Seenotrettung im Mittelmeer: Jetzt (politisch) geregelt
Update: Die Deutsche Marine hat am (heutigen) Freitag im Mittelmeer gut 200 Flüchtlinge aus Seenot gerettet. Dazu ein gesonderter neuer Thread hier.
—-
Nachdem Anfang der Woche noch einige rechtliche, politische und verwaltungstechnische Fragen beim Einsatz der Deutschen Marine zur Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge im Mittelmeer offen waren, sind jetzt alle diese Fragen geklärt. Italien habe auf eine entsprechende Anfrage des Auswärtigen Amtes (‚Verbalnote‘) so geantwortet, dass die Abgabe geretteter Flüchtlinge als sichergestellt angesehen werde, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am (heutigen) Freitag auf Anfrage von Augen geradeaus!. Eine gleiche Zusicherung hätten auch die Briten bekommen, deren HMS Bulwark am (gestrigen) Donnerstag Flüchtlinge von einem überfüllten Schlauchboot gerettet hatte (siehe Foto oben).
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sagte Italien zu, den deutschen Beitrag zur Rettungsaktion – den Einsatzgruppenversorger Berlin und die Fregatte Hessen – zu koordinieren und die Abgabe in einem sicheren Hafen zu ermöglichen – was in der Regel ein italienischer Hafen sein dürfte. Das werde als feste Zusage für die Übernahme der geretteten Personen verstanden. Die deutschen Schiffe könnten damit wie vorgesehen ihre Aufgabe erfüllen.
Die britische Bulwark hatte am Donnerstag ein mit 110 Personen überfülltes Schlauchboot gesichtet und die Flüchtlinge übernommen, dann aber noch auf See mit ihrem Landungsboot an die italienische Küstenwache übergeben.
Die Berlin und die Hessen üben derweil die Aufnahme von schiffbrüchigen Flüchtlingen, wie ein Bundeswehr-Video zeigt.
(Angesichts der in Teilen sehr grundsätzlichen Diskussion zum Thema Flüchtlinge, die den Rahmen dieses Blogs bei weitem sprengt, setze ich hier alle Kommentare auf moderiert.)
(Foto: A Rigid Inflatable Boat from HMS Bulwark (right) comes to the rescue of a boat full of individuals in the Mediterranean Sea. HMS Bulwark, working with the Italian Coast Guard, today investigated a large rubber boat with approximately 110 individuals on board. The individuals were rescued using Bulwark’s landing craft before being transferred onto the Italian Coast Guard’s vessel and taken to land. Everyone was transferred safely and HMS Bulwark remains on task – JJ Massey/Royal Navy/Crown Copyright unter MOD News License)
Dann ist ja alles geregelt, oder?
Ich komme an dieser Stelle nicht umhin, den Ketzer und Zersetzer zu geben, oder den ‘advocatus diaboli’ der Abwehrfront:
Nachdem politisch der Verbleib Geretteter einer Regelung zugeführt wurde, beginnt jetzt der FÄHRVERKEHR der Bundesmarine über das Mittelmeer, freilich nur in eine Richtung, oder glaubt jemand an Rücktransport?
Die Aufnahmedebatte wurde zwar an anderer Stelle bereits umfassend, sämtliche Argumente darstellend behandelnd, aber dennoch: Wie lange wird denn der Fährbetrieb greifen, bis Afrika “leergefischt” ist und stattdessen Italien ertrinkt?
Politik weiß (hoffentlich!) was auf den Bürger zukommt, sagt es aber nicht.
Zuwanderungsbedarf hin oder her, was sollen 100-tausende Nichtqualifizierte (Analphabeten) hier auf die Dauer anfangen? Nach welchem Anlass, mit welcher Begründung soll dereinst die Marine diesen Auftrag beenden. Militärisch wird ein Auftrag beendet, wenn der Verantwortliche melden kann: Auftrag ausgeführt. Da jedem klar ist, der Flüchtlingsstrom lässt absehbar NIE nach, gehen wir spannenden Zeiten entgegen.
Gut, dass die Wirtschaft brummt, es kann zumindest weiter bezahlt werden.
Der vorangehende Kommentar illustriert sehr schön, was ich meine: Das Thema Seenotrettung der Deutschen Marine im Mittelmeer wird sofort genutzt, um eine Grundsatzdebatte über Migration und die europäische Reaktion darauf zu führen.
Ich hatte ausdrücklich darum gebeten, dieses Blog mit dieser Debatte nicht zu überfrachten, und werde weitere Kommentare dieser Art nicht freischalten. Dafür gibt’s genügend andere Foren in den Weiten des Internet. Danke.
Das einfachste wäre doch, wenn jedes Land der EU ein Schiff abstellt zur Rettung. Wer dann die Flüchtlinge rettet, nimmt sie dann auf, Anlaufstelle erstmal Italien. Dann weiter in die jeweiligen Staaten. Schichtwechselplan erstellen, damit jede Nation auch mal die höher frequentierten Routen hat.
Was dann unter keinen Umständen passieren darf, ist, dass sich die Nationen dann um die Verantwortung drücken.
Die jetzige Regelung geht doch sehr zu Lasten von Italien, oder habe ich etwas falsch verstanden?
Gibt es eine Aufstellung des Zuständigen Kommandos wieviele Schiffe für die Seenotrettung im Mittelmeer abgestellt und vorgehalten werden?
Wie darf man sich das operationelle Vorgehen als nichtmarinierter vorstellen? Gibt das italienische Kommando an die einzelnen Beteiligten Schiffe Sektoren aus die zu patroullieren sind oder werden Verbände gebildet die autonom einen zugewiesenen Abschnitt des Mittelmeers überwachen?
Cheers
Flip
Da die Not groß ist und man den Menschen helfen muss, wird sich sehr bald die Frage nach Ablösung der Schiffe stellen………… und eher die grundsätzliche, ob man da wirklich in erster Linie Marineschiffe, die für andere Aufgaben optimiert sind, einsetzen will?! Hier wäre doch ein gutes Thema, das man outsourcen könnte.
Die deutsche Marine ist im Mittelmeer einem in Seenot geratenen Flüchtlingsboot zu Hilfe geeilt. Das teilte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums mit. Demnach habe die Fregatte „Hessen“ am Freitagmittag mit der Evakuierung eines Holzbootes begonnen, auf dem sich rund 200 Menschen befinden sollen.
seit kurzem bei Spiegel online.
So schnell kanns ja dann gehen, aber gut das alles geregelt ist ;)
Ex HG jetzt Student:
GB hat bisher keinen reingelassen.
Mr Cameron hat gestern die Wahl anscheinend mit absoluter Mehrheit gewonnen. Warum sollte er bzw. das UK seine Einstellung ändern ?
@ T. Wiegold, wird gemacht, nichts mehr zu Migration, an diese Stelle.
Ok. Dann versuch ich mal zu entfrachten:
– Wie lange bleiben die Schiffe da?
– Welche anderen ursprünglich geplanten Missionen der Marine haben deshalb das nachsehen?
– Wie sieht das mit dem Personalwechsel der Besatzungen aus?
– Wann müssen die Schiffe wieder zurück zwecks Wartung/Inspektion?
– Wie viele Personen können die Schiffe aufnehmen?
– Wie oft müssen die Schiffe aus hygienischen/medizinischen Gründen grundgereinigt/desinfiziert werden?
– Nach wieviel Monaten müssen deshalb die Schiffe grundüberholt werden?
– Hat dies einen langfristigen Einfluss auf die Einsatzbereitschaft unserer Marine?
– Gibt es sensitive Bereiche an Bord, die nicht genutzt werden dürfen?
Auf die Gefahr hin, dass es zu den Punkten schon Antworten gab/gibt frage ich einfach mal ins Forum.
P.S.: @Blue Lagoon: Die Nationalisten Schottland haben ebenfalls gewonnen!
Man sollte schleunigst dem Australischen Weg einschlagen….
Boote abfangen; Flüchtlinge aus Seenot retten und dann in den Nordafrikanischen Staaten wieder an Land geben.
Diese Länder müssen natürlich tatkräftig mit Material und allem voran Entwicklungshilfe in Cash unterstützt werden um die geretteten dann auch versorgen zu können bis das dortige Asyl / Abschiebe verfahren abgeschlossen ist.
Parallel muss die EU Ausbildungshilfe für die Marie und Küstenwach Kräfte der der Nordafrikanischen Staaten leisten und es sollten Entwickungspolitsche Maßnahmen in den Herkunftsländern verstärkt werden.
Dann und nur dann wird das Mittelmeer in 18 Monaten nicht mehr ein einziges Massengrab sein.
So wie es sinngemäß vor dem arabischen Frühling war.
Oder liege ich da falsch?
@BlueLagoon:
Tja…die Briten. In der EU nicht sein wollen, aber alle Vorteile kassieren.
Zum Glück kommt bei den Briten das EU-Referendum! Oder die EU muss sich mal festlegen, ob man sie trotz aller Widrigkeiten drin haben will oder nicht.
Die Briten verlassen sich sehr stark darauf, dass sie für immer und ewig das „Ewige Weltreich“ sein werden. Sie denken meiner Meinung nicht darüber nach, was die Zukunft bringen wird, bzw haben Angst vor dem Wandel und schotten sich lieber ab und sterben dann irgendwann mal aus.
Meine erweiterte Meinung dazu ist aber eher Off-Topic. Lassen wir das.
Nationalisten Schottland waren für nen eigenen Staat? Und Schottland will schon ewig in die EU komplett rein? Hab ich das richtig im Kopf?
Also: Großbritannien raus, Schottland rein. Soweit so gut.
Zum Thema zurück:
Es geht doch im Kern darum Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Menschen die hoffen, ein besseres Leben zu führen, als dort, wo sie herkommen. Alles andere soll danach kommen – siehe Maslow’sche Bedürfnisspyramide.
Und es wäre auch sehr dämlich jedes Marineschiff sobald Flüchtlinge an Bord sind, in die Heimat tuckern zu lassen – also zentral sammeln und dann aufteilen. Dazu sollte jede Nation auch stehen. Wenn die Briten niemanden aufnehmen wollen, Pech gehabt wir nehmen Vielfalt gerne auf (hoffe ich doch mal).
Mit Ausblick auf unsere Europäische Zukunft und vergangener Muster in der Völkerwanderung sollten wir jeden, der bei uns wohnen und arbeiten will, schleunigst willkommen heißen und integrieren – doch wie gesagt, alles der Reihe nach, erst retten, dann regeln.
„Was dann unter keinen Umständen passieren darf, ist, dass sich die Nationen dann um die Verantwortung drücken.Die jetzige Regelung geht doch sehr zu Lasten von Italien, oder habe ich etwas falsch verstanden?“
Da sehe ich genau das Problem. Während andere Länder ohne Aussengrenzen sich bequem einigeln, bleibt Italien auf den Flüchtlingen und den Kosten sitzen. Obendrein dann noch die prekäre Wirtschaftlage. Hier muss EU weit Aufnahmequoten geben, und wer nicht aufnimmt, der zahlt eben. Mit dem Geld könnte man auch dem Libanon, Jordanien und der Türkei helfen, die über die Maßen Flüchtlinge aufgenommen haben, so dass wenigstens die Menschen aus dem Nahen Osten, eine Möglichkeit haben in der Region zu bleiben.
@CRM-Moderator:
Einen Teil dieser Fragen habe ich auch schon gestellt, bisher ebenfalls ohne Antwort.
Wie lange die Schiffe da bleiben, wurde öffentlich noch nicht kommuniziert. Fraglich auch, ob sie länger als die geplante EAV-Zeit zur Verfügung stünden.
Zumindest die Berlin hat schon einen Anschlussauftrag.
Solange die Schiffe im geplanten Zeitraum des EAV bleiben, wird wohl nichts weiteres ausfallen bis auf die Hafenaufenthalte, u.a. in Israel zu den Feierlichkeiten der dt-isr. Freundschaft (Quelle: marine.de)
Personalwechsel war nicht vorgesehen. Sofern die Schiffe wie geplant zurück nach Wilhelmshaven fahren wird das auch nicht stattfinden, die EGV zum Beispiel fahren noch kein Mehrbesatzungskonzept. Man könnte also gar nicht tauschen. Wie das bei den F124 aussieht weiß ich nicht.
Zur Aufnahme der Personen: Da bis auf die Flugdecks und vielleicht einige Lagerräume an Bord des Versorgers für die Flüchtlinge gesperrt bleiben dürften, können die Kriegsschiffe(sic!) gar nicht so viele Personen aufnehmen, verglichen mit ihrer eigentlichen Größe.
Der EGV hat natürlich an Deck noch etwas mehr Platz als die Fregatte.
Desinfektion: Schaut man sich die Anzüge der beteiligten Personen an (Videos der Marine) an, Einmalanzüge, Atemschutz, wird wohl sehr regelmässig desinfiziert und vor allem der Zugang der Personen im Schiff stark eingeschränkt.
Überholung in der Werft: Beide Schiffe dürften nicht unbegrenzt lange zur Verfügung stehen. Die Marine hat etliche Verpflichtungen, so dass zumindest diese beiden Schiffe wahrscheinlich eher kurzfristig abgelöst werden müssen.
Langfristiger Einfluss auf die Marine: Wie lange soll dieser Einsatz denn gehen? Den ganzen Sommer, also die Saison? Oder bis auf weiteres? Dann kann man diese Frage erst beantworten. Solange sich die Politik dazu nicht äußert, wird die Marine zwar einen Plan haben, diesen aber nicht kommunizieren.
Sensitive Bereiche: s.o.
Flüchtlinge werden sich sicherlich nicht uneingeschränkt an Bord bewegen. Es wurden Sanitäreinrichtungen an Deck geschaffen (Dixi-Klos und Duschen hinter Vorhängen), Planen wurden über dem Flugdeck gespannt, das dürfte diese Frage ausreichend beantworten.