Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer: ‚Berlin‘ und ‚Hessen‘ vorgesehen (Update: ohne Helos)
Für die von der Bundesregierung in der vergangenen Woche angekündigte deutsche Unterstützung bei der Rettung von Flüchtlingen aus Seenot sollen der Einsatzgruppenversorger Berlin und die Fregatte Hessen der Deutschen Marine ins Mittelmeer einlaufen. Das teilte die Marine am (heutigen) Dienstag mit. Einen genauen Zeitpunkt, wann die beiden Schiffe sich an der Aktion beteiligen könnten, nannte das Marinekommando in Rostock nicht. Die Marine ließ auch offen, ob auf Berlin oder Hessen Hubschrauber zur Unterstützung eingeschifft werden.
Die Mitteilung der Marine im Wortlaut:
Seenotrettung im Mittelmeer – Deutsche Marine bereitet sich vor
28.04.2015 – 17:45
Der Einsatz- und Ausbildungsverband der Marine (EAV), unter dem Kommando von Kapitän zur See Andreas Martin Seidl (50), bereitet sich auf einen möglichen Einsatz zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen als Beitrag der Marine zur beabsichtigten humanitären Hilfsaktion im Mittelmeer vor und verlegt derzeit mit zwei Schiffen in Richtung Souda.
Das Flaggschiff des Verbandes, die Fregatte „Hessen“, und der Einsatzgruppenversorger „Berlin“ beabsichtigen schnellstmöglich den Suezkanal zu passieren, um anschließend in das ca. 500 Seemeilen (rund 900 Kilometer) entfernte Souda auf Kreta einzulaufen.Die Fregatte „Karlsruhe“ wird ihr geplantes Ausbildungsprogramm fortsetzen.
In Souda wird die logistische Nachversorgung der beiden Einheiten in Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse für eine erweiterte Seenotrettung stattfinden. Hierzu zählen unter anderem zusätzliche Verpflegung, Decken, Sanitätsmaterial und Hygieneartikel um den geplanten maximal zweitägigen Verbleib der Geretteten an Bord bis zu einer Abgabe in einem Hafen zu ermöglichen.
Bereits wenige Tage nach Abschluss der Versorgung könnten die „Hessen“ und die „Berlin“ für die Rettung von Flüchtlingen zur Verfügung stehen. Der Einsatzgruppenversorger kann bis zu 250 Personen, die Fregatte bis zu 100 Personen behelfsmäßig aufnehmen und soweit erforderlich eine medizinische Erstversorgung der aus Seenot geretteten Personen durchführen.
Als Grundlage für eine gezielte Hilfeleistung im Mittelmeer durch die Marine dient der Artikel 98 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen. Dieses verpflichtet den Kapitän eines Schiffes jeder Person, die auf See in Lebensgefahr angetroffen wird, möglichst schnell zur Hilfe zu eilen. Diesem völkerrechtlichen Grundsatz folgend, handeln selbstverständlich auch die Schiffe der Deutschen Marine.
(Die Meldung mit etwas Verspätung, weil ich unterwegs war. Angesichts der Uhrzeit ging auch mein Versuch, das mit den Hubschraubern zu klären, ins Leere – wird morgen nachgetragen.)
Update 29. April: Nach Angaben des Marinekommandos ist keine Einschiffung von Hubschraubern auf der Berlin oder der Hessen vorgesehen. Hauptgrund seinen Platzprobleme: Zum einen würden Hangar und Achterdeck ggf. für gerettete Flüchtlinge benötigt, zum anderen fehle der Platz für das Personal. Darüber hinaus gebe es in der Zusammenarbeit mit anderen Nationen genügend Aufklärungsmittel: Die Einheiten können auch so leisten, was gefordert ist.
(Archivbild: Berlin und Hessen bei einem Seeversorgungsmanöver im Mittelmeer 2008 – Bundeswehr/Ricarda Schönbrodt)
Ich weiß an humanitäre Aktionen hängt man kein Preisschild, aber ich dachte der Sinn eines EAV, der einmal im Jahr auf Fahrt geschickt wird, ist etwas zu lernen?
Wie groß wird sagen wir, der Ausfall sein, wenn zwei Schiffe jetzt erstmal Seenotrettung machen? Ausfall im Sinne von kein Training mit befreundeter Marine, weniger Erfahrung im Flugkörperschießen, etc.?
Seenotrettung geht doch auch in der Deutschen Bucht?
@Herr S. aus DAH: “ Als operative Einsatzreserve der Marine bildet der Einsatz- und Ausbildungsverband (EAV) 2015 den Kern einer deutschen Beteiligung an internationalen maritimen Einsatzgruppen. Hierfür verfügt er über ein breites Spektrum an maritimen Fähigkeiten und ist in der Lage bei Bedarf innerhalb von zehn Tagen in eine Krisenregion zu verlegen.“
Quelle: Marine.de (https://bw2.link/rcd6L)
Nebenher wird halt auch ausgebildet.
Das „E“ steht für Einsatz, der Verband dient auch als operative Reserve. Wenn das Thema jetzt also aktuell wird und der Verband in der „Nähe“ ist, ist es naheliegend, diesen erstmal zu zünden.
@Herr S. aus DAH
EAV = Einsatz- und Ausbildungsverband. Ist selten, aber kommt vor: Verband fährt für Einsatz, nicht mehr für Ausbildung. Und wenn mal Einsatz angesagt ist, dann muss Ausbildung warten.
Ohnehin ist der Ausbildungsfortschritt eines EAV nicht übermäßig hoch, denn wirklich Zählbares stellt m.E. nur Ausbildung für das Schiff resp. die Stammbesatzung dar – und mit dem FK-Schießen vor Südafrika fand das wichtigste Ausbildungsevent bereits statt. Ob die Offizieranwärter nun ihr Flottenpraktikum bekommen oder nicht, macht den Kohl nicht fett.
Wo finden den auf F124 100PAX Platz?
Im Hangar stapeln? Oder wird in Souda massiv ausgeschifft?
Hoffentlich werden die entscheidenden Punkte rechtzeitig vorher geklärt:
Wohin mit den Flüchtlingen?
Wie sollen die an Bord kommen? Über die Lotsenleiter?
Wie lange sollen die Schiffe vor Ort bleiben?
Nebenbei: Ist das überhaupt eine Aufgabe für das Militär? Eine Fregatte scheint wenig für diese Aufgabe geeignet zu sein.
Außerdem: Auch in der Lybien-Krise wurde der EAV verlegt um ggfs Deutsche zu evakuieren.
Viel mehr Schiffe dürften auch nicht mehr zur Verfügung stehen um kurzfristig eingesetzt zu werden.
Ich fürchte, manche der hier vorgetragenen Ansichten darüber, was bei echter Seenot alles möglich ist und/oder möglich gemacht wird, sind etwas aus der Zeit gefallen. Natürlich kann eine Fregatte nicht einfach 100 Passagiere „unterbringen“ oder „versorgen“, wie wir es in der Deutschen Marine nach den Standards des Jahres 2015 gewohnt sind. Aber sie kann 500 Menschen, die sich verzweifelt an ein gekentertes Boot klammern, aus dem Wasser holen und deren Leben retten. Ich erinnere an die Zustände vor 70 Jahren, als deutsche Schnellboote (!) mit über 100 Menschen an Bord von Ostpreußen in zwei Tagen bis nach Schleswig-Holstein gedampft sind. Die Umstände waren grauenvoll – aber es ging.
„Als Grundlage für eine gezielte Hilfeleistung im Mittelmeer durch die Marine dient der Artikel 98 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen.“
Das bedeutet aber keine Verpflichtung, bereits im Voraus dort Rettungskräfte zu stationieren.
Und ein Aufbringen bzw. sonstiges Abbergen in internationalen Gewässern wäre doch wohl Piraterie oder Freiheitsberaubung, oder nicht?
@ Thomas Melber
[i]Und ein Aufbringen bzw. sonstiges Abbergen in internationalen Gewässern wäre doch wohl Piraterie oder Freiheitsberaubung, oder nicht?[/i]
Nee, siehe UNCLOS Art. 98:
1. Jeder Staat verpflichtet den Kapitän eines seine Flagge führenden Schiffes, soweit der Kapitän ohne ernste Gefährdung des Schiffes, der Besatzung oder der Fahrgäste dazu imstande ist:
a)jeder Person, die auf See in [b]Lebensgefahr[/b] angetroffen wird, Hilfe zu leisten;
b)so schnell wie möglich Personen in [b]Seenot[/b] zu Hilfe zu eilen, wenn er von ihrem Hilfsbedürfnis Kenntnis erhält, soweit diese Handlung vernünftigerweise von ihm erwartet werden kann;
Und „in Lebensgefahr“ sind Flüchtlinge auf total überfüllten Schrottkähnen oder in Schlauchbooten mitten auf dem Mittelmeer definitiv.
Wobei Hilfeleistung nicht unbedingt bedeutet, dass die Personen an Bord umsteigen müssen. Begleitung, Beobachtung usw. sind hier auch mögliche Optionen.
Wenn allerdings der Kapitän des Rettungsschiffes die Seetüchtigkeit eines Flüchtlingsbootes ernsthaft bezweifelt, dann kann er den Vorschlag zum Umsteigen machen. Wird dieser angenommen, dann hat das den Vorteil, das hinterher der geräumte Schrottkahn als Gefahr für die Navigation betrachtet werden kann – und dann versenkt werden darf.
[i]Das bedeutet aber keine Verpflichtung, bereits im Voraus dort Rettungskräfte zu stationieren[/i]
Und wieder hilft ein Blick in das Seerechtsübereinkommen:
Art. 98 Abs. 2:
2. Alle Küstenstaaten fördern die Errichtung, den Einsatz und die Unterhaltung eines angemessenen und wirksamen Such- und Rettungsdienstes, um die Sicherheit auf und über der See zu gewährleisten; sie arbeiten erforderlichenfalls zu diesem Zweck mit den Nachbarstaaten mittels regionaler Übereinkünfte zusammen.
Damit ist auch die prophylaktische Stationierung von Rettungskräften gemeint.
@all
Siehe Aktualisierung/Update oben: Keine Einschiffung von Hubschraubern vorgesehen.
@Minenjäger:
+1
Verstehe ich das also richtig, dass die operative Reserve der Marine (EAV) von Haus aus ohne Hubschrauber unterwegs ist?
@ TomTom:
Verfügen nicht zumindest die Fregatten über Kräne, mit deren Hilfe RHIBs zu Wasser gelassen werden können? Irgendwie muss Boarding schließlich auch ohne Hubschrauber möglich sein.
die frage ist doch eher wie die Leute (von denen die meisten nicht Schwimmen können) in einer PANIKSITUATION geborgen werden können. Beim letzten Vorfall lagen ja mit einem Schlag 900 Leute gleichzeitig im Bach.
Na dann bin ich mal gespannt, welcher Hafen die armen Seelen innerhalb 2 Tage abnimmt, Lampedusa ist ja vermutlich raus. Irgendwo in Tunesien vielleicht? Oder doch direkt nach DEU um Gesichtwahrend da raus zu kommen?
Die Hessen benötigt den Raum im Hangar für die Aufnahme von Personen, daher wäre ein Helo sehr im Weg. Und von den Sea King für den EGV sind halt nur arg wenig verfügbar… war denn bislang einer im EAV überhaupt mit dabei?
Beim EAV war kein Hubschrauber eingeschifft. Stand jetzt hat nur die Bayern bei ATALANTA Lynx an Bord.
Neuigkeiten:
BER und HES sind gestern Abend in Port Suez angelangt. Next Port of Call: Souda, Kreta, GR. Außer Einlaufen WHV am 19.06. ist von der Hafenplanung nix übrig geblieben.
Unterbringung/Aufenthalt Geretteter: an Bord HES in den Hangars / auf dem Flugdeck, an Bord BER im Bereitstellungsgang sowie an Oberdeck im Bereich zwischen den Kränen (Verbindung besteht durch Treppenschacht Abt. VII).
Zum rechtlichen Drumherum und einem möglichen Procedere scheints ja bisher noch keine Festlegungen, vielmehr allergrößte Ratlosigkeit in den einschlägigen Kreisen zu geben. Man darf gespannt sein :-)
@Yeoman
Nun muß man das vom timing nur noch so hinbekommen, dass dann am 19.06 der EAV vollbepackt mit Seenotgeretteten möglichst medienwirksam von UvdL in WHV begrüßt werden kann ;-)
Die Deerns & Jungs an Bord BER und HES tun mir leid!
@ klabautermann | 01. Mai 2015 – 17:57
„@Yeoman
Nun muß man das vom timing nur noch so hinbekommen, dass dann am 19.06 der EAV vollbepackt mit Seenotgeretteten möglichst medienwirksam von UvdL in WHV begrüßt werden kann ;-) “
Hat den Vorteil, daß dann sicherlich das Marinemusikkorps die Junx und Mädels begrüßt, und nicht im dümmsten Fall der Blockflötenchor aus der Grundschule nebenan …
Mal wieder geht es hier offensichtlich um eine Reaktion auf ein politisches Thema. Ebenso offensichtlich wird die „öffentliche Meinung“ durch die Medien gelenkt. Seit mindestens über 10 Jahren wird auf dem Seeweg über das Mittelmeer geflüchtet und – so traurig das sein mag – auch gestorben. „Nur“ durch die Unglücke, die in den letzten Wochen aus welchen Gründen auch immer bemerkt wurden, besteht überhaupt Aufmerksamkeit einer breiten Masse über den „Medienhype“. In vielen anderen Regionen, beispielhaft sei hier der Golf von Aden genannt, wird auch seit vielen Jahren geflüchtet (z.B. von Somalia zum Jemen), auch dort kamen, und kommen vermutlich immer noch, viele Menschen um´s Leben.
Fraglich ist doch, ob das Militär (und im Speziellen die Marine der Bundeswehr) sinnvoll und nachhaltig im Mittelmeer Seenotrettung betreiben kann (und auch soll). Ein EAV ist doch zum Einsatz in kurzfristigen kritischen Situationen bestimmt. Es handelt sich hierbei um eine langfristige Entwicklung im Vorfeld und auch um eine in Zukunft weiter anhaltende Situation.
Der gesunde Menschenverstand läßt doch erahnen, was jetzt geschieht: Durch die Erhöhung der potentiellen Rettungskapazitäten werden sich aufgrund des vermeintlich niedrigeren Risikos bei der Überquerung noch mehr Menschen aus Afrika auf den Weg in das „goldene“ Europa machen. Und die schwimmenden Transportmittel werden immer wieder abenteuerlich sein, von geringem Risiko kann somit keine Rede sein.
Auf den Einheiten selbst wird es eine Menge Probleme geben: Zunächst wird ein großes Problem darin bestehen, wie zahlreiche in Seenot geratene Menschen auf eine Fregatte kommen sollen. Diese können nämlich meist nicht einfach mal an einer Leiter/ einem Kletterrettungsnetz eine mindestens 5 Meter hohe Bordwand hochklettern, da sie häufig geschwächt oder gar verletzt sind. Es gibt auf einer Fregatte nur begrenzt Rettungsboote (eigentlich nur eins), die an einem dafür ausgelegten Lastenkran eingeholt und ausgebracht werden. Ein aus meiner Erfahrung dann eher überforderter Bordsanitätsdienst wird sich mit Quarantänemaßnahmen und Behandlung diverser Tropen- und alter Infektionskrankheiten, unter anderem auch bei Kindern, auseinandersetzen müssen. Weiterhin ist die Logistik allein im Sinne der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser, z.T. Kleidung und Decken sowie gerade auch der Unterbringung (auch im Hangar) nicht unkritisch auf einem Schiff, welches -wie die Hessen- voller Militärtechnik steckt. Abgesehen davon möchte man sich ein kritisches Szenario wie „Feuer im Schiff“ o.ä. mit 100 Flüchtlingen an Bord gar nicht vorstellen.
Allerdings werden die Besatzungen, wie gewohnt, ihr Bestes geben und auch diesen Einsatz nach ihren Möglichkeiten so gut wie möglich absolvieren. Viel Veranwortung lastet hierbei auf der Schiffsführung, da es, so habe ich es selbst einige Male erlebt, die Besatzung selbst im Notfall hochmotiviert ihre Aufträge erfüllt, soweit sie denn von der Schiffsführung sinnvoll eingesetzt wird.
Es bleibt abzuwarten, wie lange die „Rettungsmission“ nach Abklingen des medialen und damit dann auch des politischen Interesses noch andauern wird, der Flüchtlingsstrom wird jedenfalls, zumindest in absehbarer Zeit, nicht abreißen.
@ Meinungshaber:
Dazu kommt m.E., daß sich die Damen und Herren Politiker vielleicht auch einmal überlegen sollten, wie das Ganze denn auf Dauer aussehen soll.
Es ist ja nicht damit getan, unter den von Ihnen beschriebenen Umständen die Flüchtlinge – wie auch immer – an Bord zu holen, wobei dies unter sanitätsdienstlichen. Gesichtspunkten sicher auf einem EGV mit MERZ besser zu bewerkstelligen ist, als auf einer „normalen“ Fregatte.
Wenn man sich nur die Zahlen dieses Wochenendes ansieht und gut 3000 gerettete Flüchtlinge pro Tag ( !!! ) einmal hochrechnet, kommt man auf über 1 Mio Flüchtlinge pro Jahr ( und da in Zukunft die Zahl der Geretteten steigen und die Zahl der Ertrunkenen sinken wird aufgrund der Marineeinsätze, werden die Schleuserbanden sicher nicht weniger Menschen in die Boote setzen ).
Eine Flüchtlingshelferin brachte es vorgestern im TV auf den Punkt:
Die Frage ist nicht nur, wieviele Menschen lann ich retten, sondern, wenn diese Flüchtlinge dann hier ( in Europa ) sind, WAS tue ich dann mit ihnen ?
Sie nur in Turnhallen oder Containern unterzubringen, und dann der „allgemeinen Langeweile“ auszusetzen, bringt keine wirkliche Lösung.
Ich denke, die Dame hat nicht ganz unrecht.