Türkei-Reise von der Leyens ohne Abgeordnete, ohne Presse – und noch ohne Termin

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Nach dem türkischen Einreiseverbot für Ralf Brauksiepe, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, plant Ressortchefin Ursula von der Leyen nun selber einen Besuch bei deutschen Soldaten auf der türkischen Basis Incirlik – aber bislang steht nur fest, dass sie ohne Presse und vor allem ohne Abgeordnete reisen will. Der Termin dagegen noch nicht. Das machte das Ministerium am (heutigen) Montag deutlich, eine detailliertere Begründung dafür gab es allerdings nicht: Die Ministerin hat beschlossen, diese Reise in dem Format durchzuführen, wie es jetzt geplant wird, sagte Ministeriumsprecher Jens Flosdorff.

Die Dokumentation der Regierungsaussagen dazu unten; aber zur Türkei gehört noch ein Hinweis: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt sich gegenüber Deutschland und der EU derzeit in vielen Punkten hart; gegenüber Russland schlägt er überraschend sanftere Töne an. Im Kreml ging heute ein Brief ein, in dem Erdogan sich faktisch für den Abschuss eines russischen Kampfjets an der türkisch-syrischen Grenze  im November vergangenen Jahres entschuldigt:

Vladimir Putin received a letter from President of Turkey Recep Tayyip Erdogan, in which the Turkish President expressed his desire to settle the situation concerning the downing of a Russian military aircraft.(…)
Mr Erdogan said in his letter that Russia is Turkey’s friend and strategic partner, and the Turkish authorities do not want to ruin relations between the two countries. “We never had the desire or deliberate intention of shooting down the Russian Federation’s plane,” Mr Erdogan said.
The letter went on to say that the Turkish side “undertook much effort at great risk to retrieve the Russian pilot’s body from the Syrian opposition and bring it back to Turkey, where pre-burial procedures were carried out in accordance with religious and military procedures.

In den offiziellen deutschen Aussagen zur geplanten Reise von der Leyens ist mir noch eine Formulierung des BMVg-Sprechers aufgefallen, die der Erläuterung bedarf:

Der Truppenbesuch ist ein reiner Truppenbesuch. Es ist nicht geplant, mit Abgeordneten zu reisen. Weil es schon vielfältige Anfragen dazu gab: Es ist auch nicht als Pressereise geplant.

Nun ja, da sind die Grenzen nicht gar so exakt gezogen. Natürlich gab es schon Truppenbesuche, zu denen die Ministerin sowohl Abgeordnete als auch Journalisten mitgenommen hat. Der Begriff reiner Truppenbesuch wurde bislang eigentlich nur gebraucht, um ihn von einer Reise mit dem Ziel politischer Gespräche abzugrenzen. Vielleicht habe ich aber auch nur nicht mitbekommen, dass jede Reise, auf die von der Leyen Medien mitnimmt, als Pressereise deklariert ist…

Die Dokumentation der Aussagen in der Bundespressekonferenz; neben Flosdorff kommen der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, und Regierungssprecher Steffen Seibert zu Wort – hier erst als Video, darunter als Transkript:


(Direktlink: https://youtu.be/PjOC2hGJxi0?t=38m10s)
 

Frage: Herr Flosdorff, zum geplanten Besuch von Frau von der Leyen in İncirlik: Gibt es inzwischen einen Termin für den Besuch?
Es ist offenbar geplant, mit nicht allzu großer Entourage zu fahren, insbesondere ohne Abgeordnete. Wie kann es in der Frage von Abgeordnetenbesuchen weitergehen?
Ich weiß nicht, ob Sie der richtige Adressat sind oder ob es eine Frage an das Auswärtige Amt wäre: Wie läuft die Planung eines solchen Besuchs eigentlich protokollarisch ab, und an welcher Stelle befinden wir uns da?
Flosdorff: Es gibt noch keinen Termin dazu. Die Ministerin plant, zeitnah in İncirlik die Truppe zu besuchen. Der Truppenbesuch ist ein reiner Truppenbesuch. Es ist nicht geplant, mit Abgeordneten zu reisen. Weil es schon vielfältige Anfragen dazu gab: Es ist auch nicht als Pressereise geplant. Das läuft auf den üblichen Kanälen: über den Militärattaché, über die Botschaft auf der politischen Ebene. Da sind erste Gespräche geführt worden. Wir erwarten, dass es darauf eine Resonanz gibt, aber ich kann Ihnen noch keinen Termin mitteilen.
Schäfer: Ich glaube, Herr Flosdorff hat die Frage schon beantwortet. Aber wenn es noch Detailfragen gibt, herzlich gerne. Ich könnte das jetzt gar nicht ergänzen.
Frage: Ich möchte dazu nur kurz nachfragen, nachdem es am Freitag hieß, der Besuchswunsch für den Staatssekretär bestehe fort: Ist denn mit dem Besuch der Ministerin dieser Besuchswunsch des Staatssekretärs hinfällig, oder soll es beides geben?
Flosdorff: Nein. Wie die Ministerin ja auch schon in einer Sonntagszeitung ausgeführt hat, dient dieser Besuch nicht nur dem Besuch der Truppe, sondern auch der Gelegenheit, gegenüber der türkischen Seite noch mal für das Bewusstsein zu werben und zu argumentieren, dass hier in Deutschland die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist, die auch vom Parlament in Einsätze geschickt wird, die in der Vergangenheit und gegenwärtig auch der Türkei zugutekommen, dass diese starke Verankerung bei den Volksvertretern eine hohe Bedeutung hat und ein hohes Gut ist.
Natürlich ist es auch eine Absicht, dass die Aussage oder die gegenwärtige Entscheidung, dass solche Reisen nicht befördert werden, noch einmal überdacht wird und für die Zukunft vielleicht geändert wird.
Zusatzfrage: Aber der Besuchswunsch von Herrn Brauksiepe besteht fort?
Flosdorff: Sicherlich. Nach wie vor wird nicht nur Herr Brauksiepe, sondern es werden künftig auch Abgeordnete, die insbesondere mit der Thematik betraut sind, sicherlich gerne zu den Einsatzkräften der Bundeswehr Zugang haben wollen, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist und wie das in vielen anderen Einsatzgebieten auf der Welt auch üblich ist.
Frage: Herr Seibert, unterstützt die Kanzlerin das Vorhaben von Frau von der Leyen?
Herr Schäfer, welche Anstrengungen muss das Auswärtige Amt aktuell unternehmen, um dieses Vorhaben verwirklichen zu können?
StS Seibert: Ich denke, wenn eine Verteidigungsministerin die Truppe im Auslandseinsatz besuchen will, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass das auch von der Bundeskanzlerin und den anderen Mitgliedern der Bundesregierung unterstützt wird.
Schäfer: Selbstverständlich werden wir alles tun, was wir können, in Absprache mit Frau von der Leyen und ihrem Ministerium, um eine solche Reise möglich zu machen. Das ist doch selbstverständlich.
Zusatzfrage: Die Frage war: Was tun Sie?
Schäfer: Jetzt warten wir es erst einmal ab. Was meinen Sie damit konkret? Wenn es einen konkreten Besuchswunsch der Verteidigungsministerin gibt – das hat sie gesagt -, wenn sich das dann auf bestimmte Daten konkretisiert, ist es im internationalen Staatenverkehr üblich, dass diese Reise den Türken kommuniziert wird und dass wir von unseren Partnern und dann den Gastgebern von Frau von der Leyen erwarten, dass sie uns dabei helfen, in dem Rahmen, in dem das erforderlich ist, eine solche Reise auch tatsächlich umzusetzen.
Zusatzfrage: Das habe ich verstanden. Es ging ja darum: In den letzten Tagen wollte ihr Stellvertreter dorthin, Abgeordnete wollten dorthin. Da hat das Auswärtige Amt auch versucht, zu vermitteln und der türkischen Seite zu erklären, wer diese Menschen sind. Da frage ich mich, ob jetzt ähnliche Erklärungsversuche wieder herhalten müssen.
Schäfer: Ich glaube nicht, dass man den Türken etwas über die deutsche Verteidigungsministerin erklären müsste. Das glaube ich nicht.
Frage: Erst mal die Wissensfrage: Gab es in der Geschichte der Auslandseinsätze schon mal einen Fall, in dem es Bundestagsabgeordneten angesichts dieser Parlamentsarmee, die wir haben, verwehrt wurde, die Truppe zu besuchen, oder ist das ein Novum?
Die zweite Frage: Kann umgekehrt überhaupt ein Auslandseinsatz fortgeführt werden, wenn es nicht garantiert ist, dass das Parlament jederzeit Besuchsmöglichkeiten und Evaluierungsmöglichkeiten hat?
Flosdorff: Die erste Frage übersteigt einfach mein Wissen. Ich weiß nicht, ob es in über 30 Jahren der Auslandseinsätze schon einmal solche Fälle gegeben hat. Mir ist das nicht bekannt, ich kann das aber auch nicht ausschließen.
Was die zweite Frage angeht, möchte ich, dass hier kein Missverständnis entsteht: Auf operativer Ebene läuft in İncirlik alles in sehr guter, kooperativer Zusammenarbeit mit den örtlichen Verantwortlichen. Auch in der Ägäis-Mission läuft das weiter reibungslos in guter, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den türkischen Autoritäten, die dort sind.
Die Frage des Zugangs der Abgeordneten: Natürlich ist das eine politische Frage, die wahrscheinlich so noch nie durchdiskutiert worden ist. Gerade deswegen ist es so wichtig und uns auch ein so großes Anliegen, dass die Ministerin persönlich dorthin fährt und diese Argumente persönlich vorträgt. Sie hofft, dass sie da auf ein offenes Ohr stößt.
Zusatzfrage: Es ist ja gerade das Wesen einer Parlamentsarmee, dass sich die Parlamentarier selber ein Bild verschaffen können. Wenn Sie als Exekutive jetzt sagen, operativ läuft alles gut, wäre das genau der Moment, in dem jeder Parlamentarier als Fachabgeordneter das Recht haben müsste, das zu evaluieren.
Wenn dieses Recht nicht garantiert ist, kann man unter diesen Bedingungen einen Auslandseinsatz dann fortführen?
Flosdorff: Ich möchte jetzt mit Ihnen nicht spekulieren. Normalerweise ist es so – wenn ich richtig informiert bin -, dass wir Mandatserteilungen haben, die für ein Jahr gelten; auch dieses Mandat gilt für ein Jahr. Es ist auch nicht so, dass in der Vergangenheit zu jedem Auslandseinsatz ein Parlamentarier gefahren ist. Natürlich gibt es eine enge Bindung der fachlich zuständigen Parlamentarier zur Bundeswehr und auch zu den Einsatztruppenkontingenten. Es wird von uns ausdrücklich auch begrüßt und ist gewünscht, dass dieser Kontakt, diese Rückkopplung des Parlamentes zu seiner Armee, stattfindet. Wir tun jetzt unser Möglichstes, um auch diesen Kanal wieder zu öffnen.
Frage: Herr Flosdorff, wieso nimmt die Bundesverteidigungsministerin keine reisewilligen Abgeordneten mit?
Weiß die Verteidigungsministerin inzwischen, ob sie in der Türkei willkommen ist? Oder ist ihr das egal?
Flosdorff: Nein. Die Gespräche laufen ja gerade. In der Vergangenheit war die Verteidigungsministerin in der Türkei höchst willkommen, und ich hatte auch immer den Eindruck, dass sie dort sehr herzlich aufgenommen worden ist. Sie hat ja schon mehrfach die Truppe in der Türkei besucht – nicht nur in İncirlik, sondern auch in der Ägäis und auch bei anderen Gelegenheiten; zum Beispiel, wenn sie mit den politischen Verantwortlichen in Ankara zusammengetroffen ist. Es gibt eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, und daran – so ist es unser Interesse – möchten wir gerne weiter anknüpfen und das auch fortführen.
Es ist nicht so, dass bei jedem Truppenbesuch der Ministerin Abgeordnete dabei sind, wie ich das zwischenzeitlich irgendwo gelesen habe. Mal ist es so, dass Abgeordnete die Ministerin begleiten, und dann ist es mal wieder nicht so. In diesem Fall gibt es eine Reise der Ministerin zu ihrer Truppe; sie will sich dort über die Situation vor Ort informieren, möchte mit den Soldaten sprechen und sie möchte auch die politische Frage ansprechen, wie wichtig für sie und für uns alle ist, dass Parlamentarier künftig wieder Zugang zum Einsatzkontingent der Bundeswehr in der Türkei haben.
Zusatzfrage: Genau das war ja meine Frage, die Sie jetzt netterweise nicht beantwortet haben. Wieso nimmt die Verteidigungsministerin keine mitreisewilligen Bundestagsabgeordneten mit, wieso lehnt sie das ab?
Flosdorff: Die Ministerin hat beschlossen, diese Reise in dem Format durchzuführen, wie es jetzt geplant wird.
Zusatzfrage: Ja, und ich wüsste gern den Grund dafür, dass sie keine Abgeordneten mitnimmt.
Flosdorff: Diese Reise wird in diesem Format durchgeführt. Wir haben ein hohes Interesse daran – und das ist auch im Interesse des Parlamentes -, mit der Türkei wieder in einen Modus zu kommen, in dem ungehindert der Besuch von Parlamentariern wieder möglich ist.
Frage: Herr Flosdorff, wenn der Auftrag so gut läuft: Können Sie uns einmal eine Bilanz seit Beginn des Einsatzes – ich glaube, Ende Januar – geben? Wie viele Tankflüge, wie viele Aufklärungsflüge – tagsüber, nachtsüber -, wie viele Bombardierungen und Luftangriffe basierend auf Ihren Aufklärungen gab es, wie viele Menschen sind dadurch gestorben?
Flosdorff: Die letzten Fragen hatten wir schon häufiger. Mit dieser Bilanz kann ich Ihnen nicht dienen. Ich kann Ihnen aber sagen, wie häufig die Tornados zu ihren Aufklärungsflügen aufgestiegen sind: Seit Beginn der Mission haben 159 Einsatzflüge der Tankflugzeuge und 373 Einsatzflüge der Tornados stattgefunden.
Zusatzfrage: Wie viele davon tagsüber und wie viele nachtsüber?
Flosdorff: Nachts werden das eins, zwei, drei, vier sein – mehr als eine Handvoll war das nicht. In der Regel findet das tagsüber statt, weil die Aufklärungsergebnisse so wertvoll sind, wenn sie bei Tag aufgenommen werden. Die Technologie, die unter den Tornados hängt, kommt eben bei Tageslicht zur vollen Wirksamkeit.
Frage: Ist der Grund für die Nichtmitnahme von Abgeordneten, dass das Verteidigungsministerium befürchtet, dass die Mitnahme eine solche Reise noch weiter erschweren würde?
Flosdorff: Ich habe es gerade ja gesagt: Mit ein Grund für diese Reise der Ministerin ist neben dem Truppenbesuch, dass sie Gespräche führt, und zwar mit der erklärten Absicht, bei der Türkei wieder den Zugang für den Abgeordneten zu erwirken. Diese Gespräche werden jetzt in aller Ruhe und Sorgfalt mit den türkischen Partnern auf der anderen Seite geführt. Die Absicht ist klar. Wenn diese Gespräche erfolgreich sind, dann wird es auch wieder Zugang der Abgeordneten zur Bundeswehr in der Türkei geben.
Frage: Erweckt der Verzicht auf die Mitnahme von Abgeordneten – der Ausgangspunkt des Ganzen war ja, dass einem Parlamentarischen Staatssekretär und Abgeordneten der Besuch verweigert wurde – nicht doch den Eindruck, man trete als Bittsteller auf, statt auf eine Position zu bestehen, die in einer Verfassungswirklichkeit wie der Bundesrepublik eigentlich nicht verhandelbar sein darf?
Flosdorff: Jetzt kommen wir irgendwie in diplomatische Kategorien.
Zusatz: Nein, verfassungsrechtliche.
Flosdorff: Das weiß ich nicht, das überblicke ich nicht; das überblicken Sie vielleicht besser. Das kann ich hier so nicht nachvollziehen, wie Sie das sagen. Sie dürfen sicherlich Vertrauen haben, dass wir sehr bemüht sind, mit den geeigneten Mitteln und auf dem geeigneten Wege zu erwirken, dass Abgeordnete die Truppe in İncirlik wieder besuchen können. Wir werden die entsprechenden Argumente dort vortragen. Es ist nicht so, dass es sehr große, dringende und viele Besuchswünsche gegeben hätte; İncirlik war auch als Zwischenstopp im Rahmen einer weiteren Reise vorgesehen, der jetzt versagt worden ist. Trotzdem macht es das nicht wirklich besser; denn es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Abgeordneten zur Truppe reisen können. Wir führen jetzt die Gespräche, wenn der Termin ermöglicht wird. Dann können wir Ihnen über die Ergebnisse berichten, und dann werden sicherlich auch die Abgeordneten die Gelegenheit haben, ihre Wünsche zu adressieren. Dann werden wir sehen, ob die Türkei diesen Wünschen entspricht oder nicht.
Frage: Herr Seibert, kommt für die Kanzlerin infrage, nach İncirlik zu fliegen und, anders als Frau von der Leyen, Abgeordnete mitzunehmen?
StS Seibert: Es gibt derzeit keine Pläne dafür.
Zusatzfrage: Kommt das infrage?
StS Seibert: Es gibt derzeit keine Pläne dafür. Die Kanzlerin hat bereits deutsche Truppen, Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen in der Türkei besucht, nämlich das Patriot-Kontingent in Kahramanmaraş. Das zeigt Ihnen, dass solche Reisen durchaus möglich sind und es sie immer wieder einmal gegeben hat.

(Foto: von der Leyen vor deutschen Soldaten in Incirlik am 21. Januar 2016)