Bundesregierung fördert Rüstungsindustrie: Mehr ’nationale Schlüsseltechnologien‘
Die Bundesregierung will die deutsche Rüstungsindustrie stärken und für eine europäische Konsolidierung dieses Industriezweigs sorgen, aber zugleich auch mehr so genannte nationale Schlüsseltechnologien als bisher gezielt fördern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) legten dafür dem Bundeskabinett am (heutigen) Mittwoch ein Zehn-Punkte-Programm zur Stärkung der nationalen Verteidigungsindustrie vor. Darin spielt mehr Kooperation mit europäischen Partnern eine wichtige Rolle. Im Unterschied zu Vorschlägen der Verteidigungsministerin im vergangenen Jahr sollen allerdings künftig auch Panzer und U-Boote als deutsche Schlüsseltechnologien angesehen werden, die auf Exportunterstützung und bevorzugte Auftragsvergabe rechnen können. Ein wesentliches Vorhaben für eine europäische Zusammenarbeit, die geplante Fusion des deutschen Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann mit seinem französischen Konkurrenten Nexter, stieß allerdings am gleichen Tag auf vehemente Kritik aus der SPD.
Die europäische Dimension der Rüstungsindustrie betonen Wirtschafts- und Verteidigungsministerium schon im Vorwort des vom Bundeskabinett beschlossenen Papiers:
Europa braucht eine eigene und leistungsfähige Verteidigungsindustrie, wenn wir die gemeinsame sicherheitspolitische Verantwortung ernstnehmen. Dafür ist ein tieferes gemeinsames Verständnis einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vonnöten. Die Ausarbeitung einer darauf bezogenen Strategie kann dazu beitragen. Dafür setzt sich die Bundesregierung ein. Darauf aufbauend bedarf es konkreter Vorgaben für eine europäische Zusammenarbeit – gerade im Bereich europäischer Verteidigung.
Der Koalitionsvertrag betont die Bedeutung einer verstärkten europäischen und transatlantischen Rüstungszusammenarbeit. Deutschland mit seinen wettbewerbsfähigen Unternehmen und seinen Streitkräften hat hier viel einzubringen. Der Koalitionsvertrag unterstreicht das nationale Interesse an der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie – aus wirtschaftlicher, technologiepolitischer und sicherheitspolitischer Sicht. Verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien und Arbeitsplätze sollen erhalten, Technologien und Fähigkeiten weiterentwickelt werden.
– was allerdings schon deutlich macht, dass die deutsche Industrie im Mittelpunkt dieses Papiers steht. Zwar bemängeln beide Ministerien, dass die Verteidigungsindustrie in Europa nach wie vor national ausgerichtet und stark fragmentiert sei. Deshalb setze die Bundesregierung verstärkt auf eine europäische Zusammenarbeit bis hin zum Zusammengehen von in einzelnen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen unter Wahrnehmung der nationalen Interessen, und es seien europäische wie nationale Konsolidierungen nötig: Zum Erhalt notwendiger verteidigungsindustrieller Schlüsseltechnologien im nationalen und europäischen Rahmen auf längerfristiger wirtschaftlicher Basis brauchen wir eine verstärkte industrielle Konsolidierung und Wettbewerbsfähigkeit in der nationalen und europäischen Verteidigungswirtschaft. Hier sind in erster Linie die Unternehmen gefordert.
Die wesentliche neue Aussage des Papiers ist allerdings die Neu-Definition der deutschen Schlüsseltechnologien in der Rüstung. Dafür hatte die Verteidigungsministerin im vergangenen Jahr einen Vorschlag gemacht, der im wesentlichen elektronische Technologien wie Verschlüsselung und Aufklärung sowie Schutztechnologien in den Vordergrund stellte – und eben nicht weitere Bereiche, in denen deutsche Unternehmen auf dem Weltmarkt eine Favoritenrolle spielen: Gepanzerte Fahrzeuge und (nicht-nukleargetriebene) U-Boote. Das hat sich jetzt geändert:
Die Bundesregierung bekennt sich im Rahmen der wachsenden Europäisierung der Verteidigungsindustrie zum Erhalt nationaler verteidigungsindustrieller
Schlüsseltechnologien. Es gilt, die erforderlichen militärischen Fähigkeiten und die Versorgungssicherheit der Bundeswehr sowie die Rolle Deutschlands als zuverlässigem Kooperations- und Bündnispartner technologisch und wirtschaftlich sicherzustellen, insbesondere im Rahmen auch zunehmend globalisierter Lieferketten.
Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien identifiziert, deren Verfügbarkeit aus nationalem Sicherheitsinteresse zu gewährleisten ist, gegebenenfalls auch in Abstimmung und Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern. Diese Schlüsseltechnologien leiten sich aus dem militärischen Bedarf der Bundeswehr, den außen-, sicherheits- und europapolitischen Interessen, unseren Bündnisverpflichtungen sowie der Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland ab.
Wie in der nachfolgenden Übersicht dargestellt, wurden nationale verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologiefelder schwerpunktmäßig entlang folgender Bereiche (Fähigkeitsdomänen) identifiziert:
• Führung (vor allem Kryptotechnologie),
• Aufklärung (vor allem Sensorik),
• Wirkung (vor allem Technologien in den Bereichen gepanzerte Plattformen sowie Unterwassereinheiten),
• Unterstützung (vor allem Schutztechnologien),
wobei querschnittlich der Aspekt „Systemfähigkeit“ zu berücksichtigen ist.
(…)
Bei der Abwägung außen-, europa-, und verteidigungspolitischer Interessen im Rahmen von Beschaffungsentscheidungen wird der Erhalt ausgewählter verteidigungsindustrieller Schüsseltechnologien berücksichtigt.
und die Grafik dazu:
(Auffällig dabei, das nur am Rande, ist der Bereich Handfeuerwaffen, in dem deutsche Unternehmen ebenfalls eine führende Rolle einnehmen – hier sehen weder Verteidigungs- noch Wirtschaftsministerium eine nationale Schlüsseltechnologie.)
Mit anderen Worten: Nicht nur die elektronische Hightech, bei der es ein nachvollziehbares Interesse an nationaler Souveränität und nationalem Zugriff gibt, wird künftig besonders gefördert – sondern auch die beiden zusätzlichen – und verkaufsstarken – Bereiche Wirkung bei gepanzerten Plattformen und Unterwasser.
Diese Unternehmen können deshalb nicht nur mit Priorität bei Beschaffungen der Bundeswehr, sondern auch mit Unterstützung der Bundesregierung bei ihren Exportaktivitäten rechnen – auch außerhalb von NATO und EU. Zwar betonen die Ministerien in ihrem Papier die immer wieder geäußerte Einschränkung, das sich die Bundesregierung zu einer zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik bekenne. Und dennoch:
Auf dieser Basis wird die Bundesregierung daran festhalten, die Verteidigungsindustrie bei ihren Aktivitäten insbesondere in EU-, NATO- und der NATO gleichgestellten Ländern zu unterstützen. Diese Flankierung kann auch auf so genannte Drittstaaten ausgedehnt werden, wenn im Einzelfall für den Export von Kriegswaffen besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen sprechen oder für denExport sonstiger Rüstungsgüter im Rahmen des Außenwirtschaftsrechts zu schützende Belange des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder der auswärtigen Beziehungen nicht gefährdet sind.
Die Bundesregierung wird Exportaktivitäten nach Einzelfallprüfung mit dem außenwirtschaftlichen und sonstigen Instrumentarium flankieren und dabei auch speziell verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien berücksichtigen. Das BMVg wird seine besondere Fachexpertise in Entwicklung, Beschaffung, Ausbildung und Nutzung zur Verfügung stellen.
Der Punkt, dazu muss man kein Wahrsager sein, dürfte vor allem unter Sozialdemokraten einigen Unmut erregen – und der Wirtschaftsminister, zugleich SPD-Vorsitzender, wird seinen Genossen erklären müssen, warum die Bundesregierung sich unterstützend für den Waffenexport in diese Drittstaaten einsetzt. Gabriel selbst legte in einer Pressemitteilung zum Kabinettsbeschluss den Schwerpunkt auf ein ganz anderes Detail – nämlich die in dem Papier ebenfalls enthaltene und damit ebenfalls gebilligte Einführung von nachträglichen Endverbleibskontrollen bei Rüstungsexporten.
An einer anderen Stelle, wie oben schon erwähnt, gibt es in der SPD bereits Widerstand. So heißt es doch in dem vom Kabinett gebilligten Papier unter der Überschrift Konsolidierung der deutschen und europäischen Verteidigungsindustrie:
Die Bundesregierung setzt verstärkt auf eine europäische Zusammenarbeit bis hin zum Zusammengehen von in einzelnen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen unter Wahrnehmung der nationalen Interessen. Die Bündelung technologischer Stärken wird die wirtschaftliche Bedeutung europäischer Projekte im internationalen Wettbewerb entscheidend erhöhen.
Und das größte derzeit anstehende Zusammengehen von Unternehmen der Rüstungsindustrie aus verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten ist zweifellos die geplante Fusion des deutschen Panzerherstellers Krauss-Maffei Wegmann mit dem französischen Unternehmen Nexter. Offensichtlich gezielt am Tag des Kabinettsbeschlusses platzierte der SPD-Obmann im Verteidigungsausschuss, Rainer Arnold, einen vehementen Kommentar dagegen als Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung*:
Um von der starken französischen Präsenz nicht untergebuttert zu werden, müssen wir, wie die Franzosen, konsequent an nationalen Interessen festhalten und diese bei Zusammenschlüssen entsprechend verteidigen. Die schlechten Erfahrungen, die Deutschland bei dem Gemeinschaftsunternehmen Airbus mit der Konzentration der wichtigen Entwicklungskapazitäten auf den französischen Standort Toulouse gemacht hat, dürfen sich nicht wiederholen. Bei dem gemeinsamen Vorhaben für das geschützte Fahrzeug „Boxer“ sind die Franzosen ausgestiegen, haben die vorliegenden Ergebnisse mitgenommen und für ein eigenes Produkt genutzt. Nur harte Verhandlungen auf Augenhöhe und politische Begleitung führen zu Kompromissen, die auch deutsche Interessen wahren. Vor diesem Hintergrund muss die geplante Fusion der Panzerschmiede Krauss Maffei Wegmann (KMW) mit dem staatlichen französischen Rüstungsunternehmen Nexter äußerst kritisch bewertet werden. (…) Wenn die gerade erfolgte Definition von Schlüsselfähigkeiten nicht zur Makulatur werden soll, muss die deutsche Politik alle Möglichkeiten nutzen, um die Fusion zumindest in der geplanten Form zu verhindern.
Das klingt so, als ob die heute beschlossene Strategie selbst innerhalb der großen Koalition noch für interessante Debatten sorgen wird.
(* Deutsche Verlagswebseiten werden hier in der Regel nicht verlinkt; in diesem Fall eine Ausnahme wg. der Bedeutung des Themas und da es sich um einen Gastbeitrag handelt. Wenn der Text auf Arnolds Webseite eingestellt werden sollte, wird der Link ausgetauscht)
(Foto: Panzerhaubitze2000 bei der Übung FALCON VIKING auf dem Truppenübungsplatz Bergen/Niedersachsen)
@TW / 13:18h (im alten Faden)
Weil @klabautermann 12:48h äußerte, der Verweis funktioniere nicht mehr. Da hilft man doch gerne.
Danke für den Hinweis. Da hat das BMVg doch glatt das verlinkte Papier rausgenommen und vermutlich durch einen neuen Link ersetzen wollen… was aber gescheitert ist. Ich lade das jetzt mal selbst hoch (alles muss man selber machen…)
Ist Deutschland bei U-Booten wirklich noch so weit vorne? Ich dache Saab spielt da mindestens auf Augenhöhe.
Grundsätzlich ist Frankreich ein wichtiger Partner innerhalb der NATO mit sehr guten militärischen Fähigkeiten. Wer aber schon einmal mit französischen Kollegen viele Jahre zusammengearbeitet hat, weiß wie schwer das ist. Das französische Mindset ist ein völlig anderes als das deutsche.
Ich stehe dem Zusammenschluß von KMW und Nexter äußerst kritisch gegenüber. Wie oben in Artikel erwähnt gibt es da gute Beispiele. Ich kann nachvollziehen, dass man in der Politik den Zusammenschluß für einen logischen Schritt betrachtet. KMW befürwortet diesen Schritt mit besseren Exportaussichten. Wenn sich die deutsche Exportpolitik aber gerade ändern sollte, warum benötigen wir noch diesen Zusammenschluß? Meine Befürchtung ist, dass wir hier eine deutsche Schlüsseltechnologie aus der Hand geben, was wir später bereuen.
@SvenS
Ich denke die Antwort auf ihre Frage ist „Ja“, denn da hat Deutschland noch eine echte Systemfähigkeit: signaturarme Plattform, AU-Antrieb mit abgestimmtem Waffensystem inkl. Bewaffnung….alles aus einer „Hand“ bei Entwicklung, Bau und Industrielogistik…..ganz so weit ist SAAB noch nicht.
Ausnahmsweise muss man Arnold beipflichten, denn gerade im Bereich der Panzerentwicklung ist bisher jede gemeinsame Entwicklung abgebrochen worden (siehe dazu Rolf Hilmes hinsichtlich Leopard 1 / AMX30 und KPz 90).
@ SvenS | 08. Juli 2015 – 15:19
Naja, naja… Saab hat ja vor 2 (?) Jahren die schwedische Kockums-Werft von TKMS übernommen – auf massiven Druck des schwedischen Staats, der TKMS die Pistole auf die Brust setzte und sagte „wir geben euch so lange keinen Auftrag mehr, bis ihr die Chose an Saab verkauft“. Dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen es sich nicht lange leisten kann, Gehälter und Betriebskosten für eine Werft zu zahlen, die keine Aufträge abwickelt (weil keine vergeben werden) ist klar. Fairerweise muss man sagen, dass Kockums von TKMS gekauft wurde, um einen Konkurrenten zur HDW effektiv vom Markt zu nehmen
So, nun zu der Werft an sich: Seit Jahrzehnten „fummelt“ Kockums/Saab an dem Entwurf der A-26 U-Boote für die schwedische Marine rum. Die letzten U-Boote, die man dort wirklich zusammengebaut, zu Wasser gelassen und in Dienst gestellt hat, waren die australischen Collins-Class U-Boote – und das war 2003!
Seitdem ist dort nichts produziert worden, während hingegen bei HDW mindestens ein Boot pro Jahr zu Wasser gelassen worden ist.
Kurz: Saab hat sich eine Werft gekauft, die seit Jahren kein Projekt mehr abgeschlossen hat und wird mit Sicherheit noch einige Jahre brauchen, um überhaupt „in Fahrt“ zu kommen. Es gilt, Erfahrungen aufzuholen, die in den vergangenen 10 Jahren nicht gemacht wurden bzw. verloren gegangen sind, während die TKMS weiter „up-to-date“ ist.
Die meisten de/ff-Rüstungsprojekte sind imho eigentlich deswegen gescheitert, weil sich die jeweiligen Bedarfsträger nicht auf ein einheitliches „Lastenheft“ einigen konnten und die jeweiligen Bedarfsdecker nicht auf einen gemeinsamen Entwicklungs-/Beschaffungsprozess……zwei Monologe ergeben eben keinen Dialog ;-)
Von daher macht eine Fusion von KMW und Nexter Europa-rüstungspolitisch nur dann Sinn, wenn man sich in Paris/Berlin in Sachen gepanzerte GF zu einem „behördlichen“ Joint Venture durchringt……dazu wird es kaum kommen, denn Berlin wird sich sehr schwer tun, den „commercial approach“ wieder zurück zu drehen
Es ist doch die SPD die Schuld ist KMW+NEXTER
den ständig wurde blockiert , über Frankreich kann man verkaufen über BRD nicht oder sehr schlecht
das andere ist die Zeiträume da braucht die BW 2050 bis alles da ist was Bw heute braucht
Rüstung viel zu lange Zeit , Schweiz plant für 2 Jahre ( in der Beschaffung/ Langzeitplanung laufen schon bis 2022 ) und nicht länger da kann sich was ändern
Fahrzeuge können bis dahin zu wenig Schutz geben oder andere Taktik kann dazu führen
Schweiz bestellt auch nur die menge was ist in Zeitraum von 3 Jahre Hergestellt werden kann und bestellt nach hat aber die Option um zu stellen das können wir mit dem Puma nicht
wenn 2018 Festgestellt würde wir brauchen eine MK 40 oder MK 76 können wir nicht Umplanen oder teuer Verträge ändern das ist in der Schweiz nicht das Problem der neue Vertrag wird auf das dann Ausgeschrieben
klabautermann | 08. Juli 2015 – 16:11
Erfahrung mit Nexter ist leider das die National denken und nicht Europäisch
das bedeutet das die Zulieferer aus Frankreich bevorzugt wird
Kamm erst Frontal 21 bei AIRBUS
Es gebe andere Länder da würde es Funktionieren ( Niederlande und Schweiz und Dänemark) aber Frankreich nicht
aber selbst Dänemark hat sich gegen FFG entschieden
@Alarich
Jetzt komme selbst ich an den Punkt, an dem ich Sie nicht mehr verstehe.
T.Wiegold | 08. Juli 2015 – 16:49
zu welchem Punkt meinen Sie
Wenn wir das wüssten…
Liegt nicht die Wahrheit darin, dass die Rüstungsexportpolitik ex Frankreich für die Rüstungsindustrie in Europa einfacher funktioniert als aus Deutschland ? Wollen wir denn wirklich Deutschland als Hochtechnologie-Land stilllegen ? – Ich meine, Zar Wladimir klatscht sich mit seiner Entourage auf die Schenkel, oder ?
Ich denke wenn das hier nicht hinein Passt
aber was heute in China an den Börsen abging das wir damit nächster zeit hier unterhalten werden , weil man wird nach Außenprobleme schaffen um sein Volk hinter sich wieder zu bringen
da muss bei uns sich was bewegen in einer Welt die immer mehr instabiler wird
Was sich für mich bisher nicht so ganz erschließt sind die konkreten Konsequenzen dieser identifizierten Schlüsseltechnologien.
Gibt es für Projekte aus diesen Bereich nun bevorzugt bzw. mehr F&T-Mittel?
Werden entsprechende Beschaffungsvorhaben im IPP höher priorisiert?
Nur dann macht das Ganze doch Sinn und hat Relevanz
Dabei stellt sich auch die Frage, ob nationale Schlüsseltechnologien nun die Prio 1 erhalten, internationale die Prio 2 und Projekte ohne Schlüsseltechnologie Prio 3. Oder ist es egal, ob eine Fähigkeit national oder international zugeordnet ist?
Nordlicht | 08. Juli 2015 – 20:09
Habe ich auch schon bemängelt das keine Übersicht gibt auf alles was benötigt wird
und was sehr dringlich , dringlich. weniger dringlich und absehbar dringlich wird
und fehlende Zeiträume den nicht alles kann gleichzeitig Hergestellt werden
Genau das, mehr sagt das Diagramm nicht aus.
Leo 3 ist möglich
Seit geraumer Zeit wird auf allen möglichen Ebenen über notwendige und über mißlungene Europäische Integration diskutiert. Die Währungsunion hat Europa offensichtlich nicht weiter geeint. Und gerade zwischen D und F klafft wirtschaftspolitisch ein tiefer Graben, der in seiner potentiellen Brisanz wesentlich bedeutsamer ist als der zwischen dem Randstaat Griechenland und Zentraleuropa.
Auf der anderen Seite nimmte der Druck, militärisch weiter zusammen zu rücken, aufgrund der Haushaltssituation und der sich verändernden Sicherheitslage, weiter zu.
Schon sind allerorten Rufe nach einer gemeinsamen Armee zu hören.
Bis dahin ist aber noch ein weiter Weg. Die Standardisierung von Waffensystemen, insb. Großgeräten wäre eine Etappe auf diesem Weg.
Die Gefahr besteht allerdings, daß der kleine, große Bruder im Westen (wirtschftl. schwach, pol. stark) kurz über lang KANT dominieren könnte – wie seinerzeit Airbus.
Dadurch könnten D nicht nur Schlüsseltechnologien entgleiten, sondern vor allem auch Arbeitsplätze. Genau das wird Gabriel wohl umtreiben.
Das Problem der beiden Staaten ist der Weg, den die europ. Integration genommen hat. Am Anfang standen die Römischen Verträge und die Mitgliedstaaten rückten näher zusammen. Doch mit jeder EU(EG)Erweiterung wurde die Integration verwässert und geschwächt. Trotz aller schönen Bilder von Hollande und Merkel sind F und D heute weiter voneinander entfernt als vor zwanzig Jahren, eine „Integration“ fand nicht statt.
Die Gefahr von öffentlich unfreundlich diskutierten Gegensätzen zwischen den Nationen wächst und uns läuft die Zeit davon.
Das Projekt KANT sollte für die Bundesregierung der Anlaß sein, mit F gemeinsame Schritte zu mehr Gemeinsamkeit zu definieren und diese dann mittels Referenden bestärken zu lassen. In den letzten Jahren gingen solche Vereinbarungen häufig zu Lasten Deutschlands (Euro-Einführung/Aufgabe der DM). Wenn D immer mehr Verantwortung in Europa übernehmen soll, muß es auch lernen eigene Interessen zu definieren.
Eine Integration Europas kann nur von KernEuropa aus statt finden.
Dann wäre eine gemeinsamer KPz „Leo3“ möglich und sinnvoll.
Irgendwie versteh ich das nicht. Sind Schlüsseltechnologien die, wo sich die Schlüsselpersonen aus Industrie und ÖAG kennen und gut verstehen? Oder sind es die, wo wir weltweit Spitze sind, und die wir deshalb wettbewerbsfähig machen müssen? Oder sind es die, die wir zur Erfüllung eines verteidigungspolitischen Auftrags brauchen? Und wenn letzteres, warum können wir sie vor Fertigstellung des Weißbuchs festschreiben?
Ich sehe in diesem Zusammenhang keine Neuigkeit. Panzer und U-Boote sind schon in der Gemeinsamen Erklärung des BMVg und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. vom 20. November 2007 als nationale wehrtechnische Kernfähigkeiten definiert. An dieser Definition hat sich nach meiner Kenntnis bis heute nichts geändert.
Vielen Dank an T.W für die schöne Zusammenstellung.
Was stellen wir uns eigentlich unter „Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie“ vor? Aus ökonomischer Sicht meinen wir damit den Abbau von Handelsbarrieren und die Schaffung eines großen europäischen Rüstungsmarkts, um sinkende Stückkosten durch größere Stückzahlen an homogenen Rüstungsgütern zu erzielen. Nun werden manche Leser einwenden, dass wir doch diesen barrierefreien Markt in der Eurozone eigentlich schon längst haben müssten? Dieser Punkt ist auch weitgehend richtig, sofern es Konsumgüter oder Industriegüter betrifft, welche in Polypol-/Oligopol-Märkten (auf Seite der Anbieter und Nachfrager) gehandelt werden.
Der Rüstungsmarkt ist jedoch einerseits durch die beteiligten Akteure als auch durch seine Struktur speziell. So steht der einzelne Nationalstaat auf der Nachfrageseite und der nationale Rüstungshersteller auf der Anbieterseite – also ein Anbieter-/Nachfrage-Monopol. Aus der Sicht des nationalen Rüstungsunternehmens kann diese Situation problematisch sein. Das Unternehmen muss sich bei seinem Angebot vollkommen auf die Präferenz des einzigen Nachfragers spezialisieren und senkt somit seine Exportchancen in ggf. offene Rüstungsmärkte. Der Staat hingegen muss ständig für Nachfrage sorgen, sonst wird das Unternehmen insolvent. In diesem Fall müssen sich die Politiker des jeweiligen Landes mit dem Protest arbeitsloser Wähler rechnen bzw. auf die sicherheitspolitisch begründete autarke Rüstungsproduktion verzichten. Es ergibt sich also ein Gleichgewicht, bei dem keine Seite die Position durch eine einseitige Handlung verbessern könnte. Gekämpft wird nur um die Höhe der Produzentenrente – der Abschluss eines Kaufvertrages steht für beide Seiten jedoch fest. Dieses Gleichgewicht begründet die weitgehend autarken Rüstungsmärkte in Europa, welche durch die jeweils geringe Marktgröße nur eine geringe Produktivität aufweisen.
An dieser Überlegung lässt sich auch erkennen, warum bilaterale/multilaterale Beschaffungsprogramme oder europäische Monopolkonzerne keine gestiegene Produktivität aufweisen. Die Nationalstaaten als auch die nationalen Rüstungsunternehmen erhalten dieses Gleichgewicht selbst in diesem Umfeld. So erfolgt die (Teil)Produktion weiterhin in nationaler Verantwortung um know-how und Arbeitsplätze im eigenen Land zu halten bzw. es werden spezielle nationale Ausführungen des Produkts bestellt. Im Ergebnis wird das eigentliche Ziel der Kooperation, nämlich geringe Stückkosten durch hohe Stückzahlen an homogenen Rüstungsgütern zu erzielen, verfehlt. Gegenüber den rein nationalen Programmen, erhöht sich jedoch zusätzlich die Anzahl der Schnittstellen und somit steigen auch die ex-ante/ex-post Transaktionskosten. Im Endeffekt sind die bisherigen Versuche der europ. Rüstungskooperation noch ineffizienter als die rein nationalen Programme.
Wie durchschlagen wir also diesen gordischen Knoten und schaffen einen großen europ. Rüstungsmarkt ohne Handelsbarrieren? Die Antwort ist relativ simpel aber schwierig in der Umsetzung. Wir brauchen auf europ. Ebene eine Institution, in der sich die jeweiligen Staaten (z.B vertreten durch die Verteidigungs- oder Wirtschaftsminister) gegenseitig kontrollieren und den Zugang zu den nationalen Märkten gewähren. Dadurch könnte auf politischer Ebene ein neues Gleichgewicht geschaffen werden, bei dem es nicht mehr möglich ist die eigene Position durch eine einseitige Handlung zu verbessern (z.B. bedeutet Blockade eines ausländischen Anbieters gleichzeitig die Gegensanktion für die eigene Industrie im Ausland).
Von politisch motivierten bilateralen/multilateralen Programmen oder politisch erzwungenen Monopolanbietern sollte wie bereits diskutiert Abstand genommen werden. Diese Instrumente sind nicht geeignet eine tatsächliche Integration des europ. Rüstungsmarkts zu erreichen. Das Primärziel muss ein gemeinsamer funktionsfähiger Markt ohne Handelsbarrieren sein, welcher in der idealen Ausprägung Oligopole auf Seite der Anbieter und Oligopole auf Seite der Nachfrage aufweist.
P.s Mit TTIP wird der europ. Rüstungsmarkt in direkte Konkurrenz zu den sehr produktiven amerikanischen Rüstungskonzernen treten. Gegenüber der hier vorliegenden kleinteiligen Marktstruktur haben die amerikanischen Unternehmen einen absoluten Wettbewerbsvorteil. In Zeiten knapper Staatskassen und Investorenschutz werden die amerikanischen Unternehmen eine gefährliche Bedrohung für die europ. Rüstungsunternehmen darstellen. Daher ist hier dringender Handlungsbedarf auf europ. Ebene geboten. Eine Übereinkunft über gegenseitigen Zugang zum Rüstungsmarkt und damit der Möglichkeit für eine Produktivitätssteigerung liegt also auch im Interesse der jeweiligen europ. Nationalstaaten.
Bang50
@Alarich @TW
spricht etwas dagegen einen Kommentar auf Englisch oder einer andern gängigen europäischen Sprache zu verfassen? Das wird internationalen Schreibern leichter fallen, tut den einheimischen Deutschlehrern weniger weh, die meisten Leser sind des Englischen mächtig und für alles andere gibt es Babelfisch und Google Translate.
(Randbemerkung, ein gelegentlicher englischer Artikel dürfte auch mehr ausländische Leser anlocken ohne die Stammgäste zu verprellen)
@Bang50
ZITAT: „Mit TTIP wird der europ. Rüstungsmarkt in direkte Konkurrenz zu den sehr produktiven amerikanischen Rüstungskonzernen treten. Gegenüber der hier vorliegenden kleinteiligen Marktstruktur haben die amerikanischen Unternehmen einen absoluten Wettbewerbsvorteil. In Zeiten knapper Staatskassen und Investorenschutz werden die amerikanischen Unternehmen eine gefährliche Bedrohung für die europ. Rüstungsunternehmen darstellen.“
Dann heißt es doch logischerweise das die europäische Rüstungsindustrie wie oben zitiert unzureichend produktiv ist , oder ? Nach den Regeln der Märkte wird man somit entweder besser oder muß gehen !
Knappe Staatskassen kann ich so nicht gelten lassen, immerhin geht es doch nur um den Willen WOFÜR ich Geld ausgeben mag ! Das ist lediglich eine politisch-wählerwirksame Diskussion …
Investorenschutz ??? Das führt das Marktprinzip des Investment ad absurdum …
@ SER
Zitat:“ Dann heißt es doch logischerweise das die europäische Rüstungsindustrie wie oben zitiert unzureichend produktiv ist , oder ?“
Die europäischen Konzerne sind wegen den vielen kleinen nationalen Rüstungsmärkten weniger produktiv als die amerikanische Konkurrenz, die es gewohnt ist Stückzahlen im vierstelligen Bereich zu liefern. Daher sind hier ganz andere Produktionsmöglichkeiten gegeben und geringere Stückkosten möglich – z.B. wird das JLTV Programm der Amerikaner auf einer vollautomatisierten Fertigungsstraße laufen – ähnlich wie bei einem zivilen Automobilkonzern.
Zitat:“ Nach den Regeln der Märkte wird man somit entweder besser oder muß gehen !“
Das ist die Botschaft welche in Europa noch nicht zu den Ohren der Politik, Militärs als auch vieler Unternehmer vorgedrungen ist. Unternehmer wie auch die europäischen Nationalstaaten sollten daher ein ganz starkes Eigeninteresse an der Beseitigung ihrer innereuropäischen Handelsbarrieren haben. Man tut sich damit nur selbst weh.
Zitat:“Knappe Staatskassen kann ich so nicht gelten lassen, immerhin geht es doch nur um den Willen WOFÜR ich Geld ausgeben mag ! “
Knappe Staatskassen machen es einem aber leichter, sich für das Angebot mit den niedrigeren Stückkosten bei gleicher Qualität zu entscheiden. Das ist ein absoluter Wettbewerbs-/Kostenvorteil der amerikanischen Unternehmen.
Zitat: “Investorenschutz ??? Das führt das Marktprinzip des Investment ad absurdum …“
Ja und Nein – der Investorenschutz ist eigentlich dazu gedacht den Markt in einem Umfeld starker staatlicher Protektion funktionstüchtig zu halten, in dem Unternehmen einen Hebel erhalten um sich gegen wettbewerbsverzerrende Maßnahmen zu wehren. Auf der anderen Seite können diese Instrumente natürlich auch Fehlanreize setzen oder gerade dazu gebraucht werden den Markt zu blockieren. Das ist aber im Detail zu betrachten und ein Thema für Vollblutjuristen.
Zitat:“Das ist lediglich eine politisch-wählerwirksame Diskussion …“
Nein, das ist eine ganz solide ordnungspolitische Diskussion, welche im Kreis der europ. Wirtschaftsminister geklärt werden muss und in einem System der gegenseitigen Kontrolle enden sollte. Entweder man entscheidet sich dazu die gegenseitigen Handelsbarrieren im Rüstungssektor abzuschaffen (das bedeutet ein offener Wettbewerb) und damit den Markt für alle europ. Rüstungskonzerne stark zu vergrößern oder man macht weiter nationale Kleinstaaterei und wundert sich dann über amerikanische Konkurrenz mit absoluten Kostenvorteilen welche die eigene Rüstungsindustrie platt macht.
Solange keine neue Arbeiter Eingestellt werden wird nicht viel neues geben
Aber im Puma werden 100 weitere gefordert aber das ginge dann bis 2022 bis alle da währen das ist viel zu Lange
Boxer ist nicht viel besser was da gebraucht wird , dann sind die ersten schon wieder Schrott reif bis der Letzte da ist , da muss was getan werden
Aber beide Fahrzeuge werden kaum gleich gesteigert werden können ,
So weit, so schön, dass sich die Bundesregierung zu einer Entscheidung durchgerungen hat, was wirklich nationale Kernkompetenz sein soll und was nicht. Nur ob das Konzept wirklich das Papier wert ist, auf dem es steht, ist derzeit ziemlich fraglich.
Drei Beispiele:
1. Flugkörper/Luftverteidigung ist irgendwas zwischen europäisch und global. Warum beschaffen wir mit MEADS dann ein System, bei dem die nationale Komponente so stark betont wird?
2. In einem früheren Kommentar hatte ich Sigmar Gabriel als einen Elefanten im Porzellanladen beschrieben, der erst alles internationales Vertrauen zerstört und sich anschließend wundert, warum niemand mehr deutsche Komponenten in seine Systeme einbauen will.
Genau dieses Problem wird jetzt offenkundig: Sensorik ist als nationale Kernkompetenz definiert. Und genau in diesem Bereich wurde einiges an Porzellan zerschlagen, als deutsche Optiken nicht exportiert werden durften (die in belgischen Türme für kanadische Panzer nach Saudi-Arabien gehen sollten).
Vielleicht hat Gabriel ja einen Brief an Cockerill geschrieben, nach dem Motto „Tut uns leid, war gar nicht so gemeint, natürlich bekommt ihr deutsche Komponenten“. Vielleicht gab es ja doch noch eine Exportgenehmigung (Weiß das jemand?).
An zentraler Stelle steht aber die internationale Perzeption Deutschlands und da bleibt bei Jane´s die zentrale Aussage hängen: „Germany further tightens defence export regulations“.
3. Normalerweise ergibt sich Rüstung aus den benötigten Fähigkeiten der Streitkräfte und damit aus sicherheitspolitischen Zielsetzungen. Nur Deutschland fixiert erst seine rüstungspolitischen Kernkompetenzen und schreibt anschließend das Weißbuch drumherum. Aber vielleicht entspricht diese Reihenfolge ja gerade der deutschen Politik: Sicherheitspolitik mögen wir ohnehin nicht, Industriepolitik machen wir dagegen gerne. Dann richten wir unsere Sicherheitspolitik halt an unserer Industriepolitik aus – passt doch.
@schleppi:
Der entscheidende Unterschied zu 2007 ist, dass jetzt viele Fähigkeiten aus der nationalen Liste gestrichen worden sind – z.B. Kampfflugzeuge oder Überwasserkampfschiffe. Aus industriepolitischer Sicht interessant ist, dass (neben H&K) auch der Bereich Küstenkampfschiffe (d.h. insb. Lürßen) leer ausgegangen ist.
@Alarich | 08. Juli 2015 – 16:29
Was er sagen möchte: „Kooperationen mit Frankreich sind äußerst kritisch zu sehen. In den meisten Fällen läuft das auf eine Verdrängung der deutschen Industrie hinaus. So tauscht Airbus immer mehr deutsche Zulieferer gegen französische aus, wie von Frontal 21 dokumentiert ( http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/37416802/1/data.pdf ). Wir sollten also vielmehr mit anderen kleinen Staaten kooperieren, das ist unproblematischer. Nur leider ist der dänische Panzerauftrag nicht an FFG gegangen, so dass hier wieder eine Möglichkeit verpasst worden ist.“
@Bang50:
Ihre Analyse ist hervorragend, nur geht sie – meiner Einschätzung nach – vom falschen Blickwinkel aus.
Sie betrachten das System DTIB (defence technological and industrial base) unter dem Code der Ökonomie. Dabei unterliegt das System vielmehr dem Code der Politik.
Von daher sehe ich nicht die Frage nach der ökonomischen Effizienz im Mittelpunkt, sondern die der Machtverteilung zwischen den Akteuren.
Ihr Vorschlag kann auf „the winner takes it all“ hinauslaufen, er wird in jedem Fall aber klare Verlierer produzieren: Staaten, deren (vergleichsweise ineffiziente) Rüstungsindustrie zu Grunde gehen wird. Nach ökonomischen Prinzipien muss das so sein. Nur welcher Wirtschafts- oder Verteidigungsminister lässt sich auf solch ein Vabanquespiel ein?
Deswegen würde ich eher bei Alarichs Vorschlag der Kooperation mit kleinen Partnern bleiben. Frankreich, Italien und GB lassen ihre DTIB aus Macht- und Prestigegründen nicht ankratzen. Deswegen sollten wir mit ihnen erst gar nicht weiter rechnen. Vielmehr sollten wir mit Dänen, Holländern, Schweizern oder Norwegern ins Gespräch kommen. Alle diese Staaten verfügen über kleine Bereiche, in denen sie hochkompetent sind, die aus industriepolitischen Gründen aber im europäischen Rahmen bislang kaum eine Rolle spielen. Wenn man innerhalb dieser „Gruppe der Kleinen“ (und da darf man sicherheitspolitisch Deutschland gerne hinzuzählen) Kernfähigkeiten bestimmten Staaten zuordnet, dann werden diese Staaten auch eher bereit sein, auf Nicht-Kernfähigkeiten zu verzichten.
Dennoch habe ich weiterhin Zweifel an jeglichem Top-Down-Ansatz im Bereich der europäischen DTIB. Vielleicht ergibt sich eine tragfähige Struktur am ehesten über fortgesetzte Offset-Regelungen…
An TTIP für den Rüstungsmarkt glaube ich erst, wenn ich es sehe.
Bang50, Ihr Ansatz erinnert mich ein wenig an den Petersberg-Prozess, in dem westliche Demokratiemodelle in eine islamisch-traditionell geprägte, wirtschaftlich rückständige Stammesgesellschaft hineingetragen werden sollten. Genausowenig passen meiner Meinung nach rein ökonomische Modelle zu Fragen der Rüstungsindustrie.
(Passt doch: Rüstungsindustrie = traditionell geprägt + wirtschaftlich rückständig :-) )
@K.B. Gibt es eine Vereinbarung neueren Datums oder eine Änderung des Anhangs?
@ K.B.
Das Ziel meines Vorschlags ist es ein neues Machtgleichgewicht herzustellen. Bisher haben wir ein Nash-Gleichgewicht auf nationaler Ebene zwischen Industrie und Politik. Kein Akteur kann durch eine einseitige Aktion seine Situation verbessern. Also muss man sich die Frage stellen, wie ein neues Gleichgewicht zu definieren ist, welches Vorteile für alle Akteure bietet und es den Akteuren daher erleichtert, sich auf dieses neue Gleichgewicht zu verständigen. Dazu braucht es gegenseitiges Vertrauen oder eben Machtausgleich. Beide Szenarien wurden bereits in wesentlich größerem Umfang und mit höherem Spieleinsatz erfolgreich umgesetzt:
1. Mit Ende des 1 WK ging der Außenhandel/Welthandel dramatisch zurück. Nationen misstrauten sich gegenseitig und verfielen in Protektionismus der eigenen Industrie. Um den lahmenden Außenhandel nach dem 2 WK wieder in Schwung zu bringen, führten die Amerikaner das Festkurssystem Bretton-Woods ein. Dadurch konnte ein neues Gleichgewicht auf Vertrauensbasis geschaffen werden. Diese Lösung wurde von allen Akteuren (zumindest für eine gewisse Zeit) akzeptiert. Die Amerikaner verbanden mit diesem System die Garantie, den US-Dollar jederzeit gegen Gold tauschen zu können – damit waren auch alle anderen Währungen im Bretton-Woods-System praktisch Währungen mit einer Goldparität. Letztlich ging es jedoch um die Schaffung einer Institution, welche erfolgreich gegenseitiges Vertrauen wiederherstellen konnte. Dieses Ziel erreichte das Bretton-Woods-System ganz ohne Gewalt oder Köpfe einschlagen. Der Welthandel kam wieder in Schwung und das damals neu geschaffene Gleichgewicht hält bis heute – obwohl es die Institution gar nicht mehr gibt.
2. Während des Kalten Kriegs verfolgten beide Parteien mit MAD eine Strategie, welche selbst auf einem Nash-Gleichgewicht basierte. Die Fragilität eines solchen Gleichgewichts hat Stanley Kubrick in seinem Film: “Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ brillant veranschaulicht. Daraus ergibt sich die Frage: Wie konnten wir das Ende des Kalten Krieges ohne nukleare Vernichtung überstehen? Zerstörte doch die enorme Machtasymmetrie nach dem Kalten Krieg dieses fragile nukleare Gleichgewicht. Die Antwort kann man in Ikenberry, John G. (2000): After Victory: Institutions, Strategic Restraint, and the Rebuilding of Order After Major Wars nachlesen. Kurz zusammengefasst: Dem Secretary of State James A. Baker gelang es mit einer klugen Argumentation und durch das Vehikel NATO ein neues Gleichgewicht zwischen den USA, Europa, DEU und Sowjetunion herzustellen – welches erst in jüngster Zeit gestört wurde.
Ich erwähne MAD nur um zu verdeutlichen, dass der Machtausgleich durch Institutionen selbst bei der extremsten Form der militärischen Machtprojektion schon erfolgreich war. Die Rüstungsindustrie kann also nicht als ein Sonderfall angesehen werden. Auch der Fall Griechenland (nein ich will causa Griechenland hier nicht diskutieren) ist in Wirklichkeit eine Suche nach einem neuen politischen/ökonomischen Gleichgewicht in Europa. Im Endeffekt ist meine Lösung daher nicht nur ökonomisch, sondern primär politisch und sie wurde schon oft erfolgreich angewendet. Rein ökonomisch sind jedoch die Folgen wenn eine politische Einigung in dieser Sache nicht erzielt werden kann. Auch TTIP ist in Wirklichkeit eine Institution zur Erzeugung eines Gleichgewichts, welches beide Seiten in ihren Interessen ausreichend berücksichtigt (vorher werden die Vertragsparteien nicht unterschreiben). In diesem Fall sollte darauf hingewiesen werden, dass der Vertrag zwischen Europäischer Union und den USA ausgehandelt wird. Die Interessen der europ. Nationalstaaten spielen daher nur indirekt eine Rolle und die Amerikaner werden schlicht keinem Zustand zustimmen, in dem europäische Nationalstaaten amerikanische Unternehmen aus dem Wettbewerb ausschließen können (besonders nicht bei den lukrativen Rüstungsgeschäften). Im Endeffekt ergibt sich eine Situation, in der amerikanische Unternehmen mit absoluten Kostenvorteilen gegen europ. Rüstungszwerge antreten werden. In diesem Szenario ist das Ergebnis tatsächlich „the winner takes it all“, weil die europ. Rüstungsbranche durch die Kostenasymmetrie aus dem Markt ausscheidet.
Ob dieses worst case Szenario eintritt, haben die jeweiligen nationalen Regierungen selbst in der Hand. Diese können weiter ihre jeweilige Industrie subventionieren oder die europ. Wirtschafts-/Verteidigungsminister setzen sich zusammen und bilden ein Überwachungsboard. Dieses Board garantiert einen freien Wettbewerb bei europ. Rüstungsprogrammen. Sollte eine Partei nach Ansicht der beteiligten Minister gegen diese Abmachung verstoßen, wird die jeweilige Rüstungsindustrie auch in den anderen Ländern ausgeschlossen (das können die Verteidigungsminister ganz einfach durch ihre Auswahlentscheidungen beeinflussen). Dadurch werden die momentanen informellen bzw. nicht-tarifären Handelsbarrieren abgebaut und ein großer europ. Rüstungsmarkt geschaffen. Die europ. Rüstungskonzerne erhalten somit die Chance, sich bei den Stückkosten an amerikanische Konzerne anzugleichen. Wie dieser Markt im Detail aussieht, kann niemand sagen. Manche Länder werden ggf. Arbeitsplätze in dieser Branche gewinnen und Andere werden verlieren. Die nationalen Unternehmen werden sich Kooperationspartner suchen und Joint-Ventures bilden bzw. fusionieren. Global betrachtet kann dadurch durchaus eine Branche entstehen, welche in Europa mehr Menschen beschäftigt als davor (z.B. bei erhöhten Export wegen besserer Preise). In jedem Fall ist dieses Ergebnis bei weitem nicht so brutal wie das worst case Szenario. Letztlich schafft die Ökonomie Tatsachen. Das Primat der Politik kann sich nur zwischen Alternativen entscheiden.
Von Eingriffen in den Primärmarkt, wie durch Festlegung der Anbieter und Nachfrager (Bilaterale Kooperationen) halte ich überhaupt nichts. Es ist schlicht die Fortsetzung einer nationalen Autarkiepolitik mit internationalem Anstrich. Im Endeffekt sind die bilateralen-/multilateralen Rüstungsabkommen auch nur wie die nationalen Märkte Monopolmärkte, jedoch mit erhöhten Transaktionskosten (da erhöhter Koordinierungsaufwand). So wird es nichts mit der Konsolidierung des europ. Rüstungsmarkts.
Bang50
@schleppi:
Bis jetzt galt meines Wissens nach immer noch die Liste von 2007, bei der alles und nichts zu den „wehrtechnischen Kernfähigkeiten“ zählte.
http://www.bdsv.eu/data/8cae99c0bedfb3c67dddd4c0c2c37fdbb5db88c0bdcc98cec7a677bdc8b663dcc4dcafc98bd4a176c2cfddc67ecaaa93.pdf
Diese Liste wurde mit dem aktuellen Papier ordentlich ausgedünnt und etliche Fähigkeiten in den europäischen oder globalen Bereich geschoben.
@Bang50:
„Also muss man sich die Frage stellen, wie ein neues Gleichgewicht zu definieren ist, welches Vorteile für alle Akteure bietet und es den Akteuren daher erleichtert, sich auf dieses neue Gleichgewicht zu verständigen.“
Aber genau diese „Vorteile für alle Akteure“ bietet ihr Vorschlag doch gerade nicht. Aus wirtschaftlicher Sicht müssen nicht konkurrenzfähige Marktteilnehmer (d.h. einzelne nationalstaatliche Monopolisten) zwangsläufig aus dem Markt ausscheiden. Somit gibt es in jedem Fall Verlierer, die zudem zwischen den Staaten äußerst ungleich verteilt sind. Und wenn man, in Ihrer Logik bleibend, davon ausgeht, dass im Zweifelsfall kleine Rüstungsbetriebe kleiner Staaten mangels Skaleneffekten nicht überleben wird, ist die absolute Anzahl der Verlierer deutlich größer als die kleine Anzahl großer Gewinner.
Jetzt könnten wir an dieser Stelle noch diskutieren, ob Größe wirklich ein Kriterium ist, um sich am Markt durchzusetzen. Bei den Stückzahlen, mit den Raytheon in den USA Lenkwaffen produziert, ist deren Kostenstruktur nicht zu schlagen. Auf der anderen Seite gibt es genügend ineffiziente Großbetriebe, die sich gegen kleine Konkurrenten kaum behaupten könnten. Aber das würde uns vom Thema abbringen.
Ich glaube, wir drehen uns zunehmend im Kreis.
Sie bleiben – vielleicht zu Recht – bei der Betrachtung aus Markt-Perspektive und gehen von TTIP für Rüstungsgüter aus.
Ich bleibe – natürlich zu Recht! – bei der Betrachtung aus Politik-Perspektive und sehe aus dieser Sicht kein TTIP für Rüstungsgüter.
Auch für die Produktion von Rüstungsgütern gilt, nur wer Stückzahlen (Stckz) produziert, kann vernünftige Proktionspreise erreichen.
Von den Stckz, die die Bundeswehr noch benötigt, kann keine Rüstungsfirma leben und schon gar nicht Hersteller von Kampffahrzeugen.
Nur die sogenannten Schlüsseltechnologien herauspicken geht gar nicht, weil Systeme gefordert werden.
Es bleibt also nur der Export um Stckz und damit vernünftige Produktionskosten zu erreichen. Bei den Handfeuerwaffen sind die Stckz vorhanden. Man müßte eigentlich hier den Verkauf puschen.
Nur wie soll das alles funktionieren bei dem Prozeedere der deutschen Politik?
Die SPD hat doch schon immer zur Rüstung ein gestörtes Verhältnis!
Ich habe 10J. versucht mit Franzosen technisch zusammen zu arbeiten.
Ich bin damit schon lange fertig, schon alleine deswegen, weil ich mich nicht ständig als Nazi beschimpfen. lasse.
Die deutsche Rüstungsindustrie wird wohl in den nächsten Jahren weitgehend verschwinden.
Wie die Milan, werden die Fanzosen den neuen Nachfolgepanzer des Leo2-A2 skrupellos und gewinnbringend verkaufen.
@K.B.
Bei der Liste von 2007 handelt es sich um eine Vereinbarung,die so lange sie nicht gekündigt oder erneuert wird, weiterhin Gültigkeit hat. Das gilt auch wenn die Liste fälschlich Bereiche enthält, die gar nicht nationale wehrtechnische Fähigkeit darstellen, wie z.B. Kampfflugzeuge
Neu an dem Strategipapier ist vielleicht die Erkenntnis, dass man Bundeswehr der Zukunft nicht europäisch denken darf und Rüstung gleichzeitig natonal denkt. Leider scheint mir die Zielrichtung des Papiers mehr auf die Befriedigung nationaler Rüstungsindustrieinteressen zu gehen, als einen echten Weg zu bereiten, Rüstung endlich in dem Rahmen zu denken,der auch sinnvolle Lösungen bietet.
@schleppi:
Das Strategiepapier betrachte ich in der Tat als Nachfolger der Veröffentlichung von 2007. Und wenn die Bundesregierung sowas veröffentlicht, muss der BDSV schon selbst 1+1 zusammenzählen. Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel Pause (und sollten zuhören).
Eine gemeinsame Vereinbarung auf Basis des Strategiepapiers ist ohnehin utopisch, wird der BDSV doch kein Papier unterschreiben, in dem große Teile der deutschen DTIB als verzichtbar beschrieben werden.