Nötiger Nachtrag: Experten verreißen neues Parlamentsbeteiligungsgesetz
An der geplanten Neufassung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes, das die Befassung des Bundestages mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr regelt, hatte es schon vor der ersten Beratung im Parlament deutliche Kritik gegeben. Am vergangenen Mittwoch hörte der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages dazu juristische Experten an – und die Kritik auch von den Rechtskundigen war nicht milder, im Gegenteil. Kern der ablehnenden Äußerungen war der Ansatz im Gesetzentwurf von Union und SPD, bestimmte Auslandseinsätze von einer Einzel-Zustimmungspflicht des Parlaments auszunehmen.
Die Warnungen der Juristen klingen, wenn auch mit anderer Begründung, recht ähnlich wie die des Bundeswehrverbandes. Da ich bei der Anhörung selbst nicht dabei sein konnte, ein Blick auf die Berichte dazu.
Aus dem offiziellen Bundestags-Pressedienst:
Überwiegend deutlich distanziert haben die juristischen Experten die geplante Neujustierung der Parlamentsbeteiligung bei Bundeswehreinsätzen bewertet. Das zeigte sich heute bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung unter dem Vorsitz von Johann David Wadephul (CDU). (…)
Prof. Georg Nolte zitiert in seiner schriftlichen Stellungnahme eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Auslandseinsätzen aus dem Jahre 1994: „Die verfassungsrechtliche Mitwirkung des Bundestag bei konkreten Entscheidungen über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte darf….die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigen.“ Nolte gab zu bedenken: „Es ist nicht leicht zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt ist.“ Womit ein entscheidender Hintergrund des Gesetzesvorhabens beschrieben war.
Nolte, der in der Rühe-Kommission mitgearbeitet hatte, „ermutigte“ die Parlamentarier ausdrücklich, gesetzlich den Parlamentsvorbehalt zu verdeutlichen. Demgegenüber sprach Prof. Heiko Sauer von einem „zwar gut gemeinten Versuch“ – „aber nicht gut gemacht“. Der Entwurf gehe „deutlich über die Verfassungsgrenzen hinaus“, meinte Prof. Wolff Heintschel von Heinegg. Und genau dies wurde von den meisten seiner Kollegen ebenfalls als Kernproblem angesprochen. Das Bundesverfassungsgericht habe in mehreren Entscheidungen zu Wehrfragen sehr enge Grenzen gezogen. Daran müsse sich das Gesetz messen – es sei denn, der Bundestag setze mit einer Verfassungsänderung neue Maßstäbe.
Prof. Joachim Wieland beschrieb es deutlich: „Wenn das Parlament nicht die Kraft zur Verfassungsänderung findet, gelten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.“
und von den Kollegen bei EurActiv:
In einer Ausschusssitzung zerlegen führende Staatsrechtler einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung, den Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen aufzuweichen. Die Kontrolle des Bundestags über Militärmissionen sei „parlamentarisches Hausrecht“.
„Gut gemeint, aber nicht gut gemacht“, kommentierte der Speyrer Rechtsprofessor Joachim Wieland den gemeinsamen Gesetzesentwurf von Union und SPD, bestimmte Auslandseinsätze der Bundeswehr künftig von der Zustimmung des Parlaments loszulösen. Der Parlamentsvorbehalt habe Verfassungscharakter und stehe damit über den Änderungswünschen der Regierung.
(Foto: Peshmerga soldiers listen as a German trainer provides instructions on the fundamentals of clearing a building at a training base near Erbil, Iraq, Jan. 26, 2016 – U.S. Army photo by Spc. Jessica Hurst)
Selten hat ein Zitat die politische Wirklichkeit in diesem Land besser getroffen … und dazu noch in so kompakter Form. Professor Wieland – Hut ab!
Mir scheint, da nehmen einige KroGo-MdBs das „Pegasus“-Urteil vom September 2015 auf die zu leichte Schulter (https://goo.gl/4hiL6F + https://goo.gl/fPASoE). BVerG-Präsident Voßkuhle war zum Thema Auslandseinsätze in den Nebensätzen sehr deutlich und hat enge Grenzen angedeutet.
Sehr gut!
Wenn die Bundesregierung denkt immer am Rande der Verfassung agieren zu müssen, nur weil sie eine deutliche Debatte und Stellungnahme zur Sicherheitspolitik als unangenehm empfindet, soll dieser auch klar gemacht werden, dass das so nicht geht!
Na dann auf zur Verfassungsänderung.