheint Russland bereit, an die Grenzen bestehender völkervertraglicher Verpflichtungen zu gehen. Der zunehmende Einsatz hybrider Instrumente zur gezielten Verwischung der Grenze zwischen Krieg und Frieden schafft Unsicherheit in Bezug auf russische Ziele. Dies erfordert Antworten der betroffenen Staaten, aber auch von EU und NATO als Ganzes.
Ohne eine grundlegende Kursänderung wird Russland somit auf absehbare Zeit eine Herausforderung für die Sicherheit auf unserem Kontinent darstellen. Zugleich verbindet Europa mit Russland aber nach wie vor ein breites Spektrum gemeinsamer Interessen und Beziehungen. Als größter Nachbar der EU und ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der VN kommt Russland regional wie global eine besondere Verantwortung bei der Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen und internationaler Krisen zu. Nachhaltige Sicherheit und Prosperität in und für Europa sind daher auch künftig nicht ohne eine belastbare Kooperation mit Russland zu gewährleisten. Umso wichtiger ist im Umgang mit Russland die richtige Mischung aus kollektiver Verteidigung und Aufbau von Resilienz einerseits und Ansätzen kooperativer Sicherheit und sektoraler Zusammenarbeit andererseits. Wesentlich für den gemeinsamen Sicherheitsraum unseres Kontinents ist somit nicht etwa die Konzeption einer neuen Sicherheitsarchitektur, sondern zunächst der Respekt und die konsequente Einhaltung der bestehenden und bewährten gemeinsamen Regeln und Prinzipien.
Gerade der letzte zitierte Satz ist natürlich eine klare Absage an die Vorschläge Moskaus für eine neue Sicherheitspolitik für einen Raum von Portugal bis Wladiwostok.
• In den öffentlichen Debatten über das Weißbuch spielte in den vergangenen Monaten immer wieder die Frage eine wichtige Rolle, ob und wie neue Möglichkeiten für den Einsatz der Bundeswehr im Inneren gefordert oder vorgesehen werden. Da hatten sich Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt trotz ihrer zunächst deutlich gegensätzlichen Ansichten geeinigt. Was jetzt noch dazu drin steht, referiert zum einen die Gesetzeslage – hebt andererseits aber auch hervor, dass die Streitkräfte das üben können und müssen, was sie nach geltender Rechtslage im Inland bereits tun dürfen:
Ausdrücklich zugelassen in Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Grundgesetzes ist der Einsatz der Streitkräfte im Innern zur Hilfe bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen (Katastrophennotstand) auf Anforderung eines Landes oder auf Anordnung der Bundesregierung. Das Vorliegen eines besonders schweren Unglücksfalls kommt auch bei terroristischen Großlagen in Betracht. Durch das Bundesverfassungsgericht wurde dabei bestätigt, dass die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte bei der wirksamen Bekämpfung des Unglücksfalls unter engen Voraussetzungen auch hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Eingriffs- und Zwangsbefugnissen wahrnehmen können.
Der Einsatz der Streitkräfte hat damit auch im Zusammenhang mit heutigen Bedrohungslagen zur wirksamen Bekämpfung und Beseitigung katastrophischer Schadensereignisse in den engen Grenzen einer ungewöhnlichen AusnahMesituation nach der geltenden Verfassungslage seine Bedeutung. Es ist wichtig, an den Schnittstellen der im Katastrophenfall zusammenarbeitenden Bundes- und Landesbehörden weiter an einer guten Zusammenarbeit zu arbeiten und diese im Rahmen von Übungen vorzubereiten. Hierauf muss im Rahmen einer gemeinsamen verantwortungsvollen Sicherheitsvorsorge in unserem Land Verlass sein.
Mal sehen, was die Verteidigungsministerin dazu morgen noch zu sagen hat.
(Ein notwendiger Hinweis aufgrund etlicher Anfragen an mich: Ich habe zwar im öffentlichen Prozess zur Vorbereitung dieses Weißbuchs mitgewirkt und insbesondere mehrere Podiumsdiskussionen dazu moderiert. Aber ich habe nicht an diesem Weißbuch mitgeschrieben, wie manche wohl glauben. Die Frage, warum etwas so und nicht anders in diesem Dokument steht, ist bei mir deshalb falsch gestellt.)
(Archivbild 2014: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen vor der Bundespressekonferenz – Bundeswehr/Sebastian Wilke)
@ Sachlicher
Zitat: „@ Georg:
Von einem alten Fahrensmann wie Ihnen hätte ich eine etwas entspanntere Haltung erwartet. Aber: okay, Danke für die Antwort.“
Ja, natürlich hätte ich in dieser Frage entspannter reagieren können. Auf der anderen Seite haben mich meine 35 Jahre bei der Bundeswehr gelehrt, man muss zu seiner Haltung stehen um authentisch zu bleiben. Man kann als Klügerer solange nachgeben bis man der Dümmere ist. Dies wäre auch keine Lösung der Nachwuchsfrage.
Es hilft meiner Meinung nach nichts, wenn man als ehemaliger Insider alle Probleme des Substanzverlustes der Bw benennt (falsche Personalführung, zu häufige Versetzungen, zu wenig Planbarkeit der beruflichen Laufbahn, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, falsche Strukturentscheidungen die zum Personalverlust führten und noch vieles mehr).
Aber es gilt eben auch, dass der Soldatenberuf in der Bevölkerung geachtet und respektiert werden muss, wenn er von jungen Menschen im Land angenommen werden soll. Wenn die Politiker vor jedem unangenehmen Soldatenthema in der Öffentlichkeit ausweichen, weil es in der Bevölkerung vermeintlich unpopulär ist, dann stärkt das nicht das Ansehen der Soldaten in der Gesellschaft.
Interessanterweise kommt kein Politiker in die Versuchung so mit der Feuerwehr oder mit dem THW umzugehen.
Also mein Credo ist, wenn ich den Soldatenberuf attraktiver machen will, müssen die Politiker ihn in der Öffentlichkeit besser erklären, darum werben, verkaufen.
Wenn man für Auslandseinsätze der Bw ist, dann muss man dies aktiv der Bevölkerung erklären und dafür werben und sich nicht hinter Phrasen verstecken.
Statt dessen wird alles was mit Waffen und Bw zu tun ins informelle Abseits geschoben (siehe momentan Mali-Video und lückenhafte Information der Bevölkerung über Feuerüberfall auf Bw-Soldaten in Mali usw.).
Wenn ich für etwas aktiv werben will, muss ich die versuchen die Geisteshaltung der Bevölkerung zu der Sache zu verändern. Leider erkenne ich da keine Leidenschaft der handelnden politischen Personen.
Frei nach Saint-Exupery
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.“
@Georg | 13. Juli 2016 – 19:50
Vielleicht kommt das „Mißverständnis“ daher, dass Sie die Öffnung für EU-Ausländer als reines Personalmarketinginstrument interpretieren, was es natürlich auch aus meiner Bewertung heraus nicht nur sein darf.
Denn im Rest Ihrer Worte sind wir zumindest ähnlich.
Ich meinte mein Aber: okay, Danke für die Antwort.” denn auch nicht respektlos, sollte das bei Ihnen so angekommen sein.
Es war und ist Ausdruck dessen, dass ich Ihre Haltung respektiere.
@ Sachlicher
Danke und out
@Georg
Nur für die Akten.
Für das nicht die Uniform tragen gab es keine sachlichen Gründe ?
@ ThoDan
Nicht das sie mir bekannt wären. Soweit ich die Sache mitbekommen habe, waren die Uniformen bei der Besprechung im Außenministerium einfach nicht gern gesehen. Im vorauseilenden Gehorsam (sprich auf Wunsch des Einladenden) sind die Soldaten dann in ziviler Kleidung zu der Besprechung gefahren.
@ Sachlicher:
Danke für die Belehrung zum Wehrpflichtgesetz, den Passus kannte ich in der Tat nicht. Das kann aber auch damit zusammenhängen, dass er ohne faktische Bedeutung ist, da zumindest mir nicht geläufig ist, dass es Staaten auf der Welt gibt, die Deutsche (als in diesem Staat lebende Ausländer) zur Wehrpflicht einberufen. Nur Bürger eines solchen Staates könnten hier zur Wehrpflicht eingezogen werden. Vermutlich hat dieser Passus irgendwelche formal-/völker-/staatsrechtlichen Hintergründe – oder es stellt ein vornehm formuliertes „wenn Du meine Bürger dazu zwingst, zwinge ich die Deinen dazu“ dar.
Auch der § 37 SG, Abs. 2 war mir nicht geläufig. Dies ist jedoch nicht weiter tragisch, da schon des Öfteren kolportiert wurde, dass es keines allzu großen Aufwandes bedarf, um EU-Ausländern den Dienst in der Bundeswehr zu ermöglichen. Die Tatsache, dass gerade jetzt über den Aspekt EU-Ausländer nachgedacht wird, da die Bewerberlage in Quantität und Qualität nach der überhasteten Aussetzung der Wehrpflicht in Teilbereichen offenkundig alles andere befriedigend ist, legt den Verdacht nahe, dass es hierbei nur um eines geht: Den Pool an potentiellen Bewerbern zu vergrößern. Wenn Sie da andere, soziologische Aspekte wie „Integration“ und „sozialen Aufstieg“ in den Vordergrund stellen, dann ist Ihnen das selbstverständlich unbenommen. Ich habe mir lediglich erlaubt, auf die – in meinen Augen bestehende – Unzulässigkeit dieser Herausstellung hinzuweisen. Die Bundeswehr ist kein Wirtschaftsfaktor bzw. Mittel zur Wirtschaftsförderung, sie ist kein „Arbeitsplatz für 250.000 Menschen“, sie ist keine „Schule der Nation“, keine „Integrationsmaschinerie“ und auch kein Mittel zum sozialen Aufstieg. Wenn überhaupt, dann sind das ein oder andere davon positive und willkommene Nebeneffekte, aber diese sollten und dürfen niemals im Vordergrund stehen. Was dabei herauskommt, wenn sie doch im Vordergrund stehen (z.B. Wirtschaftsförderung), das sieht man ja recht eindrucksvoll in letzter Zeit.
Und ich bleibe dabei: Wenn sich unter 80 Millionen Deutschen nicht dauerhaft 180.000 Freiwillige finden lassen, dann sollten wir die Streitkräfte auflösen. Das wäre folgerichtiger, ehrlicher und kostengünstiger als alles andere.
@ Hans Dampf | 13. Juli 2016 – 22:13
Ich denke, es ist alles gesagt.
Fassen wir mal zusammen:
VdL hatte vor ihrem „Dienstantritt“ noch gesagt, es werde keine Reform der Reform der Bundeswehr geben-nun steht die neue Reform (von ihr veranlasst) ins Haus.
Sie will eine Fremdenlegion für Deutschland-schön und gut-und zieht dazu u.a. die französische Fremdenlegion als Beispiel heran.
Diese Elite-Soldaten sind deshalb „so gut“, weil sie ursprünglich aus Kriegsverbrechern und anderen Kriminellen entstanden ist-und mit extremer Härte sowie unter etlichen Verstößen gegen das, was in Deutschland als „human“ oder „menschenrechtlich einwandfrei“ geführt wird-denn nur so funktioniert es.
Ein Mensch wird gerne bereit sein, das Gehalt und die Privilegien mitzunehmen, die VdL ihm anbieten wird-kommt dann aber die Krise, werfen Söldner gerne mal die Flinte ins Korn-oder wechseln die Seiten….
Dann lieber gleich die Bundeswehr ganz abschaffen, und eine private, deutsche Söldnerarmee zusammenstellen……
@ Sachlicher:
Wenn Sie das denken/sagen, dann muss es so sein. „Sachlicher“ als Sie kann ja ohnehin niemand sein…
@ Huey
Ein nicht unwesentlicher Aspekt in Bezug auf die französische Fremdenlegion ist ja auch, dass es dann eben keine Franzosen sind, die (räumlich) außerhalb der eigentlichen Verteidigung „de la patrie“ auf dem „champs d’honneur“ ihr Leben lassen – von den Unteroffizieren und Offizieren abgesehen. Gleichwohl kümmert sich der Staat um „seine“ Legionäre, besonders um die, die für Frankreich geblutet haben.
Insgesamt hat man in Frankreich eine völlig andere Haltung zum Militär – und überhaupt zum Militärischen an sich. Das fängt mir einheitlichen Dienstgradabzeichen von Militär, Feuerwehr und Polizei an und hört damit auf, dass sowohl der Polizist (nicht nur der der Gendarmerie Nationale), als auch der Feuerwehrmann (nicht nur der aus Marseille oder Paris) „still steht“, wenn ihm dies der General, der z.B. die örtliche Parade zum 14. Juli durchführt, befiehlt. Allein schon das: Unvorstellbar in Deutschland (wenn es denn Paraden gäbe…).
Insofern halte ich, wie Sie, nichts davon, derartige Konzepte auf Deutschland zu übertragen. In der Folgerung sind wir uns ebenfalls nahezu einig…
Wenn ich mir die Geschichte meiner Familie anschaue, so waren da einige Vorfahren z.B. in russischen oder schwedischen Diensten – warum sollten Ausländer in der Bundeswehr also heute plötzlich unmöglich sein? In der NATO arbeiten ja auch Ausländer. Mit den Gurkhas will ich jetzt gar nicht kommen, aber vielleicht kann sich ja KPK durchaus vorstellen, seinen Dienst in der niederländischen Armee geleistet zu haben?
Moin,
wenn die Verpflichtung von EU-Bürgern tatsächlich spruchreif werden sollte, sehe ich aus Sicht der Inneren Führung, welche die Grundlage unserer demokratischen Streitkräfte bildet, drei sich überschneidende Einwände, welchen ich bitte im Rahmen Ihrer Arbeit nachzugehen.
a) Bei einer Verpflichtung von Nicht-Bundesbürgern wird die erste Traditionssäule der Bundeswehr, welche auf die Befreiungskriege zurückgeht und das Zitat Gerhard von Scharnhorsts „Alle Bürger des Staates sind geborene Verteidiger desselben“ in den Mittelpunkt stellt und das Ende des Söldnertums besiegelt, erheblich relativiert. (Siehe auch Traditionserlass.)
b) Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Die grundlegende Idee dahinter ist, dass das von wahlberechtigten Bürgern gewählte Parlament den Einsatz der Bundeswehr beschließt, welcher dann wiederum von den wahlberechtigten Bürgern durchgeführt wird. Es ist also ein enger Zusammenhalt von Wahlberechtigten, Parlament und Bundeswehr intendiert. Wenn Nicht-Wahlberechtigte bei der Durchführung beteiligt sind, wird folgerichtig der Geist der Parlamentsarmee unterminiert.
c) Hier Schwerpunkt: Der zentrale Baustein der Inneren Führung ist zweifelsohne der Staatsbürger in Uniform. Was wird aus diesem, wenn er nicht mehr zwangsläufig Staatsbürger sein muss?
Oder anders formuliert: Wenn bei dem Konzept des Staatsbürgers in Uniform das Prinzip der Staatsbürgerschaft relativiert wird, bleibt zwangsläufig die Uniform übrig. Das ist das Gegenteil der Intention der Inneren Führung.
Bezüglich dieser Fragen ist es sicherlich auch von Interesse, was neben dem DBwV das Zentrum Innere Führung (ZInFü), der Wehrbeauftragte, der Verteidigungsausschuss, evtl. der Reservistenverband und andere Stakeholder in dieser Causa zu tun gedenken. Meiner Meinung nach ist dringender Handlungsbedarf gegeben, da wie dargelegt, eine grundlegende Lageänderung bzgl. der Grundsätze der Inneren Führung zu erwarten ist.
@huey
Ich haette gerne mal Quellen wo anständig behandelte Soeldner regulär übergelaufen sind, vor allem oefter als Nicht Soeldnereinheiten.
Es waren mWn Schweizer Soeldner die den französischen Koenig bis zum letzten Mann gegen die Revolutionaere verteidigten.
Römische Imperatoren hielten sich neben den Praetorianern eine germanische Leibgarde.
Weil ich pflege Soldaten auszuheben nicht sie zu kaufen, ungesund war.
Bluecher hat mWn in schwedischen Diensten seine Karriere begonnen, bevor er sich nach der Gefangennahme Preußens Streitkräften anschloss.
@Hans Dampf
In der Grand Armee fängt der Mensch beim Leutnant an?
MMn sind Soldaten keine Polizei und diese keine Soldaten, ein General der Soldaten oder gar Feuerwehr befiehlt Strammzustehen sollte kasiert werden.
Das mit den EU-Bürgern als Soldaten dürfte nur ein Testballon sein, denn innerhalb der EU ist aufgrund ähnlicher struktureller bzw. demographischer Probleme wie in Deutschland personell wenig zu holen. Was dort an entsprechend sprachqualifizierten jungen Leuten vorhanden ist, wird ohnehin in den privaten Sektor gehen.
Aber vielleicht tut sich überraschenderweise ja innerhalb Deutschlands noch eine mögliche Quelle junger Männer ohne deutsche Staatsangehörigkeit auf, die in einem bis zwei Jahren zwar einigermaßen Deutsch sprechen, aber seitens der Wirtschaft nicht allzusehr nachgefragt werden und zur Verfügung stehen würden…
@ Stubenviech | 15. Juli 2016 – 15:49
Ich unterstütze Ihre Auffassung vollumfänglich.
Und erlaube mir zugleich zu bemerken, dass die von ThoDan|15. Juli 2016 – 16:40 eingestellten Verweise auf vorzeitliches Söldnertum aus unterschiedlichsten Gründen (und gottlob!) nicht in die Gegenwart zu übertragen sind.
Hans Schommer
Wieso sollten in der EU keine Soldaten zu gewinnen sein? Entscheidend ist natürlich, ob generelle Öffnung für alle EU-Bürger oder ob wegen Widerstand von BW-Verband, Alfa, AfD usw. die wirkliche Öffnung weiter eingeschränkt wird, z.B. auf EU Bürger die in Deutschland bereits leben, was die Personalgewinnung einschränken würde.
Die französische Fremdenlegion rekrutiert sich zum Großteil aus Osteuropa und dem Balkan, nimmt aber wohl nur jeden 8 Bewerber.
Für Rumänien, Bulgaren, Ungarn, Polen, Kroaten usw. dürfte der Dienst in der BW finanziell lukrativ sein, so daß die BW ihre Personalprobleme damit schnell lösen könnte.
@ Stubenviech | 15. Juli 2016 – 15:49
Richtige Einwände.
Unsere aktuellen Vordenker werden Ihnen aber vorwerfen, dass Sie nationalistisch am Konzept des Nationalstaates festhalten, das überholt sei. Im Rahmen einer europäischen Integration seien wir alle Bürger Europas und die Bundeswehr habe sowieso in einer EU-Armee aufzugehen. Dann sei es nur logisch, dass auch EU-Bürger in dieser Armee dienen. Außerdem sei es völk isch rassisti sche Diskriminierung, die Zugehörigkeit zum deutschen Volk zur Voraussetzung für einen bestimmten Job zu machen. Der Begriff der Parlamentsarmee besage lediglich, dass eben das Parlament über die Entsendung der Serviceeinheit Bundeswehr als Werkzeug des Parlamentes entscheidet. Welche Personen diese Dienstleistung erbringen, sei egal. Wenn das Parlament etwas befiehlt, so ist das zu befolgen. Das Konzept Staatsbürger in Uniform sei überholt, da es nationalistisch überhöht sei und suggeriert, dass ein Mitarbeiter der Parlamentsarmee Weisungen des Parlaments als seinem Auftraggeber nicht vollumfänglich zu befolgen habe. Eine Berufung auf Preußen wie Gerhard von Scharnhorst gehe gar nicht, denn schließlich sei Preußen das ideologische Fundament, dass Deutschland in zwei Weltkriege geführt habe.
@ Chimäre | 15. Juli 2016 – 16:53
Unter der von Ihnen beschriebenen Personengruppe gibt es doch bestimmt welche, die schon mindestens paramilitärische Milizerfahrung haben und somit bereits fachlich vorqualifiziert sind für einen Dienst in der Bundeswehr.
;-)
closius | 15. Juli 2016 – 17:33:
„Wieso sollten in der EU keine Soldaten zu gewinnen sein? …“
Hä? Diese Frage stellt sich doch erst und nur dann, wenn man die DEU Grundregeln für die „Mitgliedschaft“ in der Bw neu regeln wollte.
Natürlich kann man in ganz EU die Gassen nach Söldnern abklappern und wird dabei sicher auch fündig. Da sind wir wieder bei der Söldnerdiskussion – und drehen uns im Kreis.
Ihr Kommentar beinhaltet keine neue Botschaft – …
Hans Schommer
Hilfsweise kann man auch taugliche Arbeitslose zum Dienst in der Bw verpflichten – zumindest für Tätigkeiten, die nicht den Gebrauch der Waffe erfordern.
Es gäbe dann eben zwei „Klassen“ von Soldaten (in der NVA gab es z.B. die „Bausoldaten“).
@Stubenviech: Nur ganz grob – anstelle der Staatsbürgerschaft bietet sich die Unionsbürgerschaft an, Wahlrecht gibt es zumindest auf kommunaler Ebene für Unionsbürger, und die Sache mit der Parlamentsarmee ist auch gerade schon in bisschen in Bewegung. Ihre drei Punkte sind natürlich alle relevant, aber sie sind kein prinzipielles Hindernis. Und die taufrische Verflechtung mit den Niederländern in Sachen Panzer ist ja faktisch schon sehr nahe dran, und das ohne dabei ein einziges Gesetz angefasst zu haben.
Einiges wird jetzt abstrus, oder? Arbeitslose „verpflichten“?
Wenn ich auf die Homepage des DBwV sehe oder das Interview von Wüstner im MoMa betrachte, geht es nicht um eine generelle Ablehnung des DBwV. Vielmehr weißt er auf die gleichen Problemstellungen hin, die hier gleichermaßen diskutiert werden. Bisher fehlt jedoch seitens BMVg jegliches Konzept und daher wird es vorerst ein Öffnungssatz für die Zukunft bleiben. Ich bin gespannt, wie sich die Union in dieser Sache generell verhält. Vor allem die CSU war bei den Instrumenten der inneren und äußeren Sicherheit immer eindeutig – ob bei Bw oder Polizei: die deutsche Staatsbürgerschaft war und ist (gem. CSU) ein MUSS.
@TW
Wie Sie sicherlich wissen sind Arbeitslose – insb. Harz IV-Empfänger – verpflichtet, jede zumutbare Beschäftigung aufzunehmen.
Ist der Dienst in der Bw per se unzumutbar?
Wir haben ein Kriegsdienstverweigerungsrecht im GG, schon dagegen würde eine Zwangsverpflichtung von Arbeitslosen verstoßen. Es wäre auch eine Ungleichbehandlung gegenüber nicht Arbeitslosen, so daß eine solche Dienstpflicht auch gegen Art. 3 GG verstoßen würde. Ein solcher Zwangsdienst dürfte auch gegen Artikel 1 GG(Menschenwürde), Artikel 2 GG(Allgemeine Handlungsfreiheit) verstoßen.
Solange die Wehrpflicht ausgesetzt ist, wird das BVerfG einen Zwangsdienst für Arbeitslosen nie als verfassungskonform ansehen.
Zudem dürfte man aus Arbeitslosen, welche zum Dienst gezwungen werden, kaum gute Soldaten machen können.
Auch dürften viele Arbeitslose aus Alters- oder Gesundheitsgründen gar nicht diensttauglich mehr sein.
Er ist für Wehrdienst Ablehnende unzumutbar, es unzumutbar im Einsatz keine Waffe führen zu können.
@closius @ThoDan
Es gibt bei der Bw genügend Aufgaben im Grundbetrieb, die keinen Umgang mit Waffen erfordern. Zudem: wer sagt denn, daß diese Personen in den Einsatz müssen?
Klar ist es kontrovers aber aus meiner Sicht nicht abwegig – wenn man nicht alle Möglichkeiten ausschöpft sollte man sich über Personalmangel nicht beklagen.
Zumindest sollte man die möglichen Kandidaten auf diese Alternative hinweisen.
Dann können den Job auch Zivilisten erledigen, aendert aber nur beding was am Gewissensproblem.
Solange die BW Tattoo, falscher Haarschnitt ablehnt weil nicht kleinbürgerlich akzeptabel ablehnt braucht sie mir nicht kommen.
@ Ottone und Alf Igel: Wenn man dieser Logik folgt, muss man EU Bürgern aber auch das aktive und passive Wahlrecht auf Bundesebene zubilligen. Es könnte folgerichtig auch einen nichtdeutschen Kanzler geben. EU Bürger haben die Rechte von Bundesbürgern (was ich auch ausdrücklich begrüße,) sie sind aber keine.
Grundsätzlich sollten wir uns, auch vor dem Hintergrund der Ereignisse in der Türkei über den Wert der Inneren Führung wieder besser bewußt werden.
@FK70:
Eben ein weiterer Schritt der Beliebigkeit der Union.
Zudem eine gute Ablenkung von den harten Fakten (Haushalt, Personal, Einsatzbereitschaft).
Ebenso undurchdacht ist der Einsatz im Innern.
Die Ministerin kann ja nicht mal die einfache Frage beantworten, ob künftig Streifendienst im Inland möglich ist (wie in Frankreich).
Mich verwundert immer wieder wie weit die Ministerin mit dieses Substanzlosigkeit kommt.
Bezeichnend.
@Stubenviech
Staatsbürger in Uniform setzt die Staatsbürgerschaft voraus.
Entweder man schafft eine EU-Staatsbürgerschaft oder für angehende Soldaten einen erleichterten Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft.
Wer die Staatsbürgerschaft nicht annimmt sollte auch keine hoheitliche Aufgaben erfüllen dürfen.
@Zimdarsen : Genau das ist es.
Zimdarsen | 17. Juli 2016 – 9:38:
“ … Entweder man schafft eine EU-Staatsbürgerschaft oder für angehende Soldaten einen erleichterten Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft.“
M.E. ist der Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft schon leicht genug. Man braucht ja nur die auf Sportler angewandten Regelungen auf die Rekruten zu übertragen.
Eine EU-Staatsbürgerschaft macht nur Sinn, wenn sie auf einer von allen Mitgliedstaaten zu übernehmenden EU-Verfassung fußen kann. Das läuft auf einen festen Staatenbund nach dem Modell der Vereinigten Staaten von Amerika hinaus. M.E. derzeit nicht mal diskussionsfähig.
Hans Schommer
Macht man sich bei uns eigentlich ähnlich schonungslose Gedanken über den Wandel des Kriegsbildes:
http://www.politico.com/magazine/story/2016/04/moscow-pentagon-us-secret-study-213811
Bisher merkt man davon nichts.
Dafür müsste man ja sehr vieles in Frage stellen…