Die G36-Story: Jetzt mit MAD (genauer: doch nicht) – mit Nachtrag
Die Geschichte um die Präzisionsprobleme des Sturmgewehrs G36 ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr allein die Geschichte um die Präzisionsprobleme des G36. Die zu Grunde liegenden technischen Fragen werden spätestens seit der eindeutigen Positionierung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Ende März von der politischen Debatte überschattet: Wer wusste von technischen Problemen, seit wann, und wer hat wann warum nichts unternommen.
Seit dem (gestrigen) Mittwoch ist diese politische Debatte, bei der auch unverändert die Möglichkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Raum steht, um eine Variante reicher: Die G36-Herstellerfirma Heckler&Koch und Teile des Verteidigungsministeriums hätten versucht, so berichten übereinstimmend Spiegel Online und die Süddeutsche Zeitung, mit Hilfe des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) die kritische Berichterstattung über die Waffe zu unterbinden.
Bei Spiegel Online heißt es dazu:
Geheimen Akten zufolge versuchten führende Beamte des Verteidigungsministeriums Ende 2013 in enger Absprache mit dem Hersteller Heckler & Koch, die kritische Berichterstattung über das Gewehr mit allen Mitteln abzuwürgen. So sollte der Militärische Abschirmdienst (MAD) gegen kritische Journalisten und deren „unwahre Medienkampagne“ tätig werden. (…)
Dazu sollte der MAD die Quellen für die Berichte finden und auch die Journalisten ausspähen. (…) Zunächst wurde die Geschäftsführung von Heckler & Koch am 20. November 2013 beim MAD-Präsidenten Ulrich Birkenheier vorstellig, nur sechs Tage später drängte der Vize-Chef der Abteilung AIN auf geheimdienstliche Ermittlungen. Kurz darauf, am 6. Dezember, schrieb AIN-Chef Detlef Selhausen persönlich an den MAD-Präsidenten und warb noch einmal für eine verdeckte Operation der Geheimen gegen die Presse.
Und die Süddeutsche Zeitung* berichtet:
Die „laufende mediale Thematisierung des G36“, heißt es in dem Dokument unter der Zwischenüberschrift „Einschaltung Militärischer Abschirmdienst“, sei „Teil einer gesteuerten Kampagne gegen den Hersteller Heckler & Koch und gegen die Bundeswehr“. Am 20. November 2013, so das Dokument, hätten „die Geschäftsführer des Unternehmens“ (also von Heckler & Koch) den damaligen Präsidenten des MAD besucht – „mit dem Petitum des Tätigwerdens“. Dies sei wegen der „systemischen Bedeutung“ der Firma für die Bundeswehr geschehen, außerdem wegen „der bereits jahrelangen negativen und in Teilen falschen Medienberichterstattung“ sowie „der Bestrebungen, das Unternehmen von dritter Seite zu übernehmen“.
Nun liegt mir, leider, diese Unterlage selbst nicht vor; deswegen kann ich aus eigener Kenntnis nicht sagen, ob mit einer angestrebten Einschaltung des MAD auch Journalisten überwacht werden sollten (was rechtswidrig wäre) oder das gewünschte nachrichtendienstliche Vorgehen allein auf Informationsquellen innerhalb des Verteidigungsministeriums und seiner nachgeordneten Behörden zielte. Nachtrag unten: Jetzt habe ich mal reingeschaut.
Damit kein Missverständnis aufkommt: Wenn Journalisten Unterlagen aus einem Ministerium erhalten, hat das betroffene Ministerium sicherlich das Recht zu klären, wer das war – auch wenn ich das als Journalist politisch nicht für gerechtfertigt halte. Doch das ist eine politische, keine rechtliche Frage.
Aber unabhängig von dieser Frage fällt auf, dass das Ziel einer MAD-Einschaltung offensichtlich nicht eine möglicherweise pflichtwidrige Weitergabe von Informationen sein sollte, sondern die als negativ empfunde Berichterstattung in den Medien. Mit anderen Worten: Gewünscht war anscheinend nicht, dass der Geheimdienst in erster Linie ein mögliches Leck in den eigenen Reihen stopfen sollte. Gewünscht war, dass der Geheimdienst eine Berichterstattung stoppen sollte, die dem Unternehmen und Teilen des Ministeriums nicht passte – selbst wenn das rein formal auf die Übprüfung der Wissenden im eigenen Haus begrenzt werden sollte.
Das scheint auch die Ansicht des Ministeriums zu sein, wie aus dessen Pressemitteilung vom (heutigen) Donnerstag hervorgeht:
Die Bundesverteidigungsministerin nimmt Stellung zur Berichterstattung, im BMVg habe es im Jahr 2013 Unterstützung für eine Heckler & Koch Initiative zu MAD-Ermittlungen gegen Behördenmitarbeiter gegeben, die vertrauliche Dokumente an Journalisten weitergegeben haben sollen.
Ursula von der Leyen: „Dass Heckler & Koch sich im Jahr 2013 an den MAD gewandt hat, ist schon sehr befremdlich. Was aber völlig inakzeptabel ist, ist, dass sich der damalige Abteilungsleiter Rüstung mit einem Brief an den MAD vom 6. Dezember 2013 diese Initiative zu eigen gemacht hat.
Völlig zu Recht hat der MAD-Präsident dieses absurde Ansinnen noch im Jahr 2013 abgelehnt. Der Abteilungsleiter ist inzwischen seines Postens enthoben. Dass es aber überhaupt zu einem solchen Vorgang kommen konnte, muss weiter aufgearbeitet werden. Dazu gehört auch die Frage, wie die Informationen über diese Vorkommnisse in meinem Büro gehandhabt wurden. Wenn sich dabei herausstellt, dass weitere strukturelle und personelle Konsequenzen notwendig sind, werden diese gezogen. Ich habe großes Interesse daran, dass der gesamte Sachverhalt rund um das G36 aufgeklärt wird. Deswegen habe ich bereits zwei Kommissionen unter unabhängiger Führung eingerichtet und viele Tausend Seiten Akten an das Parlament übersandt. Wenn sich das Parlament sich dieser Angelegenheit im Rahmen eines Untersuchungsausschusses annehmen möchte, ist dies sein gutes Recht.“
Auffällig an dieser Erklärung: Im einleitenden Satz wird die bisherige Berichterstattung fälschlich mit der Einschätzung wiedergegeben, im BMVg habe es im Jahr 2013 Unterstützung für eine Heckler & Koch Initiative zu MAD-Ermittlungen gegen Behördenmitarbeiter gegeben, die vertrauliche Dokumente an Journalisten weitergegeben haben sollen. Nein, genau das stand nicht in den Berichten – siehe oben. Da weiß das Ministerium entweder mehr oder will genau das in seinem Sinne interpretiert wissen.
Auffällig ist aber auch: Eine Initiative von Heckler&Koch – und die Unterstützung dafür durch den damaligen Abteilungsleiter Detlef Selhausen – verurteilt die Ministerin ziemlich scharf. Nun kann man mit Recht erwarten, dass es eine solche öffentliche Verurteilung nicht geben würde, wenn sich der damalige Vorgang in völliger Übereinstimmung mit rechtlichen Vorschriften abgespielt hätte. (Dass Selhausen seines damaligen Postens enthoben wurde, und zwar aus ganz anderen Gründen, sollte an dieser Stelle vielleicht noch erwähnt werden.)
Inzwischen meldete sich auch Heckler&Koch zu diesem Thema; die Pressemitteilung im Wortlaut:
Presseinformation 7. Mai 2015
Stellungnahme von Heckler & Koch zu aktueller Berichterstattung
Als Geschäftsführung von Heckler & Koch stellen wir folgende Punkte fest:
• Heckler & Koch verwehrt sich gegen Berichte, in denen behauptet wird, wir hätten auf eine aktive Ausspähung von Journalisten durch den militärischen Abschirmdienst (MAD) gedrungen. Heckler & Koch hat zu keinem Zeitpunkt die Ausspähung von Journalisten gefordert oder forciert.
• Weiterhin haben wir keine gemeinsame Operation mit dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) initiiert, mit der eine Berichterstattung über das Sturmgewehr G36 unterbunden werden sollte. Entsprechend geäußerte Vorwürfe weisen wir entschieden zurück.
Darüber hätte ich gerne mit der Geschäftsführung von Heckler&Koch gesprochen.Weil es da ja einen direkten Widerspruch zwischen den Aussagen der Ministerin und den Aussagen der Firma gibt. Im Prinzip wollte das Unternehmen heute auch mit Journalisten ins Gespräch kommen, wie ich einem Tweet des ARD-Kollegen Oliver Meyer-Rüth entnehme:
ARD filmt exklusiv bei #G36 Hersteller Heckler und Koch. 15 Jahre hat Rüstungsschmiede kein TV Team reingelassen. pic.twitter.com/e7Vr3wtSo8
— oliver mayer-rüth (@oliverreporter) May 7, 2015
Nun weiß ich inzwischen, dass Heckler&Koch nicht nur die ARD eingeladen hat, sondern auch noch paar andere Kollegen – man wolle, so hieß es wohl in der Einladung, einen größtmöglichen Medienmix zusammenbekommen. Leider passte Augen geradeaus! in diesen größtmöglichen Medienmix offensichtlich nicht rein; auch wenn sich das Unternehmen für seine Pressemitteilungen gerne mal hier bedient.
Nachtrag: Da hier von einigen sowohl Spiegel Online und der Süddeutschen Zeitung als auch mir Spekulation im Hinblick auf die Einschaltung des MAD vorgeworfen wird, zur genaueren Einordnung die Fundstellen:
• Aus der Vorlage der BMVg-Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung (AIN) Genese Gewehr G36 vom 13. März 2014 an die Verteidigungsministerin:
Mediale Berichterstattung
Das mediale Interesse war im gesamten Verlauf der Untersuchungen zum G36 ungebrochen hoch. Die öffentliche Meinungsbildung und Berichterstattung wurde offensichtlich durch mehrere Journalisten gesteuert. Grundlage dieser Berichterstattung waren auch interne, teil [sic] als VS-NfD eingestufte Dokumente der Bundeswehr.
Seit 2013 berichtet vornehmlich ein klar erkennbarer Kreis deutscher Medien mit wiederkehrender Regelmäßigkeit über Heckler & Koch, nämlich „Die Zeit“, „Der Spiegel“, „tageszeitung“ und „Bild am Sonntag“.
Seit Mai 2013 richtet sich die mediale Kritik nicht mehr gegen Heckler & Koch alleine, sondern auch gegen das Bundesministerium der Verteidigung und dessen Beschaffungspraktiken.
Auffällig ist, dass der Verlauf der medialen Berichterstattung mit wesentlichen Aktivitäten der Bundeswehr und der internen Untersuchungen zum Gewehr G36 korrespondiert. (…)
Insbesondere nach der Reportage der ARD (SWR) am 17. September 2013 „Der Minister und das Gewehr“ war eindeutig erkennbar, dass die laufende mediale Thematisierung des G36 Teil einer gesteuerten Kampagne gegen den Hersteller Heckler & Koch und gegen die Bundeswehr ist.(…)
Einschaltung militärischer Abschirmdienst
Auf Grund der systemischen Bedeutung des Herstellers des Gewehrs G36 für die Bundeswehr, der bereits jahrelangen negativen und in Teilen falschen Medienberichterstatttung über das Unternehmen Heckler & Koch als Hersteller des Gewehrs G36 sowie der Bestrebungen das Unternehmen von dritter Seite zu übernehmen, haben am 20. November 2013 die Geschäftsführer des Unternehmens den Präsidenten des militärischen Abschirmdienstes (MAD) mit dem Petitum des Tätigkwerdens [sic] des MAD besucht. In einem Telefonat am 26. November 2013 hat der Stellvertretende Abteilungsleiter AIN und mit Schreiben vom 6. Dezember 2013 hat der Abteilungsleiter AIN ebenfalls ein Tätigwerden des MAD befürwortet. In dem Schreiben sind die sicherheitsrelevanten Gründe für die Zuständigkeit des MAD in dieser Angelegenheit aufgezeigt worden. Gleichwohl hat der Präsident mit Schreiben vom 23. Dezember 2013 gegenüber dem Abteilungsleiter AIN eine Bearbeitungszuständigkeit des MAD verneint.
• Dazu passend auch ein Absatz aus dem genannten Schreiben des damaligen Abteilungsleiters AIN, Detlef Selhausen, an den MAD:
Jedenfalls führt die seit Jahren laufende – offenkundig gezielte – Berichterstattung in den Medien über die schlechte Trefferwirkung der Handwaffen, insbesondere des Herstellers Heckler & Koch, und deren mangelnde Tauglichkeit in den Einsätzen zu Auswirkungen in der Truppe. Hierdurch wird das Vertrauen der Soldatinnen und Soldaten in ihre Schießfähigkeiten und die Qualität der Waffen stetig geschwächt.
Also: Wenn Journalisten kritisch über ein Unternehmen und – von der Bundeswehr selbst thematisierte – Probleme bei einem System berichten, ist das eine gesteuerte Kampagne? Kritik an der Beschaffungspraxis des Verteidigungsministeriums erfordert nachrichtendienstliche Behandlung? Negative und in Teilen falsche Medienberichterstattung ist ein Fall für den Geheimdienst? Berichte von Journalisten über die schlechte Trefferwirkung (die ja inzwischen von der Ministerin selbst bestätigt wurde) führen zu mangelndem Vertrauen der Soldaten in ihre Ausrüstung – und da soll ein Nachrichtendienst Abhilfe schaffen?
Mal eine Bitte an die, die weiterhin behaupten, eine Befassung des MAD hätte nur dazu dienen sollen, Ermittlungen gegen Behördenmitarbeiter zu führen: Das kann man nach diesen Formulierungen nicht wirklich so sagen.
Nachtrag 2: Aus der Bundespressekonferenz vom Freitag – der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff:
Zu diesem Audio gibt’s auch das Video – mit diesem Link startet es genau an der richtigen Stelle.
Und noch ein Nachtrag: Der Vollständigkeit halber auch das Transkript von Audio/Video der Bundespressekonferenz zu diesem Thema:
Frage : Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium. Heckler & Koch bestreitet, in irgendeiner Weise gefordert zu haben, dass der MAD gegen Journalisten vorgeht oder das überhaupt initiiert zu haben. Deswegen meine Frage an Sie: Deckt sich das mit Ihren Erkenntnissen?
Flosdorff: Das deckt sich zumindest nicht mit den schriftlichen Unterlagen, die dem Verteidigungsministerium vorliegen.
Zusatzfrage : Welche Konsequenzen hat denn dieser aktuelle Vorgang auf die Geschäftsbeziehungen zwischen Verteidigungsministerium und Heckler & Koch?
Flosdorff: Die Ministerin hat sich gestern schon einmal dazu geäußert und hat den Vorgang, dass Heckler & Koch sich nach den uns vorliegenden Unterlagen im Jahr 2013 an den MAD gewandt hat, schon als sehr befremdlich bewertet und als inakzeptabel nicht nur in Richtung Heckler & Koch bezeichnet, sondern insbesondere als völlig inakzeptabel, dass sich ein Abteilungsleiter Rüstung, der heute nicht auf seinem Posten ist, mit einem Brief an den MAD von Anfang Dezember 2013 auch noch diese Initiative unter Eid zu Eigen gemacht und das unterstützt hat. Sie hat auch noch einmal bewertet, dass der MAD-Präsident dieses absurde Ansinnen noch im Jahr 2013, also wenige Tage danach, abgelehnt hat.
Das hat die Konsequenz, dass das intern bei uns sicherlich noch weiter aufgearbeitet werden muss, wie es überhaupt zu so einem Vorgang kommen konnte. Die Ministerin hat ausdrücklich erwähnt, dass es noch weitere strukturelle und personelle Konsequenzen geben kann, wenn der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist. Stand heute kann ich Ihnen sagen, dass es sicher personelle Konsequenzen geben wird.
Zusatzfrage : Meine Frage zielte auf die Geschäftsbedingungen. Kann man mit einem Unternehmen, das sich befremdlich aufführt und absurde Ansinnen stellt, eigentlich vertrauensvoll zusammenarbeiten, und zwar gerade dann, wenn es darum geht, ein Nachfolgemodell für das G36 zu beschaffen, das ja nun auch entwickelt werden soll?
Flosdorff: Das G36 ist das Standardgewehr der Bundeswehr. An dieser Stelle ist auch einige Male schon erwähnt worden, dass das auch Bestandteil eines ganzen Systems rund um dieses Gewehr ist. Das heißt, wenn man sich von dieser Waffe verabschieden möchte, geht das nicht von heute auf morgen, sondern dann geht das Schritt für Schritt. Es gibt nicht an der nächsten Ecke eine neue Standardwaffe der Bundeswehr zu kaufen, die innerhalb von kurzer Zeit zur Verfügung stehen würde. Das heißt, es gibt selbstverständlich Gespräche mit dem Hersteller darüber – das ist auch schon ein paar Mal Thema gewesen -, ob man konstruktive Änderungen an diesem Gewehr vornehmen kann. Auf der anderen Seite wird parallel geprüft, ob es eventuell auch andere Hersteller und andere Waffen gibt, die diese vielfachen Anforderungen an eine Standardwaffe der Bundeswehr erfüllen.
Ein Vorgang wie dieser hier ist sicherlich nicht dazu geeignet, ein grundsätzliches Vertrauen im Rahmen der Zusammenarbeit zu stärken. Ich möchte jetzt wirklich nicht nur mit dem Finger in eine Richtung weisen, sondern hier weist ganz eindeutig der Finger auch in das eigene Haus, in den eigenen Apparat. Das ist aus unserer Sicht das maßgebliche Feld, in dem wir jetzt Aufklärung betreiben. Aber selbstverständlich ist das kein günstiger Rahmenzusammenhang für eine Zusammenarbeit zwischen einem Ministerium der Bundesregierung beziehungsweise der Bundeswehr und einem Hersteller.
Frage: Herr Flosdorff, zum gleichen Thema, also Abläufe bei Ihnen im Haus. Dieser Vermerk, der den Sachverhalt einmal sehr knapp beschreibt, aber dann doch in den Details eigentlich recht eindeutig ist, lag ja im März zumindest dem Büro der Ministerin vor. Noch einmal die ganz klare Nachfrage: Habe ich es richtig verstanden, dass die Ministerin selber diesen Vermerk nicht gelesen hat und auch nicht den Inhalt zur Kenntnis bekommen hat?
Flosdorff: Das haben Sie richtig verstanden, er ist der Ministerin damals nicht vorgelegt worden und sie ist auch nicht mündlich darüber informiert worden. Ein Mitarbeiter im Ministerbüro hat den vom damals noch im Amt befindlichen Staatssekretär Beemelmans in Auftrag gegebenen Vermerk Ende März entgegengenommen und nach einer kursorischen Prüfung mit „der Vermerk lag vor“ und seiner Paraphe in die Registratur zurückverfügt.
Zusatzfrage: Weil Sie die Abläufe bei sich im Haus ansprechen: Wenn man sich jetzt das Papier anguckt, sieht man ja, dass sehr viele Paraphen darauf sind – vom aktuellen Abteilungsleiter der Rüstungsabteilung, von dem Stellvertreter, möglicherweise auch – das wird nicht ganz klar – auch vom Generalinspekteur. Was sagt Ihnen das eigentlich über die Abläufe im eigenen Haus, wenn so ein Papier mit so einem – wie die Aussagen der Ministerin gestern, glaube ich, klar gemacht haben – doch brisanten Inhalt so viele Leute gesehen haben, aber niemand dann einmal sagt: Frau von der Leyen, da ist etwas, was irgendwie nicht ganz sauber oder nicht ganz koscher ist? Ganz anders gefragt: Hätten nicht diese leitenden Mitarbeiter sofort ein Warnsignal setzen müssen, unabhängig von dem Mitarbeiter in dem Büro der Ministerin?
Flosdorff: Das ist sicherlich kein glücklicher Vorgang, aber ich muss Sie an einer Stelle korrigieren: Der aktuelle Abteilungsleiter Rüstung ist erst im Sommer ins Amt gekommen, dessen Paraphe findet sich darauf nicht. Vielmehr ist darauf die Paraphe des damaligen stellvertretenden Abteilungsleiters Rüstung, der im Sommer in Pension gegangen ist, zu finden. Es gab da auch eine Vakanz, es gab nämlich keinen Staatssekretär Rüstung in der Zeit; das wurde in der Zeit kommissarisch miterledigt durch den Generalinspekteur. Da hat die Paraphe eines Referenten dessen Büros vorgelegen, das heißt also, in diesem Strang hat sich niemand fachlich intensiv dazwischengeschaltet. Das war sicherlich eine besondere Situation. Sie alle erinnern sich: Aus dem Rüstungsboard hatte sich im Februar für die Ministerin ergeben, dass sie diese ganzen Vorlagen nicht zeichnen kann. Vielmehr hat sie im Prinzip grundsätzlich dem gesamten Rüstungsmanagement, wie es vorher gelaufen ist, ihr Misstrauen ausgesprochen. Danach hatte der zuständige Staatssekretär um seine Entlassung gebeten, und gleichzeitig ist auch der damalige Abteilungsleiter Rüstung, der vieles in diesem Bereich lange Zeit verantwortet hat, von seinem Posten enthoben worden.
Zusatzfrage: Ich muss noch einmal nachfragen, da meine Frage irgendwie nicht beantwortet wurde: Was sagt Ihnen das über die Abläufe damals? Ist da auch noch etwas falsch gelaufen, sodass über ein solches Dokument auch von den anderen Mitarbeitern, die das gelesen haben, nicht irgendein Warnsignal an die Ministerin gegeben wurde?
Flosdorff: Diese Auffassung mag man vertreten. Ich habe Ihnen eben ja auch gesagt, dass wir uns im Moment in einer internen Analyse befinden und der Vorgang für uns auch noch nicht komplett aufgearbeitet ist. Wir schauen uns nicht nur an, wer damals den Vermerk verfasst hat oder wer ihn vielleicht nicht oder nicht genau gelesen hat, sondern es geht auch um einen Blick nach vorne: Was muss in der gesamten Kette verbessert und verändert werden, welche weiteren personellen und strukturellen Veränderungen brauchen wir, damit sich solche Vorgänge nicht wiederholen und man mehr Sicherheit bekommt? Zu diesem Zweck hat die Ministerin – das kann ich Ihnen an dieser Stelle auch noch sagen – in dieser Woche dem Staatssekretär den Auftrag erteilt, eine Prüfgruppe einzurichten, die die damals beteiligten Personen noch einmal befragt, weitere Unterlagen sichtet, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, und diese noch einmal aufklärt. Dabei soll auch noch einmal geschaut werden, was die unterschiedlichen fach- und dienstaufsichtlichen Prüfungen, von denen ja die Rede ist, ergeben haben und was damals alles noch in dem ganzen Zusammenhang gelaufen ist, heute aber vielleicht noch nicht aktenkundig im Ministerium vorliegt. Darüber hinaus soll dabei auch noch einmal geprüft werden, ob in diesem Bereich alle Korruptionspräventionsvorschriften beachtet worden sind, die da zu beachten sind.
Frage : Herr Flosdorff, weiß man in Ihrem Haus schon, ob das ein einmaliger Sachverhalt ist?
Flosdorff: Können Sie die Frage noch spezifischer stellen? Sie beziehen sich jetzt speziell auf das Ansinnen der Firma Heckler & Koch, den MAD mit Prüfungen zu beauftragen, was dann durch den Abteilungsleiter unterstützt wurde?
Zusatz : Ja.
Flosdorff: Nach jetzigem Stand ist nicht bekannt, dass es weitere Vorstöße der Firma gegeben hat, die durch diesen Abteilungsleiter dann flankiert worden sind.
Zusatzfrage : Aber Sie können es auch nicht ausschließen?
Flosdorff: Die Unterlagen – ich habe es gerade eben gesagt – werden gesichtet, wir suchen nach weiteren Dokumenten und befragen die beteiligten Personen. Dann wird man den Sachverhalt weiter aufklären und wird die notwendigen personellen und strukturellen Konsequenzen ziehen.
Zusatzfrage : Frau Wirtz, hat die Bundeskanzlerin jetzt auch im Verteidigungsministerium organisatorische Defizite festgestellt?
SRS’in Wirtz: Es ist ja so, dass die Ministerin, wie wir gerade auch von Herrn Flosdorff gehört haben, zum einen Hausherrin, also Chefin dieser Behörde ist, und insofern auch die Aufklärung der Vorgänge, die es dort gibt, die möglicherweise defizitär sind, übernimmt. Ich glaube, Herr Flosdorff hat gerade ausgeführt, dass das Ministerium und die Ministerin alles tun, um diese Vorgänge gewissenhaft aufzuklären und diese Defizite abzustellen. Insofern ist das da in guten Händen.
Frage : Inwiefern sind möglicherweise die zwei Kommissionen, die die Ministerin jetzt eingesetzt hat, durch den absehbaren Untersuchungsausschuss überflüssig geworden? Es wären dann ja schon drei Gremien, die das untersuchen. Man könnte ja auch sagen, dass man Doppelarbeit vermeiden will.
Flosdorff: Es gibt immer unterschiedliche Beteiligte. Ich weiß nicht, ob Sie schon Bescheid wissen, ob es einen Untersuchungsausschuss geben wird und wie der genaue Auftrag für ihn lauten wird. Die Ministerin hat ja bereits sehr früh zwei Kommissionen unter unabhängiger Führung eingerichtet, die die Historie des G36 aufarbeiten sollen, und zwar explizit auch im eigenen Behördenapparat. Das heißt, diese Kommissionen sollen auch die Organisation unter die Lupe nehmen und schauen: Was ist da schiefgelaufen, wie konnte das über so lange Zeit im Ungefähren bleiben und wie konnten dort offensichtlich solche Vorgänge rund um das Thema G36 entstehen, wie wir sie heute diskutieren? Darüber hinaus gibt es erstens den sehr speziellen Auftrag an die Nachtwei-Kommission, Einsatzgefechte noch einmal dahin gehend zu untersuchen, ob die jetzt durch die Gutachten festgestellten Defizite dazu geführt haben können, dass Soldatinnen und Soldaten vielleicht zu Schaden gekommen sind. Das ist ein sehr spezieller Untersuchungsauftrag. Bei dem anderen Auftrag geht es um die Organisation.
Was jetzt der genaue Auftrag eines Untersuchungsausschusses sein wird, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Ministerin sehr großes Interesse daran hat, dass die gesamten Sachverhalte rund um das Gewehr umfassend aufgeklärt werden. Das ist auch der Hintergrund dafür, dass wir jetzt über einen Vermerk über einen Vorgang reden, der einem umfangreichen Paket von mehreren tausend Seiten Akten entstammt, die Anfang der Woche durch das Ministerium an das Parlament übergeben worden sind. Das spricht ja schon dafür, dass es erstens einen deutlichen Aufklärungswillen von unserer Seite gibt und dass man zweitens dieses Feld umfassend und von vielen Seiten her aufklären kann.
Zusatzfrage : Obwohl es bereits diese beiden Kommissionen gibt – oder zumindest die, die sich mit der Frage beschäftigen soll, was organisatorisch schiefgelaufen ist -, ist es also egal, ob der Untersuchungsausschuss jetzt kommt oder nicht? So verstehe ich Sie jedenfalls.
Flosdorff: Unabhängig davon, ob sich im parlamentarischen Raum der Wunsch ergibt, sozusagen selbst noch einmal aufzuklären, sich die Dinge selbst vorzunehmen, selbst Personen zu befragen – was das gute Recht der Parlamentarier ist -, und unabhängig davon, wie es im parlamentarischen Raum weiter läuft, gilt, dass wir, also das Ministerium und die Ministerin, wissen wollen: Was ist in unserem Bereich schiefgelaufen und welche Folgen hat das eventuell gehabt? Dabei wollen wir auch in die Tiefe gehen, und zwar so weit, wie es notwendig ist, um herauszufinden: Erstens: Was ist in der Vergangenheit geschehen? Zweitens: Welche Wirkungen hat das bis heute? Drittens: Welche personellen und strukturellen Veränderungen müssen wir vornehmen, damit solche Vorgänge nicht mehr vorkommen oder vielleicht auch gar kein Klima mehr besteht, in dem jemand auf die Idee kommen kann, solche Initiativen zu starten wie diejenige, über die wir gerade diskutieren.
Frage : Herr Flosdorff, könnten Sie einmal kurz erläutern, welche Einstellung das Bundesverteidigungsministerium zur Pressefreiheit hat?
Flosdorff: Die Pressefreiheit ist eins der zentralen Güter unserer Verfassung.
Zusatzfrage : Die Frage war nach Ihrer Einstellung, nicht nach Ihrer juristischen Sicht.
Flosdorff: Ja, und das Verteidigungsministerium steht dahinter.
Zusatzfrage : Was soll das sein?
Flosdorff: Können Sie Ihre Frage ein bisschen spezifizieren?
Zusatzfrage : Ich möchte wissen, wie das Verteidigungsministerium zur Pressefreiheit steht. Es wurde ja angedacht, diese anzugreifen.
Flosdorff: Ich weiß nicht, ob Sie den Vermerk, um den es hier geht, gelesen haben. Der Vermerk ist mit über 25 Seiten ein sehr länglicher Vermerk, und er ist auch nicht so verfasst, wie man sich einen ministeriellen Vermerk vorstellt – ich denke einmal, weder aus der Außen- noch aus der Innensicht. Darin wird berichtet, dass es sozusagen Beschwerden seitens des Herstellers über Berichterstattung gegeben hat. Ich stelle einfach nur fest: Es gibt einen ehemaligen hochrangigen Mitarbeiter im Rüstungsstrang, der das Ansinnen des Herstellers unterstützt hat, der Militärische Abschirmdienst solle sich darum kümmern, dass nicht mehr durch Behördenmitarbeiter Unterlagen an Pressevertreter weitergegeben werden. So lese ich den Vermerk, und ich denke einmal, so können Sie ihn auch lesen. Dies ist vollkommen zu Recht – da gibt es auch kein Vertun – durch den damaligen Präsidenten des MAD abgelehnt worden, und die Führung des Verteidigungsministerium steht vollkommen dahinter.
Frage : Herr Flosdorff, ich will das jetzt gar nicht inhaltlich verbinden, aber es gibt ja eine geradezu skurrile Parallele zwischen der BND-Affäre und den Vorgängen um das G36: In beiden Fällen schlummert sozusagen ein, wie Sie jetzt sagen, heikler Vorgang – die Ministerin hat gesagt, ein inakzeptabler Vorgang – irgendwo in den Akten. Im einen Fall bekommt die Ministerin ihn sogar ins Büro geschickt, und im Falle des BND bleiben die Berichte über Unregelmäßigkeiten irgendwo in den Archiven hängen. Dann kommt sozusagen das Parlament: Beim BND mit dem Untersuchungsausschuss, und in Ihrem Fall bohrt es immer mehr nach, irgendwann werden dann sozusagen die Akten von Ihnen geschickt. Dann wird dieser Vorgang öffentlich und Sie rufen einen Skandal aus – oder zumindest einen Vorgang, der Konsequenzen haben muss. Herr Seibert hat sich hier – das fand ich sehr bemerkenswert – vor einigen Tagen ausdrücklich beim Parlament für die Aufklärungsarbeit bedankt, also dafür, dass die Unregelmäßigkeiten beim BND durch die Aufklärungsarbeit des Ausschusses an die Öffentlichkeit gekommen sind. Sehen Sie das ganz ähnlich, sind also auch Sie dem Parlament dankbar, dass es so eine, ich sage einmal, kleine schlummernde Zeitbombe in Ihren Archiven durch die Aufklärungsarbeit des Verteidigungsausschusses aufgedeckt hat?
Meine zweite Frage: Würden Sie grundsätzlich sagen, dass das, was in diesem Vermerk steht – auch wenn Sie jetzt sagen, der sei ungewöhnlich usw. -, also der Vorgang, dass der MAD aktiv werden sollte, etwas ist, was leitende Mitarbeiter zumindest mündlich oder in einer kurzen Note an die Ministerin hätten weitergeben müssen? Hat das eine solche Relevanz, dass es an die Ministerin gehen müsste?
Flosdorff: Wir sollten hier zwei Dinge nicht vermengen: Das eine ist der Vorgang selber, der sich im Jahr 2013 abgespielt hat, das andere ist der Vermerk, der sicherlich auf der Kette nach oben durch viele gezeichnet worden ist. Diejenigen, die sozusagen in den Kästchen drinstehen, sind sicherlich nicht diejenigen, die normalerweise einen solchen Vermerk zeichnen sollten – was mit einer besonderen Situation zu tun hat, die ich eben auch geschildert habe. Normalerweise sollte man erwarten, dass alle, die auf der Mitzeichnungsleiter stehen, die Vermerke in bestem Wissen und Gewissen pflichtgemäß prüfen, das ist sicherlich richtig.
Andererseits muss man auch aufpassen, dass man die Relationen im Blick behält. Dieser Vermerk, der praktisch noch im Februar in Auftrag gegeben worden ist, ist ein sehr langer Vermerk, und das Thema MAD – der Vermerk ist ja mittlerweile öffentlich und bekannt – steht sicherlich nicht im Zentrum dieses Vermerks; dieses Thema steht eher am Rande, gehört aber zum Beispiel nicht zu den Kernaussagen. Es ist auch eindeutig erkennbar – auch aus diesem Vermerk -, dass das ein abgeschlossener Vorgang ist. Die in dem Vermerk erwähnte Person, der Abteilungsleiter, war zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr im Amt gewesen.
Das mag das aus heutiger Sicht nicht heilen, da bin ich vollkommen auf Ihrer Seite, aber das lässt mich an dieser Stelle auch um Verständnis werben, dass nicht jeder, der sozusagen in der Kette namentlich vorkommt, ein Mitarbeiter ist, der irgendwie unterstützt – das suggeriert die Stimmung ja ein bisschen -, dass der MAD in unzuständigen Bereichen ermittelt. Das ist nicht passiert und das ist sicherlich nicht die Haltung im Verteidigungsministerium generell.
Zusatzfrage GE: Sind Sie dankbar, dass dieser Vorgang durch das Parlament aufgedeckt wurde?
Flosdorff: Alles, was in diesem Bereich zur Aufklärung beiträgt, ist gut. Die Ministerin hatte sich im Parlament auch schon ausdrücklich beim Wehrbeauftragten bedankt, dass er bei diesem Thema nicht lockergelassen hat. Entsprechendes gilt sicherlich auch für viele Parlamentarier – wie auch für den Bundesrechnungshof -, die lange Zeit an diesem Thema drangeblieben sind und auch mit dazu beigetragen haben, dass am Ende durch die letztes Jahr in Auftrag gegebene Gesamtuntersuchung und das Gutachten der Kern der Geschichte – „Ist das G36 fehlerfrei oder gibt es eventuell Schwächen an dem Gewehr?“ – festgestellt wurde. Als die Chronologie für das Parlament aufgestellt wurde, ist dieser Vermerk, der im Jahr 2014 in die Registratur zurückverfügt wurde, dann ja auch zur Kenntnis gelangt. Die ganzen Akten – diese 1850 Seiten – wurden ja übersandt, und man ist natürlich auch noch einmal darangegangen, alle Vermerke zu sichten und zu schauen: Was steht da alles drin? Das ist dann auch der Zeitpunkt – etwa eine Woche oder zehn Tage her -, zu dem auch die jetzige Hausleitung mit diesem Vermerk konfrontiert worden ist.
Zusatzfrage: Genau da muss ich leider noch einmal einhaken. Sie haben das jetzt ja korrekt dargestellt: Der Vermerk ist sozusagen im Rahmen der Aufarbeitung aus der Registratur zurückgeholt worden. Was ich nur nicht verstehe: Irgendjemand bei Ihnen, also die Gruppe, die das macht, muss sich diese Unterlagen, die dann dem Parlament zugegangen sind, auch noch einmal durchgelesen habe. Meine konkrete Frage lautet daher: Warum ist dieser Vorgang bei Ihnen nicht schon intern aufgefallen, bevor die Unterlagen an das Parlament gegangen sind, sondern erst einen Tag, nachdem – Zufall oder nicht – die „Süddeutsche“ oder auch „Spiegel Online“ sehr groß über diesen Vorgang berichtet haben?
Flosdorff: Sie suggerieren ja, dass erst dadurch, dass Abgeordnete sich das durchlesen und das an die Presse geht, Reaktionen ausgelöst wurden. Das möchte ich hier ausdrücklich verneinen. Das Ministerium ist auch selbst in der Lage zu erkennen beziehungsweise festzustellen, dass hier ein bedenklicher Vorgang vorliegt.
Zusatzfrage: Selbst in der Lage, oder ist das vorher identifiziert worden? Das wäre eine Nachricht, wenn Sie das schon vorher als Problem identifiziert hätten.
Flosdorff: Das ist hier eine Bewertungsfrage. Ich bitte auch hier noch einmal, die Relationen einzuhalten. Sie können sehen, dass das ein langer Vermerk ist. Es ist sicherlich ein sehr bedenklicher Vorgang – die Ministerin hat noch stärkere Worte gebraucht, um zu sagen, wie sie das einschätzt und einstuft. Es handelt sich hier aber im Prinzip auch um einen Vorgang, der abgeschlossen war und der praktisch nie irgendwelche tatsächlichen Wirkungen in der Richtung gezeigt hat. Das heißt aber nicht, dass es kein erwähnenswerter Vorgang ist – deswegen ist er ja auch mit den Akten ans Parlament gereicht worden -, und das heißt auch nicht, dass nicht auch schon vorher das Nachdenken darüber eingesetzt hat, welche strukturellen und personellen Konsequenzen eventuell notwendig sein werden.
(Die politische Debatte über einen möglichen Untersuchungsausschuss habe ich hier mal ausgespart, um es nicht zu unübersichtlich zu machen; das wird ggf. ein gesonderter Thread werden müssen.)
*Deutsche Verlagswebseiten werden hier i.d.R. nicht verlinkt; in diesem Fall schien mir eine Ausnahme sinnvoll.
(Foto ©Etienne Rheindahlen)
@ Mediator
Der Vollständigkheit halber muss man noch sagen, dass H & K eine ganze Waffenfabrik (ich meine für das Gewehr G 3 u.a.) nach Mexiko exportiert hat. Den Verbleib der dort hergestellten Waffen kontrolliert keiner mehr.
Dies ist in unserer Industriegeschichte nach 1945 auch keine Ausnahme. Es gab da mal eine kleine deutsche Firma, die indirekt von der Bundesregierung gelenkt wurde, die nichts anderes machte als Waffenfabriken aus Deutschland in die ganze Welt zu exportieren.
@ Mediator
Wenn man jetzt das Thema Waffenexporte hinzuzieht, dann spricht tatsächlich einiges dafür, dass man jetzt eine causa H&K schaffen will. Andererseits denke ich, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nach nunmehr 5 Jahren immer noch nicht abgeschlossen hat, ist es durchaus wert die Sache anzusprechen. Darüber eine Diskussion der Gesetzgebung zu beginnen, geht am Thema in diesem Thread vielleicht vorbei.
Aus meiner Sicht geht es hier weder um die Frage, ob H&K ein fehlerhaftes Produkt geliefert hat oder nicht, noch geht es um die Frage, ob H&K Einfluss nehmen durfte oder nicht. Es geht aus meiner Sicht ausschließlich um die internen Vorgänge im BMVg und welchen Beitrag ggfs Politiker leisteten. Es bleiben drei Punkte:
1. Parlamentarische Kontrolle sieht nach meiner Auffassung anders aus und das gilt nicht nur für den Fall „G 36“.
2. Die Abteilung PR der Fa H&K hat aus meiner Sicht in der Sache unterirdisch schlecht gerbeitet.
3. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss muss zwingend ermitteln, wo in
der politischen und militärischen Ebene des BMVg eine zu große Nähe zur Rüstungsindustrie vorhanden ist und welchen Schaden Deutschland dadurch ggfs erlitten hat.
@Mediator et al.
Wobei HK bisher nicht dadurch aufgefallen ist, sich mit Vehemenz gegen solche Schwammigkeiten zu stemmen, eher dürfte diese Situation dort wohl ausgenutzt worden sein.
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Wer sich an Filz, Hinterzimmern, persönlichen Beziehungen usw. beteiligt, wird auch mitgehangen, wenn mitgefangen.
Dass es noch größere Spieler gibt, die gleiches tun, reduziert nicht die eigene Beteiligung.
Und dass Uraltkamellen jetzt aufgewärmt werden: Nun, so arbeiten viele Medien schon seit langem; eine Unternehmenskommunikation kann das antizipieren, wenn einem nicht alles egal ist, weil man ja gute Spezln hat. Das ist nicht zwangsläufig eine Verschwörung, sondern kann ganz einfach dem Umstand geschuldet sein, dass andere Unternehmen, hier im Bereich der Medien, andere Geschäftsziele als HK verfolgen. Es wird hier nichts erfunden, es werden Leute, die sich nicht den ganzen Tag mit HK beschäftigen, über den Gesamtkomplex informiert.
Was hindert HK, im Zusammenspiel mit der Bw transparent und nachvollziehbar zu agieren? Die Produkte sind meinem Eindruck nach konkurrenzfähig, es besteht Entwicklungsspielraum, bei Neubeschaffungen zu profitieren, etc. Technisch kann man HK wohl nicht viel vorwerfen, wenn beim Kunststoff nicht beschissen wurde, da habe ich gerade keinen Überblick. Ich brauche hier nicht den Inhalt anderer Threads aufzuzählen, dort steht das schon.
Hier wird aus Trotz an Hinterzimmerstrategien festgehalten, die im 21. Jhdt immer weniger funktionieren; dazu braucht es keine Fünfte Kolonne, dazu reicht ein Steuerzahler, der für sein Geld gerne funktionierende Streitkräfte hätte.
Wer bisher glaubte nur Russland bzw. die frühere Sowjetunion und die USA haben einen sogenannte „Militärisch-Industriellen Komplex“, stellt jetzt nicht ganz unerwartet fest auch in Deutschland gibt es so ein Geflecht zwischen Industrie, Beamten im BMVg und der Politik mit entsprechenden Abgeordneten, in deren Wahlkreis Fabriken der Rüstungsindustrie liegen.
Insofern ist es logisch, das H & K leitende Beamte des BMVg wegen der rufschädigenden Untersuchungen angegangen sind um Unterstützung durch den MAD angefragt haben. Nachdem sie den Stimmungsumschwung der amtierenden Ministerin nicht mehr ändern konnten, versuchten sie die technischen Beamten auf der unteren Ebene, die die Untersuchung durchführten, persönlich zu diffamieren und nachdem auch dies erfolglos blieb, suchten sie gezielt Kontakt zu einzelnen Abgeordneten des Verteidigungsausschusses um ihr Geschäft mit der Bw zu retten.
Eben ganz normale Lobbyistenrepublik Deutschland, wo Lobbyisten die Gesetzestexte als Entwürfe in die Ministerien einbringen.
Mittlerweile ist ja die Lesart, die SPON und abgestuft ja auch SZ propagieren offensichtlich Fakt. Jedenfalls will niemand die Tatsachen, nämlich – und da zitiere ich die Pressemitteilung -, dass es sich um Ermittlungen gegen Behördenmitarbeiter dreht, mal einfach so hinnehmen. Da wird dann fröhlich weiter spekuliert……….
Und ich würde auch Sie bitten, Herr Wiegold, lesen sie die Pressemitteilung und spekulieren sie nicht…………. es gibt Leute, die wissen mehr und sehr wirklich verwundert über den shitstorm. Wobei das zugegeben naiv ist.
Vielleicht investigieren Sie lieber auch mal, welche Firmen mit ausländischen Eignern bereits Interesse an der Übernahme HK gezeigt haben. Könnte ja sein, dass auch da ein Anhalt für das Wollen, den MAD einzuschalten rauskommt. Müssen Sie aber nicht…….. bleibt alles Ihrer journalistischen Expertise überlassen.
Zitat: „(Dass Selhausen seines damaligen Postens enthoben wurde, und zwar aus ganz anderen Gründen, sollte an dieser Stelle vielleicht noch erwähnt werden.)“
Und was macht dieser besagte Herr Selhausen nun, nachdem er „seines damaligen Postens enthoben wurde“?
re: schleppi
Das sehe ich genauso!- Zitat: „Aus meiner Sicht geht es hier weder um die Frage, ob H&K ein fehlerhaftes Produkt geliefert hat oder nicht, noch geht es um die Frage, ob H&K Einfluss nehmen durfte oder nicht. Es geht aus meiner Sicht ausschließlich um die internen Vorgänge im BMVg und welchen Beitrag ggfs Politiker leisteten.“
Das Zauberwort heißt doch „Transparenz“!- Würde man dem BMVg die Möglichkeit nehmen gemachte „Fehler“ hinter Geheimhaltungstufen systematisch zu verstecken und endlich dazu kommen, dass für das BMVg „unangenehme Sachverhalte“ dem Parlament aktiv offen gelegt werden müßten, dann müßte man sich über Integrität des Ressorts Verteidigung gegenüber Parlament und Souverän doch kein Gedanken mehr machen!
Die ganze Diskussion zum Thema G36 hat doch letztendlich darin ihren Ursprung (ob berechtigt oder unberechtigt sei mal dahingestellt!) das der Gedanke nicht mehr völlig abwegig erscheint, dass versucht wurde (wohlgemerkt seitens des BMVg) einen (vermeintlich) „unangenehmen Sachverhalt“ gegenüber dem Parlament und dem Souverän nicht öffentlich werden zu lassen!
Und im Grunde ist es in der Tat doch völlig nebensächlich um welchen Lieferanten es hier geht!
Entscheidend ist – aus meiner persönlichen Sicht – das der gesamte Vorgang inzwischen doch nicht mehr gänzlich ausschließen läßt, dass ein konkreter Sachverhalt ( hier der “Fähigkeitslücke beim G36“) versucht wurde dem Anschein nach BMVg intern systematisch gegenüber dem Parlament und dem Souverän zu verschleiern und zu vertuschen!- Und da muss man/frau sich schon die Frage stellen: „Warum?“
Paradox erscheint mit in diesem Zusammenhang, dass es im Grund genommen nichts gab für das sich ein Verschleiern und Vertuschen gelohnt hätte!- Denn der Lieferant hat ja offensichtlich das geliefert „was dereinst bestellt war“!
Also, warum hat man sich dann „von interessierter Seite“ u.a. seitens des BMVg darum bemüht „kritische Berichte“ über einen Sachverhalt zu verhindern, die im Grunde genommen einer „Verhinderung“ gar nicht bedurft hätten?
Nur um ein Exempel zu statuieren, das „Durchstecher“ abschrecken soll!?- Oder gab es da noch andere Interessenlagen?- Und ich frage mich wie der Abgeordnete Arnold im Deutschlandfunk bereits am 20.04.2015 (Interview: „Sturmgewehr G36 „Das ist nicht mehr zu verantworten.“) „Warum hat man die schützende Hand über das Gewehr gehalten?“
@audio001
Evtl weil es keine Fähigkeitslücke gibt?!
Wenn das G36 in seinem Leistungsspektrum eingesetz wird, dann ist es eine gute Waffe.
Wenn man ein anderes Leistungsspektrum mit EINER Waffe abdecken möchte, kann man das tun. Man muss es nur wollen. Wann wurde dieser Wille von wem zum Ausdruck gebracht?
Was ist denn eine Fähigkeitslücke?
Das G36 hat einen bestimmten Leistungsbereich (den kann man für ausreichend halten oder nicht) eine andere Waffe muss überschneidend an diesen Leistungsbereich anschließen. Eine Waffe hat also Leistungsgrenzen (die man evtl durch Modifikationen erweitern kann) welche mit einer anderen Waffe erweitert wird.
Die Frage muss sein welche Waffe erweitert das Fähigkeitsprofil der Soldaten und ist diese zum nötigen Zeitpunkt in ausreichender Zahl einsatzfähig vorhanden.
Der eigentliche Skandal ist, dass wir zuwenig Waffen und Munition (ggf auch ausgebildetes Personal) für das Spektrum über dem G36 haben (unabhängig davon wo die jeweiligen Leistungsgrenzen sind).
Es fehlt die Fehlerkultur in großem Umfang.
Verkürzt:
Daß wir in AFG nichts gerissen haben, daran ist HK schuld. Und am Drogenkrieg in MEX, daran ist HK auch schuld.
@bluff123
Ich bin ein bisschen irritiert – kennen Sie mehr als die Pressemitteilung, deren etwas merkwürdige Formulierung im Einstieg ich schon erläutert hatte… oder warum werfen Sie mir wie SpOn und SZ Spekulation vor?
re: T.Wiegold
Vielleicht ist das Pseudonym des Mitkommentators auch Programm …
re: Thomas Melber
H&K ist nichts weiter als ein austauschbarer Lieferant eines Rüstungsprodukts!- Der interessiert überhaupt nicht mehr!
Interessant ist lediglich die Frage des Abgeordneten Arnold im Deutschlandfunk vom 20.04.2015 (Interview: „Sturmgewehr G36 „Das ist nicht mehr zu verantworten.“) „Warum hat man die schützende Hand über das Gewehr gehalten?“
@ audio001 | 08. Mai 2015 – 10:21
Die Frage muss noch weiter gestellt werden: Zusaetzlich zu G36 setze: HN90, A400 und und…
@ Thomas Melber
Ihr verkürzter Kommenrtar geht an der Problematik vorbei !
Es gibt keinen Skandal um das Gewehr G36, sondern nur einen Skandal wie seit 2012 systematisch versucht wurde, negative Berichte über das Gewehr zu unterdrücken.
Was @Zimdarsen über den Leistungsbereich G36 gesagt hat, kann man nur unterstützen.
Die Frage lautet allerdings, wenn bereits bei der Einführung des G36 an ein leichtes Maschinengewehr gleichen Kalibers gedacht wurde (und nicht nur gedacht, sondern komplett erprobt und eingeführt mit VersNr.) , warum wurde es nicht beschafft ?
Die Fähigkeitslücke jenseits des Leistungsbereiches des G36 war anscheinend schon Mitte der 90er Jahre bekannt. Man hat sie nur nicht thematisiert und sie der „Friedensdividende“ geopfert, weil man sich zu diesem Zeitpunkt einen Einsatz wie in AFG noch nicht vorstellen konnte. Man erinnere sich an den Aufschrei, wie zwei deutsche Soldaten im Kosvovokonflikt, nachdem die Reichenhalller Gebirgsjäger als Bodentruppe dort eingesetzt waren, einen nicht stoppen wollenden PKW mit gezielten Schüssen gestoppt und den Fahrer getötet haben.
Von Dauerfeuer mit dem Gewehr G36 und Infanteriekämpfe, mehrstündigen Infanteriegefechten mit Luftunterstützung war man da noch „Lichtjahre“ im Denken der Rüstungsplanung entfernt.
Herr Wiegold, wenn Sie die fragliche Vorlage und den Schriftverkehr, der zum Thema MAD gehört kennen würden, würden Sie vielleicht etwas anders argumentieren und sich nicht den doch mMn recht einseitigen Wertungen der „berichtenden“ Medien anschließen. (Allein der Tonfall in SPON sollte zu denken geben.)
Jedenfalls traue ich Ihnen dies nach Überwinden des von mir (vielleicht etwas polemisch) in den Raum gestellten Beissreflexes zu…….. ;-)
Zunächst einmal sollte man jedoch den wesentlichen Satzteil der Pressemitteilung zugrunde legen. Der wurde nun mehrfach und ausreichend genannt.
@ Georg
+1
Vielen Dank nochmal für das Aufdröseln der einzelnen Konfliktlinien. Das sollte hier allen nochmal bewusst sein. Politik UND militärische Führung haben aus Gründen X immer mehr Fähigkeiten abgeschafft, gekürzt, nicht weiterentwickelt, nicht angeschafft.
Ob die Gründe X aus damaliger Sicht zutreffend und heute auch noch sind, darüber kann man müssig diskutieren und bei Bedarf auch irgendwem anlasten.
Fakt ist doch aber eins. Wir haben in vielen Bereich erkannte Fähigkeitslücken, die im heutigen Sicherheitsumfeld eigentlich nicht tragbar sind. An ihrer Lösung wird aber so gut wie gar nicht gearbeitet, weil alle Verantwortlichen sich vor der rotierenden Scheisse aus dem Empörungsventilator decken. Und das betrifft nur die Probleme die wir kennen.
Was ist aber mit den Problemen, die wir noch nicht erkannt haben. Wollen wir wirklich wie anno dazumal hinter der Maginotlinie sitzen und uns freuen das alles so toll ist?
@Georg, 10:53h
‚meinte, daß das so beim Bürger hängen bleibt (bleiben soll – ?).
@bluff123
Ich kenne die fragliche Vorlage.
@ Thomas Melber
Okay, Unterschied in der eigenen Absicht ist bei mir angekommen :-)
re: Georg
Letztendlich hat der Vorgang schon längst einen Level erreicht, der von der „Eigendynamik“ bestimmt wird!- Mithin auch BMVg intern ein Mitteilungsbedarf besteht, der überhaupt nicht mehr zu stoppen ist!
Und es ist sicherlich zu vermuten, dass auch die „Interne Revision im BMVg/Bw“ längst zu dem Thema tätig geworden ist!?- Also Befragung von Beamten und SoldatenInnen die mit dem Thema zu tun haben;- und insbesondere auch derer, die in der Vergangenheit mit dem Thema direkt oder indirekt dienstlich Berührung hatten!
Hierzu Listung aller Stelleninhaber mit einem Bezug zu dem Rüstungsprodukt/- hersteller aus den – sagen wir mal letzten 20 Jahren – Selektion der ehemaligen Stelleninhaber unter dem Gesichtspunkt „wer hatte um Versetzung gebeten(?)“, „wer ist versetzt worden(?)“ (a. wer hat Widerspruch eingelegt(?) b. wer hat gegen die Versetzung geklagt(?) c. wer ist in eine andere Stelle hineingelobt worden(?) d. wer ist für eine Stelle empfohlen worden(?) …), wer ist in den Ruhestand (möglicherweise vorzeitig) ausgeschieden(?);- und anschließende Befragung in der Sache! (Und sicherlich bieten sich auch Mitarbeiter des BMVg und seiner Dienststellen zur Befragung an, die sich mit ihrer Kritik am G36 möglicherweise konkret an PolitikerInnen gewandt haben!)
Sichtung aller noch vorhanden Unterlagen, der externen und internen Korrespondenz, e-mails usw.usw..
Ich gehe davon aus, dass nach Abschluss dieser Herkules-Aufgabe die Ressortchefin einen umfassenden Überblick über den Vorgang durch die „Interne Revision“ erhalten wird!- Und darauf dürfte sie Wert legen …
@ audio001
Ich glaube nicht das die „Interne Revision im BMVg/Bw“ schon nennenswert tätig geworden ist (glauben heißt vermuten und nicht wissen). Dazu gibt es meiner Meinung nach zu viele Seilschaften, die sich gegenseitig schützen und decken im BMVg.
Nachdem der Untersuchungsbericht der WTD71 letztes Jahr zweimal vom BMVg zurückgewiesen worden ist und sich ein standhafter Oberamtsrat der WTD 71 sich nicht von der Abteilung AIN einschüchtern hat lassen und den Bericht inhaltlich nicht geändert hat (zumindestens in seinen wesentlichen Aussagen) stellen sich für mich die folgenden Fragen:
1. Wer hat aus dem BMVg die Anweisung gegeben den Bericht zu ändern ?
2. Hat er aus eigener Veranlassung aus vorauseilendem Gehorsam vor seinem Vorgesetzten gehandelt oder handelte er aus, event. auch nur mündlicher Anweisung, seines Vorgesetzten ?
3. Ist dies ein übliches Verfahren, das unangenehme Berichte der Basis durch Intervenierung des Ministerium geändert werden ?
4. Was wird zukünftig organisatorisch geändert, dass eine solche Unterdrückung von Meldungen (im militärischen Bereich ein Straftatbestand) verhindert wird ?
5. Wie kann solch eine organisatorische Änderung wirksam abgesichert werden (falls diese Änderung überhaupt gewollt ist) ? Braucht man dazu einen Obman im Ministerium, der direkt dem Minister unterstellt ist, an den sich der Pedent wenden kann ?
6. Wie wird sichergestellt, das ein Beamter / Soldat der auf Weisung von oben seinen Bericht nicht ändern, keine Laufbahnnachteile erfährt ?
Immerhin handelte es sich bei dem unbeugsamen Beamten der WTD um einen Oberamtsrat A13g, vergleichbarer Dienstgrad eines Stabshauptmannes, der den absoluten Enddienstgrad seiner Laufbahn erreicht hatte, und damit einen Grad „völliger Unansch….barkeit“ erreicht hatte.
Was für eine prächtige Nebelkerze. Sie wird immer prächtiger.
re: Georg
Das Disziplinarrecht geht differenziert mit denen um die an Aufklärung mitwirken und mit denen die diese verhindern! (Das Strafrecht übrigens auch!)
Blöd ist wenn man sich zu spät überlegt hat, dass man an einer vorbehaltlosen Aufklärung mitwirken will!
Denn andere könnten sich dieses bereits früher überlegt haben!- Und dann gilt: “Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben …“
Natürlich haben ihre Fragen eine Relevanz!- Und ich kann mit gut vorstellen das der politische Druck jetzt so groß ist, dass diese auch seriös beantwortet werden!
Zum Thema Tätigwerden „Interne Revision im BMVg/Bw“!- Wenn diese Truppe nicht schon längst von vdL losgeschickt wurde, würde mich das schon sehr wundern …
@all
Damit wir alle wissen, wovon hier die Rede ist – und die Spekulations-Behauptungen mal einen sachlichen Kontrapunkt bekommen – habe ich oben einen Nachtrag eingefügt.
Mal endlich ein guter und ausgewogener Bericht: http://www.ardmediathek.de/tv/Kontraste/Kontraste-vom-07-05-2015/Das-Erste/Video?documentId=28206552&bcastId=431796
(darf ich das posten?)
Nur zu empfehlen! Zwar noch ohne MAD-Sachverhalt, dieser scheint aber ähnlich aufgebauscht, wie das Gesamtthema.
Ich bin etwas erstaunt darüber, dass ein mittelständisches Unternehmen sich das Recht heraus nimmt persönlich (in Form seiner Geschäftsführung) beim Präsidenten des MAD vorstellig zu werden und ihn um Tätigwerden zu bitten (bevor übrigens Seitens der Behörde/BMVG an den MAD herrangetreten wurde). Unter anderem mit der Begründung dieses Unternehmen wäre von systemischer Bedeutung. Also wenn HK nicht mehr existiert geht auch die BW sowie BRD zu Grunde? Come on…
Im übrigen glaube ich, braucht der MAD kein privatwirtschaftliches Unternehmen, um Ermittlungen gegen Soldaten und Behördenmitarbeiter zu führen wegen des Verdachts des Geheimnisverrats. Die Berichterstattung wird der MAD genauso mitbekommen und verfolgt haben. Also wenn es hier tatsächlich, wie manch ein Kommentator glauben machen will lediglich um die Aufdeckung des Geheimnisverrats durch Behördenmitarbeiter ging, warum kann die Behörde/BMVG nicht selbst den MAD einschalten sondern lässt sich durch einen Mittelständler vertreten?
Cheers
Flip
@ Flip | 08. Mai 2015 – 12:59
Zu Ihrer Frage warum….?
Der Brief des Abt Ltr AIN ist doch die Bitte um Aufklaeung. Der ‚Mittelstaendler‘ war offenbar vorher abgeblitzt, oder?
Sorry, Herr Wiegold, das reicht so nicht. Wenn Sie nur die Teile nehmen, die man so interpretieren kann, ist das eben immer noch in eine Richtung wertend. Dann stellen Sie doch den ganzen Vorgang ((ehemals?) VS-Vertraulich sic!) zur Verfügung. Kann sich jeder selbst ein Bild machen, was gemeint war und was nicht……………
@bluff123
Hm. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Ich habe die Teile zitiert, die sich auf die Medien und die MAD-Einschaltung beziehen. Sie erwecken ja den Eindruck, als ob Sie den ganzen Vorgang kennen – dann wissen Sie auch, dass sich der Rest nicht darauf bezieht… Mit anderen Worten: Sie unterstellen mir Manipulation. Aber außer Ihren Vorwürfen kommt wenig Handfestes.
Tja, Herr Wiegold. Ich dachte, Sie würden für etwas mehr Fakten und weniger Spekulation stehen. Aber wenn denn lediglich Teilaspekte genannt werden, kann man schon den Eindruck haben, dass dies einseitig ist.
Sie wissen sehr gut, dass man mit gezielten Zitaten sogar aus den Bibel einen Splatterporno machen kann…………..
Dann eben nicht.
Schade, dass Beiträge verschwinden……….. ein letzter Versuch:
Wenn Sie das ganze sehen und nicht nur die Teile, ergibt sich ein anderes Bild.
@bluff123
Schade, dass Sie außer Vorwürfen und Beschuldigungen aber auch gar nichts zu bieten haben. Noch nicht mal Andeutungen. Sie sind sehr nah am Trollverhalten, das ist Ihnen klar?
@ bluff123
Fakt ist, dass das BMVg unliebsame Berichte über das G36 hausintern unterdrücken wollte. Ob mit Einschaltung des MAD oder ohne ist für mich zweitrangig.
Wenn Organisationen die Wahrheit manipulieren wollen und ihre eigene Interpretation dagegenstellen spricht man gewöhnlicherweise von einer „ideologischen Debatte“.
Also die „Ideologie“ von Teilen des Ministeriums ist nicht aufgegangen, die Ministerin machte einen Schwenk und hat diese Kommunikationstrategie nicht mehr mitgemacht. Wenn dies ein neuer Wind im BMVg sein sollte, dann ist es gut so.
schleppi | 08. Mai 2015 – 8:30
„3. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss muss zwingend ermitteln, wo in
der politischen und militärischen Ebene des BMVg eine zu große Nähe zur Rüstungsindustrie vorhanden ist und welchen Schaden Deutschland dadurch ggfs erlitten hat.“
Losgelöst von H&K und festgemacht an einer konkreteren Fragestellung ist es sicherlich interessant herauszufinden, welche Einflüsse auf konkrete Rüstungsprojekte vorliegen.
Allerdings würde sich hier auch zeigen, dass die Politik zum großen Teil am Scheitern bestimmter Projekte verantwortlich ist.
Wer geschönte Zahlen fordert um ein Projekt genehmigen zu können, der sollte sich nicht wundern wenn es hinterher deutlich teurer wird. Vor allem dann nicht, wenn nicht nur die Zahlen geschöhnt werden, sondern die gesamte Konstruktion.
Der nachträgliche Einbau von Fähigkeiten in ein System ist leider immer deutlich teurer.
An den Fleischtöpfen der Bundeswehr fressen sich leider viel zu viele Politiker satt, die Einfluss nehmen auf Rüstungsprojekte, Standortentscheidungen und vieles mehr.
Auch wenn ich historisch die Trennung von Armee und Wehrverwaltung durchaus nachvollziehen kann stelllt sich mir immer häufiger die Frage, ob die damit erkauften Nachteile in einer gefestigten Demokratie noch sinnvoll zu vertreten sind.
Einem Militär unterstelle ich einfach einmal, dass er für die Summe X das beste System kauft das er kriegen kann.
Bei Politikern bin ich mir da nicht so sicher.
Dort ist es gefühlt fast schon gang und gäbe, dass ein bestimmter Prozentsatz der Investitionssumme in das eigene Fortkommen investiert wird. Sei es dadurch, dass alte politische Schulden beglichen werden oder dass die eigene Zukunft durch gezielte Investitionen gesichert wird. All das natürlich völlig legal, aber am eigentlichen Interesse der Bundeswehr vorbei.
@Hans Dampf 12:28:
Ausgewogen ist aber anders!
Wie in den meisten Berichte haben auch hier die Redakteure nicht verstanden, dass das Gewehr generell ein Problem mit Wärme (zusätzlich Feuchte) hat, die die Präzision negativ beeinflusst. Es geht bei dem Problem eben nicht nur um das Heissschiessen im Hinterhalt.
Weiter wird der Eindruck erzeugt, das das Problem ausschließlich bei einem bestimmten Hinterhalt Szenario auftritt, das aber, so die befragten „Experten “ (alle im Mannschaftsdienstgrad?), in Afghanistan nicht aufgetreten ist. Abgesehen davon, das hier wieder Afghanistan als einzig denkbarer Einsatz zum Dogma erhöht wird, wird der Eindruck erweckt das dieses Hinterhalt -Szenario nur entwickelt wurde (von dunklem Mächten im BMVg) um der eigentlich „fehlerfreien“ Waffe eine Fähigkeitslücke unterzuschieben.
Sprich es gibt überhaupt kein Problem, aber dunkle Mächte im BMVg konstruieren eins, um HK zu schaden, umbedingt was anderes kaufen zu können und die Ministerin als große Aufklärerin zu positionieren.
Auch wenn letzteres möglicherweise durchaus Teil der Vorwärts -Verteidigung der Ministerin sein kann.
@all
Weiterer Nachtrag oben: Audio mit den Aussagen des BMVg-Sprechers vor der Bundespressekonferenz am Freitag zu diesem Thema.
@ bluff 123
Mir ist ein einseitiger Bericht, der ein Problem aufgreift lieber, als kein Bericht. Und es wird Sie hier niemand hindern ihre Fakten, die zu einem Erkenntnisgewinn führen können, darzulegen.
@ Mediator
Wenn ich einen Untersuchungsausschuss fordere, dann mache ich das in der ehrlichen Hoffnung, dass der ergebnisoffen ermittelt. Darüber hinaus täte die Ministerin gut daran eine interne Revision auf den Weg zu bringen, denn viele Kommentatoren in diesem Blog wissen, dass die Einflussnahme auf Berichte schon intern im BMVg gang und gäbe ist. Ich erinnere nur mal an die „Ampeldarstellung“ im letzten Jahr und jeder Kommandeur weiß, was von seinen Meldungen übrig bleibt. Insofern möchte ich militärische Führung vorher weder rein waschen noch heilig sprechen. Deswegen bin ich auch der festen Überzeugung, dass die Thematik „G36“ allein nicht ausschließliches Thema des Ausschusses sein darf.
Hoffen wir einfach mal auf den Mut zu einem Selbstreinigungsprozess. (Ich weiß, es ist unendlich naiv von mir)
Gibt es eigentlich Erkenntnisse um die grundsätzliche Tätigkeit des MAD in dieser Sache? Also „unabhängig“ von irgendwelchen Anfragen?
So ganz abstrakt soll es ja bei der Interaktion zwischen Nachrichtendiensten und politisch gestützten Interessen durchaus das Konstrukt geben, dass man Sachverhalt A möchte, dieser aber rechtswidrig ist, also hat man den Anfangsverdacht B, der rechtmäßig ist und spioniert rein zufällig dort, wo man dann über interessante Informationen über Sachverhalt A stolpert. Anschließend wird unter Aufzählung aller gewonnen Erkenntnisse festgestellt, dass sich Anfangsverdacht B nicht erhärtet hat und alle lächeln zufrieden.
Gerade wegen all dieser „Möglichkeiten“ ist es so wichtig, dass Mitarbeiter von Nachrichtendiensten integre Persönlichkeiten mit einem soliden Normen- und Wertefundament sind.
Interessante kleine Anfrage aus der man Details des Abschlussberichtes ableiten kann, die so – nach meinem Eindruck – nicht bekannt waren:
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/047/1804778.pdf
Ist das jetzt auch Geheimnisverrat oder nur geschickt gefragt?
Untersucht der Untersuchungsausschuss auch die untersuchungsausschussauslösenden Ursachen? ;-)
@ schleppi | 08. Mai 2015 – 15:15
Der Witz war gut! Seit wann geht es bei politischen Untersuchungsausschüssen um die Sache?
Das Problem, was hier kommen wird, sind die Mechanismen der Politik. Ein Untersuchungsausschuss ist in der Realität leider primär ein Instrument, die Regierung zu jagen. Konkret geht es also wohl darum, Kanzlerkandidatin von der Leyen zu beschädigen und sich so für die kommende Bundestagswahl in eine gute Schussposition zu bringen.
Dass Flintenuschi einen Untersuchungsausschuss als politisches Kampfinstrument ans Bein geklebt bekommt, werden alle Parteien, die ihren Kopf nicht nur als Hutständer benutzen, als Faktum ansehen. So funktioniert Politik in Deutschland eben. Es gäbe viele U-Ausschussthemen, die für Frau Ministerin sehr unangenehm werden könnten. Für die gewünschte kommunikative Wirkung kann man aber keine 37 Untersuchungsausschüsse einrichten, das zerfasert medial und Frau Ministerin könnte sich vermutlich gut rauswinden.
Das Girlscamp im Bendlerblock könnte also auf die Idee gekommen sein, das Thema des Untersuchungsausschusses selbst zu bestimmen und sich etwas auszusuchen, was man kommunikativ gewinnen kann. Da bietet sich Problem 947, also das G36, prima an. Man will sich ja nicht mit Schwergewichten wie Major Tom Enders/Airbus anlegen, also lässt man Top 10 Probleme (strukturell marode Luftfahrzuge, NH90, A400M, fehlende materielle Aufwuchs-Fähigkeit etc.) außen vor.
Zudem ist so ein Sturmgewehr ausreichend einfach, dass jeder meint, mitreden zu können, aber ausreichend komplex, damit das meiste nur dummes Gerede ist. Anschließend kann dann Frau Ministerin mit angelerntem Fachwissen glänzen, den „kleinen Mann“, also den Gefreiten mit G36, was Gutes tun und mit HK ein eh schon rufmäßig ramponiertes Unternehmen entweder schlachten oder retten.
In dieser Situation als Frau Kanzlerkandidaten-Ministerin wird Frau Dr. von der Leyen ein G36-Untersuchungsausschuss wesentlich lieber sein, als die meisten anderen Themen, die U-Ausschuss würdig sind.
@ Memoria
Zitat: „Ist das jetzt auch Geheimnisverrat oder nur geschickt gefragt?“
Gute Frage ! Wahrscheinlich haben die linken Ausschussmitglieder den Bericht gelesen und dann ihre Fragen formuliert.
Trotzdem sind da einige Frage enthalten, die man ohne Hintergrundwissen nicht stellen kann. Entweder der Bericht war sehr offenherzig und hat die Randbedingungen der Test jeweils mit angegeben, oder die Linken hatten eine andere ergänzende Hintergrundquelle.
Auch bei der Frage nach der Ausweitung des Trefferbildes bei ansteigendem Temperaturgang gegenüber abfallenden Temperaturgang, was man wohl mit Hystereseeigenschaften der Werkstoffen umschreiben könnte, und ob man hier zwei Testreihen unzulässigerweise in den Ergebnissen gemittelt hat um „schönere“ Werte zu bekommen lässt schon vermuten, dass die Linken noch andere Quellen hatten.
Auch das die Kunststoffzusammensetzung im laufenden Produktionsprozess geändert wurde und ob diese Änderung genehmigt wurde ist schon interessant zu lesen.
Generell würde ich sagen, der Testbericht gehört eigentlich an die Öffentlichkeit, damit man sich ein reelles Lagebild verschaffen kann.
Ich dachte, der Testbericht wäre an die Mitglieder des Verteidigungsausschusses gegangen? Dann dürfte es doch auch nicht schwer fallen, daraus zu zitieren und weitere Fragen zu stellen? Und selbst wenn nicht: Es gibt doch offensichtlich genug Nicht-Parlamentarier und Nicht-Bundeswehrangehörige, die schon hineinschauen durften, da wäre ich von der Linkspartei geradezu enttäuscht, wenn sie sich keine Zuträger organisieren würde. Dann würde die Linkspartei nicht nur ihre Funktion als Oppositionspartei unzureichend erledigen, sondern auch ihre programmatischen Ziele Abrüstung und strukturelle Nichtangriffsfähigkeit unzureichend verfolgen.
@TW
Ist es wohl möglich die ganze Vorlage der BMVg-Abteilung Ausrüstung ohne „(…)“ abzudrucken? Ich würde mir gerne ein eigenes und vollständiges Bild machen.
Vielen Dank.
@TW
Nachtrag:
Laut „Bild“ geht es in der Vorlage gerade nicht um ein Vorgehen gegen Jornalisten sondern um ein unterbinden der Berichtertatung durch ausfundigmachen der undichten Stelle. Das ist schon was ganz anderes.
Ich habe unterschiedliche Ausführungen des G36 seit dessen Einführung bei Ausbildung und Übungen in der Heimat wie in drei Auslandseinsätzen (Balkan) geführt. Es ist mir kein Fall gemeldet worden oder aus eigenem Erfahren in Erinnerung, wo es Probleme mit der Präzision des Gewehres gab. Allerdings haben wir zu dieser Zeit (mein dahingehender Erfahrungshorizont endet 2008) auch in den damals bekannten und vorstellbaren Szenarien ausgebildet und geübt. Ein Feuerkampf, bei dem das Sturmgewehr zum „lMG“ des Einzelschützen werden und die von der Einsatzführung im Heimatland verweigerte Mörser- und Artillerieunterstützung zum Niederhalten des Gegners kompensieren musste, lag zumindest bis dahin außerhalb unserer Vorstellungskraft. Mangelhaft war allenfalls das Ausstattungsverfahren: Außer Personenschützern und Spezialkräften durfte keiner die aus seiner Einsatzvorbereitung vertraute Waffe mitnehmen.
Meiner Auffassung nach ist das G36 bezüglich des ihm bei der Einführung zugedachten Verwendungszweckes immer noch die weltweit beste Ordonnanzwaffe. Dass es bei Fortdauer der zuvor genannten Rahmenbedingungen einer Ergänzungsbewaffnung infanteristischer Kräfte bedarf, steht auch m.E. außer Zweifel.
Nachvollziehbar ist auch, dass der Hersteller sich gegen die unauthorisierte Weitergabe u.a. von ihm als Firmengeheimnis eingestufter Unterlagen durch den Kunden (Bw) wehrt. Nur darum geht es im Kern der Aktivitäten von HK.
Hans Schommer
Puh, schwierige Diskussion aber…
Staaten befinden sich, je nach Handlungsfeld, in kooperativen sowie konkurrierenden Beziehungen zueinander. Daraus resultiert ein notwendiger Geheimschutz. Die Funktion des Staates sowie seine Aufgaben bedingen ebenfalls eine gewisse Vertraulichkeit von amtlich vorliegenden Informationen.
Wir besitzen daher einen personellen und materiellen Geheimschutz. Gleiches verlangen wir von Firmen mit denen wir, basierend auf einem Vertragsverhältnis, Informationen teilen. Wir erwarten von unseren Soldaten, Beamten und Angestellten sowie unseren Auftragnehmern sowie Kooperationspartner (sowie deren Mitarbeiter ein) dass sie sich diesen Regeln unterwerfen. Habe ich als Mitarbeiter den verdacht, dass ich Ziel einer nachrichtendienstlichen Tätigkeit bin, so bin ich angehalten dies anzuzeigen. Das Verletzen der einschlägigen Regelungen stellt üblicherweise ein Dienstvergehen dar, in Fällen einer damit verbundenen Spionagetätigkeit sowie in Fällen mit einer Gefährdung für die äußere Sicherheit handelt es sich um Landesverrat und wird strafrechtlich verfolgt.
Die Schranken dafür scheinen die meisten dafür heutzutage als sehr hoch anzusehen. Es sei jedoch gesagt, dass bereits kleine Verletzungen, insbesondere wenn es Informationen verbündeter Nationen betrifft, dazu geeignet sind das Gegenseitige Vertrauen zu beschädigen. Insbesondere das Vertrauen in die Fähigkeit Informationen zu schützen ist wichtig. Das zwischenstaatliche Verhältnis regelt üblicherweise ein Geheimschutzabkommen. Eine Schwächung des gegenseitigen vertrauen, z.b. innerhalb der Mitglieder eines Systems der kollektiven Sicherheit kann damit immer auch eine (abstrakte) Gefährdung/Schwächung der äußeren Sicherheit darstellen.
Im Zusammenspiel mit dem neuerdings in Mode kommenden Begriff „hybride Kriegsführung“, dessen Prinzipien an sich nicht neu sind, besteht die (wieder abstrakte) Gefahr, dass durch geheimdienstliche Mittel eine Schwächung eines Staates durch Kampangen, auch gegen Auftragnehmer einer Armee, herbeigeführt werden soll.
Möglicherweise mag das jetzt alles paranoid klingen, aber es ist im Bereich des Möglichen, unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.
Im Fall G36 selbst ist der zuletzt skizzierte Fall meiner Meinung nach nicht gegeben, wohl aber wurden Dienstpflichten verletzt. Über die zugrundeliegende Motivation kann ich nur mutmaßen. Möglicherweise sind es edle Ziele oder einfach die Suche nach persönlichen Vorteilen. Alles im Bereich des Möglichen. Es bleibt aber ein prinzipielles Problem.
Desweiteren formuliert die Pressefreiheit keinen Rechtsanspruch eines Journalisten auf innerbehördliche Quellen. Es erlaubt ihm die Veröffentlichung von Informationen an die er gelangt ist. Auch hier gibt es eine Grenze, diese wurde aber in dem historischen Beispiel (Spiegel-Affäre) oder aktuell G36-Problematik meiner Meinung nach nicht erreicht. Unbenommen bleibt davon aber die Pflicht der betroffenen Behörde mögliche Informationslücken zu schließen. Klingt widersprüchlich, aber das ist der freiheitliche und demokratische Rechtstaat eben.
Genau hier muss man die Aussagen auf der Bundespressekonferenz kritisch bewerten. Sie zeichnen ein Bild, als wäre jedwedes Arbeiten einer Verfassungsschutzbehörde ein ungeheuerlicher Vorgang. Ja, der Pressesprecher des BMVg fühlte sich wahrscheinlich in die Enge getrieben; er trägt dafür Sorgen, dass kein schlechtes Licht auf seine Chefin fällt. Dass darf aber nicht dazu führen, dass sämtlicher Vorkehrungen des Geheimschutzes negiert werden.
Schnell noch ein paar rhetorische Fragen…
Warum kommen diese Probleme in die Presse, müssten nicht die Mitglieder des Verteidigungsausschusses sowie der Wehrbeauftragte die erste Adresse für jedwede Mißstände sein? Warum kann der Bundestag nicht seiner Kontrollfunktion nachkommen? Warum haben wir kein bundeswehreigenes Kontrollinstrument? Was sind die wahren Gründe für die getroffenen Entscheidungen. Warum bleibt der Schmutz mal wieder am Bereich AIN und H&K hängen?
Bitte – könnten wir langsam mal von den persönlichen Kriegsgeschichten wegkommen?
Alle Aspekte bezüglich des Gewehrs wurden hinreichend und bis zum sprichwörtlichen Erbrechen durchgekaut und müssen doch nicht in jedem neuen Thread zum G36 (von anderer Stelle) wiederholt werden, oder?!
Solange wir immer noch nicht wissen, was wie getestet wurde (oder getestet werden wird *hust*) ist es ohnehin müßig, sich weiter dazu zu äußern – zumal T.W. oben wohl eher auf die, zugegeben krude MAD-Geschichte aufmerksam machen wollte.
n-tv meldet gerade
„08.05.2015 18:24
Personelle Konsequenzen wegen G36
Von der Leyen feuert Ex-Abteilungsleiter
Verteidigungsministerin von der Leyen geht in der Affäre um das Gewehr G36 in die Offensive und feuert den Ex-Abteilungsleiter Selhausen. Der war zwar nicht mehr im Amt, hatte als Chef des Bundeswehr-Fuhrparks aber weiter einen hohen Posten. „
@ BlueLagoon | 08. Mai 2015 – 18:55
Das sieht nach einem Zorneffekt aus.
Fuehlt sich nach pseudo-Bauenopfer an, denn sie kann ihn sicher nicht ‚feuern‘ sondern nur zunaechst beurlauben.
Echte Nebelkerzen mit komoediantischen Zugaben.