Einsatz im Mittelmeer: Jetzt offiziell Jagd auf Schleuser

(Crosspost – wg. technischer Probleme am 7.10 hier veröffentlicht, dort auch Kommentare dazu)

Die europäische Militäraktion EUNAVFOR MED im Mittelmeer, an dem die Bundeswehr mit zwei Schiffen beteiligt ist, ist am (heutigen) Mittwoch offiziell in eine neue Phase eingetreten – ab jetzt können die beteiligten Schiffe aus verschiedenen EU-Staaten auch gezielt gegen Schlepper vorgehen, die Flüchtlinge vor allem von der libyschen Küste über das Meer nach Italien bringen.

Den Beginn der so genannten Phase 2 i hatte das Politische und Sicherheitspolitische Komitee der EU am 28. September beschlossen. Da damit auch der mögliche Einsatz militärischer Gewalt verbunden ist, war für die Deutsche Marine ein Mandat des Bundestages nötig, das das Parlament am 1. Oktober billigte. Die in dem Mandat genannten Aufgaben:

Auftrag
Aus den unter Nummer 2 aufgeführten Grundlagen, dem Operationsplan von EUNAVFORMED sowie den durch die EU festgelegten Einsatzregeln und nach Maßgabe des Völkerrechts ergibt sich für die Bundeswehr im Rahmen der Operation EUNAVFOR MEDfolgender Auftrag:
− durch Sammeln von Informationen und durch Patrouillen auf Hoher See im Einklang mit dem Völkerrecht die Aufdeckung und Beobachtung von Migrationsnetzwerken zu unterstützen,
− auf Hoher See Schiffe anhalten und durchsuchen, beschlagnahmen und umleiten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie für Menschenschmuggel oder Menschenhandel benutzt werden,
− zu Personen, die auf an der EUNAVFOR MED beteiligten Schiffen an Bord genommen werden, personenbezogene Daten erheben, wobei sich diese Daten auf Merkmale beziehen, die wahrscheinlich der Identifizierung besagter Personen dienlich sind, einschließlich Fingerabdrücke sowie folgender Angaben unter Ausschluss sonstiger personenbezogener Angaben: Name, Geburtsname, Vornamen, gegebenenfalls Aliasnamen; Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit, Geschlecht; Wohnort, Beruf und Aufenthaltsort; Führerscheine, Identitätsdokumente und Reisepassdaten,
− die Weiterleitung dieser Daten und der Daten zu den von diesen Personen benutzten Schiffen und Ausrüstungen an die einschlägigen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und/oder an die zuständigen Stellen der Union,
− die Mitwirkung an der Führung von EUNAVFOR MED unter Einschluss der temporären Führung der maritimen Operation,
− die Sicherung und der Schutz eigener Kräfte und sonstiger Schutzbefohlener.
Zudem gilt für alle im Rahmen von EUNAVFOR MED eingesetzten Schiffe die völkerrechtliche Verpflichtung zur Hilfeleistung für in Seenot geratene Personen fort.

Deutschland will sich auf Dauer mit zwei Schiffen beteiligen; derzeit sind dort die Fregatte Schleswig-Holstein und der Tender Werra im Einsatz. Die Werra wird demnächst vom Einsatzgruppenversorger Berlin abgelöst, die Schleswig-Holstein etwas später von der Fregatte Augsburg.

Die deutsche Position bleibt vorerst, das kommt auch im Mandat zum Ausdruck, ein Vorrang der Seenotrettung. Zugleich soll aber das Sammeln von Informationen ausgeweitet werden – und eben auch die Möglichkeit, Schiffe mit Schleusern an Bord robuster anzugehen. Damit sind nicht die Boote mit den Flüchtlingen selbst gemeint; dort sind in der Regel keine Schleuser an Bord. Die verfolgen aus sicherer Entfernung das Geschehen. Aber diese so genannten Spotterschiffe sollen künftig auch verfolgt, gestoppt und gegebenenfalls umgeleitet, also zur Kursänderung gezwungen werden können – wenn sie sich dann nicht schon in libysche Hoheitsgewässer gerettet haben. Denn die bleiben auch in der neuen Phase für die EU-Einheiten tabu.

Mit den neuen Befugnissen bekommt die Operation auch einen neuen Namen: Künftig soll von der Operation Sophia die Rede sein, benannt nach dem somalischen Mädchen, das an Bord der deutschen Fregatte Schleswig-Holstein geboren wurde.

Fragen und Antworten zur Phase 2 i auf der Webseite der Bundeswehr hier.

Nachtrag: Die offizielle Pressemitteilung von EUNAVFOR MED dazu.

Nachtrag 2: Der Bloggerkollege von Bruxelles2 hat eine Übersicht der derzeit eingesetzten Einheiten.

Nachtrag 9. Oktober: Der UN-Sicherheitsrat hat die Operation – außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer – in einer Resolution gebilligt:

The U.N. Security Council on Friday adopted a resolution to authorize the European Union and individual countries to seize migrant-smuggling vessels on the high seas off Libya. (…)
The resolution, negotiated off and on for months, is under Chapter 7 of the U.N. Charter, which means it can be militarily enforced. African members of the 15-member council had expressed concern about that.
The resolution also authorizes the European Union and individual nations to board vessels „with a view to saving the threatened lives of migrants or of victims of human trafficking.“

(Archivbild 3. Mai 2015: Der Einsatzgruppenversorger Berlin im Mittelmeer – Bundeswehr/Jonack)