Türkei-Reise von der Leyens ohne Abgeordnete, ohne Presse – und noch ohne Termin
Nach dem türkischen Einreiseverbot für Ralf Brauksiepe, Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, plant Ressortchefin Ursula von der Leyen nun selber einen Besuch bei deutschen Soldaten auf der türkischen Basis Incirlik – aber bislang steht nur fest, dass sie ohne Presse und vor allem ohne Abgeordnete reisen will. Der Termin dagegen noch nicht. Das machte das Ministerium am (heutigen) Montag deutlich, eine detailliertere Begründung dafür gab es allerdings nicht: Die Ministerin hat beschlossen, diese Reise in dem Format durchzuführen, wie es jetzt geplant wird, sagte Ministeriumsprecher Jens Flosdorff.
Die Dokumentation der Regierungsaussagen dazu unten; aber zur Türkei gehört noch ein Hinweis: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt sich gegenüber Deutschland und der EU derzeit in vielen Punkten hart; gegenüber Russland schlägt er überraschend sanftere Töne an. Im Kreml ging heute ein Brief ein, in dem Erdogan sich faktisch für den Abschuss eines russischen Kampfjets an der türkisch-syrischen Grenze im November vergangenen Jahres entschuldigt:
Vladimir Putin received a letter from President of Turkey Recep Tayyip Erdogan, in which the Turkish President expressed his desire to settle the situation concerning the downing of a Russian military aircraft.(…)
Mr Erdogan said in his letter that Russia is Turkey’s friend and strategic partner, and the Turkish authorities do not want to ruin relations between the two countries. “We never had the desire or deliberate intention of shooting down the Russian Federation’s plane,” Mr Erdogan said.
The letter went on to say that the Turkish side “undertook much effort at great risk to retrieve the Russian pilot’s body from the Syrian opposition and bring it back to Turkey, where pre-burial procedures were carried out in accordance with religious and military procedures.
In den offiziellen deutschen Aussagen zur geplanten Reise von der Leyens ist mir noch eine Formulierung des BMVg-Sprechers aufgefallen, die der Erläuterung bedarf:
Der Truppenbesuch ist ein reiner Truppenbesuch. Es ist nicht geplant, mit Abgeordneten zu reisen. Weil es schon vielfältige Anfragen dazu gab: Es ist auch nicht als Pressereise geplant.
Nun ja, da sind die Grenzen nicht gar so exakt gezogen. Natürlich gab es schon Truppenbesuche, zu denen die Ministerin sowohl Abgeordnete als auch Journalisten mitgenommen hat. Der Begriff reiner Truppenbesuch wurde bislang eigentlich nur gebraucht, um ihn von einer Reise mit dem Ziel politischer Gespräche abzugrenzen. Vielleicht habe ich aber auch nur nicht mitbekommen, dass jede Reise, auf die von der Leyen Medien mitnimmt, als Pressereise deklariert ist…
Die Dokumentation der Aussagen in der Bundespressekonferenz; neben Flosdorff kommen der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, und Regierungssprecher Steffen Seibert zu Wort – hier erst als Video, darunter als Transkript:
(Direktlink: https://youtu.be/PjOC2hGJxi0?t=38m10s)
Frage: Herr Flosdorff, zum geplanten Besuch von Frau von der Leyen in İncirlik: Gibt es inzwischen einen Termin für den Besuch?
Es ist offenbar geplant, mit nicht allzu großer Entourage zu fahren, insbesondere ohne Abgeordnete. Wie kann es in der Frage von Abgeordnetenbesuchen weitergehen?
Ich weiß nicht, ob Sie der richtige Adressat sind oder ob es eine Frage an das Auswärtige Amt wäre: Wie läuft die Planung eines solchen Besuchs eigentlich protokollarisch ab, und an welcher Stelle befinden wir uns da?
Flosdorff: Es gibt noch keinen Termin dazu. Die Ministerin plant, zeitnah in İncirlik die Truppe zu besuchen. Der Truppenbesuch ist ein reiner Truppenbesuch. Es ist nicht geplant, mit Abgeordneten zu reisen. Weil es schon vielfältige Anfragen dazu gab: Es ist auch nicht als Pressereise geplant. Das läuft auf den üblichen Kanälen: über den Militärattaché, über die Botschaft auf der politischen Ebene. Da sind erste Gespräche geführt worden. Wir erwarten, dass es darauf eine Resonanz gibt, aber ich kann Ihnen noch keinen Termin mitteilen.
Schäfer: Ich glaube, Herr Flosdorff hat die Frage schon beantwortet. Aber wenn es noch Detailfragen gibt, herzlich gerne. Ich könnte das jetzt gar nicht ergänzen.
Frage: Ich möchte dazu nur kurz nachfragen, nachdem es am Freitag hieß, der Besuchswunsch für den Staatssekretär bestehe fort: Ist denn mit dem Besuch der Ministerin dieser Besuchswunsch des Staatssekretärs hinfällig, oder soll es beides geben?
Flosdorff: Nein. Wie die Ministerin ja auch schon in einer Sonntagszeitung ausgeführt hat, dient dieser Besuch nicht nur dem Besuch der Truppe, sondern auch der Gelegenheit, gegenüber der türkischen Seite noch mal für das Bewusstsein zu werben und zu argumentieren, dass hier in Deutschland die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist, die auch vom Parlament in Einsätze geschickt wird, die in der Vergangenheit und gegenwärtig auch der Türkei zugutekommen, dass diese starke Verankerung bei den Volksvertretern eine hohe Bedeutung hat und ein hohes Gut ist.
Natürlich ist es auch eine Absicht, dass die Aussage oder die gegenwärtige Entscheidung, dass solche Reisen nicht befördert werden, noch einmal überdacht wird und für die Zukunft vielleicht geändert wird.
Zusatzfrage: Aber der Besuchswunsch von Herrn Brauksiepe besteht fort?
Flosdorff: Sicherlich. Nach wie vor wird nicht nur Herr Brauksiepe, sondern es werden künftig auch Abgeordnete, die insbesondere mit der Thematik betraut sind, sicherlich gerne zu den Einsatzkräften der Bundeswehr Zugang haben wollen, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist und wie das in vielen anderen Einsatzgebieten auf der Welt auch üblich ist.
Frage: Herr Seibert, unterstützt die Kanzlerin das Vorhaben von Frau von der Leyen?
Herr Schäfer, welche Anstrengungen muss das Auswärtige Amt aktuell unternehmen, um dieses Vorhaben verwirklichen zu können?
StS Seibert: Ich denke, wenn eine Verteidigungsministerin die Truppe im Auslandseinsatz besuchen will, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass das auch von der Bundeskanzlerin und den anderen Mitgliedern der Bundesregierung unterstützt wird.
Schäfer: Selbstverständlich werden wir alles tun, was wir können, in Absprache mit Frau von der Leyen und ihrem Ministerium, um eine solche Reise möglich zu machen. Das ist doch selbstverständlich.
Zusatzfrage: Die Frage war: Was tun Sie?
Schäfer: Jetzt warten wir es erst einmal ab. Was meinen Sie damit konkret? Wenn es einen konkreten Besuchswunsch der Verteidigungsministerin gibt – das hat sie gesagt -, wenn sich das dann auf bestimmte Daten konkretisiert, ist es im internationalen Staatenverkehr üblich, dass diese Reise den Türken kommuniziert wird und dass wir von unseren Partnern und dann den Gastgebern von Frau von der Leyen erwarten, dass sie uns dabei helfen, in dem Rahmen, in dem das erforderlich ist, eine solche Reise auch tatsächlich umzusetzen.
Zusatzfrage: Das habe ich verstanden. Es ging ja darum: In den letzten Tagen wollte ihr Stellvertreter dorthin, Abgeordnete wollten dorthin. Da hat das Auswärtige Amt auch versucht, zu vermitteln und der türkischen Seite zu erklären, wer diese Menschen sind. Da frage ich mich, ob jetzt ähnliche Erklärungsversuche wieder herhalten müssen.
Schäfer: Ich glaube nicht, dass man den Türken etwas über die deutsche Verteidigungsministerin erklären müsste. Das glaube ich nicht.
Frage: Erst mal die Wissensfrage: Gab es in der Geschichte der Auslandseinsätze schon mal einen Fall, in dem es Bundestagsabgeordneten angesichts dieser Parlamentsarmee, die wir haben, verwehrt wurde, die Truppe zu besuchen, oder ist das ein Novum?
Die zweite Frage: Kann umgekehrt überhaupt ein Auslandseinsatz fortgeführt werden, wenn es nicht garantiert ist, dass das Parlament jederzeit Besuchsmöglichkeiten und Evaluierungsmöglichkeiten hat?
Flosdorff: Die erste Frage übersteigt einfach mein Wissen. Ich weiß nicht, ob es in über 30 Jahren der Auslandseinsätze schon einmal solche Fälle gegeben hat. Mir ist das nicht bekannt, ich kann das aber auch nicht ausschließen.
Was die zweite Frage angeht, möchte ich, dass hier kein Missverständnis entsteht: Auf operativer Ebene läuft in İncirlik alles in sehr guter, kooperativer Zusammenarbeit mit den örtlichen Verantwortlichen. Auch in der Ägäis-Mission läuft das weiter reibungslos in guter, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den türkischen Autoritäten, die dort sind.
Die Frage des Zugangs der Abgeordneten: Natürlich ist das eine politische Frage, die wahrscheinlich so noch nie durchdiskutiert worden ist. Gerade deswegen ist es so wichtig und uns auch ein so großes Anliegen, dass die Ministerin persönlich dorthin fährt und diese Argumente persönlich vorträgt. Sie hofft, dass sie da auf ein offenes Ohr stößt.
Zusatzfrage: Es ist ja gerade das Wesen einer Parlamentsarmee, dass sich die Parlamentarier selber ein Bild verschaffen können. Wenn Sie als Exekutive jetzt sagen, operativ läuft alles gut, wäre das genau der Moment, in dem jeder Parlamentarier als Fachabgeordneter das Recht haben müsste, das zu evaluieren.
Wenn dieses Recht nicht garantiert ist, kann man unter diesen Bedingungen einen Auslandseinsatz dann fortführen?
Flosdorff: Ich möchte jetzt mit Ihnen nicht spekulieren. Normalerweise ist es so – wenn ich richtig informiert bin -, dass wir Mandatserteilungen haben, die für ein Jahr gelten; auch dieses Mandat gilt für ein Jahr. Es ist auch nicht so, dass in der Vergangenheit zu jedem Auslandseinsatz ein Parlamentarier gefahren ist. Natürlich gibt es eine enge Bindung der fachlich zuständigen Parlamentarier zur Bundeswehr und auch zu den Einsatztruppenkontingenten. Es wird von uns ausdrücklich auch begrüßt und ist gewünscht, dass dieser Kontakt, diese Rückkopplung des Parlamentes zu seiner Armee, stattfindet. Wir tun jetzt unser Möglichstes, um auch diesen Kanal wieder zu öffnen.
Frage: Herr Flosdorff, wieso nimmt die Bundesverteidigungsministerin keine reisewilligen Abgeordneten mit?
Weiß die Verteidigungsministerin inzwischen, ob sie in der Türkei willkommen ist? Oder ist ihr das egal?
Flosdorff: Nein. Die Gespräche laufen ja gerade. In der Vergangenheit war die Verteidigungsministerin in der Türkei höchst willkommen, und ich hatte auch immer den Eindruck, dass sie dort sehr herzlich aufgenommen worden ist. Sie hat ja schon mehrfach die Truppe in der Türkei besucht – nicht nur in İncirlik, sondern auch in der Ägäis und auch bei anderen Gelegenheiten; zum Beispiel, wenn sie mit den politischen Verantwortlichen in Ankara zusammengetroffen ist. Es gibt eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, und daran – so ist es unser Interesse – möchten wir gerne weiter anknüpfen und das auch fortführen.
Es ist nicht so, dass bei jedem Truppenbesuch der Ministerin Abgeordnete dabei sind, wie ich das zwischenzeitlich irgendwo gelesen habe. Mal ist es so, dass Abgeordnete die Ministerin begleiten, und dann ist es mal wieder nicht so. In diesem Fall gibt es eine Reise der Ministerin zu ihrer Truppe; sie will sich dort über die Situation vor Ort informieren, möchte mit den Soldaten sprechen und sie möchte auch die politische Frage ansprechen, wie wichtig für sie und für uns alle ist, dass Parlamentarier künftig wieder Zugang zum Einsatzkontingent der Bundeswehr in der Türkei haben.
Zusatzfrage: Genau das war ja meine Frage, die Sie jetzt netterweise nicht beantwortet haben. Wieso nimmt die Verteidigungsministerin keine mitreisewilligen Bundestagsabgeordneten mit, wieso lehnt sie das ab?
Flosdorff: Die Ministerin hat beschlossen, diese Reise in dem Format durchzuführen, wie es jetzt geplant wird.
Zusatzfrage: Ja, und ich wüsste gern den Grund dafür, dass sie keine Abgeordneten mitnimmt.
Flosdorff: Diese Reise wird in diesem Format durchgeführt. Wir haben ein hohes Interesse daran – und das ist auch im Interesse des Parlamentes -, mit der Türkei wieder in einen Modus zu kommen, in dem ungehindert der Besuch von Parlamentariern wieder möglich ist.
Frage: Herr Flosdorff, wenn der Auftrag so gut läuft: Können Sie uns einmal eine Bilanz seit Beginn des Einsatzes – ich glaube, Ende Januar – geben? Wie viele Tankflüge, wie viele Aufklärungsflüge – tagsüber, nachtsüber -, wie viele Bombardierungen und Luftangriffe basierend auf Ihren Aufklärungen gab es, wie viele Menschen sind dadurch gestorben?
Flosdorff: Die letzten Fragen hatten wir schon häufiger. Mit dieser Bilanz kann ich Ihnen nicht dienen. Ich kann Ihnen aber sagen, wie häufig die Tornados zu ihren Aufklärungsflügen aufgestiegen sind: Seit Beginn der Mission haben 159 Einsatzflüge der Tankflugzeuge und 373 Einsatzflüge der Tornados stattgefunden.
Zusatzfrage: Wie viele davon tagsüber und wie viele nachtsüber?
Flosdorff: Nachts werden das eins, zwei, drei, vier sein – mehr als eine Handvoll war das nicht. In der Regel findet das tagsüber statt, weil die Aufklärungsergebnisse so wertvoll sind, wenn sie bei Tag aufgenommen werden. Die Technologie, die unter den Tornados hängt, kommt eben bei Tageslicht zur vollen Wirksamkeit.
Frage: Ist der Grund für die Nichtmitnahme von Abgeordneten, dass das Verteidigungsministerium befürchtet, dass die Mitnahme eine solche Reise noch weiter erschweren würde?
Flosdorff: Ich habe es gerade ja gesagt: Mit ein Grund für diese Reise der Ministerin ist neben dem Truppenbesuch, dass sie Gespräche führt, und zwar mit der erklärten Absicht, bei der Türkei wieder den Zugang für den Abgeordneten zu erwirken. Diese Gespräche werden jetzt in aller Ruhe und Sorgfalt mit den türkischen Partnern auf der anderen Seite geführt. Die Absicht ist klar. Wenn diese Gespräche erfolgreich sind, dann wird es auch wieder Zugang der Abgeordneten zur Bundeswehr in der Türkei geben.
Frage: Erweckt der Verzicht auf die Mitnahme von Abgeordneten – der Ausgangspunkt des Ganzen war ja, dass einem Parlamentarischen Staatssekretär und Abgeordneten der Besuch verweigert wurde – nicht doch den Eindruck, man trete als Bittsteller auf, statt auf eine Position zu bestehen, die in einer Verfassungswirklichkeit wie der Bundesrepublik eigentlich nicht verhandelbar sein darf?
Flosdorff: Jetzt kommen wir irgendwie in diplomatische Kategorien.
Zusatz: Nein, verfassungsrechtliche.
Flosdorff: Das weiß ich nicht, das überblicke ich nicht; das überblicken Sie vielleicht besser. Das kann ich hier so nicht nachvollziehen, wie Sie das sagen. Sie dürfen sicherlich Vertrauen haben, dass wir sehr bemüht sind, mit den geeigneten Mitteln und auf dem geeigneten Wege zu erwirken, dass Abgeordnete die Truppe in İncirlik wieder besuchen können. Wir werden die entsprechenden Argumente dort vortragen. Es ist nicht so, dass es sehr große, dringende und viele Besuchswünsche gegeben hätte; İncirlik war auch als Zwischenstopp im Rahmen einer weiteren Reise vorgesehen, der jetzt versagt worden ist. Trotzdem macht es das nicht wirklich besser; denn es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Abgeordneten zur Truppe reisen können. Wir führen jetzt die Gespräche, wenn der Termin ermöglicht wird. Dann können wir Ihnen über die Ergebnisse berichten, und dann werden sicherlich auch die Abgeordneten die Gelegenheit haben, ihre Wünsche zu adressieren. Dann werden wir sehen, ob die Türkei diesen Wünschen entspricht oder nicht.
Frage: Herr Seibert, kommt für die Kanzlerin infrage, nach İncirlik zu fliegen und, anders als Frau von der Leyen, Abgeordnete mitzunehmen?
StS Seibert: Es gibt derzeit keine Pläne dafür.
Zusatzfrage: Kommt das infrage?
StS Seibert: Es gibt derzeit keine Pläne dafür. Die Kanzlerin hat bereits deutsche Truppen, Bundeswehrsoldaten und -soldatinnen in der Türkei besucht, nämlich das Patriot-Kontingent in Kahramanmaraş. Das zeigt Ihnen, dass solche Reisen durchaus möglich sind und es sie immer wieder einmal gegeben hat.
(Foto: von der Leyen vor deutschen Soldaten in Incirlik am 21. Januar 2016)
Die Bundesregierung feiert dies anscheinend mal wieder als eigenen „Sieg“ darüber, das der türkische Präsident nun doch nicht soo schlecht ist…und damit ist nun alles „wieder gut“?
Es ist wirklich eine Schande……
Ein echter Politiker wie ein Helmut Schmidt oder ein Georg Leber hätte Erdogan gezeigt, das er entweder die Deutsche Demokratie als ganzes zu akzeptieren hat-oder die Bundeswehr wäre innerhalb 7 Tagen aus der Türkei abgezogen…..DAS hätte ein Zeichen gesetzt….
Dieser „Kuschel-Kurs“ führt nur weiter hinein in den türkischen Allerwertesten…..denn die gesamte Macho-Diktatur spricht nun mal eine andere Sprache-und in dieser heisst das deutsche Handeln-grob übersetzt „Machen sie weiter, Herr Erdogan….wir werden sie nicht aufhalten……“.
Daß die Ministerin ohne Abgeordnete und ohne Presse in die Türkei fährt ist ein Kotau vor Erdogan und kein Zeichen der Stärke.
Der Ministerin können sie die Einreise nicht verweigern ohne die Nato in eine Krise zu stürzen oder Deutschland zum Abzug zu zwingen, also darf die Ministerin, aber ohne Presse und Abgeordnete gnädigst, irgendwann einmal einreisen.
Die Kameraden werden dem abgesagten Abgeordneten-Spuk keine Träne nachweinen. Diese Einschätzung darf als 100% gesichert gelten. Es war immer nur zum Kotzen, wenn Parlamentarier eingefallen sind. Ausnahme: Wehrbeauftragter. Der Rest hat entweder nix wirklich wissen wollen, nix wirklich kapiert oder nur genervt. Wohl gemerkt: Dass Besuche von Parlamentariern legitim sind, stell ich nicht in Frage. Sehr wohl aber deren Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit.
Eine Bewertung der Besuche von Medienvertretern „hier aus den bekannten Gründen nicht“ ;-)).
Hans Schommer
Die Versöhnungsgeste Erdogans gegenüber Putin verwundert nicht. Erdogan schätzt Autokraten. Mit Assad war er einst persönlich befreundet, mit Putin schimpfte er bis vor kurzem gemeinsam gegen den Westen. Die Türkei ist zwar -noch- in der NATO, bei den Themen Pressefreiheit , Rechtsstaat oder Demokratie gibt es wesentlich mehr Übereinstimmungen zwischen Erdogan und Putin als zwischen Erdogan und jedem beliebigem Regierungschef eines EU-oder NATO- Staates. Die weiche Linie Deutschlands gegenüber Erdogan zahlt sich nicht aus, er scheint das eher als Zeichen der Schwäche zu sehen.
Ich finde die Entscheidung, die Aussage der türkischen Offiziellen „kein deutscher Politiker“, durch Ministerbesuch ad absurdum zu führen richtig. Die Türkei musste Farbe bekennen. Der Gesichtsverlust hält sich für beide Seiten in Grenzen. Einige hier werden sagen: Wir haben da nichts mehr zu verlieren. -> Ist der Ruf erst ruiniert, …
Eine der wenigen Handlungsalternativen wäre gewesen, gar kein Besuch und sich nach einem anderen Flugplatz umschauen. Das würde aber wohl unserem Interesse mit der Türkei dialogfähig zu bleiben schaden. So eine kleine militärische „Zusammenarbeit“ öffnet dann doch immer wieder mal Gesprächsmöglichkeiten, denn man muss ja.
Daher für mich eine gute Entscheidung. Was dagegen absolut daneben war: Das „Morgens halb Zehn in Deutschland“ – Interview der Ministerin mit der Bild Zeitung und die darin getätigte Aussagen der Art: Ich erkläre denen mal was eine Parlamentsarmee ist. Das hat die meiner Meinung nach gute Entscheidung fast komplett kaputt gemacht.
Desweiteren reden hier ja einige von der Eskalation gegenüber der Türkei. Auch wenn ich die Positionen Erdogans nicht teile, so müssen wir festhalten, dass wir Ihm „zurecht“ schon einiges zumuten. Eine weitere Eskalation und damit womöglich neben der EU-Krise noch eine innerhalb der Nato ist sicherlich im strategischen Interesse Deutschlands. Man kann dazu auch anderer Meinung sein, nur dann bitte mehr Argumente als „Dem müssten wir es mal zeigen!“
Die „privaten Ausflüge deutscher Abgeordneter“ wie z.B. Becks sind da gerade auch nicht hilfreich.
@Woody | 28. Juni 2016 – 0:20
„(…) so müssen wir festhalten, dass wir Ihm [Erdogan] ‚zurecht‘ schon einiges zumuten.“
Dieser Standpunkt ist hochinteressant. Könnten Sie das näher erläutern? Mir ist es nämlich selbst mit gehöriger Anstrengung nicht möglich zu erkennen, inwiefern Deutschland der Türkei — wie Sie sagen — ‚einiges‘ zumute.
@Anubiswaechter | 28. Juni 2016 – 0:33
Aus Sicht vieler Türken, insbesondere der gewählten Vertreter, sind Dinge wie z.B. die Armenienresolution, die Ermahnungen zur Pressefreiheit, Unterstützung der Kurden im Nordirak oder auch das zivilgesellschaftliche Engagement im Handlungsfeld „Lebensweisenpolitik“ eine Zumutung.
Im Hinblick darauf, dass die Nato auch eine politische Allianz ist, sind einige dieser Zumutungen nötig, stehen wir doch auch irgendwie für ein Menschenbild ein.
Dass das mit der Unterstützung der Kurden der politischen Führung der Türkei nicht passt ist jetzt glaube ich eher eine Binse.
Eine „Zumutung“ ist wohl eher, der Türkei eine Milliarde Euro in den Rachen zu werfen, damit sie nicht einmal 500 Flüchtlinge aufnimmt..
Eine Zumutung ist, ein Land als EU-Beitrittskandidat zu unterstützen, während dort jegliche Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Eine Zumutung ist es, ein Land zu unterstützen, das aus Willkür Menschen in Gefängnissen verrotten lässt, weil deren politische Einstellung sich nicht mit der des selbsternannten Präsidenten deckt…
Eine Zumutung ist ebenso, wenn sich deutsche Politiker weiterhin benehmen wie „Hans Blix“ aus „Team America-World Police“:
Kim Jong-il: Hans Blix? Oh, no!
Hans Blix: Let me look around, so I can ease the UN’s collective mind.
Kim Jong-il: Hans, you’re breaking my balls here, Hans. You’re breaking my balls!
Hans Blix: I’m sorry, but the UN must be firm with you. Let me see your whole palace, or else…
Kim Jong-il: Or else what?
Hans Blix: Or else we will be very, very angry with you. And we will write you a letter, telling you how angry we are.
Kim Jong-il: Ok, I show you around. First, move to your to left a little.
[Blix moves]
Kim Jong-il: A little more.
[moves again]
Kim Jong-il: Good!
[opens trap door then walks to shark tank]
Kim Jong-il: There you go, Hans Blix! How do you like that, you fucking cock-sucker?
[watching a shark tear Blix apart]
Im Rahmen der Möglichkeiten ist das Vorgehen der IBUK nachvollziehbar. Wir wollen mit der Türkei auch nach Erdogan strategisch alliert sein. Dann entsteht sicherlich die Möglichkeit Themen in eine Richtung zu lenken, die eine Türkei als Rechtsstaat und Demokratie skizzieren.
Scheitert Erdogan mit dem Präsidialsystem normalisiert sich die Lage und damit auch die diplomatischen Beziehungen.
@ huey | 27. Juni 2016 – 20:43
Ich möchte das jetzt ausdrücklich nicht diskutieren, weil es auch gar nicht in diesen Blog passt, aber der Kurs der Bundesregierung gegenüber Erdogan ist natürlich nicht nur von Besuchswünschen deutscher Abgeordneter bestimmt. D.h. die Erklärung für den Kuschel-Kurs ergibt sich weniger daraus, dass Frau Merkel so ein Weichei ist, als aus ihrer Politik zum Thema Flüchtlingskrise, in welcher die Türkei eine zentrale Rolle spielt. Es geht hier weniger um politische Schwäche oder Stärke als um den realpolitischen Kurs, für den sich Frau Merkel entschieden hat. Zu allererst müsste man (= die Bundesregierung und insbesondere die Kanzlerin selbst) sich überlegen, ob man diese Politilk so weiterführen will. Und wenn nicht, erst dann wäre es der richtige Zeitpunkt, über angemessene Stärke- oder Schwächesymbolik gegenüber der Türkei zu reden. Zuvor besteht diese Wahl schlicht und ergreifend nicht.
Das wollte ich hier nur mal einwerfen, damit es nicht auf „Stärke vs. Schwäche“ hinausläuft. Unabhängig davon, was man von besagtem deutschen Kurs in der Flüchtlingskrise hält. (Und davon halte ich nichts. Aber es ist, wie gesagt, nicht der richtige Ort hier, das zu diskutieren.)
@huey
man kann der TUR wahrlich nicht vorwerfen, in der gesamten Fluechltingskrise untateig geblieben zu sein. Mit fast 3 Mio. syr. Fluechtlingen hat kein anderes Land mehr davon aufgenommen, und zwar von Anbeginn an und ohne innenpolitische Zerreissproben. Fluechtlingsheime brennen ebenfalls keine…)–
Das jetzt wohl gewaehlte Besuchsformat tut anscheinend niemanden weh, weil sich die grundsaetzliche Position der TUR insbesondere dem dt. BT ggue. nicht geaendert hat. Es gibt aus der Regierung auch weiterhin harte Toene, die im Gegensatz zu der gewaehrten Besuchsabsicht stehen.
Allerdings wird in Ankara gerade versucht, das ramponierte Image aufzupolieren. Abschluss mit ISR, Avancen ggue. RUS. beides sind finanz-/ handelsstarke Partner, die man auf dauer sich nicht verprellen kann.
Aus dem BREXIT moechte man Kapital schlagen und erhofft sich eine Neubewertung der Beitrittschancen und – geschwindigkeit zur EU.
Bloss EGY wird heute beschuldigt, sich mehrmals mit PKK- Funktionaeren in Kairo getroffen zu haben, was einer Verschaerfung des ohnehin konfrontativen Tenors gleich kommt. Nicht auszuschliessen, dass sich EGY bald auf der tuerkischen Ausgabe der Liste terroristischer Sponsoren finden wird.
Die TUR unter Erdogan ist kein zuverlaessiger Partner mehr.
Wie mehrfach hier versucht darzustellen, fehlt es an Konsistenz in den Leitlinien der Politik- sie ist personalisiert, nicht kontrolliert und so gut wie niemanden zur Rechenschaft verpflichtet, weil alle Gesetze nahezu beliebig angepasst werden koennen.
Die USA haben den Zustand der tuerkischen Politik laengst erkannt.
Sie schweigen da, wo die TUR derzeit noch als unverzichtbar gilt oder zumindest operative Vorteile anbietet und ertraegen daher das Gebaren Erdogans.
Die Amerikaner werden der TUR jedoch in der Frage einer syr. Nachkriegsordnung ihre eigene Sichtweise schon erlaeutern.
Dazu braucht es (u.a.) fuer diese Nachkriegsordnung RUS und einige Berater in Erdogan’s Umgebung scheinen das begriffen zu haben.
Daher: Erstmal zurueckrudern.
Eine Kursaenderung ist das aber noch nicht.
@Mufflon & all
Danke – aber diese Grundsatzdebatte führen wir hier jetzt bitte nicht. Das wird keinen überraschen…
(Bin derzeit in einem anderen Projekt zeitlich gebunden, deshalb hier nur sporadisch präsent – aber habe schon ein Auge drauf…)
@huey:
Ja, für gute Partner mutet man sich gegenseitig viel zu. Das habe ich ja auch nicht bestritten. Die Kernaussage – unser Interesse ist es die Türkei in der NATO zu halten und neben der EU Krise nicht noch eine NATO Krise zu ermöglichen – wird von Ihren Anmerkungen nicht entkräftet.
Weder die Pressefreiheit, noch sonst einer der Punkte verbessert sich meiner Meinung nach bei einer härteren Haltung gegenüber der Türkei. Und die Ausgleichszahlungen für die Flüchtlingsrücknahme sind ein kleiner Preis dafür, dass die Flüchtlingsthematik Europa nicht noch tiefer in eine Krise stürzt. Denn wir, die EU Staaten wissen nicht so richtig wie wir das Thema handhaben sollen. Das Erdogan da einen Hebel hat liegt an den Staaten der EU.
Im Rahmen des noch machbaren bewegt man sich wie immer geschickt. Die eigentliche Aufgabe, das Machbare der Zukunft zu formen läuft nicht.
@Eric Hagen: Zustimmung.
Dennoch, der Brexit – wenn er vollführt wird – ist schlimm für „Groß“-Britannien. DIe EWG Staaten machen sich eher wirtschaftliche Sorgen und GB hat gewaltiges Interesse Teil der 33 Freihandelszonen zu bleiben. Alternativ könnten 800.000 Arbeitsplätze gefährdet sein. Und um Teil dieser Freihandelszone zu sein, müssen europäische Werte hochgehalten werden, dann halt ohne Schottland und Nordirland.
Nicht zu vergessen, für England und Wales bietet sich durch das dauerhaft abgewertete Pfund eine rießen Chance: Exportstark den europäischen Markt bedienen. Der Thatscherism rächt sich durch den verfall der Industrie in England und Wales, da muss man nachholen.
Zudem wird es Zeit das die Insel sich von vergangener Glorie verabschiedet: „Dear Europe, leave your storied pomp. Give me your poor your huddled masses …“ Mahnte schon die durch die Franzosen errichtete Freiheitsstatue an den Ufern New Yorks.
Daran merkt man, die Türkei „denkt (vs.) emotional“, sie baut die Hysterie der Medien 1:1 in ihr strategisches Kalkül ein. Ein beinahe kindlich anmutender Fehler. Franzosen, Engländer, Italiener, etc. und Deutsche verhandeln gerne hart und sind für einige herbe Sprüche gegeneinander zu haben, aber wir brauchen und lieben uns, that is to it!
Für die Türkei brechen schwere Zeiten an. Der Abbruch der Friedensverhandlungen mit der PKK, die blinde Unterstützung für Dschihadisten und die Hetzjagt gegen die HDP führen nun zu Entzündung eines eigentlich gesunden Organismus Türkei.
An dem Krüppel werden sich nun reihum Mittel- und Großmächte bedienen, um ihre Forderungen an die Türkei zu unterstreichen. Unterstrichen werden Forderungen zu Aussen wie Innenpolitik durch Treffen mit KCK und PKK, oder nur PYD was Ankara einen kalten Schauer über den Nacken schlägt. Auch hier existiert ein emotional geprägter Götze, eine propagandistisch überhöhte und entstellte Kurdennation, die in der physischen Realität völlig anders aussieht.
Es hatte so gut mit der AKP begonnen, nun liegt die stolze Nation am Boden und wird geschändet werden. Glaubt Erdogan wirklich Putin schickt nun 1.000.000 Touristen bis nächste Woche? Oder unsere BuKa… Touristen entscheiden in einer Demokratie individuell.
P.S: Bald Pfund kaufen, Wales soll ein schöner Urlaubsort sein / SCNR
hallo herr wiegold ! ich dachte ich hätte hier kommentiert, sprachlich mit @huey 7:36 nicht vergleichbar, daher meine frage: warum wurde ich bitte weg-zensiert ?
[„Sprachlich mit …. nicht vergleichbar“ ist ein Euphemismus. Der Ton und die Art war wahrlich nicht der, der hier gewünscht ist. Sie können das weg-zensieren nennen, aber ich lasse hier nicht alles durchgehen. T.W.]
@beobachter; @huey: Auch wenn ich ihre Entrüstung nachvollziehen kann. Realpolitik gibt es bei mir erst wenn das Frühstück verdaut ist, allein schon wegen dem Magen… Halbacht und schon Wut im Bauch? /SCNR
Wer in anderen Zeitzonen lebt, hat auch einen anderen Rhythmus….
:)
Ich lebe ja nun schon seit vielen Jahren im Nicht-europäischen Ausland, und bekomme hier die Reaktionen mit, die in Deutschland niemand registriert-nämlich die der anderen Nationen, in denen ich mich bewege…..
Und der Konsens ist überall gleich (und ich zitiere hier nur aus Aussagen anderer Staatsmänner bzw. Politiker):
„Merkel muss verrückt sein“…
„Warum seid ihr Deutschen so verweichlicht“
„Warum lasst ihr so mit euch umspringen-habt ihr kein Rückgrat mehr“…
So und so ähnlich ist die Gesamtauffassung..
Alle sind einstimmig der Meinung, das Deutschland sich seit 1945 sehr viel erarbeitet und aufgebaut hat-und man sieht gerade im Ausland, wie die Regierung Merkel das von unseren Großeltern und Eltern Aufgebaute-in wenigen Jahren zerstört; auch der „Brexit“ wird teilweise Merkel angedichtet..
Die Rangeleien gerade in Kurdistan mit und gegen die Türkei fallen auch auf Deutschland und Merkel zurück-gerade seit die „Friedenstruppen“ auch mit Deutschen Waffen (von IS-Seite aus) beschossen werden..
Also:
Nein, der „Kuschel-Kurs“ von Merkel und Co ggü. der Türkei ist weder richtig, noch angebracht.
Sollte Deutschland sich weiter für einen EU-Beitritt der Türkei einsetzen, werde ich keinen Fuß mehr nach Deutschland zurück setzen…..
@huey:
Sie sind ja nicht der einzige hier mit Auslandserfahrung. ;-)
Das Meinungsbild im Ausland ist etwas diverser als sie es darstellen, gefühlt aber leiden Politiker und auch Staatsmänner und -frauen im Ausland unter den gleichen Wahrnehmungsstörungen wie daheim.
Strategisch gesehen ist eine bestimmte Kommunikation gegenüber Ankara nötig. Das stand meinerseits nie zur Debatte. Bzgl. der Einzelmeldung bleibe ich dabei, dass es das Richtige in der Lage war. Taktische Freiräume, um ein mehr an Handlungsoptionen zu haben, muss man sich strategisch erarbeiten.
Was wir nicht brauchen ist, dass wir noch unkalkulierbarer in unseren Reaktionen werden. Mit einer Eskalation hätten wir das erreicht. Falls es sowas wie ein Zumutungs-Nash-Gleichgewicht gibt, wäre es mir lieb wenn die Summe der Zumutungen klein bleibt.
Putin und Erdogan sollen heute angeblich miteinander telefonieren, und Netanjahu hat ja wohl auch einen neuen Türkeikurs eingeschlagen.
Was bedeuten diese Annäherungen nun für die Kurden ? Und vor allem, was bedeutet das für die deutsche Politik in Sachen Türkei, Syrien und Irak ?
http://www.heise.de/tp/artikel/48/48676/1.html
Nun, imho für die Kurden nix gutes und für unsere Politik wird „zwischen den Stühlen sitzen“ zur Ausdauersportart.
@Klabautermann: Kurz- oder Langfristig?
Gezi war der Startschuss für eine Erkenntniss: DIe Türkei will militärisch wie konfesionell das Erbe des Osmanischen Reiches antreten, und findet hierfür eine passable absolute Mehrheit im Parlament. Für beide Länder, Russland wie Israel ist dies der existentielle S-GAU.
@AoR
Ich denke einmal, dass der Anschlag auf den Flughafen Erdogan’s Kalkül so ziemlich „den Rest“ geben wird.
Alles deutet auf den IS hin……….damit werden jetzt auch in der Türkei Fragen laut wie:
1. Warum bekämpft die Armee/die Sicherheitskräfte die Kurden und hat lange den IS in Syrien und Irak „geduldet“ (und wohl auch in der Türkei) obwohl gerade in Syrien/Irak die Kurden die härtesten Gegner des IS sind, diese Armee/Sicherheitskräfte können aber uns Türken nicht gegen den IS im eigenen Land schützen.
2. Nach diesem Anschlag sind nun die letzten Hoffnungen der türkischen Tourismusindustrie auf eine Spätbucherwelle aus Europa/USA zerstoben, und ob – aufgrund Telefonat Putin/Erdogan – nun auf einmal die Russen scharenweise zurück kehren ist mehr als fraglich. Wirtschaftlich eine Katastrophe, denn nicht nur Touristen, sondern auch Investoren sind auf- und abgeschreckt.
3. Die Entkemalisierung der Türkei kommt gewaltig ins Schleudern.
@klabautermann:
Ty- Ru bei Sputnik: „Putin instructed the Russian government to lift tourism-related restrictions against Turkey.“
Ty-ISR bei J-Post: Perhaps the deal can be best described as an agreement “to stop publicly fighting, while quietly continuing to disagree on virtually everything.”
Zu Punkt 3. bleibt nur die Hoffnung.
In der Türkei läuft alles zunehmend auf eine AKP-MHP Entente hinaus. Erstere wollen den Islam, letztere das fiktive turkmenische Reich Turan als Steckenpferd nutzen. Da sitzt man in Ankara auf zwei Nägeln.
Der erste Nagel ist die russische Strategische Tiefe weit in das Siedlungsgebiet der Turkmenen Zentralasiens, der zweite Nagel ist Jerusalem und seine heiligen Städten als gemeinsamer Zankapfel der ( unterdurchschnittlich sozialkompetenten unter den /SCNR) Abrahamiten.
Haben sie schon was zu der sich anbahnenden Erdgasentente RU – ISR gelesen? Denn hier zeigt sich ganz eindeutig, dass es im Endeffekt um ein Containment der Türkei geht. Und deutsche Nahostpolitik ist weitestgehend durch Israel und saudisches Geld geprägt. Ergo, in diesem Korsett ist die Türkei da wo wir sie wollen. Ob das nun intelligent, effizient und nachhaltig ist? Das steht woanders.
Um im Rahmen ihrer Metapher zu bleiben, wir spielen gar nicht mit, denn das machen die Anderen für uns. Was übrigens sehr positiv zu vermerken ist, da bisher die große Angst bestand wir müssten irgendwann den „Kniefall zu Ankara“ (vgl. Kanossa) nachstellen.
Das große Konfliktpotential scheint mir die Bilad-As Sham zu sein ( SY +IRK ) wo wir handfest die geografische Integrität der Länder wahren wollen, die Russen einen Föderalismus anstreben und die USA neue Staaten hervorbringen will. Wir nehmen somit die türkisch-russische Position ein.
@Klabautermann, @AoR
Ich denke nicht, dass der gestrige Anschlag irgendetwas in der tuerkischen Politik aendern wird. Es kaeme dies ja einem Eingestaendnis gleich, obwohl ich einraeume, dass Erdogan alleine in dieser Woche aussenpolitische Volten hingelegt hat, wozu es in anderen Laendern muehsamer innenpolitischer Debatten bedurft haette. (ISR, RUS, EGY)
– Die TUR wird + niemals + Kurden unterstuetzen. Die TUR bekaempft Kurden im IRK, die die BW ausbildet. Bei Op Inherent Resolve – die TUR ist Teil dieser Koalition im IRK- steht man sich sogar offen im Wege. Dort sind die Peshmerga Empfaenger der internationalen Hilfen, und die TUR bekaempft sie.
Eine kohaerente Buendnisstrategie scheitert an dieser staatstragenden Ausrichtung des Nato- Partners TUR. Aber es wird geduldet.
– Die TUR wird nicht davon abruecken, das Assad Regime auch weiterhin zu bekaempfen. Das schliesst mit ein, dass der IS ggf. an den Raendern, aber nicht im Kern angegriffen wird. Der IS ist die staerkste Bedrohung fuer das Assad Regime und damit ein natuerlicher Verbuendeter der TUR.
Es kennzeichnet eben gerade diese ambivalente Kurzsichtigkeit der TUR, unter deren Folgen nunmehr der IS in der TUR nach Belieben zuschlagen kann. Das Dulden von IS Aktivitaeten in der TUR bis 2015 hat zur Bildung substantieller Zellen gefuehrt.
Der Verfolgungsdruck fuer IS Operateuere und Unterstuetzer innerhalb der TUR ist maessig und nicht immer von professioneller, unbestechlicher und integrer Kompetenz genaehrt.
Das koennen Sie mir glauben: Wunschdenken, Stolz, Furcht vor Versagen und Hoeflingsgunst bestimmen auch hier die Anti-Terrorarbeit, die nach Systemgefaelligkeit betrieben wird, aber aufgrund der Gleichschaltung ebensowenig effektiv arbeiten kann, wie Justiz und Presse. Oder warum kann ein Minister – wie sein Praesident vor Monaten uebrigens auch- bereits nach 30 Minuten erneut die Taeterschaft des gestrigen Anschlages so zweifelsfrei benennen, ohne dass echte Kriminalsiten den Tatort untersucht hatten?
Ich habe in Ankara die forensiche Tatortarbeit im Februar gesehen, als ein SVBIED in Busse von Armeeangehoerigen hineingerast war. Vorrang haben die Aufrauemarbeiten, weil sichtbare Spuren eine Anschlages das Bild eines sicheren und starken Staates unterlaufen.
Dasselbe Bild in Damaskus, Homs, in Beirut- die Region setzt in der Verfolgung politischer Taeter und Terroristen auf augenwischende Schnelligkeit, die Effizienz der Einsatz-Leitung vorgaukelt, aber nicht wirklich professionell ablaeuft.
Die Entkemalsierung wird sich beschleunigen, weil sich Erdogan durch solche Stiche nicht von seinem Lebenswerk abbringen lassen wird.Solche Anschlaege bestaerken ihn von der Idee eines starken Staates, der seine Energien in einem Mann, einem Apparat buendeln sollte und sich nicht im pluralistischen Gemenge aufreibt.
Will man die TUR ernsthaft in den Kampf gegen den IS einbinden, laesst man sie am besten in Ruhe. Sie ist kein ehrlicher Partner und auch kein ehrlicher Makler fuer die betroffenen Nachbarstaaten.
Incirlik als Basis aufgeben und verlegen, den Kampf gegen IS staerker am Boden aufnehmen, die TUR die Grenzen zu SYR und IRK wirklich schliessen lassen und parallel und in aller Offenheit eine Nachkriegsordnung auf die politische Agenda setzen.
Ob darin Assad eine Rolle erhalten kann oder nicht wird man erstens sehen und zweitens nimmt man die TUR etwas aus der Frontlinie heraus- auch als Stoerfaktor.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen reist am Freitag [01.07.] in die Türkei, um dort die Bundeswehrsoldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik zu besuchen. Das sagte sie bei einem Truppenbesuch im niedersächsischen Neustadt am Rübenberge.
Quelle: Saarbrücker-Zeitung
Es gibt sogar eine verlinkbare dpa-Quelle…
Von der Leyen besucht am Freitag Soldaten in der Türkei
@eric hagen
Ich fürchte, das mit der Nachkriegsordnung wird nicht so ganz einfach werden, denn in dieser Region gilt- nach meiner Wahrnehmung – seit über 100 Jahren „Nach dem Krieg ist vor dem Krieg“ – letztendlich ist imho eine Nachkriegsneurdnung dieser Region durch das „Phänomen“ Daesh illusorisch geworden – selbst wenn man Daesh militärisch besiegt. Der crowed funded jihadism ist damit nicht ausgemerzt und der „normale“ (SCNR) sponsored islamism schon gar nicht.
@Eric Hagen, klabautermann:
Europa musste das Dogma des Adels wie auch das Dogma der Religion abschütteln. Warlords und Islamismus werden die Spirale der Gewalt am laufen halten.
„Ordnung“ ist ein schillernder Begriff. Geht es darum einen Status Quo festzuhalten? Geht es darum die eigenen gesellschaftlichen Kräfte auf ein Ziel auszurichten? Es wird philosophisch. Ordnung ist …?
Der Begriff „Ordo ab Chao“, oft von Verschwörungstheoretikern verschiedentlich kolpotiert, bedeutet lediglich, dass Ordnung nur dann sein kann, wenn kein Chaos empfunden (!) wird. Daher sei jede Form von Ordnung dem Chaos vorzuziehen. Sind Ordnung und Chaos also Gegensätze? Ist nicht die Antwort auf die Frage in sich ein Dogma?
Ich bin mir nur in einem sicher: Solange Warlords und konfessioneller wie religiöser Wahn begin sind, das Paradigma „Might makes Right“ oder „Recht des Stärkeren und nicht Stärke des Rechts“ sich jeglicher aufklärerischer Überprüfung entziehen, ist Zwangsstabilisierung zur Invasion und Potentatenregime die einzige Lösung für weite Teile der arabich-islamischen Welt.
Da dieser post-koloniale Ansatz so kläglich gescheitert ist, bleibt nur die Abschottung und Containment bis die Region zur Vernunft kommt. „Zur Vernunft kommen“ als Aspekt der Überwindung der postkolonialen Potentatenregime und die gesellschaftliche Suche nach allgemein anerkannter Ordnung.
Schön, dass Großbritannien wieder im Lichte der Aufmerksamkeit steht. „Splendid Isolation“ nannte man dort die eigene Distanz zu den Umwälzungen auf dem Kontinent. Heute wissen wir aus historischen Quellen, dass das Königreich diplomatisch, dienstlich wie auch militärisch insgeheim deeply involved war. Frankreich und das kaiserreich gegeneinander auszuspielen, haben die USA dann beendet.
Wir haben 300 Jahre gebraucht um „Ordnung aus Vernunft“ zu schöpfen, die arabisch-islamische Welt steht am Anfang des Weges. Man beobachte bitte genau die interne Diskussion unter Muslimbrüdern und säkularen Revoluzern in der Region, die kommen doch recht zügig voran. SPLENDID ISOLATION my beloved Europe.
Der Grünen-Abgeordnete Tobias Lindner sagte, die Bundeswehr müsse von dem Luftwaffenstützpunkt abgezogen werden, wenn deutsche Parlamentarier keinen Zugang zu den Soldaten erhielten. „Es ist sonderbar, dass von der Leyen jetzt ohne Begleitung von Abgeordneten reist“, kritisierte er die Ministerin (Spon)
Empfehle http://www.debka.com mit den Artikeln zur Russland – Türkei – Israel. Es gibt hier massive Implikationen für die NATO und deutsche Außenpolitik in der Region.
Auf Hyrriet Daily News sieht man bereits deutlich, wie Erdogan versucht seinen Politikwechsel in Richtung Muslimbruderschaft zu verkaufen.
Wie will er nun die Abspaltung des rechten Flügels der AKP verhindern. @Muslimbruderschaft: Willkommen in der physischen Realität. / SCNR