NATO-Verband kann mit Schleuserjagd in der Ägäis beginnen
Gut drei Wochen nach dem Grundsatzbeschluss der NATO-Verteidigungsminister kann ein Schiffsverband der Allianz damit beginnen, die Ägäis zwischen Griechenland und der Türkei zu auf der Suche nach Menschenschmugglern zu überwachen. Die letzten formalen Hürden, insbesondere die Festlegung des Operationsgebiets der Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG2) unter dem deutschen Flottillenadmiral Jörg Klein, wurden am (heutigen) Sonntag genommen, wie die NATO und das deutsche Verteidigungsministerium übereinstimmend mitteilten.
Der NATO-Einsatzverband soll mit seinen Kriegsschiffen das Seegebiet zwischen den beiden Bündnismitgliedern überwachen und verdächtige Bewegungen an die Küstenwachen der beiden Länder und an die EU-Grenzschutzagentur Frontex melden. Auch den den grundsätzlichen Beschlüssen in Brüssel hatte es noch detaillierter Abstimmungsgespräche mit der Türkei und Griechenland bedurft, um das Operationsgebiet genau festzulegen und die Tätigkeit des NATO-Verbandes in den jeweiligen Hoheitsgewässern zu erlauben.
Aus der Mitteilung des NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg:
Our commanders have defined our area of activity in close consultation and coordination with both Greece and Turkey. Our activities in territorial waters will be carried out in consultation and coordination with both Allies.
The purpose of NATO’s deployment is not to stop or push back migrant boats, but to help our Allies Greece and Turkey, as well as the European Union, in their efforts to tackle human trafficking and the criminal networks that are fueling this crisis.
NATO’s Maritime Command has also agreed with FRONTEX on arrangements at the operational and tactical level. NATO and FRONTEX will be able to exchange liaison officers and share information in real time, to enable FRONTEX, as well as Greece and Turkey, to take action in real time.
Aus der Mitteilung des Verteidigungsministeriums in Berlin:
Der NATO-Verband in der Ägäis unter deutschem Kommando startet nach erfolgreichen Abstimmungen zwischen Griechenland und der Türkei in sein Operationsgebiet. Der deutsche Einsatzgruppenversorger Bonn als Flaggschiff des Verbands bezieht eine Position zwischen der Insel Lesbos und dem türkischen Festland.
Vorgesehen ist, dass durch die Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG 2) und in direkter Zusammenarbeit mit der europäischen Grenzschutzagentur Frontex Informationen über Schleusernetzwerke gesammelt werden. Diese Informationen sollen dann nicht nur Frontex sondern auch den Sicherheitsbehörden bzw. Küstenwachen von Griechenland und der Türkei bereitgestellt werden.
Die Schiffe der NATO, die bereits nach der Grundsatzentscheidung der NATO-Verteidigungsminister vom 11. Februar in die Ägäis aufgebrochen waren, werden keine Boote anhalten. Ihr Auftrag ist es lediglich, Schleuserbewegungen zu beobachten, auszuwerten und zu melden.
Bislang gibt es allerdings keine Angaben, ob und in welchem Umfang die griechische Fregatte Salamis als Teil des SNMG2 und die türkische Fregatte Barbaros mit überwiegend nationalem Auftrag in den jeweils anderen Territorialgewässern operieren dürfen.
Korrektur: Bereits am 25. Februar hatte die NATO mitgeteilt, dass die türkische und die griechische Fregatte nur in ihren eigenen Hoheitsgewässern patrouillieren würden:
We will conduct our activities in the Aegean Sea. Our commanders will decide the area where they will be operating, in coordination with Greece and Turkey. NATO vessels can deploy in the territorial waters of Greece and Turkey.
Greek and Turkish forces will not operate in each other’s territorial waters and airspace.
Türkische Medien hatten am vergangenen Freitag berichtet, das türkische Kriegsschiff solle im Regelfall nur in türkischen Gewässern tätig werden:
The Turkish TCG Barbaros frigate was appointed to take part in the NATO mission on the Aegean Sea aimed at slowing irregular migration and combatting human smuggling.
TCG Barbaros, which is a member of the Turkish Navy fleet, will operate under the NATO mission, which will be led by Germany.
The Turkish vessel, which is 118-meters-long, run by a colonel and 200 personnel, will operate inside Turkish territorial waters. Only in cases of emergency and when the leading German frigate makes such a demand will the TCG Barbaros operate outside of Turkish territorial waters.
Die Seeraumüberwachung in der Ägäis zielt auf die Verringerung der Zahl von Flüchtlingen, die über die teilweise nur wenige Kilometer breiten Gewässer von der Türkei nach Griechenland übersetzen; formal wurde die Bekämpfung der Schleuser von Deutschland und Griechenland inititiert.
Das Seegebiet im Überblick – von Bedeutung sind die Inseln direkt vor der türkischen Küste (die griechische Insel Lesbos ist markiert):
Zum dafür eingesetzten NATO-Verband gehört neben dem deutschen Einsatzgruppenversorger Bonn als Flaggschiff die kanadische Fregatte Fredericton – sowohl die türkische als auch die griechische Fregatte unterstehen zwar formal der SNMG2, aber aufgrund der Einschränkung ihres Operationsgebiets kann man sie ja kaum als Teil des Verbandes betrachten.
Sowohl Frankreich als auch Großbritannien haben die Entsendung von Kriegsschiffen zur Verstärkung zugesagt; von der Royal Navy ist das Landungsschiff/Hubschrauberträger Mounts Bay mit einem Hubschrauber vorgesehen.
Nachtrag: Frankreich wird die Fregatte Commandant Bouan in die Ägäis schicken:
Le commandant Bouan appareillera dans la semaine pour rejoindre la mer Égée où opère la force navale de l’OTAN pic.twitter.com/5FckDPltet
— État-Major Armées (@EtatMajorFR) March 6, 2016
(Archivbild: A member of Her Majesty’s Canadian Ship (HMCS) FREDERICTON perform his duties during a mine warfare exercise as they depart Aksaz, Turkey to join other ships as part of Standing NATO Maritime Group Two (SNMG 2) task group on January 29, 2016 – Corporal Anthony Chand, Formation Imaging Services/Canadian Forces; Karte: OpenStreetMap)
Ohne das anhalten von Booten wird der Einsatz nichts bringen und die Flüchtlingsboote werden den Verband nicht ansteuern, weil sie sicher gehört haben, daß ihnen die Rückführung in die Türkei droht.
Nur ein anhalten und sofortiger Rücktransport könnte die Flüchtlingszahlen wirklich reduzieren.
Auch im Radio wurde eben der Begriff Schleuserjagd benutzt. Ich frage mich, wie es geschehen soll? Aller Erfahrung befinden sich doch keine Schleuser auf den Booten mit den Flüchtlingen. Oder? Auch vor Lybien wurde erst von der Absicht Schleuserjagd berichtet, dann verstummte das doch.
Da es wohl keine Schleuser zu jagen gibt, wird es wohl um ein Verhindern des Ablegens, Startens der Überfahrt gehen oder um ein Quasiaufbringen und Zurückführen der Flüchtlinge.
@Closius | 06. März 2016 – 19:56 Ohne das anhalten ….“
Ob das die Kameraden der Türkei machen sollen, die Drecksarbeit?
Und wie jagen nun die Marinekräfte die Schleuser an Land? Irgendwie beschleicht mich der Verdacht, dass hier eher Interpol gefragt wäre…
Tagesthemen hatte berichtet die Schleuser hätten sich angepasst. Ab jetzt schicken die 20+ kleine Schlauchboot los. Das wars mit der sicherheitspolitischen Relevanz der SNMG2.
@Jugendoffizier: Ganz meine Rede +1
@Edgar Lefgrün: Nein! Besagter Tagesthemenbeitrag.
@AoR
Swarming?
@Thomas Melber: Ja so könnte man es ausdrücken. Ein Boot bringen wir auf, 19 schaffen es bis Griechenland. Erdogan vera***** uns, Claudia Roth/Grüne hat bei Welt.de dazu erst gesagt was gesagt werden musste.
Europäische Leitmedien würden die politökonomischen Untiefen des Systems Erdogan darstellen, incl. OK, PK und Al-Nusrah.
Die wahren Strolche sind die Türken. Um nicht unzulässig zu verallgemeinern: Erdogan und seine Schergen nebst den in die Hierarchiekette eingebundenen TUR Staatsorgane. Diese lassen das Schleusertum an der TUR Küste nicht nur zu, sondern befördern es, um daran zu verdienen. Und auch, um auf die EU Druck auszuüben.
Wer von den Griechen verlangt, gegen diese von staatlich-türkischer Seite unterstützten kriminellen Machenschaften einen „Schutz der EU-Außengrenze“ durchzusetzen, ist m.M.n. ein Idiot, ein AfD-Gefolgsdepp oder ein Putin-Söldner. Um dies zumindest zweidimensional nachvollziehen zu können, genügt ein Blick auf die Seekarte.
Hau ich jetzt auch mal so raus, um aus meinem „Herzen keine Mördergrube zu machen“.
Hans Schommer
Die 3 Mrd. Euro hätte man GR zur Grenzsicherung geben sollen, immerhin ist das ein EU-Land und direkt in der Pflicht.
@Hans Schomer: +1
Ich glaube, das mit dem Ton der Debatte verstehen hier einige wieder gerne falsch. Und sehr gerne setze ich sehr schnell alle Kommentare auf moderiert, wenn das so weitergeht.
Zwei Tage vor dem Europäischen Rat in Brüssel am 18. und 19. Februar erklärt Merkel: „Wir brauchen einen wirksamen Schutz unserer EU-Außengrenzen und wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen.“
So im Wortlaut zu lesen auf der CDU-Homepage. Es ist zwar etwas ungewöhnlich, der Bundeskanzlerin deshalb AfD-Gefolgschaft oder Kreml-Hörigkeit nachzusagen (über den ersten Punkt decken wir mal den Mantel höflichen Schweigens), aber die Zeiten sind auch ungewöhnlich. Manche Dinge müssen da wohl mal gesagt werden, gell?
/sarc
@T.Wiegold: Ich denke, Entrüstung ist im Angesicht der Politik eines Erdogan durchaus angebracht. Auch wenn sich Herr Schomer einer Sprache vergangener Ordnung bedient.
sorry, aber ich finde die op nach wie vor gut ! also auch das mit dem „schutz der eu aussen grenzen“ macht doch sinn oder ? klasse auch dass FR und GB sich noch beteiligen wollen ! DE könnte vielleicht auch noch – neben egv bonn – ne „echte“ fregatte stellen ? warum eigentlich nicht, oder PC 3 missions von GR aus (fliegen die eigentlich noch?) semper fortis
@Mitleser:
Merkel hat das Ziel formuliert, nicht aber das Mittel.
Die gesamte türkische Küstenlinie ist lang – bislang legten die Boote der Migranten und Flüchtlinge aber zum größten Teil nur von türkischen Stränden gegenüber von Lesbos, Samos, Kos oder Chios ab. Die paar Dutzend Kilometer wären von türkischer Seite aus leicht zu überwachen – wenn man denn wollte.
@Woody
Richtig. Genauso richtig wie daß Griechenland die EU-Außengrenze ist.
1+1=?
Wenn Merkel einen Schutz der EU-Außengrenzen verlangt, heißt das automatisch: Griechenland.
sarc
Tja, Pech für uns, daß die Putin-Freunde dann wohl auch im Kanzleramt sitzen.
/sarc
Wobei ich persönlich alle drei für einen Teil des Problemes und keinen für einen Teil der Lösung halte: Griechenland, die Türkei und Frau Dr. Merkel.
Formal mag der Gedanke der Bundeskanzlerin richtig sein mit Bekämpfen der Fluchtursachen. Ob das aber den Taliban und IS vermittelbar ist? Ich denke, in den Lagern haben viele Menschen keine Hoffnung mehr auf eine Zukunft in der der zerstörten Heimat. Dann kommen die Werber der Schleuser und erzählen von einer glänzenden Zukunft in Europa. Ob da aktive Aufklärung hilft? Ob die durchführbar ist? Und da sind auf der Route wohl noch Menschen in der Pipeline, ob die rückführbar sind nach Griechenland und in die Türkei? Falls die doch noch weiterrücken, dann gerät das ganze System wohl wieder nach vorne in Bewegung.
Ob die türkische Regierung und die Behörden das Fliehen und Schleusen dulden, aktiv unterstütznen? Ich bin geneigt, es anzunehmen, damit ist politischer Druck ausübbar auf Europa, Geld und der wohl doch angestrebte EU-Beitritt. Und nebenbei kann man drinnen aufräumen bei den Unbotmäßigen, die Proteste der Ausländer von den hinteren Bänken werden ignoriert.
@Edgar Lefgrün: Das Fliehen muss (!) die Türkei aktiv unterstützen, das Schleusen darf (!) sie nicht dulden. Verkehrte Welt.
Die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel hat gerade zum Auftakt der Brüsseler Konferenz der von den anderen EU-Mitgliedern beabsichtigten „Schließung der Balkan-Route“ widersprochen, berichten die Medien.
Damit hat sich aus deutscher Sicht die Frage der Sicherung der Außengrenzen eigentlich erledigt. Wozu sichern, wenn weiterhin unbegrenzte Flüchtlingsbewegungen seitens der Bundesregierung befürwortet werden. Die Marine bleibt jetzt halt bei der Ägäis-Mission aus Bündnisgründen dabei, mehr muß sie wohl nicht tun.
[Mehr Kommentare zur grundsätzlichen Flüchtlingsdebatte gibt’s bitte nicht hier, sondern an den passenden anderen Stellen im Netz. T.W.]
Ich bin gespannt was der heutige Gipfel zu der Frage hervorbringt, ob die Türkei die Insassen aufgebrachter Boote zurücknimmt und ob erfolgreich auf griechischen Inseln Angelandete zurück transportiert werden.
Wenn die Türkei hierzu nichts einräumt, ist es schließlich völlig egal mit welchem Typ Schiff und in welcher Zahl übergesetzt wird.