Weiter Streit ums G36: Billigerer Kunststoff zugemischt? (Update: Stellungnahme H&K)

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Das Sturmgewehr G36, die Standardwaffe der Bundeswehr, steht seit Jahren wegen mangelnder Treffgenauigkeit im heißgeschossenen Zustand in der Kritik. Und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte vor Ostern aufgrund der Erkenntnisse einer Expertkommission die mangelnde Präzision des Gewehres bestätigt. Nach einem Bericht des Magazins Stern  vom (heutigen) Mittwoch gab es zudem, das war bislang so nicht in der Diskussion, Untersuchungsergebnisse, die eine möglicherweise nachträgliche technische Veränderung der Waffe belegen könnten.

Aus dem Stern-Bericht in der Online-Version (Link aus bekannten Gründen nicht):

Laut dem Prüfbericht des Rechnungshofs fand auch das Wehrwissenschaftliche Institut der Bundeswehr Hinweise auf Merkwürdigkeiten. In der Kunststoffmischung der Gehäuse der Seriengewehre ließ sich der Zusatzstoff Polyethylen nachweisen, der die Verformung der heißen Waffe befördern könne.

Das von der Firma gelieferte Vorzeigemodell, der sogenannte Abnahmedemonstrator aus dem Jahr 1993, mit dem die Bundeswehr von der Alltagstauglichkeit der Waffe überzeugt wurde, enthielt dagegen noch kein Polyethylen.

Das wäre eine neue Wendung in der Geschichte dieses Gewehrs. Denn Polyethylen ist ein billigerer Werkstoff als das sonst für die Waffe verwendete Polyamid. Bislang hat die Herstellerfirma Heckler&Koch betont, sie habe sich bei der Produktion an die vorgeschriebene technische Spezifikation gehalten:

Alle G36-Gewehre der Deutschen Bundeswehr erfüllen die mit der Bundeswehr vereinbarten sog. „Technischen Lieferbedingungen“, welche die zu erfüllenden technischen Leistungsmerkmale des Gewehrs G36 als Bestandteil des Liefervertrages abschließend normieren und dokumentieren.

 

Damit ging es bislang in der Auseinandersetzung vor allem um die Frage, ob die wie bestellt gelieferten Waffen im praktischen Einsatz nicht mehr zeitgemäß waren und auf überholten Anforderungen beruhten. Eine nachträgliche Veränderung der Werkstoffe, wie sie die Stern-Berichterstattung nahelegt, wäre eine andere Dimension.

Darüber hinaus, berichtet das Magazin, hätten Sonderermittler des Ministeriums bereits Ende Januar 2011 den damaligen Staatssekretär Rüdiger Wolf über Probleme mit dem G36 informiert.

Das Verteidigungsministerium wollte zu den Details zunächst nicht Stellung nehmen. Zunächst müsse der endgültige Bericht der Expertenkommission aus Fraunhofer-Institut, Bundesrechnungshof und Bundeswehrsachverständigen abgewartet werden. Der Bericht wird noch im April erwartet.

Nachtrag: Die Stellungnahme von Heckler&Koch dazu:

Stellungnahme Nr. 3 von Heckler & Koch zum Sturmgewehr zum G36
08.04.2015
Im aktuellen Stern-Artikel „Mängel beim Sturmgewehr G36: Führung des Verteidigungsministeriums war seit 2011 gewarnt“ von Hans-Martin Tillack wird behauptet, ein „Abnahmedemonstrator“ des G36 aus dem Jahr 1993 habe eine andere Kunststoffbeschaffenheit aufgewiesen als die später durch den Bund beschaffte Serienwaffe.
Die Materialbeschaffenheit des durch die Bundeswehr erprobten Gewehres HK50, das später unter der Bezeichnung G36 eingeführt wurde, war dem Bund jederzeit bekannt. Sie wurde durch die hinterlegten Zeichnungssätze bzw. der „Technischen Lieferbedingungen“ jederzeit und vollumfänglich mitgeteilt. So herrschte in allen Phasen des Beschaffungsprozesses auch bzgl. des Gehäusewerkstoffs des HK50/G36 volle Transparenz. Die Werkstoffkonfiguration erfolgte zudem jeweils in enger Abstimmung mit der Bundeswehr.
Der Begriff „Abnahmedemonstrator“ ist der Firma Heckler & Koch nicht bekannt, auch die Ausschreibungsunterlagen der Bundeswehr nennen einen solchen Begriff nicht. Bei einem „Demonstrator“ handelt es sich um eine prototypähnliche Musterwaffe in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. In keinem Fall handelt es sich um sog. „Erprobungswaffen“, die in der Regel dem sogenannten „Vorserienstand“ entsprechen, wie z. B. seinerzeit das HK50 als Vorläufer des G36.
„Abnahmemuster“ hingegen stellen in der Regel Serienwaffen dar, welche bei Beginn einer Serienfertigung abgenommen werden.
Angesichts der extrem schadensträchtigen strafrechtlichen Dimension von gegen Heckler & Koch erhobenen falschen Anwürfen und Verdächtigungen werden wir in jedem Fall widerrechtlicher Veröffentlichungen alle rechtlich erforderlichen Schritte insbesondere zur Durchsetzung des Ersatzes aller hieraus entstehenden Schäden gegen die Verantwortlichen einleiten.

(Eine Sammlung der bisherigen Meldungen seit 2012 zum Thema G36 findet sich hier.