Schützenpanzer Puma: Jetzt gibt’s die Nutzungsgenehmigung
Es gibt doch auch positive Meldungen aus der Bundeswehr: Für den neuen Schützenpanzer Puma hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) die Genehmigung zur Nutzung erteilt. Das ging ein bisschen unter, weil es bislang nur die Herstellerfirma, ein Konsortium von Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall, am vergangenen Freitag auf ihrer Webseite veröffentlicht hat (aber den Lesern von Augen geradeaus! entgeht ja nix):
17.04.2015
Der SPz PUMA in der Truppe
Nach intensiven Tests bei den Wehrtechnischen Dienststellen, mehrmonatiger Erprobung in extremer Hitze und Kälte im Ausland und mehreren Einsatzprüfungen durch Soldaten der Bundeswehr ist nun ein weiterer Meilenstein im Projekt SPz PUMA erreicht worden – die Genehmigung zur Nutzung durch das BAAINBw ist erteilt.Viele Voraussetzungen mussten dafür erfüllt werden. Einige wesentliche werden hier nachfolgend aufgeführt. Auf Basis von Tests und Erprobungsergebnissen wurden immer wieder technische Optimierungen entwickelt, qualifiziert und fortlaufend in die Serienfahrzeuge eingebracht. Danach ist das Mustergutachten durch die Zentrale Militärkraftfahrtstelle finalisiert worden, um die notwendige Betriebserlaubnis sowie Straßenzulassung zu erteilen. Schließlich erklärte der Inspekteur Heer am 13.04.2015 formal die Bereitschaft zur Übernahme des SPz PUMA. Damit konnte am heutigen Tage durch das BAAINBw die „Genehmigung zu Nutztung“ erteilt werden.
Damit wird die Nutzung planmäßig mit der Ausbildung der Ausbilder (AdA) in der nächsten Woche mit zunächst sieben Schützenpanzern beginnen. Weitere Fahrzeuge folgen in den nächsten Monaten. Diese AdA wird am Ausbildungszentrum Munster noch bis Ende des Jahres durchgeführt. Dort wurde eigens für den PUMA eine Einführungsorganisation (EFO) aufgestellt, die die Erstausbildung der Panzergrenadierkompanien am SPz PUMA für jeweils drei Monate am Ausbildungszentrum Munster durchführt. Die EFO übernimmt auch die Fahrzeuge vom Hersteller, komplettiert sie mit bundeswehreigenen Ausrüstungsgegenständen und übergibt sie an die dort auszubildenden Soldaten. So können die Panzergrenadiere „ihre“ PUMAs, im Anschluss der dreimonatigen Ausbildung an den jeweiligen Standort mitnehmen, um sich hier weiter mit „ihrem“ neuen Gerät vertraut zu machen.
Die notwendigen Verträge zur Instandsetzung und zur Technisch-Logistischen Betreuung sind zwischen der Bundeswehr und der PSM GmbH geschlossen worden, die Unterstützung durch die PUMA-Industrie ist somit sichergestellt.
Dieser Meilenstein ist bisher weder dem Verteidigungsministerium noch der Bundeswehr noch dem Deutschen Heer noch dem BAAInBw auf ihren Webseiten eine Erwähnung wert. Vielleicht ist ihnen das einfach nur ein bisschen peinlich, weil der neue Schützenpanzer doch ein wenig später als geplant kommt… und ein bisschen teurer wird, wie aus dem nach dem jüngsten Rüstungsboard im März veröffentlichen Bericht hervorgeht:
Also die Nutzungsgenehmigung ist knapp viereinhalb Jahre später als geplant gekommen, dafür stiegen die Kosten für das Projekt um 2,3 Milliarden Euro auf etwa das Doppelte. Aber es soll ja auch mit 350 Exemplaren weniger dieser neuen Schützenpanzer als die ursprünglich geplanten 410 geben, wie der damalige Rüstungs-Staatssekretär Stephane Beemelmans Ende 2011 ausgehandelt hatte (damals kursierten dann auch die ersten Überlegungen für das Dynamische Verfügbarkeitsmanagement, 70 Prozent der Ausstattung sollten/mussten reichen – eine Überlegung, von der jetzt offensichtlich Abstand genommen wird.). Im Oktober 2013 hatte dann der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maiziere bekanntgegeben, dass die schon für damals geplante Nutzungsgenehmigung aufgeschoben würde: Zu groß waren die technischen Probleme, damals fiel sogar das Wort Mängel.
Das kostet die Bundeswehr richtig Geld, nicht nur, weil der Puma über die Jahre immer teurer wurde. Zusätzlich berücksichtigt werden müssten die Kosten dafür, den bisherigen Schützenpanzer Marder länger als vorgesehen zu nutzen, warnte auch das Team um die Beratungsfirma KPMG im Herbst vergangenen Jahres in seiner Übersicht über die großen Rüstungsprojekte für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Und da ging KPMG noch von einer Nutzungsgenehmigung im November 2014 aus.
Einsatzreif ist der Schützenpanzer übrigens noch nicht. Vor allem fehlt offensichtlich die funktionsfähige Waffenanlage MELLS , das mehrrollenfähige leichte Lenkflugkörpersystem. Nicht unwichtig zum Beispiel für die Bekämpfung gegnerischer Kampfpanzer. Und noch ein interessantes Detail, für das ich gerade leider die Belegstelle nicht finde: Da war doch was mit den eingebauten Displays – die sollten schwarz-weiß sein, weil Farbdisplays die geforderte Einsatztemperatur von minus 45 Grad nicht aushalten. Inzwischen ist wohl aufgefallen, dass man lieber detailreichere Farbdisplays einbaut, weil ein Einsatz bei dieser Temperatur nicht ganz so wahrscheinlich ist.
Ein bisschen zur Historie hatte KPMG der Ministerin im vergangenen Jahr auch aufgeschrieben. Daran muss man auch wirklich erinnern – die ersten Überlegungen für den Puma sind nur auch schon bald 20 Jahre alt:
Ursprünglich war beabsichtigt, 1152 SPz PUMA in verschiedenen Ausstattungsvarianten zu beschaffen. Der Beschaffungsumfang wurde mehrfach signifikant reduziert. Die Vertragslage sah zunächst den Kauf von 410, heute von insgesamt 350 SPz PUMA (Serie 1. Los) vor. Bis heute wurden 13 Fahrzeuge in unterschiedlichen Konfigurationen zu Erprobungs‐ und Nachweiszwecken ausgeliefert.
Nach mehrjähriger Unterbrechung infolge der veränderten Bedrohungslage wurden Ende der 1990er Jahre die Überlegungen zur Einführung einer „Neuen gepanzerten Plattform“ als gemeinsame Nachfolge von LEOPARD 2 und MARDER wieder aufgenommen. Aus Budgetgründen wurde die Überlegung jedoch ausschließlich zugunsten eines neuen Schützenpanzers weiterverfolgt. Dies mündete 2002 in die Entscheidung, von den führenden Systemhäusern der Panzerindustrie gemeinsam innerhalb von zweieinhalb Jahren einen sog. Gesamtsystemdemonstrator (GSD) – also den Prototyp eines neuen Schützenpanzers – entwickeln und bauen zu lassen. Mit dem Ziel, angesichts damals aufkommender Einsatzszenarien eine rasche Truppeneinführung zu erreichen, wurde die Planungsannahme der Verwendung von 60 % marktfähiger, verfügbarer Komponenten und eines Entwicklungsanteils von 40 % zugrunde gelegt. Vorgesehen war, ein erstes Serienfahrzeug 2008 vorzustellen, 2010 die Nutzungsgenehmigung zu erteilen und bis 2014 sämtliche Serienfahrzeuge an die Truppe auszuliefern.
Nach Sichtung und Würdigung der vorliegenden Informationen ergibt sich im Nachhinein, dass für die Planungsphase zu optimistische, nicht validierte Annahmen getroffen wurden. Dies schlug sich in einer zu ambitionierten Zeitvorstellung und ‐planung nieder. Der Projektierungszeitraum von nur 30 Monaten als auch die schon vor der Vorstellung des GSD Ende 2004 ausgelöste Vorserienproduktion überraschen und können nicht sachlogisch abgeleitet werden. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass kontinuierlich versucht wurde, die Zielsetzungen der maximalen politisch‐militärischen Fähigkeitsforderung (z.B. weltweites Operationsgebiet bis in polare Klimazonen, Lufttransportfähigkeit), der extrem straffen Zeitvorgabe und der technischen Realisierbarkeit gleichgewichtig nebeneinander auch nach ersten Zeitverzögerungen aufrecht zu erhalten.
Insbesondere aufgrund der Gewichtslimitierungen wurden parallel die militärisch‐technischen Komponenten mehrfach stark verändert. Die ursprünglich vorgesehene 50mm‐Bordmaschinenkanone, die eine Wirkung auch gegen stärkeren Panzerfeind erlauben sollte, wurde gegen die heute verwendete 30mm‐Kanone ausgetauscht; die dadurch entstehende Fähigkeitslücke soll durch das 2008 beauftragte Panzerabwehrraketensystem MELLS geschlossen werden. Das System MELLS wird voraussichtlich nicht vor 2018 eingerüstet werden können.
Anstatt die Zielvorstellungen der nun gewonnenen Erkenntnisse anzupassen und zumindest den Zeithorizont neu zu kalkulieren, fiel dementgegen 2007 die Entscheidung zur Serienbeschaffung. Obwohl mit den bis dahin gelieferten fünf Serienfahrzeugen kein finaler Entwicklungsstand erreicht werden konnte, entschloss sich derAuftraggeber, nun in Serie fertigen zu lassen. Die weitere Entwicklung und Erprobung einzelner Systemkomponenten wurde auf die ersten Chargen der – sogenannten – Serienfertigung verlagert. Entwicklung und Serienfertigung überlappen sich demzufolge. (…)
Vorgesehen ist nun, die vollständige Einsatzreife und den Zulauf aller SPz PUMA bis 2020 zu erreichen. Der Beginn der Nutzung im Deutschen Heer – mit noch nicht vollständiger Einsatzreife, insbesondere ohne die Waffenanlage MELLS – ist für November 2014 geplant. Dem stehen gegenwärtig noch die mangelnde Einsatzreife bezüglich der Führungsfähigkeit und der Integration in den Führungsverbund „System Panzergrenadier“ sowie der Sichtmittel (Integration von Farbsichtdisplays) entgegen. Sollte dieser Termin eingehalten werden, beliefe sich der Zeitraum von der Projektierung bis zum Beginn der Nutzungsphase auf 12 Jahre, mithin eine Zeitverzögerung von sechs Jahren gegenüber der ursprünglichen Planung, d.h. eine zeitliche Verdoppelung.
Die Stückkosten für den SPz PUMA steigen bereits aufgrund der signifikanten Stückzahlreduzierung erheblich, etwa durch Umlegung der Entwicklungskosten. Der Preis wird zusätzlich von drei Kriterien beeinflusst: Anwendung der vertraglich vereinbartenen Preisgleitformel, Erhöhung der Umsatzsteuer 2007 und Einbeziehung von sogenannten Zusatzleistungen, insbesondere von zusätzlichen Waffenanlagen wie MELLS.
(Foto: Undatiertes Pressefoto von Rheinmetall. Es gäbe zwar vermutlich aktuellere Fotos, auch aktueller als die, die die Bundeswehr auf Flickr zur Nutzung anbietet, sowohl von der Bw als auch vom Hersteller. Aber die Herstellerfotos hier dürfte ich ja nur „mit der ausdrücklichen Genehmigung der PSM Projekt System & Management GmbH“ verwenden. Und an einem Sonntag ist das bei der Herstellerfirma mindestens genau so schwierig wie bei der Bundeswehr. )
@ FvS
Ich kenne die Lösung vom PUMA nicht persönlich, deswegen kann ich das Waffensystem schwer beurteilen – für den Leopard 2A6 z.B. gilt (meiner bescheidenen Meinung nach) mein obiges Statement aber unverändert. Akkustische Reize sind bei Gefechtsfahrzeugen (derzeit) ohnehin zweitrangig, da man durch BV etc. ohnehin wenig hört. Gekoppelt mit leistungsfähigen Mikros (siehe „Sniper detection“) aber eine interessante Idee.
Ein komplett anderes Blatt sind die aufkommenden VR-Brillen, die – zumindet theoretisch – einen Gläsernen Panzer ermöglichen; denn sie könnten es, gekopptelt mit leistungsfähigen Kameras, tatsächlich schaffen, ein menschliches Blickfeld nachzuahmen. Insofern kann ich Ihrem Argument in Teilen zustimmen.