Prominente SPD-Politiker stellen sich gegen NATO-Verhalten gegenüber Russland (m. Steinmeier-Wortlaut)
Am kommenden Dienstag Mittwoch ist der 75. Jahrestag des deutschen Angriffs auf Russland im Zweiten Weltkrieg am 22. Juni 1941. Und es mag viel mit diesem Jahrestag zu tun haben, dass an diesem Wochenende gleich zwei prominente Sozialdemokraten den Umgang der NATO und auch Deutschlands mit Russland kritisieren – und sich damit deutlich gegen eine Mehrheitsmeinung im Bündnis stellen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte in der Bild am Sonntag (Wortlaut noch nicht veröffentlicht; Vorabmeldungen hier und hier – und unten, s. Nachtrag) Säbelrasseln und Kriegsgeheul der westlichen Allianz: Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt. (…) Wir sind gut beraten, keine Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern. Neben gemeinsamer Verteidigungsbereitschaft müsse es auch Angebote zum Dialog und zur Kooperation geben. Ebenso müssten Abrüstung und Rüstungskontrolle in Europa wieder auf die Tagesordnung.
Altbundeskanzler Gerhard Schröder ging noch darüber hinaus und bezeichnete die deutsche Beteiligung an den geplanten zusätzlichen Bataillonen an der NATO-Ostgrenze als Fehler, der die Lehren der deutsch-russischen Geschichte ignoriere. Obwohl die Nato-Russland-Akte keine dauerhafte Stationierung von Nato-Truppen an der russischen Grenze zulässt, sollen diese jetzt genau dort hin, sagte der SPD-Politiker der Süddeutschen Zeitung (Samstagausgabe). Ich halte die Beteiligung der Bundeswehr vor dem Hintergrund unserer Geschichte für einen großen Fehler. (…) Aber von der Nato hätte ich so viel Klugheit erwartet, nicht ausgerechnet Deutsche mit Führungsaufgaben zu betrauen. 75 Jahre nach dem Überfall auf die Sowjetunion sollen wieder deutsche Soldaten an der russischen Grenze stationiert werden. Welche Wirkung muss so etwas in Russland haben? Darüber macht man sich in der Nato anscheinend kaum Gedanken.
Neben den rotierenden NATO-Bataillonen im Baltikum und in Polen, für die Deutschland die Führung eines Verbandes in Litauen plant, stehen offensichtlich die aktuellen Übungen der Allianz im Mittelpunkt der Kritik der Sozialdemokraten. Allerdings: Beim US-geführten Großmanöver Saber Strike mit insgesamt rund 10.000 Soldaten im Baltikum ist die Bundeswehr vergleichsweise gering mit einem Aufklärungszug beteiligt; für die amerikanisch-polnische Großübung Anakonda16 stellte Deutschland eine Pioniereinheit zum Brückenbau. (Dass die maritime Übung BALTOPS mit deutlich kampfkräftigerer Beteiligung der Bundeswehr von den Bundeswehrmedien selbst bislang kaum kommuniziert wurde, ist wieder eine andere Geschichte.)
Die Aufforderungen vor allem Steinmeiers (als Mitglied der aktuellen Bundesregierung) und Schröders sind vor dem Hintergrund der deutsch-russischen Geschichte und der von den Sozialdemokraten initiierten Ostpolitik nachvollziehbar. Auffällig ist allerdings, wie scharf damit der Gegensatz zu der allgemeinen Haltung in der NATO wirkt.
Und angesichts des Vorwurfs von Säbelrasseln und Kriegsgeheul bei der NATO – in deren Nordatlantikrat er sitzt – muss sich natürlich auch der amtierende Außenminister fragen lassen, inwieweit er die Transparenz bei Großmanövern auf westlicher Seite, die unter Beobachtung Russlands ablaufen, mit der Transparenz auf russischer Seite vergleicht – meist ohne westliche Beobachter.
Nachtrag: Die Vorabmeldung der Bild am Sonntag hier. (Deutsche Verlagswebseiten werden hier in der Regel nicht verlinkt; angesichts der Bedeutung der Steinmeier-Aussagen und da es sich um eine Vorabmeldung handelt, hier eine Ausnahme.)
Nachtrag 19. Juni: Das Auswärtige Amt hat die Aussagen Steinmeiers komplett im Wortlaut veröffentlicht:
Mit der Krim-Annexion und dem militärischen Aktivitäten in der Ost-Ukraine hat Russland bei unseren östlichen Nachbaren ein Gefühl der Bedrohung entstehen lassen. Das müssen wir ernst nehmen. Deswegen war es richtig, eine gemeinsame Reaktion der NATO zu finden – das haben wir seit dem NATO-Gipfel in Wales mit den Rückversicherungsmaßnahmen getan. Wir weichen unserer Verantwortung nicht aus!
Niemand kann den vorgesehenen Umfang der NATO-Maßnahmen als Bedrohung für Russland werten und bei allen Maßnahmen für uns war die strikte Einhaltung der NATO-Russland-Grundakte eine klare rote Linie.
Was wir jetzt allerdings nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt. Wir sind gut beraten, keine Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern.
Es wäre fatal, jetzt den Blick auf das Militärische zu verengen und allein in einer Abschreckungspolitik das Heil zu suchen. Die Geschichte lehrt uns doch: neben dem gemeinsamen Willen zur Verteidigungsbereitschaft muss es immer auch die Bereitschaft zum Dialog und Kooperationsangebote geben. Und deswegen müssen wir mit unseren Partnern auch wieder verstärkt über den Nutzen von Abrüstung und Rüstungskontrolle für die Sicherheit in Europa sprechen.
Wir kehren keine Meinungsverschiedenheiten und Konflikte unter den Teppich. Gleichzeitig haben wir ein Interesse daran, Russland in eine internationale Verantwortungspartnerschaft einzubinden. Die Verhinderung einer iranischen Atombombe, der Kampf gegen radikalen Islamismus im Nahen Osten oder die Stabilisierung libyscher Staatlichkeit sind dafür aktuelle Beispiele.
Mehr als 70 Jahre Frieden in Europa, jedenfalls ohne einen großen Krieg auf europäischem Boden, sind das kostbarste Gut, das wir haben.
Ich jedenfalls werde dafür kämpfen, dass das nicht aufs Spiel gesetzt wird. Dafür gilt: Soviel Sicherheit, wie nötig – so viel Dialog und Kooperation, wie möglich.
(Bei diesem Thema bitte ich nicht nur um eine sachliche und nicht emotionale Debatte, sondern setze vorsorglich die Kommentare auf moderiert.)
(Foto: Deutsche Soldaten im Juni 1941 auf dem Weg nach Russland – Bundesarchiv via Wikimedia Commons unter CC-BY-SA-Lizenz)
@Osteuropahistoriker
Die Machtübernahme in der Ukraine und die Maßnahme Präsident Janukowitsch ins Exil zu jagen war nichts anderes als eine Revolution, die man auch durchaus als Putsch bezeichnen kann. Und in diesen Putsch haben amerikanische Geheimdienste nicht unwesentlich investiert. Eine demokratisch gewählte Regierung wurde abgesetzt und aus dem Amt gejagt, in dem Sinne war ja das Absetzen der DDR-Regierung auch eine Revolution, die den Weg für die gottgesegnete deutsche Einheit geebnet hat, die manch Deutscher ja wieder rückgängig wünscht, weil ja früher alles besser war. Eine Einheit zu der das angeblich so aggressive Russland sein Ja gab.
Das Problem mit Schwippers These ist, das sie fast eine Einzelmeinung ist, die in der Wissenschaft bis jetzt keine weitere Rezension erfahren hat. Mehr Aufklärung wird es sicher geben wenn die sowjetischen Archive vollständig geöffnet werden. Unter Putin wird dies sicher nicht mehr geschehen. Ansonsten muss man Herr Wiegold zustimmen, Hitlers Absicht Lebensraum im Osten zu sichern war von Anfang an geplant. Im Nachhinein es als präventiven Schlag des Deutschen Reiches hinzustellen ist daher nicht haltbar.
@b
„Verteidigunsausgaben haben sich an der relevanten Bedrohung zu orientieren und NICHT an der Wirtschaftskraft. Da sehe ich in Deustchlnd überhaupt kein Missverhältnis. Man könnte sogar noch einiges einsparen wenn man die unsinnigen Auslandseinsätze ersatzlos beenden würde. Wielange will man denn noch “Deutschland am Hindukusch verteidigen”?“
1. Die Bedrohung ist aber nicht unabhängig von der Wirtschaftskraft (Wohlstand/Landfläche/Bevölkerung).
2. Wenn man das mit der multipolaren Welt ernst meint, in der z.B. die Sicherung der Internationalen Ordnung durch Verpflichtung des Nationalstaates sich an UN Missionen zu beteiligen (und somit auf für das ganze Spektrum von möglichen UN-Einsätzen Kräfte bereit zu halten), so ergibt sich da durchaus eine Finanzierungslücke. Ob nun innerhalb Nato, EU oder UN, Deutschland hat sich selbst als Anlehnungsmacht positioniert. Dem wird man nicht gerecht.
3. Ja, Afghanistan trägt nicht unbedingt zu den eigentlichen Aufgaben der Bw bei. somit reduziert dieser Einsatz die für die originären Einsätze aufgewendeten Mittel noch einmal. Man kann das von den Aufwendungen nicht ganz klar trennen, aber aus den 1,1 Prozent BIP wird durch die Fokussierung auf die Einsätze schnell mal 1,0 Prozent oder weniger für die Landes und Bündnisverteidigung.
yeay | 19. Juni 2016 – 0:46
Glauben Sie das Wirklich
wenn Dresden alle 10 Jahre weniger Tote gab
und es wird nie zugeben das Stalin 1932 Königsberg schon als Kriegshafen wollte
für seine Flotte
und das HOK mit 1 bis 4 Div gerechnet hatte die ins Baltikum Einmaschieren Tatsächlich war es dann Armeen
Das aus Frankreich Not und nicht weitere Kriegsplanungen 1 PzAK nach Königsberg geschickt wurde um den Aufbau der 18 Armee mit den Reserve Einheiten der 16 Armee Aufzubauen
Ich glaub das nicht
Steinmeier hätte seine Friedensbotschaft gegenüber Russland auch schon viele Monate früher erklären können. Nur war damals der „hybride“ Einmarsch in der Ukraine noch zu offenkundig. Dass er es erst jetzt tut, hängt sicher auch mit Umfragen zusammen, denen zufolge seine SPD aus dem „20-Prozent“-Tal kaum mehr heraus kommt. Jetzt zeigt eine repräsentative Meinungsumfrage der Körber-Stiftung der stagnierenden SPD einen Ausweg.
81 Prozent der Deutschen plädieren für engere Beziehungen zu Russland, lediglich die Beziehungen zu Frankreich sind den Deutschen noch wichtiger (89 Prozent). Die USA liegen mit 59 Prozent auf dem dritten Platz der Rangliste der wichtigsten Partner.
Damit rückt Steinmeier auch als möglicher „Friedens-Kandidat“ für den Bundespräsidenten in den . Überzeugung alleine hat ihn offenkundig nicht zur der NATO-Absetzbewegung bewegt, siehe oben. Wohl aber die Umfragen zur „Sonntagsfrage“ und zu den Beziehungen. Und dazu kommt die neue Erklärung des Bundespräsidenten, seinen Platz frei zu machen. Das war der Startschuss zum Ausbruch aus dem „20-Prozent-Kessel“.
Ohne die Initiative des mit Russland verbundenen Gerhard Schröder wäre Steinmeier noch heute auf der entgegengesetzten Position seiner eigenen Sprecherin, an die ein älterer Post hier zu Recht erinnert..
N.B. Ich diskutiere hier nur taktische Beweggründe, die bei fast allen Politikern im Vordergrund stehen, wenn sie den Mund aufmachen – nicht aber die politische Berechtigung. Da bin ich innerlich gespalten.
Nicht, dass Steinmeiers Verhalten verständlicher würde aber um mal aufzuzeigen, wie gross das Spannungsfeld zwischen Ost und West bzgl. Ukraine von Anbeginn angelegt wurde, hilft ein Blick auf die Seiten des AA:
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2014/140331_Gemeinsame_Erkl%C3%A4rung_zur_Ukraine.html
Da drinnen sind aus russischer Sicht jede Menge Zumutungen teilweise nur Satzzeichen voneinander entfernt formuliert:
Aus russischer Sicht diese Zumutung:
„…wir sollten die Zusammenarbeit mit unseren Partnern, allen voran der Ukraine, im Kontext der NATO-Ukraine-Kommission ausbauen.“
Um im nachfolgenden Satz zu beschwichtigen:
„Gleichzeitig erkennen wir an, dass Russland und die Ukraine von jeher eine starke und besondere Beziehung haben…“
Oder auch:
„…sicherstellen, dass die Länder der Östlichen Partnerschaft nicht gezwungen werden, sich zwischen einer Annäherung an die EU und einer umfassenden Zusammenarbeit mit Russland zu entscheiden…:“
Denn:
„Weder die Östliche Partnerschaft der EU noch die Abkommen, die die EU mit ihren Partnern schließt, sind gegen Russland gerichtet.“
Aber:
„Russland kommt jetzt große Verantwortung zu. Wir rufen Russland dazu auf, von jeglicher Verschärfung der Situation in der Ukraine abzusehen und …“
Weil:
„Am 21. März beschloss die EU darüber hinaus, die Unterzeichnung der Assoziierungsabkommen mit Georgien und der Republik Moldau voranzutreiben. Moldau wird gegenüber der EU bald Visafreiheit genießen…“
Das kann man so machen, aber das hat eben seine Konsequenzen im zukünftigen Verhältnis. Evtl Auch den eine oder anderen Widerspruch..
Moin,
schon ganz lustig, dass hier einerseits Steinmeier Mottenkistenpolitik vorgeworfen wird und andererseits in die urbansky-legendsky-Mottenkiste eines Herrn Schwipper gegriffen wird. Faszinierend, würde Mr. Spock wohl sagen. Als Halb-Vulkanier hatte er zumindest eine Ahnung von terranischer Rabulistik ;-)
100 Punkte – wieder einmal – für den Hausherren: “ Die militärische Lage abgekoppelt von der politischen Absicht zu sehen, führt zu ziemlich verheerenden Konsequenzen.“
Und da erlaube ich mir doch einfach die einfache Frage: Wie sieht denn aus militärstrategischer Sicht die a. NATO-Osterweiterung, b. einseitige Kündigung des ABM-Vertrages, c. das NATO-BMD-Programm (AEGIS AFLOAT und ASHORE in Polen/Rumänien) und dann d. die EU-Assoziierungsverträge als Vorläufer zu einem NATO-Beitritt der Ukraine aus? Welche politischen Absichten würde man dahinter vermuten, wenn man sich einmal für 5 Minuten eine russische Brille aufsetzt ?
Und btw.: NATO-Rußland-Grundakte und Stationierung; bei Stationierung zählt man dann immer in Stiefeln. Wieviel Stiefelequivalente stellen bitte die 2 AEGIS/ASORE in Rumänien und demnächst in Polen dar ? . Vielleicht sollten die Putin-Basher einmal die Grundakte wirklich lesen und vor allem all die Abschnitte, die sich mit Dialog, Abrüstung etc. befassen. Natürlich kann man argumentieren, dass die Grundakte eigentlich nur eine „Absichtserklärung“ ist und kein völkerrechtlicher Vertrag.
Nichts desto trotz kann man diese Absichtserklärung nicht „portionieren“, Entweder ganz oder gar nicht. Die US, Polen etc wollen natürlich „gar nicht“. Deutsche Regierungspolitik ist – durchgängig – dass eine Portionierung nicht in Frage kommt und ein „gar nicht“ schon gar nicht ;-) Wo also bitte liegt hier ein Dissenz innerhalb der Regierung vor ? Warum bitte erschließt sich aus den Äußerungen Steinmeiers eine sicherheitspoltische Handlungsunfähigkeit der BuReg – wie Herr Clement glaubt ?
Unfug, Herr Clement – umgekehrt wird ein Schuh daraus.
Die BuReg wird es nicht zulassen, dass Sicherheitspolitik nicht wieder durch Militärstrategie aus der Mottenkiste des Kalten Krieges ersetzt wird.
In diesem Sinne, schönen Sonntag ;-)
Mich wundert bzgl „unserer“, schließlich haben „wir“ sie ja gewählt und damit in eben diese Ämter gebracht, Politiker gar nichts mehr!
Wenn schon die „amtliche Weichenstellung“ (Kanzler) für die zukünftige, üppigst entlohnte Tätigkeit (Gazprom) kaum noch Erwähnung findet, was will man dann noch erwarten?
Wäre eine Staatsflagge verbrannt worden, wäre die Flotte ausgelaufen und es wäre Krieg!
Das wird so oder ähnlich einem anderen, oft und gern zitierten SPD-Kanzler zugeordnet.
Obiges Handeln widerspricht nicht nur dem geleisteten Eid, da wäre „früher“ (und damit ist NICHT die 1000-jährige Periode gemeint!) aufgrund der ganz eindeutigen Tatbestandsmerkmale ohne großes Hinterfragen „kurzer Prozeß“ gemacht worden.
Heute wird neben der Kanzlerpension, die natürlich nur die „Spesen für …“ zu tragen taugt, hier und da und dort aufgrund IM AMT GESCHLOSSENER VERTRÄGE fleißig kassiert.
Anderswo nennt man das wenigstens Bestechung, Korruption…
Den Deutschen Michel schert’s nicht.
Und wenn da ein Außenminister die POLITISCHEN Aufträge der Bw hinterfragt bzw anzweifelt – who cares.
In D ist dz VIEL wichtiger, was sich zeitweise in Frankreichs Stadien abspielt, danach ist Urlaub, dann kommt erst mal nix und dann, ja DANN vielleicht…
@klabautermann:
Wenn das AA über Monate die Umsetzung des RAP mitträgt und auch die Vorbereitung des NATO-Gipfels mitträgt (einschl. EFP), dann ist das öffentliche Hinterfragen bzw. Herabwürdigen dieser Massnahmen („Säbelrasseln“) also ein Zeichen von Handlungsstärke der Regierung?
Noch vergangene Woche vertrat die Sprecherin des AA in der RegPK vehement die Ausgewogenheit der Maßnahmen.
„Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein.“ (Mt 5,37)
@Memoria
Sorry, hier liegen Sie eben falsch. Das RAP als NATO-Programm wurde natürlich von der BReg mitgetragen. Nun sind aber Anakonda und Co – wie Saber Strike – keine Anteile des NATO-RAP. Das sind multinationale Übungen mit NATO-Mitgliedern und PfP-Partnern, die noch nicht einmal als „In-the-spirit-of-PfP“ geplant und vermarktet wurden, sondern eindeutig „in-the-spirit-of-Art5-deterrence“ (meine Formulierung) . Hier läuft eine gigantische PR-Manipulation, die imho an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten ist. Die Sprecherin des AA hat eindeutig nur zum NATO-RAP Stellung genommen. Auch UvdL und Stoltenberg haben sich ja zu einer Bewertung von Anakonda und Co in Zusammenhang mit dem NATO-RAP nicht eingelassen – weil Ihnen das nicht zusteht. Dem deutschen Außenminister steht das aber ganz bestimmt zu, diese Zusammenhänge aus deutscher sicherheitspolitischer Sicht einmal im geo-politischen Kontext zu bewerten. Und damit hat er nur seinen Job gemacht, so wie man das imho von ihm erwarten muß. Wie lsange wollen wir uns eigentlich noch von diesen russophobischen Hyperchondern politisch rumschubsen lassen ?
@klabautermann:
Wie widersprüchlich die Vorstellungswelt von FWS ist zeigt erneut sein Aufsatz in Foreign Affairs:
„Germany will continue to frame its international posture primarily in civilian and diplomatic terms and will resort to military engagement only after weighing every risk and every possible alternative.“
https://www.foreignaffairs.com/articles/europe/2016-06-13/germany-s-new-global-role
Das habe ich irgendwie in den letzten Jahren anders in Erinnerung.
Auch sonst zeigt der Aufsatz, dass man weiter überzeugt ist alles richtig zu machen. Über Abschreckung wird wenig gesagt, aber dargelegt, dass Deutschland alles tun werde um einen erneuten Kalten Krieg zu verhindern.
Als publizistisches Sahnehäubchen jetzt halt noch der Säbelrassel-Vorwurf per WamS.
Also das bei der Großübung Saber Strike nur ein Aufklärungszug dabei ist stimmt nicht ganz.. Auf der Bundeswehrseite ist ein Artikel über den Jägerzug im Angriff bei dieser Übung. Und von diesen Jägern, die zum großteil seit 3 Monaten da oben sind, ist fast das ganze Battalion auf dieser Übung. http://www.deutschesheer.de/portal/a/heer/!ut/p/c4/NYzBCsIwEET_aDctFtSbpRfBkwdtva1paLamSVm2evHjTQ7OwDDwhsEHZkd680TKKVLAHgfLx-cHvHMC9NLNhQCRrBe2Xl2EmbzUpmpg3iKXgvfyMjqwKTotmWfKOSchTQJrEg2FbCKZAI84mKprTWP-qr6H_tLedvW-7s7tFddlOf0ADvH-6w!!/
Kla genau solche Übungen provozieren ungemein. Und wenn man sich mit dem Thema ein bisschen beschafft dann sind das praktisch 1 zu 1 Szenen aus dem kalten Krieg. Großübungen an den Grenzen, Provokante Luftmänöver vor den hoheitsgebieten auf dem Meer und in den Medien spricht die Nato von Aufrüstung…als hätte niemand auch nur irgend etwas aus der Geschichte Gelernt.
[Mal abgesehen davon, dass es sich empfiehlt, Bundeswehr-Links zu verkürzen, damit sie hier lesbar bleiben – was wollen Sie ausdrücken, wenn Sie Bw-Berichte zu Saber Strike aus dem vergangenen Jahr hier verlinken und dann behaupten, die Aussagen zur diesjährigen Übung seien falsch? Da bitte bisschen mehr Sorgfalt. T.W.]
@all
Aus gegebenem Anlass zwei technische Hinweise:
• Berichte aus dem vergangenen Jahr hier zu verlinken und die als Beleg für aktuelle Aussagen oder deren Widersprüchlichkeit heranzuziehen, ist ein bisschen daneben.
• Das Zitatrecht gröblichst auszuhebeln, auf meinem Rücken, und komplette Texte von woanders mit copy&paste in die Kommentare einzustellen (auch als ‚eigene Übersetzung‘), ist genauso daneben.
Beides finde ich nicht lustig.
Die Osteuropäer werden ihre Schlüsse aus dem Gesagten ziehen.
Im Prinzip ist nun jedes Land welches einen signifikanten Anteil zum Schutz ihrer territorialen Integrität leistet, gefährdet eine Regierung zu bekommen, die dies nicht mehr unterstützt.
USA: Trump
Frankreich: Sarkozy, LePen
England: Corbyn, Johnson, Farage
Deutschland: AfD, Linke, SPD?
…
Die politische Landkarte könnte sich in den nächsten zwei Jahren massiv verändern, unfassbar das Ganze
@Memoria
Also, das deutsche Zugeständnis das Framework für ein Art5-tripwire-btl in Litauen als direktes Nachbarland zu Rußland unter NATO-OPCON zu stellen ist ein verdammt weites Entgegenkommen der BReg in Sachen „deterrence posture“. Wir sind damit das einzige kontinentaleuropäische Land, das diesen Schritt getan hat. Diese (halb)europäischen Inselbriten zählen da nicht, die ziehen einfach die Zugbrücke zu ihrer Insel hoch, if the shit hits the fan. Damit hat imho die BReg eine Art Vorratsbeschluß gefällt, ob und wie sich Deutschland im Falle eines Art5 „einbringen“ wird. Ich denke einmal das ist schon ganz schön deutlich und auch substanziell nach allen geo-politisch, militärstrategischen Regeln, die ich so in den letzten 40 Jahren gelernt habe.
Und natürlich verfolgt Deutschland auch ganz konsequent den second track in Sachen Realpolitik, was die vielgerühmte europäische Friedensordnung anbelangt: den civilian and diplomatic track.
Wo sehen Sie da einen Widerspruch ? Den kann man nur konstruieren mit einer konservativ transatlantisch eingefärbten und einseitig entspiegelten Brille auf der Nase.
Um Gottes Willen, bloß keine wie auch immer geartete Partnerschaft Deutschlands mit Rußland. Ganz schlecht für die Geschäfte der City of London und der Wallstreet. /SCNR
@klabautermann:
RAP-Maßnahmen und Dragon Ride (mit deutscher Beteiligung) ist also kein Säbelrasseln oder eine Art Militärparade?
Anaconda hingegen schon (trotz deutscher Pionierunterstützung??)
Interessante Sichtweise – Danke für die regelmäßige Dosis Systemverständnis.
Wir werden halt super regiert – sind leider nur zu blöd es zu verstehen.
@klabautermann:
Sie bewegen sich ja wieder in der Argumentation sehr breit – und am Ende steckt also die Wallstreet hinter meiner angeblichen Sichtweise.
Ich bin sehr für Abschreckung und Dialog.
Und genau deswegen störe ich mich an den Aussagen von Steinmeier – da er aus populistischen Gründen Abschreckungsmaßnahmen in Frage stellt (ihm geht es dabei nicht um RAP vs. ANACONDA) an denen sich Deutschland beteiligt. Warum sie darin kein Widerspruch erkennen können, liegt offenbar an höher besoldeter Einsicht.
Gleichzeitig frage ich mich auch warum man die Ansätze beim NATO-Rußland-Rat und insbesondere in der OSZE zu einem Dialog nicht stärker nutzt.
@all
Das Auswärtige Amt hat am Sonntag die Aussagen Steinmeiers im Wortlaut veröffentlicht; habe ich oben nachgetragen.
@Memoria
Auf wessen Drängen ist denn der NATO-Rußlandrat überhaupt wieder aktiviert worden ?
Wem hat das ganz und gar nicht gepasst ?
Erst durch deutsches Drängen ist doch das Thema „Dialog“ überhaupt erst wieder auf die NATO-Agenda in Sachen Rußland gekommen.
Abgesehen davon stellt Steinmeier keine der bislang entschiedenen „Abschreckungsmaßnahme“ der NATO in Frage – und schon gar nicht aus populistischen Gründen (gehts auch mit weniger Polemik ?) – sondern sogenannte Reassurance/Deterrence-Maßnahmen, die unilateralen Ursprungs sind (US/European Reassurance Initiative) und unter False Flag NATO „vermarktet“ worden sind – und letztendlich die von Deutschland geforderten Dialog-Track sabotiert haben. Und dann zeigt uns einer der Ko-Sabotuere noch die Kalte Schulter in Sachen militärische Zusammenarbeit im EU-Rahmen.
Steinmeier hat bis zu der 25 Jahre deutsch-polnischen Freundschaft und Partnerschaft Jubelfeier ganz diplomatisch und diszipliniert die Klappe gehalten – nu macht er sie auf, gut so.
@ klabautermann | 19. Juni 2016 – 11:32
“ Wie lsange wollen wir uns eigentlich noch von diesen russophobischen Hyperchondern politisch rumschubsen lassen ?“
Ich schaetze Ihre blumig-pointierte Argumentation mit dem bekannten Zwinkern – aber der o.a. Satz bedarf der Erlaeuterung.
Der Wortlaut war also in wesentlichen Teilen bereits bekannt.
Leider ist weiterhin unklar, ob der Sicht des Außenministers die bisherige Übungstätigkeit und die Folgen von Warschau schon zuviel an Manöver und Säbelrasseln sei.
Aus meiner Sicht billiger Populismus um im Inland zu punkten.
Der Foreign Aiffairs-aufsatz zeigt ja auch wieder:
Steinmeier will es irgendwie allen recht machen aussen- und innenpolitisch. So funktioniert aber weder eine glaubwürdige Abschreckung noch ein konstruktiver Dialog.
Peace in our time…
Ah – da relativiert sich doch so einiges. Darunter auch die Überschrift dieses Fadens – wenn da nicht der Schröder wäre.
Hans Schommer
Ja, ich hätte den Eintrag auch anders aufgezogen, wenn ich den kompletten Wortlaut gekannt hätte. Aber das AA hat halt mehr als 24 Stunden gewartet, bis sie den veröffentlicht haben. Die werden ihre Gründe dafür gehabt haben; die Reaktionen darauf dürften die ja auch gesehen haben…
@ T.W.: Danke für den Nachtrag. Ich kann mit den Aussagen des AMin absolut leben und sehe keinen wirklichen Wiederspruch zu den DEU Einlassungen in Brüssel.
Na ja, jedenfalls fühle ich mich so ziemlich in meinen Kommentaren durch diese AA-Presseerkläung vollumfänglich bestätigt.
@MikeMolto
Mir fällt eben auf den Zeiger, dass immer wenn der „wichtigste Partner in Europa“ nicht genau das tut, was diese „gefühlt“ bedrohten Länder („neue Europäer“) wie die baltischen und die Polen (und natürlich die Ukrainer) in Sachen Verteidigungspolitik fordern/erwarten, dann sind wir ganz üble Transatlantiker. Wenn wir dann noch Forderungen stellen, die eben über Vtg-Politik hinaus in die sicherheitspolitische Ebene von Realpolitik reichen, dann sind wir nicht nur ganz üble Transatlantiker, sondern auch noch Verräter der europäischen Werte.
Das ist imho nur noch als pathologische Hyperchondrie zu bezeichnen.
Deutschland hat gefälligst geo-politisch Ja und Amen zu sagen, zu zahlen und falls es in die Hose geht dann eben „Germans to the Front“ – gibt ja mittlerweile wieder genug von diesen Hunnen auf dem Kontinent.
http://www.deutsche-schutzgebiete.de/boxeraufstand_seymour.htm
Den Litauern sollte man sagen, dass sie leider, leider kein deutsches Schutzgebiet mehr werden können/SCNR
Hm, zur Erinnerung aus der – oben verlinkten – Vorabmeldung der BamS:
Diese Vorabmeldung war dem AA sicherlich bekannt; dennoch hat es mehr als 24 Stunden gedauert, bis sie den erweiterten Wortlaut veröffentlicht haben. Damit hat sich das AA selbst zuzuschreiben, wenn sein Minister möglicherweise etwas anders verstanden wurde als beabsichtigt.
@T.W.
Na ja, diese (imho verkürzte und tendenziöse) Vorabmeldung hat vermutlich aus Sicht AA schon genug Schaden angerichtet, andereseits konnten die erst heute – mit/nach der BamS – den O-Ton des AM ins Netz stellen und so jedem weiteren journalistisch-medialen Spin die evtl. notwendige Drall-Korrektur verpassen. Steinmeier ist immerhin der AM der Bundesrepublik, da kann man sich bei einem so schwergewichtigen Statement nicht auf die Presse unbedingt „verlassen“. Außerdem wird damit den auch hier geäußerten parteipolitische-populistischen Vorwürfen/Unterstellungen der Wind aus den Segeln genommen. Der AA hat nun offiziell gesprochen, damit ist das Regierungssprech.
@ klabautermann | 19. Juni 2016 – 13:28
Nun einzusehen, aber der vorige post war so missverstaendlich, dass eine nachdenkliche Haut damit auch die USofA als ‚desig‘ haette verstehen koennen.
Cheers
@ Hans Schommer | 18. Juni 2016 – 19:52
Wie weit wollen Sie mit der Bedrohung der Nachbarstaaten seitens Russland zurueck gehen?
1920/21 hat Polen den russich-polnischen Krieg angfangen weil man glaubte die Sowjets seien im Buergerkrieg zu sehr geschwaecht um sich nach Westen verteidigen zu koennen.
Au weia, jetzt kneifen auch noch die Bulgaren:
http://www.nzz.ch/international/europa/kontroverse-um-nato-praesenz-kraeftemessen-im-schwarzen-meer-ld.90104