Nach den Anschlägen von Paris: Frankreich will Europas Beistand (Update: EU-Pressekonferenz)

Presidence_France_silence_20151116

(Update: Video der Pressekonferenz nach den Beratungen der EU-Verteidigungsminister unten)

Am (gestrigen) Montag hat Frankreichs Präsident François Hollande angekündigt, dass er nach den Terrorangriffen von Paris nicht nur eine weltweite Allianz gegen ISIS – unter Einbeziehung auch Russlands – suchen will, sondern auch ganz konkret den Beistand der anderen EU-Länder. Damit will das Land erstmals eine Klausel im EU-Vertrag nutzen – und scheint damit die anderen Europäer überrascht zu haben, die offensichtlich eher von einer möglichen Beistandsverpflichtung im Rahmen der NATO ausgegangen waren. Jedenfalls sind am (heutigen) Dienstagmorgen praktisch keine politischen Reaktionen auf diesen EU-Vorstoß zu sehen, den der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian beim heutigen Treffen mit seinen europäischen Ressortkollegen in Brüssel präsentieren soll.

Hollande hatte die Berufung auf Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages in seiner Rede vor französischen Abgeordneten angekündigt:

Ich habe den Verteidigungsminister angewiesen, morgen beim Treffen mit seinen europäischen Kollegen den Artikel 42 (7) des EU-Vertrages anzurufen, der vorsieht, dass, wenn ein Staat angegriffen wird, alle Mitgliedsstaaten solidarisch mit ihm gegen diese Aggression vorgehen. Denn der Feind ist nicht ein Feind Frankreichs, es ist ein Feind Europas.

(Im Original: J’ai demandé au ministre de la Défense de saisir dès demain ses homologues européens au titre de l’article 42-7 du traité de l’Union qui prévoit que lorsqu’un Etat est agressé, tous les Etats membres doivent lui apporter solidarité face à cette agression car l’ennemi n’est pas un ennemi de la France, c’est un ennemi de l’Europe.)

Der entsprechende Passus des EU-Vertrags im Wortlaut:

Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.
Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.

Allerdings: Was das konkret bedeutet, scheint noch recht unklar. Bislang ist diese Beistandsverpflichtung in der EU noch nie gefordert worden – im Unterschied zur kollektiven Verteidigung in der NATO, dem so genannten Bündnisfall, den die NATO nach den Angriffen des 11. September 2001 auf New York und Washington ausgerufen hatte. Die EU-Formulierung ist weiter gehender als der Artikel 5 des NATO-Vertrags: Im Nordatlantischen Bündnis trifft jeder Mitgliedsstaat die Maßnahmen, die er für erforderlich erachtet. Dagegen wird von den Europäern alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung erwartet.

Vermutlich deshalb gibt es vorerst auch keine politischen Aussagen dazu. Das dürfte sich ändern, nachdem Frankreich im Kreis der EU-Verteidigungsminister seine Vorstellungen präzisiert hat.

Nachtrag: Der französische Verteidigungsminister hat die Solidarität der EU-Partner eingefordert:

Und nach wie vor bin ich gespannt auf die Reaktionen. Nachtrag 2: Konkret scheint es allerdings nicht geworden zu sein, wie ein ZDF-Kollege berichtet:

Und hier das Update: Nach den Beratungen der Verteidigungsminister hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bei einer Pressekonferenz zwei Dinge deutlich gemacht: Die französische Anfrage führt nicht zu einer gemeinsamen EU-Aktion; und die jeweiligen Unterstützungs- und Hilfeleistungen bespricht Frankreich bilateral mit den anderen Mitgliedsländern:

(Foto 16. November Minute de silence en hommage aux victimes des attentas du vendredi 13 novembre, Sorbonne – Presidence de la Republique)