Neue Regeln für die Parlamentsarmee: Warnung vom Bundeswehrverband
Im Bundestag wurde am (heutigen) Freitag erstmals über die geplante Neufassung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes beraten, also über das Gesetz, dass die Mitspracherechte der Abgeordneten bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr regelt. Nach den Überlegungen einer Kommission unter dem früheren Verteidigungsminister Volker Rühe wurden einige Vereinfachungen für bestimmte Einsatzarten, aber auch mehr Informationsrechte des Parlaments in den Gesetzentwurf geschrieben.
Aus Zeitgründen beschränke ich mich auf den Hinweis auf den Gesetzentwurf (auf Bundestagsdrucksache 18/7360) und auf den Bericht der ARD-Kollegin Marie von Mallinckrodt – und auf eine wichtige Anmerkung: Der Plan, vor allem Ausbildungsmissionen unter Umständen auch ohne parlamentarische Billigung zu starten, stößt nicht nur bei der Opposition auf Widerstand. Sondern auch beim Deutschen Bundeswehrverband:
Der Deutsche BundeswehrVerband lehnt die geplanten Ausnahmen vom Parlamentsvorbehalt ab. Anlässlich der ersten Lesung zur Änderung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes heute im Bundestag erklärt der stellvertretende Bundesvorsitzende, Hauptmann Andreas Steinmetz:
„Die Absicht, Ausbildungsmissionen, logistische Unterstützung und medizinische Versorgung künftig ohne Zustimmung des Parlaments zu beschließen, ist nicht akzeptabel und wird der Realität nicht gerecht: Schon jetzt befähigt die Bundeswehr Afghanistan, Mali und die Peschmerga im Nordirak, die Sicherheit in die eigenen Hände zu nehmen, weitere Länder werden folgen. Obwohl diese Einsätze Ausbildungsmissionen sind, bringen sie ganz erhebliche Gefährdungen mit sich. Wer hier den Parlamentsvorbehalt in Frage stellt, beschneidet die Rechte der Parlamentarier. Wenn sie nicht aufpassen, wird aus der Parlamentsarmee Bundeswehr eine Regierungsarmee!“
Für den Deutschen BundeswehrVerband gelte weiterhin ohne Einschränkung: „Kein Einsatz ohne Mandat!“
Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen enthalte durchaus auch begrüßenswerte Neuerungen, so Steinmetz weiter. „Die Absicht, jeden Einsatz zu bilanzieren und zu evaluieren, ist richtig. Fortschritte gerade der zivilen Anteile von Missionen werden dadurch transparenter, und der Auftrag kann ständig angepasst werden.“
Schließlich fordert der Verband, im Gesetz grundsätzlich flexible Mandatsobergrenzen vorzusehen. Steinmetz: „Diese sehr sinnvolle Empfehlung hat bereits die Rühe-Kommission gegeben, alleine schon, um Kontingentwechsel nicht länger unnötig zu erschweren!“
(Archivbild: Gelöbnis vor dem Reichstag am 20.07.2011 – Thomas Trutschel/ photothek.net)
Nachtrag @klabautermann:
Beim aktuellen AWACS-Nutzen über der Türkei fehlt es (angeblich) an der Einbeziehung in eine bewaffnete Auseinandersetzungen. Denn die AWACS würde nur ein Lagebild von der Außengrenze erstellen. Weder seien Angriff auf das NATO-Gebiet zu erwarten, noch dienten die AWACS der Unterstützung des Syrienengagements.
Damit auch kein Mandat. Aber man kann dieses Konstrukt nicht wie von Ihnen geschehen auf militärisches Handeln im Sinne ratifizierter Verträge pauschal übertragen.
@Tom
Da stimme ich Ihnen zu. Es muß eben von Fall zu Fall geprüft und begründet werden, welche Beteiligungsform die verfassungsrechtlich korrekte ist. Und genau das sollte man beibehalten und nicht „Automatismen“ legislativ wieder einführen. However, alle ratifizierten Routineaufgaben der NATO-Kommandostrukturen – und dazu zählt eben auch die Luftraum-/Seeraumüberwachung bis an die Außengrenzen des NATO-Vertragsgebietes (Recognized Pictures) und auch Air-Policing-Unterstützung kann durch die Regierungen ohne Parl-Mandatierung auf der Basis der ratifizierten Verträge abgesegnet werden. Der bewaffnete Einsatz beginnt imho erst dann, wenn die NATO eine Operation auf der Basis eines konkreten Operationsplanes startet – wie z.Bsp ISAF oder OEF etc…..insbesondere dann, wenn dieser bewaffnete Einsatz über die Grenzen des NATO-Vertagsgebietes hinausreicht.
Und darüber streiten sich nun die „Geister“ in Berlin. Wie bereits gesagt, ich halte die gegenwärtige Form des PBG und dessen mittlerweile „eingespielte“ Handhabung seitens der BReg und auch des BT für völlig ausreichend und von daher halte ich von dieser Novellierung gar nix.
+1
@ klabautermann | 01. Februar 2016 – 11:54
Dem schließe ich mich an. Neutral betrachtet, läuft das mittlerweile recht reubungsarm.
Ein neues Gesetz brächte auch einen neuen Aushandlungsprozess mit sich.
Und das es zu Streitigkeiten, zur Anrufung des BVerfG kam und kommen wird…nun ja, dafür ist es ja da.
@klabautermann
Das Gesetz muss nicht aufgeweicht werden und das Mandat setzt den situationsangepassten Rahmen durch ein Mandat.
@ Klabautermann
Das sehe ich auch so. Vielleicht kann man darüber nachdenken, was mit der Novellierung eigentlich bezweckt war. Ich hab jedenfalls keinen Parlamentarier gehört oder gelesen, der sich darüber beklagt hätte, dass das Parlament weiter in seinen Rechten beschnitten werden soll. Warum nicht?
@ schleppi: vielleicht weil die meistens MdBs nicht wissen, was genau in diesem Gesetz steht? Viele sind doch real von diesem blöden Thema „Krieg und Frieden“ genervt und hoffen im Wahlkreis nicht darauf angesprochen zu werden. Schade :-(
@schleppi
„Ich hab jedenfalls keinen Parlamentarier gehört oder gelesen, der sich darüber beklagt hätte, dass das Parlament weiter in seinen Rechten beschnitten werden soll. Warum nicht?“
Vielleicht, weil die meisten wissen, dass das bisherige ParlBG ihnen zu viele Rechte gegenüber der Exekutive einräumt?
;)
Nein, ganz im Ernst: Die Opposition beklagt ja gerade dies derzeit durchaus mit deutlichen Worten und die Fachpolitiker der Regierungsfraktionen wissen, dass noch wesentlich weitergehende Optionen im Gespräch waren und sind vermutlich mit dem für das Parlament im Gesamten ja sehr wohlwollenden Kompromiss durchaus einverstanden…
Das ursprüngliche Rühe/Kolbow Kom-Ergebnis hatte auch gute Anmerkungen:
– Überarbeitung des Begriffs „Einsatz“,
– Def.von ‚Verbundfähigkeiten‘
– Prüfung der Wehrverfassung
– Flexibilisierung der Mandatsobergrenzen etc.
Vielleicht kann dieser Bericht oben nochmal zugefügt werden.
@schleppi
“ Ich hab jedenfalls keinen Parlamentarier gehört oder gelesen, der sich darüber beklagt hätte, dass das Parlament weiter in seinen Rechten beschnitten werden soll. “
Dann liegt es evtl daran, dass sie nicht mit Parlamentariern sprechen, deren Aussagen lesen oder es für das Parlament noch kein Thema für die Kommunikation war.
Ich bin mir sicher, dass es vor einer Entscheidung für interessierte Kreise was zu lesen gibt.
……aber wer ist schon interessiert!?
In der Union gibt es erneut Bemühungen künftig den Art. 87a zur Grundlage der Einsätze zu machen (faz.net,„Nicht Moskau entscheiden lassen“). Auslöser sind wohl die rechtlichen Probleme des Anti-IS-Einsatzes ohne klares UN-Mandat. Hier gab es ja eigentlich ein „Hilfskonstrukt“ – wobei der Abg. Hoppenstedt implizit einen Verfassungsbruch subsummiert.
Sollte sich dies Durchsetzen (was unwahrscheinlich ist), dann wäre auch die Parlamentsbeteiligung neu zu regeln.
Fazit Berliner Scheindebatte ohne Logik und wenig Substanz.