NATO im Osten: NFIUs jetzt aktiv
Die NATO hat mit einem weiteren Schritt ihre demonstrative Präsenz in den osteuropäischen Mitgliedsländern der Allianz ausgebaut. In den baltischen Staaten, Polen, Bulgarien und Rumänien wurden die so genannten NATO Force Integration Units (NFIUs) aktiviert, kleine Verbindungskommandos, die den organisatorischen Rahmen für eine mögliche rasche Verlegung von NATO-Truppen an die Ostflanke schaffen sollen. Die NFIUs, jeweils etwa 40 Soldaten stark, werden zur Hälfte aus dem jeweiligen Land und zur anderen Hälfte aus anderen NATO-Staaten besetzt. Deutschland beteiligt sich mit 18 Stabsoffizieren in den sechs Ländern.
Aus der Mitteilung des militärischen NATO-Hauptquartiers:
NATO Force Integration Units in six Allied nations were activated on Tuesday, 1 September 2015, marking an important milestone in their stand-up process. These small headquarters, based in Bulgaria, Estonia, Latvia, Lithuania, Poland and Romania, will ensure that NATO’s high-readiness forces can deploy to the region in a rapid manner and prepare for subsequent operations if required. (…)
The units are part of NATO’s adaptation plans as the Alliance faces increased security challenges in the region. They will work in conjunction with national officials to identify logistical networks, transportation nodes and supporting infrastructure to ensure NATO high-readiness forces can deploy into an assigned region as quickly as possible. The NFIUs are fairly small headquarters, not military bases, but they are part of the Readiness Action Plan, the biggest reinforcement of NATO’s collective defence since the end of the Cold War. Each NFIU will be manned by around 40 staff, half of them coming from the host nation.
Die Verbindungs- und Logistikkommandos waren im vergangenen Jahr vom NATO-Gipfel in Wales als Teil des Readiness Action Plan unter dem Eindruck der Ukraine-Krise beschlossen wurden – und vor dem Hintergrund der Forderungen der osteuropäischen Mitgliedsstaaten nach einer stärkeren Präsenz der Allianz. Zwar hatten vor allem Polen und die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen auf die Stationierung von zusätzlichen NATO-Truppen auf ihrem Gebiet gedrungen (und tun das auch immer noch). In der NATO gilt allerdings, bislang, mehrheitlich die vor allem von Deutschland propagierte Haltung, dass die so genannte NATO-Russland-Grundakte weiterhin anerkannt wird, in der die Allianz auf die Stationierung substantieller Kampftruppen auf dem Gebiet der östlichen Bündnisländer verzichtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte erst Anfang dieser Woche noch einmal deutlich gemacht, dass diese Zusage aus Sicht der Bundesregierung weiterhin gültig bleibt.
Die Arbeit der NFIUs wird vor allem von logistischen und nicht zuletzt rechtlichen Aufgaben bestimmt werden. Nach Verabschiedung des Readiness Action Plans und der Aufstellung der Speerspitze, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), war zunehmend deutlich geworden, dass innerhalb des europäischen NATO-Gebiets unterschiedliche rechtliche Regelungen, Transport- und Zollvorschriften und generell die Bürokratie rasche Verlegungen von Truppen und Ausrüstung selbst innerhalb des Bündnisgebiets erschweren. Daneben bedeutet die Zusage, keine größeren Kampfverbände im Osten zu stationieren, nicht den Verzicht auf die Einlagerung von (Groß)Gerät in Depots in den östlichen Mitgliedsländern – das hatte die NATO ebenfalls deutlich gemacht.
Folgerichtig machen deshalb auch die Logistik-Abteilungen den größten Anteil der sechs NFIUs aus, die mit Ausnahme Polens in den jeweiligen Hauptstädten stationiert sind (in Polen in Bydgoszcz, wo bereits das Joint Force Training Center der NATO sitzt). Die Bundeswehr schickt in diese Verbindungskommandos jeweils vier Stabsoffiziere nach Polen, Estland und Lettland; drei nach Litauen, zwei nach Bulgarien und einen nach Rumänien. Nach Bundeswehrangaben sind die Offiziere vorrangig in der Logistik, der Planung, Führungsunterstützung und im Militärischen Nachrichtenwesen eingesetzt. Die NFIUs werden jeweils von einem Oberst befehligt, in der Regel einem Offizier aus dem jeweiligen Land.
Nachtrag: Ein Fact Sheet der NATO dazu.
(Archivbild 2. Juli: NATO Secretary General Jens Stoltenberg at the headquarters of the NATO Forces Integration Unit Romania – NATO)
Sollten solche Informationen nicht von den host nations bereitgestellt werden? Bzw. gibt es da keine eigene Planung? Unterstützen kann z.B. das MN Korps NO. Und vom Kräfteansatz: Baltikum 120 PAX, Polen 40 PAX?
Äh, pro Land 40 macht bei drei baltischen Staaten in der Tat 120. Und? (Gibt ja auch pro Land eine Regierung und 1x Streitkräfte; das dürfte ausschlaggebender sein als Fläche oder Bevölkerungszahl.)
@TW
Man kann das Baltikum auch als einen gemeinsamen Einsatzraum betrachten. Aber bei Stabsdienstposten war die NATO ja noch nie kleinlich (wiewohl diese aus dem Budget der Entsendestaaten bezahlt werden).
Davon ab: wäre das nicht Aufgabe des MN Korps? Man kann doch einen abzuarbeitenden Fragenkatalog und eine Verbindungsmatrix erarbeiten, wo ist das Problem? Zumindest für die räumlich zusammenhängenden Gebiete Baltikum und Polen.
Bulgarien und Rumänien sind natürlich davon getrennt aber diese auch wieder zusammen zu betrachten.
Eine Inflation der Dienststellen führt nur zu weiteren Friktionen.
@Thomas Melber
Aus funktionaler Sicht haben Sie imho recht. However, im Bündnis geht es nicht immer nur um organisatorische und/oder operative Funktionalitäten. Jede Nation möchte ihre eigene „Visibility“ in den integrierten Strukturen haben: ein Gebäude in der jeweiligen Hauptstadt mit der NATO-Flagge neben der Nationalflagge vor dem Haupteingang….so ist das nun einmal: „demonstrative Präsenz“, wie der Hausherr völlig richtig formuliert.
Mich wundert es eigentlich warum so ein NFIU Stab nicht in jedem Land gleichzeitig mit dem Betritt zur NATO automatisch eingerichtet wird oder wurde. Schließlich sollte eine schnelle Verlegung von Truppen überall im NATO-Gebiet möglich sein, nicht nur an der Ostflanke. Ob eine generelle Stärke von 40 Stellen sinnvoll ist mag fraglich sein, zu konfliktarmen Zeiten und in kleineren Staaten mögen da auch 10-15 Posten ausreichen. Wenn solche NFIU’s regelmäßig untereinander verschiedene virtuelle Verlegeszenarios durchspielen würden, könnte man sicher viele Probleme auch schon vor realen Übungen identifizieren.
Sicher sind diese NFIU Stäbe sinnvoller als die 404 Kreisverbindungskommandos die wir uns in Deutschland leisten. Ohne dass ich damit den Betreffenden an solchen KVK’s auf die Füsse treten möchte, aber es wäre sicher auch ausreichend hier auf Bezirksebene auszudünnen.
was mich viel mehr als diese politischen placebo kommandos interessieren würde ist ob, und wenn ja welche anstrengungen unternommen werden um die allfälligen Bürokratie und gesetzlichen Hürden zu beseitgen die den bestimmungsgemäßen einsatz der VHTF doch a priori verhindern.
dazu braucht es keine redundanten nato kommandos sondern legislatives bzw. verwaltungsrechtliches Handeln im sinne einer harmonisierung der betreffenden vorschriften und einer deutlichen reduktion der auflagen.
passiert da was? wenn ja: was durch wen?
verteidigungsaussschuss? Bmvg?
Auch Russland will nun seine militärische Präsenz in Osteuropa ausbauen und hat die Absicht in Weißrussland Luftfahrzeuge zu stationieren.
@es_ will…usw ;-)
Nur das Katastrophenschutz auf Kreisebene und nicht auf Bezirksebene arbeitet. Das hat die Bw nach Auflösung der TerrKdos und VKK zugunsten der WBK/Div und VBK schon mal mit Schmerzen gelernt.
@Zimdarsen
Bislang habe ich nur den Tweet des russischen Ministerpräsidenten gesehen – noch mehr Quellen?
@es_ will…usw ;-)
…und nicht jedes Bundesland verfügt über Regierungsbezirke. Die Ausdünnung erfolgt doch ohnehin in Folge der nächsten Kreisgebietsreform.
Das scheint schon länger geplant.
In October 2014, Commander-in-Chief of the Russian Air Force Lt. Gen. Viktor Bondarev announced that Russia will station an air base in Belarus’ Babruysk in 2016. „The Russian Air Forces air base in Belarus will be created in 2016. Su-27 fighter jets will be based there,“ Bondarev said.
Russian government to consider establishing Russian airbase in Belarus http://tass.ru/en/russia/818161
‚mal sehen, ob das stimmt …
https://www.stratfor.com/image/significance-russian-air-base-belarus
Allerdings gibt es wohl schon eine Vorlage, es scheint ausverhandelt zu sein:
https://belsat.eu/en/articles/russian-govt-discuss-deploying-air-base-belarus-consolidate-long-term-military-presence/
Ein Rückzug ist jetzt ohne Gesichtsverlust nicht mehr möglich.
@Axel_F
Ja, die ersten Meldungen hierzu stammen aus 2014, damals war man in Belarus nicht so sehr begeistert.
Noch ein Fundstück:
http://belarusdigest.com/story/belarus-strengthens-its-air-force-russias-reluctant-support-23083
Das bestätigt die Verhandlungen und auch, daß es einen Vertragstext / ein MoU gibt.
@T.W.
Da haben wir wohl die selbe Quelle :-)
Seit 12/2013 sind von der Russischen Luftwaffe 4 x Su-27 in Baranowitschi und seit 03/2014 6 x Su-27 in Bobrujsk dauerhaft stationiert. Die Ankündigung das die Russische Luftwaffe in Belaruss eine eigene Basis zur Stationierung der genannten 24 Flugzeuge (+ 4 x Mi-8) erhält wurde bisher nicht in die Tat umgesetzt. Belaruss war zeitweise nicht in der Lage die eigene Lufthoheit sicherzustellen, daher diese Stationierungen. Hinzu kam die Krim-Krise mit der daraus folgenden Verstärkung des Air Policing Baltikum. Eine Sportveranstaltung in Minsk spielte hierbei auch noch eine Rolle. Zusätzlich gibt es dauerhaft noch weitere Russische Stützpunkte in Belaruss, eine Funkstation und eine Radarstation.
Belorußland ist Mitglied des Vereinten Luftverteidigungssystems der GUS. Der Vertrag läuft planmäßig zunächst bis 2020. Die Radarstation ist das „Volga“ Raketenortungssystem bei Hantsavichi (oder wie man das transkribiert), Ersatz für eine ähnliche Anlage, die mit der Unabhängigkeit Litauens verlorengegangen ist und essentiell für das russische Frühwarnsystem.
Das belorussische „Schlüsselerlebnis“ war der Teddybärabwurf über Minsk am 04.07.2012, bei dem schwedische Aktivisten von Litauen aus hin und zurück fliegen konnten, ohne irgendwie von der weißrussischen Luftwaffe oder Luftabwehr abgefangen worden zu sein…
Wer schnell gucken will: gerade jetzt Zeremonie zur Eröffnung NFIU Litauen im Livestream
http://www.nato.int/cps/en/natohq/events_67375.htm?utm_source=twitter&utm_medium=smc&utm_campaign=150903+nfiu+lith
Frage 1: Warum werden die deutschen Anteile der NFIUs erst ab 01.01.2016 mit einer eigenen Dienststellennummer versehen und somit richtig administrierbar ? War der NATO-Gipfel mit seinen Beschlüssen nicht schon vor 12 Monaten ? – Fast reassurance, swift adaptation ?
Frage 2: Wenn die vier nördlichen NFIUs zum MNC(NE) (Multinationales Korps Nordost in Stettin / von dort an JFC Brunssum) berichten, wohin berichten die südlichen NFIUs ? Etwa direkt an JFC Neapel, weil die Struktur MND(SE) (Multinationale Division Southeast in ???) immer noch (nur) in Planung ist ?
Das wohl sichtbarste Zeichen in Sachen „deterrence and reassurance“ liefern – natürlich mal wieder – die US Army in Europe:
„MANNHEIM, Germany — Europe-based tanks and other armored vehicles will soon be repainted to woodland green in a strategic shift away from the desert tan that has marked the Army’s fighting vehicles for more than a decade.“
http://www.stripes.com/news/europe/tanks-change-their-spots-as-usareur-renews-focus-on-europe-1.365620
woodland green wird also Modefarbe 2015/2016 ;-)
Marine Combined Arms Company has arrived in Novo Selo/Bulgaria – Das Überpinseln schließt diese Truppe wohl ein: https://www.facebook.com/afnstuttgart/videos/756034187840167/