Türkei bestreitet Nutzungs-Angebot von Incirlik für russische Jets (Neufassung)
Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu hat Berichte zurückgewiesen, er habe Russland die Nutzung der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik für den Kampf gegen die ISIS-Terrormilizen in Syrien und im Irak angeboten. Er habe lediglich auf die Notwendigkeit hingewiesen, beim Kampf gegen ISIS zusammenzuarbeiten, sagte Cavusoglu am Montag:
Turkish Foreign Minister Mevlüt Çavuşoğlu said on July 4 he had not suggested that Turkey could open up its İncirlik Air Base to Russia, adding that Ankara was open to cooperating with Moscow in the fight against Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL).
When asked if he had said Russian jets could use İncirlik, Çavuşoğlu said: „I did not make such a comment. We said that we could cooperate with everyone in the fight against ISIS [ISIL],“ he said in comments following a cabinet meeting in Ankara.
berichtet die türkische Zeitung Hürriyet.
Das relativiert natürlich ziemlich die ursprüngliche Meldung, in denen die Zitate des Außenministers relativ eindeutig klingen:
Die türkische Luftwaffenbasis Incirlik, Stationierungsort auch deutscher Aufklärungsjets im Kampf gegen die ISIS-Terrormilizen in Syrien und im Irak, könnte demnächst einer weiteren Nation als Stützpunkt dienen: Russland. Bislang wird die türkische Basis außer von den türkischen Streitkräften von den USA und Deutschland, zeitweise auch von Katar und Saudi-Arabien genutzt – also faktisch vom so genannten westlichen Lager.
Das Angebot an Russland gab es am Wochenende etwas überraschend von türkischer Seite:
Turkey may let Russia use Incirlik Air Base to conduct airstrikes against Islamic State, Foreign Minister Mevlut Cavusoglu said, just days after the countries agreed to work to repair strained ties.
“Turkey has opened its Incirlik air base for those who actively want to participate in the struggle against Islamic State,” Cavusoglu told state-run TRT television in an interview on Sunday. “Why shouldn’t we also cooperate on this with Russia?”
Russia will study the offer, Kremlin spokesman Dmitry Peskov told reporters during a conference call on Monday.
berichtet (unter anderem) die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg am (heutigen) Montag.
Das Ganze ist natürlich vor dem Hintergrund der neuerlichen Annäherung der Türkei und Russlands zu sehen – so hatte sich die Türkei kürzlich für den Abschuss eines russischen Kampfjets an der syrisch-türkischen Grenze im vergangenen Jahr entschuldigt.
Aber es zeigt auch, dass die Beziehungen der Türkei zu ihren NATO-Verbündeten damit unter Druck geraten. Wie nicht zuletzt der Vorgang um das Besuchsverbot für den deutschen Parlamentarischen Staatssekretär Ralf Brauksiepe und der recht ergebnislosen Besuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der Türkei vergangene Woche gezeigt hat.
(Foto: Ein Tornado der Luftwaffe im Zelt auf der Air Base Incirlik am 29.06.2016 – Bundeswehr/Thorsten Weber)
Mal abgesehen vom diplomatisch-politischen, gäbe es denn irgendwelche Gründe, wieso Russland von Incirlik aus fliegen sollte, wo sie doch im syrischen Latakia ihren eigenen Luftwaffenstützpunkt haben?
@QuiGon
Gibt nur politische Gründe: wir sind da, wieder gut Freund mit Erdogan und schauen Euch auf die Finger.
Putins erklärter Feind ist der radikale politische Islam (~ Dschihadismus). Durch eine medienwirksame Stationierung einer kleinen Zahl an Flugzeugen würde er die Unterstützernetzwerke der Terroristen da treffen wo es weh tut: Innerhalb der AKP.
Zudem wäre es der außenpolitische Sieg Putins im Hahnenkampf gegen den Potentaten am Bosporus. Der türkische Luftraum wäre dem Kreml auf dem Silbertablet präsentiert.
Herr Putin wird zwei Flugzeuge stationieren. Auf einer nicht-NATO Basis. Zudem ist der Einsatz gegen Daesh kein NATO-Einsatz.
Hier die „offizielle“ Reaktion des Kreml Sprachrohrs:
Kremlin Only Learned of Turkey’s Airbase Proposal Through Media – Spokesman
http://sputniknews.com/middleeast/20160704/1042393815/russia-turkey-airbase.html
@all
Alles ein Missverständnis, sagt der türkische Außenminister – siehe Neufassung oben.
Fußnote am Rande:
Die Türkei exportiert ca. 140 Mrd. $ im Jahr. Davon entfallen ca. 2 Mrd. $ auf Automobilexporte. Die Exporte steigen, und siehe da, wer ist der Hauptabnehmer? Die EU!
Turkey’s car industry hits highest monthly export figure since 2008
http://www.hurriyetdailynews.com/turkeys-car-industry-hits-highest-monthly-export-figure-since-2008.aspx
Warum interessiert uns das in der SiPo fragen sich sicherlich einige. Die Antwort geht auf Eigenschaften der Investoren in diesen Bereich zurück. Es geht in der Automobilindustrie um exorbitante Beträge, welche sich über etliche Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in den Büchern abschreiben. Eben in diesen Sektoren fehlt der Türkei die Investitionen aus dem Ausland und ist sehr verwundbar. Warum? Stabile Außenpolitik und außenpolitische Beziehungen sind das A&O der Industriepolitik.
@Hizmet: Freundschaftlichst, sie lesen mit?
Atemberaubend.
Die TUR zelebriert ihre erst in der letzten Woche wiedergewonnene (vermeintliche) aussenpolitische Bewegungsfreiheit.
Waehrend Erdogan sich etwas zurueckhaelt, testet die 2. Reihe das westliche Nato-Publikum: Seht her, wir haben auch Optionen!
Warmlaufen fuer den Gipfel am Freitag in Warschau.
Mglw. ist dies die Antwort auf die US-RUS Gedankenspiele in SYR gemeinsame LuAgr zu planen und ein Hinweis an deutsche Kalkulationen, ggf. Incirlik verlassen zu wollen.
Werben um verloren gegangene Sympathien- aber mit welchen Mitteln!
Wie dem auch sei, ich habe es in einem frueheren Kommentar schon einmal erlaeutert im Versuch, das Ziel tuerkischer Aussenpolitik zu erfassen:
Erweiterter Handlungsspielraum durch Unberechenbarkeit nach aussen fuer den Staatsumbau im Inneren.
Ich habe da auch was zu Irrlichtern gesagt.
Bestaetige das ebenfalls.
@eric hagen: Zustimmung aber im SiPo Jargon nennt sich das „Nebelkerze“
Würde Putin überhaupt auf solch ein Angebot eingehen? Wie kann er das sinnvoll Militär und Volk verkaufen – oder betrachtet man den abgeschossenen Bomber bereits als abgehakt?
Was spräche denn dagegen, den Russen die Nutzung von Incirlik für den Kampf gegen den IS zu ermöglichen (als Angebot wie auch auf Anfrage)? Wohlgemerkt: Ich frage nicht nach dem für und wider strategischer oder taktischer Erfordernis, sondern nach den Hinderungsgründen.
Hans Schommer
@Hans Schommer: Nüschts…
P.S: Mal abgesehen von n paar Atomsprengköpfen, die da im Keller gelagert sind und ursprünglich durchaus mitunter für anti-russische Maßnahmen gedacht waren. Ein Parkdeck höher stünden dann die MiG.
Ließe sich im Infowar ausschlachten z.B im Umfeld des Forums für den Dialog der Zivilisationen.
@Pham Nuwen
Das ist ja das Verblueffende, dieser „Vorschlag“ kann weder Ernst gemeint sein- weil die TUR es sich sonst mit den USA erheblich verscherzt ( die gegenwaertigen Beziehungen sind so angespannt, dass beide Seiten viel dafuer tun, nicht miteinander ernsthaft reden zu muessen) noch koennen die Russen ihn ernsthaft diskutieren, weil es derzeit ueberhaupt keinen sicherheitspolitisch fruchtbaren Boden gibt, auf dem man sich den Westen so nahe kommen lassen moechte.
Noch funktionieren die russ. Stuetzpunkte in SYR. Ein ernsthaftes Interesse der Russen wuerde vielmehr darauf hindeuten, dass sie diese Basen als gefaehrdet betrachten.
Also fuer mich ein abwegiger Vorschlag, der nur belegt, wie unberechenbar die TUR unter Erdogan geworden ist.
He, @ Eric Hagen:
Panama-Papers lässt grüßen:
Morddrohung gegen türkische Journalisten
Nach einem Bericht über Offshore-Verbindungen eines türkischen Geschäftsmanns haben Istanbuler Journalisten Drohungen erhalten. Ein Gericht verhängte zudem eine Nachrichtensperre. Der Unternehmer gilt als Vertrauter Erdogans.
http://www.tagesschau.de/ausland/panamapapers-205.html
P.S: Schnappatmung?
[Nein, hier ist nicht der Türkei-Sammelblog und weiteres dazu landet im Papierkorb. T.W.]
Auf die Gefahr hin, im Papierkorb zu landen,
nachfolgenden Sachverhalt sollte man in DEU zur Kenntnis und innerhalb diesen Blogs, weil mglw. eine von @Hizmet vor Tagen angedeutete diplomatische Druckkulisse ggue. DEU und der EU dadurch neue Nahrung erhaelt.
Erdogan wies seine Regierung an, eine Staatsbuergerschaft fuer alle Syrer, die in die TUR gefluechtet sind, zu pruefen. Das Angebot richtet sich somit an nahezu 3 Mio.Syrer.
Er stuetzt das Ganze indem er gestern zudem und u.a. angekuendigt hat, die Beziehungen zu SYR auf eine neue Ebene zu stellen, allerdings ohne das Assad Regime. Er sprach mal wieder vom syrischen Brudervolk.
Ob ernst gemeint- wie auch das Verwirrspiel um Incirlik- oder nicht, selbst 500k, verkraftet weder die tuerk. Gesellschaft klag-und geraeuschlos, noch gefiele dies der EU, die darin ihr Fluechtlingsabkommen unterlaufen sieht. Und Gesetze, die werden in der TUR seit geraumer Zeit ueber Nacht gemacht …
In jedem Falle ein neuerlicher Beweis, wie leichtfertig mit Fragen umgegangen wird, die 1. eigentlich niemand so richtig gestellt hat, und 2. von durchaus weitreichenden Folgen sind, wenn es denn so kaeme.
Tuerkische Politik hat keinerlei Linien mehr, sondern nur noch Launen.