Steinmeier-Kritik am Säbelrasseln: Manöver ja, Propaganda nein

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Nach den Äußerungen von Außenminister Frank-Walter Steinmeier am vergangenen Wochenende, die auch als Kritik an der NATO oder NATO-Partnern und ihren Übungen im Osten verstanden wurden, hat sich das Auswärtige Amt bemüht, den Schaden zu begrenzen. Der Außenminister habe sich nicht gegen Übungen der NATO und ihrer Partner gewandet, sondern dagegen, dass sie propagandistisch ausgeschlachtet würden, sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer vor der Bundespressekonferenz.

Steinmeiers Kernsatz: Was wir jetzt allerdings nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt.

Den vollständigen Wortlaut von Steinmeiers Äußerungen gibt es hier; die Aussagen von Schäfer, Regierungssprecher Steffen Seibert und BMVg-Sprecher Jens Flosdorff dazu hier zum Nachhören:

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(Ein Foto der Plüsch-Anakonda habe ich dank des Leserhinweises gefunden; das Posieren von Soldaten mit der Schlange hatte der AA-Sprecher als ein Beispiel für die Propaganda genannt)

Nachtrag: Das Transkript des obigen Audios zum Nachlesen (netterweise haben das Bundespresseamt aus meinem Lapsus, als ich nach den deutsch-sowjetischen Beziehungen fragte, deutsch-russische Beziehungen gemacht) :

Frage : Eine Frage an Herrn Schäfer. Die Äußerungen des Bundesaußenministers in der „Bild am Sonntag“ haben national und international ein gewisses Aufsehen erregt. Ehe Sie jetzt den großen Bogen zum deutsch-russischen Verhältnis, der transatlantischen Freundschaft und der Einbettung Deutschlands in die Nato schlagen, wüsste ich gerne, wen der Außenminister konkret meinte, wenn er von „Säbelrasseln“, „Kriegsgeheul“ und „symbolischen Panzerparaden“ usw. spricht.

Schäfer: Die Äußerungen des Ministers sprechen für sich. Ich denke, alle haben inzwischen gesehen, dass über das hinaus, was gestern Morgen in einer großen deutschen Sonntagszeitung publiziert worden ist, die Äußerungen des Ministers etwas länger und ausführlicher gewesen sind als das, was dort im Blatt stand. Das finden Sie alles auf der Website des Auswärtigen Amtes. Das haben wir gestern – oder vielleicht schon vorgestern- vertweetet und in anderer Weise auch in den sozialen Medien bekanntgemacht.

Ich will Ihnen einfach noch einmal den Satz vorlesen, den Sie mir gerade in Ihrer Frage vorhalten. Es heißt dort:

„Was wir jetzt allerdings nicht tun sollten, ist, durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen.“

Ich kann Ihnen dazu sagen, dass sich der Minister heute Morgen vor Beginn des Außenministerrates in Luxemburg dazu geäußert hat – im Übrigen wird das auch in dem Text der „Bild am Sonntag“ deutlich, der seit vorgestern öffentlich zugänglich ist -, dass er damit ausdrücklich nicht die auf dem Nato-Gipfel in Wales vor fast zwei Jahren, nämlich im September 2014, beschlossen Maßnahmen der Rückversicherung meint. Er meint damit auch nicht die Maßnahmen, die für den Nato-Gipfel in Warschau in Planung und Beratungen sind und die auf dem Gipfel am 9. und 10. Juli beschlossen werden sollen – manches davon ist bereits auch in der öffentlichen Debatte -, sondern ihm geht es darum, deutlich zu machen, dass ein Mehr an Sicherheit angesichts dessen richtig ist, was von russischer Seite in den letzten zweieinhalb Jahren geschehen ist – angefangen von der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim über das russische Verhalten in der Ostukraine -, dass aber Abschreckung nicht alles sein kann, sondern dass über Abschreckung hinaus der zweite Pfeiler, die zweite Säule der einschlägigen Nato-Beschlüsse wichtig ist, die mit ausdrücklicher Zustimmung der Bundesregierung erfolgt sind, nämlich den Dialog und das Gespräch nicht unmöglich zu machen, sondern im Gegenteil zu forcieren.

Da gibt es den einen oder anderen – ich glaube nicht, dass es jedenfalls in unserem oder in meinem Interesse wäre, Ihnen jetzt Namen zu nennen – – Aber wenn Vertreter der Nato vor Ort in den baltischen Staaten davon sprechen, dass man einen „totalen Krieg“ gegen Russland vorbereiten müsse, dann kann man solche Äußerungen, glaube ich, gut unter den Begriffen „Kriegsgeheul“ und „Säbelrasseln“ subsumieren. Ich zitiere den Außenminister und wiederhole noch einmal seine Äußerung:

„Was wir jetzt allerdings nicht tun sollten, ist, durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen.“

Er hat ferner gesagt:

„Wir sind gut beraten, keine Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern.“

Zusatzfrage: Lernfrage: Meinen Sie eventuell den kommandierenden General der U.S. Army in Europa mit dieser Aussage?

Schäfer: Es hat Verantwortliche Generäle in der Nato gegeben – es gibt sie vielleicht auch weiterhin -, die durchaus durch markige Sprüche aufgefallen sind. Das ist mir auch aufgefallen.

Zusatzfrage: Dann würde mich als reine Lernfrage interessieren: Die Vorabmeldung in der „Bild am Sonntag“ war am Samstagmorgen öffentlich. Warum haben Sie mit der Veröffentlichung des Wortlauts, die auch eine Klarstellung war, mehr als 24 Stunden gewartet?

Schäfer: Erstens weiß ich nicht, wann eine solche Vorabmitteilung herausgegangen ist, weil es üblich ist, dass die Zeitungen eine solche Vorabmitteilung nicht der Institution oder der Person zukommen lassen, die den O-Ton in diesem Fall gegeben hat. Aber es war natürlich klar, dass es am Samstag eine Agenturlage war. Ich glaube, es ist schlicht ein Gebot der Fairness dem Medium gegenüber, solche Sachen erst in dem Moment zu veröffentlichen, wenn sie tatsächlich im Blatt stehen. So machen wir das jedenfalls immer.

Frage: Sie haben die Punkte aufgelistet, die Herr Steinmeier nicht meint: Maßnahmen der Rückersicherung, das, was auf dem Gipfel geplant ist. Meint er explizit auch nicht – oder zählt das zu Maßnahmen der Rückversicherung – die laufenden Nato-Manöver?

Schäfer: Ausdrücklich Nein. Der Außenminister ist der Meinung, dass es selbstverständlich erforderlich ist, dass sich die Bündnispartner – wie zum Beispiel bei dem nationalen polnischen Militärmanöver Anakonda oder auch bei anderen Nato-Manövern – natürlich auf den Ernstfall vorbereiten müssen.

Ich kann weder im Text in der „Bild am Sonntag“ noch in dem Text des Außenministers irgendeinen Satz erkennen, der insinuiert, dass damit aktuelle Nato-Manöver gemeint wären. Insofern muss es sich bei denjenigen, die das kritisieren, offensichtlich um ein Missverständnis handeln. Ich kann ihnen nur empfehlen, den Text im Blatt wie auch den, der sich auf unserer Website befindet, einmal nachzulesen.

Martialische Namen für Manöver, opulente Fotogelegenheiten für Panzerparaden oder Vergleiche zwischen Russland und islamistischem Terrorismus – all das sind, glaube ich, Dinge, die aus unserer Sicht nicht unbedingt dazu beitragen, die anstehenden schwierigen Fragen, die Meinungsverschiedenheiten, die Interessenunterschiede, die wir mit Russland haben, auch die Fragen des Umgangs und der Bewältigung der Kriminalität in der Ostukraine angemessen zu verbalisieren.

StS Seibert: Wenn ich darf, würde ich gerne zu diesen Übungen auch noch etwas hinzufügen.

Zusatz: Ich wollte Sie gerade danach fragen.

StS Seibert: Ach so, dann war das wohl Telepathie.

Die beschlossenen Maßnahmen einschließlich der Übungen sind ja eine Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ukraine. Sie sind allesamt rein defensiv; sie sind maßvoll; sie sind transparent – darüber haben wir hier am vergangenen Freitag schon gesprochen – und im Rahmen der internationalen Verpflichtungen der Nato, einschließlich der Nato-Russland-Grundakte.

Ich möchte aber auch für die Bundesregierung deutlich sagen: Es ist gut, richtig und wichtig, dass die Nato übt. Solche Übungen oder Beteiligungen an Übungen werden im Übrigen langfristig geplant. Zu solchen Übungen wird Russland auch ausdrücklich als Beobachter eingeladen. Sie werden auch entsprechend der Vorgaben aus den gültigen Rüstungskontrollregimes angekündigt.

Wir bedauern, dass Russland in diesem Fall der Einladung zur Beobachtung der jüngsten Übungen nicht gefolgt ist und dass es nicht seinerseits ebenso Beobachter zu seinen eigenen Übungen einlädt.

Zusatzfrage: Sie scheinen ja dem gleichen Missverständnis wie ein Großteil der Presse zu erliegen. Herr Steinmeier hat ja mit seiner Kritik gar nicht die Nato-Manöver gemeint, was Herr Schäfer gerade erklärt hat.

Die Frage, die ich an Sie richten möchte, ist: Aus der Partei der Bundeskanzlerin und auch aus der Fraktion der Bundeskanzlerin wird massive Kritik an der Äußerung des Außenministers geäußert. Teilt die Bundeskanzlerin diese Kritik und empfindet sie die Äußerungen des Außenministers jedenfalls als unglücklich?

StS Seibert: Bei mir lag da gerade überhaupt kein Missverständnis vor. Herr Schäfer hatte sich gerade sozusagen positiv über diese Übungen geäußert. Ich habe das verstärkt.

Ich kann Ihnen grundsätzlich sagen, dass es in der engen Zusammenarbeit der Bundeskanzlerin und des Außenministers gerade in Nato- und Sicherheitsfragen eine Konstante gibt: Deutschland verfolgt einen zweigleisigen Ansatz. Für uns gehören zwei Begriffe immer zusammen. Der eine Begriff ist die Verteidigungsbereitschaft und der andere ist die Dialogfähigkeit – so, wie die zwei Seiten einer Medaille und so, wie es auch gerade der Sprecher des Auswärtigen Amtes, wie ich glaube, sehr klar ausgedrückt hat.

Wir arbeiten gerade im Verhältnis zu Russland nach einer gemeinsamen Überzeugung. Die heißt, dass Sicherheit in Europa auf Dauer nicht gegen Russland zu erreichen ist, sondern nur gemeinsam mit Russland. Dafür bedarf es allerdings auch der Verantwortungsbereitschaft auf russischer Seite und keines völkerrechtswidrigen Vorgehens wie bei der Annexion der Krim oder keiner destabilisierenden Politik, wie Russland sie gegen die Ostukraine verfolgt hat.

Auf dieser Basis haben wir eine sehr enge Zusammenarbeit, die gerade auch im Falle der Ukraine immer wieder mit großer Mühe versucht, aus einer schwierigen Situation eine politische, diplomatische friedliche Lösung im Interesse der Menschen in der Ukraine zu machen. Gerade diese Bemühungen laufen im Moment ja auch durchaus intensiv.

Frage: Herr Seibert, ich möchte etwas direkter fragen: Teilt die Kanzlerin diese Kritik des Außenministers an den Nato-Manövern in Polen?

StS Seibert: Sie haben gerade sehr klar den Sprecher des Auswärtigen Amtes gehört, der diese Kritik ausdrücklich nicht auf die polnischen Manöver bezog. Im Übrigen wissen Sie, dass deutsche Soldaten an ihnen teilnehmen.

Zusatzfrage: Ich habe heute die „F.A.Z“, „DIE WELT“, und die „Süddeutsche Zeitung“ gelesen. Alle haben das als Kritik verstanden, nur die Kanzlerin nicht?

StS Seibert: Deswegen hat sich ja der Sprecher des Auswärtigen Amtes gerade so klar geäußert, damit Sie diesem Missverständnis nicht aufsitzen.

Zusatzfrage: Aber wie hat das die Kanzlerin verstanden, als Kritik oder als Lob?

StS Seibert: Ich habe noch einmal versucht, Ihnen die Grundzüge und die Überzeugungen, auf denen die Zusammenarbeit der Bundeskanzlerin und des Außenministers gerade auf sicherheitspolitischem Gebiet beruht, darzulegen. Da gibt es gemeinsame Überzeugungen, auf deren Basis wir arbeiten.

Frage: Herr Seibert, dann stelle ich die Frage andersherum: Ist denn die Kritik, die Herr Steinmeier auf diese Art an Nato-Generälen und an Äußerungen aus den anderen Nato-Mitgliedstaaten geäußert haben will, aus Sicht der Kanzlerin voll umfänglich berechtigt?

Herr Schäfer, vielleicht können Sie mir einfach sagen, wie das zustande gekommen ist. Es gab vonseiten der „Bild“-Zeitung offenbar die Anfrage, dass der Minister sich dazu äußert. War das ein Gastbeitrag, der eigentlich für die „Bild“-Zeitung formuliert wurde, aus dem nur zitiert wurde, oder ist das Stück für Stück entstanden oder war das einfach die lange Antwort, die Sie jetzt auf eine Anfrage von „Bild“ veröffentlicht haben?

StS Seibert: Ich kann nur wiederholen, was ich hier als gemeinsame Grundüberzeugung und Basis unserer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik dargelegt habe. Das ist ein zweigleisiger Ansatz: einerseits Ja zur notwendigen Rückversicherung gerade auch der östlichen Alliierten, Ja zur Stärkung der Verteidigungs- und Reaktionsfähigkeit des Bündnisses, also zu den Beschlüssen, die wir in Wales gemeinsam getroffen haben und die wir jetzt im Vorfeld des Warschauer Gipfels konkretisieren, und gleichzeitig immer auch Ja zur Offenheit, zum Dialog mit Russland.

Das ist unsere Politik. Ich glaube, da gibt es nicht den Hauch eines Unterschiedes zwischen der Bundeskanzlerin und dem Auswärtigen Amt.

Schäfer: Ich weiß nicht, was es jetzt zur Wahrheitsfindung beiträgt, Herr Steinmeier, wenn Sie sozusagen hinter den Kulissen den Umgang zwischen Medien und dem Auswärtigen Amt abfragen. Ich kann Ihnen versichern: Der Text, wie er am Sonntagmorgen von uns publiziert worden ist, ist in dieser Fassung und ohne ein Komma oder einen i-Punkt daran zu ändern, am Freitagmorgen an die Sonntagszeitung gegangen, in der Auszüge daraus publiziert worden sind.

Frage: Herr Schäfer, es waren ja doch einige überrascht über die Deutlichkeit dieser Aussagen. Manche mutmaßen, dass da eben nicht nur der Außenminister gesprochen hat, sondern auch der SPD-Politiker, der vielleicht ein bisschen an der Profilierung seiner Partei mitarbeitet, die der Parteichef gerade betreibt. Was sagen Sie dazu?

Schäfer: Das kann ich nicht nachvollziehen. Ihnen allen, die Sie unsere Arbeit zum Glück so intensiv und kritisch begleiten, wie Sie das tun, wird nicht entgangen sein, dass sich der Außenminister ganz selten – und wenn, dann aus gutem Grund und meist mit einem außen- oder europapolitischen Einfallstor – zu innenpolitischen Angelegenheiten äußert. Aus der Aussage des Außenministers, deren Dramatik ich gar nicht erkennen kann – aber darüber können wir gerne weiter miteinander reden, wenn Sie dazu noch Fragen haben sollten -, einen innenpolitischen Schlenker herzuleiten, scheint mir abseitig.

Frage: Unabhängig davon, ob es üblich oder nicht üblich ist: Gab es, bevor dieser Beitrag veröffentlicht worden ist, irgendeinen Kontakt des Außenministers zur Kanzlerin – etwa in der Art, dass er gesagt hat „Ich habe da etwas Grundsätzliches zum deutsch-polnischen Verhältnis gesagt“ -, oder ist die Kanzlerin von diesem Beitrag letztendlich überrascht worden?

Zweitens. In der EU steht nun ja auch die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland an. Gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung irgendeinen Spielraum, zumindest ein Symbol abzusetzen, dass man gewillt ist, diesen Kurs harter Sanktionen in einiger Zeit umzukehren? Darauf hat vor Kurzem ja insbesondere auch die in Osteuropa engagierte deutsche Wirtschaft gesetzt. Ist eine Geste möglich?

StS Seibert: Die Kanzlerin und der Außenminister sprechen oft und regelmäßig miteinander; das ist die Basis ihrer engen Zusammenarbeit.

Was die Sanktionen betrifft: Das haben wir hier schon sehr oft diskutiert, und ich habe da gar keinen neuen Sachstand. Für die Bundeskanzlerin ist gültig, was auch im G7-Abschlussstatement in Ise-Shima noch einmal ausgedrückt wurde. Da hieß es:

„Wir erinnern daran, dass das Fortbestehen der Sanktionen in direktem Zusammenhang mit der vollständigen Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk und der Achtung der Souveränität der Ukraine durch Russland steht. Die Sanktionen können abgebaut werden, sobald Russland diesen Verpflichtungen nachkommt. Dennoch sind wir bereit, auch weitere beschränkende Maßnahmen … zu ergreifen, um die Kosten für Russland zu erhöhen, sollten seine Handlungen dies erforderlich machen. Wir erkennen an, dass es wichtig ist, den Dialog mit Russland aufrechtzuerhalten …“

Es gibt also eine Ursache für diese Sanktionen. Die Aufhebung der Sanktionen ist gekoppelt an das Entfallen dieser Ursache. Wie ich es gesagt habe: Wir bemühen uns – unter anderem auch im Normandie-Format – sehr intensiv, politisch-diplomatische Fortschritte für die Ostukraine zu erreichen. Derzeit gibt es keinen Grund, von einer Aufhebung zu sprechen.

Schäfer: Das Erste, was ich auf Ihre Frage hin sagen möchte, ist: Man mag mir den Satz, den Satzausschnitt oder den Absatz in dem Text des Außenministers zeigen, der nicht auf der Linie der Bundesregierung wäre. Aber wie gesagt: Es ist immer gut, sich den Texten tatsächlich zuzuwenden. Wenn es da irgendetwas gibt, was ungeheuerlich ist oder was dazu geeignet ist, den Minister in einer herabwürdigenden Weise als Putin-Versteher darzustellen, dann mag man mich damit konfrontieren; dann stehe ich dazu gerne Rede und Antwort. Wer versucht, sein Gegenüber – ob Freund, ob Partner oder beides gleichzeitig – zu verstehen, der versucht das Beste fürs Land, glaube ich.

Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran – der Minister hat das in anderen öffentlichen Äußerungen über das Wochenende auch noch einmal gesagt -, dass nicht nur wir, sondern auch unser Bündnispartner, die Vereinigten Staaten von Amerika, das allergrößte Interesse daran haben, gemeinsam mit Russland die großen Konflikte unserer Zeit anzugehen und zu lösen. Das gilt für den Fall Libyen, das gilt auch für den Nahost-Friedensprozess und für viele andere Konflikte, in denen, glaube ich, jedem mit gesundem Menschenverstand versehenen Beobachter klar ist, dass sich die Konflikte eben nicht gegen Russland, sondern nur mit Russland lösen lassen. Dass man im Kontakt mit einem so wichtigen und so großen Nachbarn Europas Themen hat, bei denen man besser miteinander auskommt als bei anderen, dass man Meinungsverschiedenheiten austragen muss und Interessengegensätze hat, die mal größer und mal kleiner sind, erleben wir – gemeinsam mit Ihnen – in den letzten Wochen und Monaten auch am Beispiel der Türkei. Es ist für uns, die wir die Interessen Deutschlands nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten haben, überhaupt nichts Ungewöhnliches, dass wir mit dem gleichen Land eine Vielzahl von Baustellen haben, von denen manche leichter zu erledigen sind und andere eben nicht. So ist das, und das ist eben konkrete Politik.

Was die Ukraine angeht: Herr Steinmeier ist heute beim Außenministerrat in Luxemburg. Auf der Tagesordnung steht dort auch die Frage des Umgangs mit der Krise in der Ukraine. Herr Steinmeier wird gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault den Außenministerkollegen von den wirklich intensivsten Bemühungen der Bundesregierung gemeinsam mit der französischen Regierung in den letzten Tagen vortragen, Fortschritte an den entscheidenden drei Baustellen zu erzielen: der allgemeinen Sicherheitslage, dem Umgang mit den Lokalwahlen und der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes sowie der Sicherheit bei den Lokalwahlen.

Die Bemühungen um substanzielle Fortschritte bei der Lösung der Ukraine-Krise werden, während wir hier miteinander sprechen, intensiv fortgesetzt. Wir haben die Hoffnung da überhaupt nicht aufgegeben, auch wenn es ein unglaublich dickes Brett ist, das da zu bohren ist. Das geschieht im Übrigen gemeinsam von hohen Vertretern des Bundeskanzleramtes und der Bundeskanzlerin wie auch des Auswärtigen Amtes und des Außenministers. Wir ziehen da absolut an einem Strang, und wir haben nur ein Interesse: Dass wir diesen Konflikt überwinden können. Herr Steinmeier sagt immer: Sanktionen sind weder Selbstzweck noch dienen sie dem Ziel, Russland in die Knie zu zwingen. Sanktionen dienen dem Zweck, politisches Verhalten zu beeinflussen. Der Minister verfolgt das Ziel – im Übrigen gemeinsam mit der Bundesregierung -, genau das zu tun: nämlich die Ukraine und Russland dazu zu bringen, diesen Konflikt endlich zu überwinden. Wenn dazu entsprechende Schritte sinnvoll sein könnten – etwa im Falle von substanziellen Fortschritten in den einschlägigen Fragen -, dann würde das eventuell auch bedeuten, mit den Sanktionen umzugehen. Das ist nichts Neues, das hat der Außenminister seit Wochen gesagt, und das steht ausdrücklich auch nicht im Widerspruch zu der Passage, die Herr Seibert gerade eben aus der G7-Erklärung von vorletzter Woche vorgelesen hat.

Frage: Herr Seibert, es gab ja nicht nur das Interview oder die Äußerungen des Außenministers, sondern auch ein Interview mit dem früheren Bundeskanzlerin Gerhard Schröder zum Verhältnis zur Sowjetunion, in dem er sehr eindeutig sagt, er halte es für einen großen Fehler, bei den beschlossenen Nato-Maßnahmen an der Ostgrenze deutsche Truppen oder die Bundeswehr mit dem Lead zu betrauen. Hat die Bundesregierung eine Meinung zu dieser Aussage – teil sie die, verurteilt sie die, lehnt sie die ab?

Herr Schäfer, die nationale wie internationale Aufregung entstand ja offensichtlich durch eine gewisse Zuspitzung in der Vorabmeldung. Sie sagen, Sie hätten aus Gründen der Fairness 24 Stunden gewartet, ehe Sie den Wortlaut veröffentlicht haben. Das ist schön. Können wir jetzt immer damit rechnen, dass Fairness gegenüber den Medien über die außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland gestellt wird?

StS Seibert: Ich möchte das Interview des Altbundeskanzlers nicht kommentieren.

Die Grundüberzeugungen unserer Russlandpolitik habe ich hier – auch gemeinsam mit dem Sprecher des Auswärtigen Amtes – noch einmal darzustellen versucht. Zu den Nato-Maßnahmen, die beim letzten Gipfel in Wales beschlossen wurden – Verteidigungs- und Reaktionsfähigkeit erhöhen -, gehören natürlich auch die Übungen. Ich wiederhole es noch einmal: Sie sind rein defensiv, sie sind maßvoll und sie sind transparent. „Sie sind rein defensiv“ heißt: Es geht keine Bedrohung Russlands von ihnen aus. Sie sind ein Ausdruck der Solidarität im Bündnis. Deutschland ist ein Teil des Bündnisses und damit auch ein Teil dieser Solidarität. Das drückt sich auch in der Teilnahme unserer Soldaten an diesen rein defensiven Maßnahmen aus.

Schäfer: Jetzt einmal vorsichtig gesprochen: Ich kann da keinen Widerspruch erkennen. Ich glaube, dass es möglich ist, im Verhältnis zwischen Medien und Regierung Fairness walten zu lassen und gleichzeitig die Interessen des Vaterlandes nicht zu beeinträchtigen; mir scheint das möglich zu sein.

Zusatzfrage: Das Problem am Samstag war doch, dass aufgrund der Vorabmeldung diese Agenturlage, wie Sie es nennen, entstand und dass natürlich auch international Medien auf „warmongering“-Warnungen des deutschen Außenministers eingestiegen sind. Das war für Sie aber noch kein Anlass, bereits am Samstag in irgendeiner Form klarstellend tätig zu werden?

Schäfer: Die Agenturmeldungen, die ich am Samstag gesehen habe, haben Äußerungen des Außenministers nicht in toto gebracht, aber haben Äußerungen des Außenministers gebracht, die er so getroffen hat. In den Agenturmeldungen war zu lesen – ich kann es nur noch einmal wiederholen -:

„Was wir jetzt nicht tun sollten, ist, durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen.“

Nennen Sie mir in dieser Debatte einen – ob auf Regierungsseite oder auf Medienseite -, der das wollte.

Wir sind gut beraten, keine Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern. Der Außenminister warnt davor, in die Muster – die Verhaltensmuster und die rhetorischen Muster – des Kalten Krieges wieder einzutreten. Wer sollte etwas dagegen haben? Wenn nicht nur in Deutschland, sondern auch anderswo zur Kenntnis genommen wird, dass das die Haltung des Außenministers und der Bundesregierung ist, dann wüsste ich nicht, in welcher Weise das die Interessen unseres Landes beeinträchtigen würde.

Frage: Herr Flosdorff, in welchem Umfang nimmt denn die Bundeswehr an diesen Manövern teil?

Zweite Frage: Ich nehme an, dass innerhalb der Bundesregierung auch das Auswärtige Amt vorher über solche Manöver und über die Teilnahme der Bundeswehr daran informiert wird. Hat es da in diesem Fall irgendwelche Bedenken und Widersprüche vonseiten des Auswärtigen Amtes gegeben?

Flosdorff: Die Bundeswehr nimmt selbstverständlich im Rahmen der in der Nato beschlossenen Linie auch an Manövern in Osteuropa teil. Das sind teils Nato-Manöver, teils sind es nationale Manöver. Der Umfang hat sich gegenüber dem letzten Jahr geringfügig erhöht: 2015 hatten wir ungefähr 5000 Soldaten, die im Jahresschnitt an Manövern in Osteuropa beteiligt waren; in diesem Jahr haben wir 5500 Bundeswehrsoldaten, die sich an Manövern beteiligen. Das läuft aber neben den normalen „Reassurance“-Maßnahmen. Sie kennen das „Air Policing“ im Baltikum, das im Herbst wieder stattfindet, Sie wissen um das Engagement Deutschlands in der VJTF. Das alles geschieht in einem angemessenen Rahmen, transparent, defensiv und auch im Rahmen der Nato-Russland-Grundakte, und alles wird auch Russland gegenüber angezeigt.

Was Abstimmungsverfahren angeht: Soweit es erforderlich ist, wird in der Nato, aber selbstverständlich auch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt, in welcher Form und in welchem Umfang sich die Bundeswehr beteiligt.

Zusatzfrage: Hat es da in diesem Fall irgendwelche Bedenken seitens des Auswärtigen Amtes gegeben?

Flosdorff: Es ist eine Vielzahl von Manövern, die ich jetzt nicht überblicke; ich kann jetzt einfach nicht in toto und absolut sagen, ob es auf Fachebene irgendwann einmal Bedenken gegeben hat. Mir ist davon jedenfalls nichts bekannt. Das wird immer abgestimmt, diese Verfahren laufen im besten Konsens, und ich kann hier überhaupt keine Klage führen über Abstimmungsverfahren mit dem Auswärtigen Amt – das läuft sehr gut.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, wissen Sie das vielleicht?

Schäfer: Auch bei der Vorbereitung dieses Manövers, das auf den schönen Namen Anakonda hört – das ist ja keine Spezies von Schlangen, die in Europa verbreitet wäre, wenn ich das richtig sehe; bei uns sind es eher Ringelnattern und Blindschleichen, die wir als Schlangen haben -, gilt: Das geschieht – auch die Teilnahme der Bundeswehr – ausdrücklich mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes. Trotz mancher Äußerungen aus Polen, über die wir uns an dieser Stelle auch unterhalten haben, hat es da nicht nur über die Beteiligung der Bundeswehr, sondern auch über die notwendigen logistischen und sonstigen Maßnahmen der Unterstützung für dieses nationale Manöver – wohlgemerkt: Anakonda ist kein Nato-Manöver, sondern ein Manöver des Bündnispartners Polen – jede Menge Unterstützungsmaßnahmen gegeben, so etwa die Erlaubnis der Durchreise von Partnerverbänden, die durch Deutschland nach Polen reisen mussten, um an diesem Manöver teilnehmen zu können. All das ist, soweit ich das beurteilen kann und so, wie Herr Flosdorff es sagte, innerhalb der Bundesregierung in vollständiger Übereinstimmung gemacht und unterstützt worden.

Frage: Herr Schäfer, kann man sagen, um die Position von Herrn Steinmeier gut zu verstehen, dass der Außenminister die Anakonda-Übung in Polen gut findet?

Schäfer: Ich kann nur das wiederholen und bekräftigen, was Herr Seibert und auch ich gerade gesagt haben, nämlich dass es richtig ist, dass das Bündnis übt. Darüber hinaus ist, glaube ich, gar nicht viel zu sagen. Ich glaube, die Beteiligung der Bundeswehr an diesem Manöver spricht für sich. Ich hatte in einem Nebensatz gesagt, dass, wenn uns etwas daran stört, es sozusagen eher – wie soll man sagen – die mediale Präsentation des Ganzen ist. Manche Äußerung von manchen, die eben nicht dem Ziel dient, den Dialog zu fördern, sondern die Konfrontation anzuheizen, ist ganz sicher nicht in unserem Interesse, und das hat der Außenminister gesagt.

Zusatzfrage: Aber die Äußerungen des Verteidigungsministers kamen vor zwei Wochen. Ich habe damals ja nachgefragt. Warum haben Sie sich damals nicht dazu geäußert?

Schäfer: Ich kann Ihnen nur sagen: Der Außenminister hat sich jetzt am Sonntag in einer Zeitung geäußert. Die Äußerungen – das haben mir die Kollegen aus der Nase gezogen – sind am Freitag der Zeitung gegeben worden, und das war aus Sicht des Außenministers der richtige Moment, das zu tun.

Frage: Herr Schäfer, nur noch einmal zum Verständnis, weil Sie sozusagen die mediale Inszenierung von Manövern auch gerade selbst noch einmal angesprochen haben: Es gab ja zum Beispiel im letzten Jahr im Juni in Polen auch ein großes Manöver, also eine Nato-Übung, an dem etliche Verteidigungsministerinnen teilgenommen haben, Frau von der Leyen, die niederländische Verteidigungsministerin und, soweit ich weiß, auch die norwegische. Wäre es besser, wenn in Zukunft bei solchen Übungen dann eben keine Verteidigungsminister oder Verteidigungsministerinnen oder kein Herr Stoltenberg mehr teilnehmen würden?

Schäfer: Genauso wie ich es heute in einigen Kommentaren gelesen habe und genauso wie ich hier eben mit der Frage konfrontiert wurde, ob es denn nicht ein innerparteilicher oder innenpolitischer Schachzug des Außenministers sei, sich in dieser Sache einzulassen, kann ich hier nur sagen: All das, was Sie da mit Ihrer Frage unterstellen, hat er nicht gesagt. Mit der Präsenz von Politikern und auch von Verteidigungsministerinnen bei Manövern hat der Außenminister kein Problem, sondern er hat ein Problem damit, dass man – genau so, wie ich es gesagt habe – solche Manöver nutzt, um sie propagandistisch auszuschlachten. Das ist nicht in unserem Interesse, so glaubt er, und das ist eben nur ein Teil dessen, was wir brauchen, um den gegenwärtigen Konflikt nicht noch mehr anzuheizen. Das ist einerseits die Frage von mehr Sicherheit – dazu gehören Manöver, absolut -, das ist aber eben auch die zweite Säule, nämlich der notwendige Dialog, der mit Russland geführt werden muss, damit wir die Probleme, die wir miteinander haben, überwinden und im Gegenteil eine Eskalationsspirale nicht noch weiter anheizen.

Frage: Herr Schäfer, ich habe immer noch meine Verständnisprobleme, vor allem mit dem Text und Ihrer Interpretation. Vielleicht können Sie mir noch einmal diesen Satz erklären: „Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt“. Jetzt würde ich gerne verstehen, welche symbolischen Panzerparaden es denn sind, die Herr Steinmeier konkret meint. Ist das jetzt vor den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen sozusagen eine Schwierigkeit für ihn?

Schäfer: Überhaupt nicht. Eine symbolische Panzerparade ist auch nicht mit einem Militärmanöver gleichzusetzen; vielleicht rührt das Missverständnis des einen oder anderen daher. Über das hinaus, was ich Ihnen jetzt gerade auf mehrfache Nachfrage hin zu erläutern versucht habe, gelingt es mir, glaube ich, nicht mehr. Dann müssen wir für heute aufgeben. Vielleicht versuchen wir es übermorgen aufs Neue!

Zusatzfrage: Dann frage ich doch noch einmal: Welche symbolischen Panzerparaden sind denn gemeint?

Schäfer: Sie brauchen nur die segensreichen Mittel der sozialen Medien in Anspruch zu nehmen, Suchfunktionen zum Beispiel. Da gibt es große amerikanische Anbieter, und wenn Sie dort die richtigen Suchbegriffe eingeben, finden Sie Bilder, zum Beispiel von Soldaten, die sich südamerikanische Würgeschlangen um den Hals hängen. Da gibt es Bilder von genau dem, was hier in dem Text des Außenministers steht, nämlich von symbolischen Panzerparaden.

Die These und die feste Überzeugung, die der Außenminister auch mit diesem Satz zum Ausdruck bringen wollte, ist: Man muss üben, man muss auch den Ernstfall üben, und man muss sich vorbereiten, aber man muss das nicht in einer Weise tun, die die Sicherheit eben nicht verbessert, sondern verschlechtert, indem man zur Eskalation beiträgt.

(Foto: Polnische Soldaten bei der Übung Anakonda16 am 5. Juni 2016 mit Adelajda, der Plüsch-Anakonda – Foto Polnische Streitkräfte/Arkadiusz Dwulatek)