Bundesregierung will Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan verlängern
Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch erwartungsgemäß der Verlängerung des deutschen Einsatzes in der NATO-geführten Mission Resolute Support in Afghanistan zugestimmt. Zugleich wurde mit dem Mandat, das bis Ende 2016 gelten soll, die Obergrenze für die Zahl der Bundeswehrsoldaten von 850 auf 980 erhöht, wie Augen geradeaus! bereits vor einer Woche berichtet hatte. Das Mandat geht jetzt in den Bundestag, der abschließend darüber entscheiden muss.
Nach Einschätzung der Bundesregierung haben die afghanischen Sicherheitskräfte zwar bewiesen, dass die grundsätzlich selbst für Sicherheit im Land sorgen könnten, allerdings habe die vorübergehende Eroberung von Kundus durch die Taliban gezeigt, dass auch Rückschläge möglich seien:
Deshalb ist es notwendig, die afghanischen Sicherheitskräfte weiter zu unterstützen, um bestehende Defizite auszuräumen. Regierungsfeindliche Kräfte dürfen nicht stärker werden und sichere Rückzugsräume müssen terroristischen Gruppierungen verwehrt werden.
(…)
Die Bundesregierung sendet mit der Mandatsverlängerung ein deutliches Signal an die afghanische Regierung und die afghanische Bevölkerung. Deutschland lässt Afghanistan in der jetzigen schwierigen Übergangsphase nicht im Stich.
Die Aufgabe der deutschen Soldaten wie der gesamten Mission, der auf Beratung der afghanischen Armee und der Polizei begrenzt ist und keinen Kampfauftrag enthält, wird mit dem neuen Mandat nicht verändert.
Die Bundesregierung verwies ausdrücklich darauf, dass Deutschland Afghanistan über den militärischen Beitrag hinaus unterstütze. So würden 250 Millionen Euro für Entwicklungshilfe, 180 Millionen Euro für den zivilen Wiederaufbau und 150 Millionen Euro für die Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte bereitgestellt. Entwicklungsminister Gerd Müller schlüsselte die Unterstützung seines Ministeriums auf der BMZ-Webseite auf, betonte aber auch: Ohne ein Mindestmaß an Sicherheit kann die Entwicklungszusammenarbeit nicht wirksam sein.
Update: Ein Blick in den vom Kabinett beschlossenen Mandatstext zeigt, dass es im Vergleich zum Mandat des Vorjahres nicht viele inhaltliche Änderungen gibt. Aufgefallen sind mir:
• Taktischer Lufttransport
(diese Aufgabe ist im derzeit laufenden Mandat nicht enthalten)
• Bis zum Ende der militärischen Präsenz im Norden Afghanistans Aufrechterhaltung des Betriebs des militärischen Anteils am Flugplatz Masar-e Scharif
(Formulierung im Vorjahr: Sicherstellung des Betriebs des militärischen Anteils des Flugplatzes Mazar-e Sharif)
• Ausbildung, Beratung und Unterstützung durch die deutschen Kräfte finden in Kabul, Bagram und in Mazar-e Sharif, darüber hinaus in Einzelfällen und zeitlich begrenzt auch im übrigen Operationsgebiet statt.
Zeitlich begrenzte Einzelfälle sind:
– Begleitung der zu beratenden afghanischen Ebene durch deutsche Kräfte
(hier stand im Vorjahr noch zusätzlich: bei Besprechungen, Abstimmungsgesprächen, Truppenbesuchen, Dienstaufsicht und Konferenzen – dieser Passus ist entfallen)
• Für die Beteiligung an der Mission Resolute Support werden bis zu 980 Soldatinnen und Soldaten mit entsprechender Ausrüstung eingesetzt. (Im Vorjahr: 850)
• Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Mission Resolute Support werden für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2016 voraussichtlich rund 245,3 Mio. Euro betragen (im Vorjahr waren es noch 282,1 Mio. Euro).
Und natürlich ist, wie angekündigt, eine Aufgabe entfallen: Sicherstellung des Stillstandsbetriebs des strategischen Lufttransportstützpunktes Termez in Usbekistan.
(Archivbild Mai 2015: Pionierausbildung der afghanischen Armee bei Resolute Support in Mazar-e-Sharif – Bundeswehr/Jana Neumann)
130 „Mann“ mehr. Was für ein Zeichen!
Aber mehr als Zeichen sind ja in der Politik scheinbar nicht möglich.
Allenthalben Zeichen . . .
@all
Habe jetzt mal in den heute beschlossenen Mandatstext geguckt. Veränderungen gegenüber dem bisherigen Mandat wie erwartet – mit einer Ausnahme: Da steht nun neu Taktischer Lufttransport drin. Da schauen wir mal, was das bedeutet.
Ein Zeichen, dass unsere deutsche “ Sicherheitspolitik“ im Zeichen von schwarzen Nullen und Finanzausgaben für EU, Griechenlandhilfe, Bankenrettung, Flüchtlingskrise und anderen Themen, die nichts mit SIPO zu tun haben symptomatisch ist.
Klotzen im Bereich Bundeswehr war noch nie deutsche Tugend aber Kleckern können wir auch nur noch punktuell.
Die Situation in AFG verbunden mit der Flüchtlingsaktualität, auch aus AFG, hätte schon mit Blick auf die Gefallenen ein anderes Signal verdient.
@T.W.:
Gibt es eigentlich bzgl. Anpassung des Textes bei der Begleitung der ANDSF nochmal klare Aussagen des BMVg.
Die Unterstellung man habe in Kunduz keine Berater vor Ort gehabt, da das Mandat das nicht erlaubt und hier Änderungsbedarf besteht, ist mit den nun erfolgten Änderungen komplett haltlos.
Wie bewerten denn unsere AFG Partner (pol / mil) RSM und unseren Beitrag? Gibt (gäbe) es Anträge?
Wir wissen doch alle ( inzwischen durch zahlreiche Analysen und Berichte erhaertet) dass zwischen den kaempfenden und konkurrierenden Parteien in AFG, uebrigens genau wie in SYR, kaum ein Unterschied besteht.
warum ziehen wir uns nicht tortal heraus und konsolidieren die Sicherheitslage in EU?
Der Bundeswehrverband ( Hr.Wüstner ) hat das Wahnsinnsengagement der Bundesregierung ebenfalls kritisiert und mindestens 1500 Soldaten gefordert.
@ J. Schneider:
Ich sehe auch den Punkt vom DBwV. Er bezieht sich sogar auf die Argumentationslinie der Rühe-Kommission, welche entsprechende Reserven bzgl. Mandatsgrenzen vorsieht. M.W. werden eh erst nächste Woche die Beiträge für den Norden AFG mit den Partnern abgestimmt. Wollen wir mal hoffen, dass alle liefern. Ich bleibe dabei: die Linie des AA „Hauptsache unter 1000“ ist ein Witz!
@All:Wo steht oder woraus ergibt sich, daß das AA verlangt hat, daß die Obergrenze unter 1.000 Soldaten sein muss?
@MikeMolto: Warum die Regierung die BW nicht ganz aus AFG abzieht ist doch klar, zum einen will man sich keine Niederlage eingestehen, aber mittlerweile dürfte man vor allem Angst haben, daß dann den Millionen an syrischen Flüchtlingen noch ein paar Millionen Flüchtlinge aus AFG folgen, wenn die Taliban wieder an die Macht kommt! Wann immer Amerika einen falschen Krieg führt oder einen Krieg nicht richtig führt, werden wir die Flüchtlinge abbekommen!
Dann darf der Hr. Wüstner aber auch beantworten, wo denn der echte Gewinn besteht, statt 950 1500 zu entsenden …. das ist genauso eine hingerotzte Nummer. Was sollen denn 1500 besser machen als 5000 zu Hochzeiten.
Offensichtlich verfügt das 209 ANA Corps im Norden seit kurzem über KpfH und soll eine 4te Brigade erhalten. Damit werden ein paar Lücken, die auch ich in verschiedenen Posts bemängelt habe, angefangen geschlossen zu werden bzw zu verkleinern.
@diba
Eine luftverladbare schnelle Eingreiftruppe wäre schon sehr sinnvoll.
Dafür bräuchte es aber auch entsprechendes Material vor Ort und da wir das nicht mal im eigenen Land zur Verfügung haben, sieht es da sehr mau aus.
@ Closius | 19. November 2015 – 10:40
‚Ein deutliches Signal‘ mit 150 Dp in AFG mehr?
Die koennen weder die Sicherheitslage aendern noch die AFG Fluechtlinge aufhalten. Es werden weiterhin Menschen fluechten welche nicht zu den tatsaechlichen und potentiellen Machthabern gehoeren.
Die Aussagen des BMVg in der gestrigen BPK bringen auch keine Klärung wo denn nundas Mandatsproblem bisher lag:
„Es wird sich nur etwas in Bezug auf Situationen verändern, wie es sie jetzt in Kundus gab. Da sind dann auch Berater nach Kundus geflogen und waren dort am Flughafen im Lager. Sie haben dort das Lagebild mit verdichtet, haben Erkenntnisse gewonnen, aber konnten sie im Prinzip nicht direkt vor Ort weitergeben, sondern mussten wieder nach Masar-e Scharif zurück und konnten das dann irgendwie weiterkommunizieren, sodass die Angriffe bzw. die Operation der Rückeroberung effektiver erfolgen konnten. Diese unnötigen Behinderungen durch die afghanischen Streitkräfte, die auch vor Ort schwer zu erklären sind, wird es künftig nicht mehr geben, wenn dieses Mandat denn auch vom Bundestag so beschlossen werden wird, wie es die Regierung jetzt eingebracht hat.
(…)
Wenn Sie jetzt noch einmal fragen, was der qualitative Unterschied ist: Die einzige Änderung im Mandatstext ist die Restriktion, die wegfällt, wenn wir begleiten, wenn wir außerhalb des Feldlagers in Masar-e Scharif sind. Bisher war das bei Truppenbesuchen zulässig oder dann, wenn man zu Besprechungen irgendwo hingereist ist. Jetzt werden wir auch, weil man ja auch dorthin reisen kann, unterschiedliche Orte außerhalb von Masar-e Scharif beraten.“
Man kann also bei Besprechungen nicht beraten.
Eine Ausrede nach der anderen.
Die O-Töne von der heutigen PK zur TAAC-N-Konferenz:
http://tinyurl.com/psp245x
Schon interessant wie man sich wegen ein paar Soldaten mehr (vorallem für FüUstg-Pers) und kosmetischen Änderungen im Mandat selbst einredet, man habe als Bundesregierung etwas gelernt.
Es feht weiterhin eine schlüssige Erklärung warum man die Afghanen komplett im Stich gelassen hat (einschl. MedEvac) – am Mandat ag es sicherlich nicht.