Mangelverwaltung bei der Bundeswehr: neue Begriffe, gleicher Mangel

Mit den Berichten über fehlendes oder defektes Material bei der Bundeswehr hatte auch die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten einen neuen Begriff kennengelernt: Dynamisches Verfügbarkeitsmanagement. Dahinter verbarg sich schlicht, dass der Truppe in bestimmten Bereichen Gerät und Ausrüstung fehlte, eine so genannte Vollausstattung deshalb gar nicht mehr vorgesehen sein sollte und die Einheiten im Normalfall 70 Prozent des nötigen Materials haben, aber bei Bedarf wie Einsatz oder Ausbildung den Rest dazu bekommen.

Nun nahmen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, das Ministerium und die Truppe zwar Abschied von einer Einführung des Dynamischen Verfügbarkeitsmanagements. Aber mit dieser Absichtserklärung kommt natürlich nicht über Nacht das Material zur Truppe. Genau genommen noch für einige Zeit nicht.

Deshalb müssen die Streitkräfte jetzt darüber nachdenken – wie sie den weiterhin bestehenden Mangel neu organisieren. Die Streitkräftebasis (SKB) hat dafür in der vergangenen Woche einen Anlauf gemacht und die Weisung Nr. 1 zur Identifikation querschnittlicher Mangelausstattung herausgegeben. Die Highlights:

Da das DynVM [Dynamisches Verfügbarkeitsmanagement, T.W.] als zentrales organisationsbereichsübergreifendes Managementsystem unter anderem die Auswirkungen der Abkehr von der materiellen Vollausstattung auffangen sollte, eine kurzfristige Verbesserung der Materialsituation jedoch nicht zu erwarten ist, ist die Notwendigkeit einer separaten systematischen Materialsteuerung für querschnittliche Ausstattung im Kommandobereich Streitkräftebasis zu prüfen.
Kommando SKB prüft unter Beteiligung der Fähigkeitskommandos/Zentren im Rahmen einer umfassenden Lagefeststellung, ob es im Kommandobereich Streitkräftebasis querschnittliche Systeme/Geräte gibt, für die eine kritische Mangelausstattung vorliegt und wie diese für Ausbildung/Übung innerhalb der SKB durch Umverteilung/Materialsteuerungsmaßnahmen gemildert werden kann.
Absicht ist es, mit der Durchführung der Lagefeststellung ein umfassendes Bild über diejenigen querschnittlichen Systeme/Geräte zu erhalten, für die mit Blick auf die zu erwartenden Aufträge ab 2016 eine kritische Mangelausstattung im Kommandobereich SKB vorliegt, um so anschließend unter Beteiligung der Fähigkeitskommandos/Zentren zu bewerten, ob – über bereits bestehende Strukturen hinaus – die Notwendigkeit besteht, eine separate interne Materialsteuerung im Kommandobereich SKB für die identifizierten Mangelressourcen zu etablieren.

Mit Systemen in querschnittlicher Nutzung ist die Ausrüstung gemeint, die nicht für spezielle Aufgaben vorgesehen ist, sondern so quer durch die Bundeswehr benötigte Dinge wie Dingo-Transportfahrzeuge, Maschinengewehre, Führungssysteme, Nachtsichtgeräte und Schutzwesten.

Die Verteidigungsministerin hatte ja im Februar gewarnt:

Das Dynamische Verfügbarkeitsmanagement ist in der Breite der Bundeswehr überhaupt noch nicht in Kraft gesetzt. Der Knackpunkt ist doch eher die von vielen Soldatinnen und Soldaten schon heute erlebte Realität, dass es an allen Ecken und Enden Materialengpässe gibt. Ob man es Dynamisches Verfügbarkeitsmanagement nennt oder anders: Entscheidend ist doch, dass die Bundeswehr nicht schleichend in eine Mangelverwaltung hineingeraten darf, die zunehmend den Grund- und den Ausbildungsbetrieb aushöhlt. Diesen Trend müssen wir wieder umkehren. Sonst steht über kurz oder lang die Einsatzfähigkeit und unsere Zuverlässigkeit in den Bündnissen in Frage. Die Truppe muss auf mittlere Sicht nicht nur in den Einsätzen topp sein, sondern auch ausreichend Material für Grundbetrieb und Übung haben. Da müssen wir wieder hin.

Die Truppe scheint allerdings mit rascher Abhilfe nicht zu rechnen. Der Mangel muss jetzt erst mal anständig neu organisiert werden.

(Archivbild: Das MG3, eines der Systeme in querschnittlicher Nutzung und offensichtlich eine Mangelressource – Bundeswehr/Sebastian Wilke)