Bundesregierung prüft angeblich militärische Evakuierung aus dem Jemen (Korrektur zur Marine)

Sprachmittler im Einsatz

Die Bundesregierung prüft nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) eine militärische Rückführungsoperation für Deutsche und andere EU-Staatsbürger, die im Jemen festsitzen. Derzeit seien den deutschen Behörden rund 90 Deutsche und ihre Angehörigen bekannt, ihre Evakuierung solle vorrangig mit zivilen Flugzeugen erfolgen. Falls das scheitere , werde auch die Evakuierung mit militärischen Transportmitteln geplant; die Optionen dafür sollten bis zum Wochenende geprüft werden, berichtet die SZ. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es am (heutigen) Dienstag nicht.

Als Voraussetzung für einen Einsatz der Bundeswehr gilt nach Angaben der Zeitung die Zustimmung der anerkannten jemenitischen Regierung, die allerdings faktisch keine Kontrolle mehr über das Land hat. Eine Evakuierung mit Bundeswehrflugzeugen würde deshalb möglicherweise von bewaffneten deutschen Soldaten begleitet – was die Frage nach einer Zustimmung des Bundestages aufwirft, gegebenenfalls auch im Nachhinein.

(Übrigens: alle denken nur an Lufttransport, dabei hat unter anderem China im Fall Jemen vorgemacht, dass man auch mit Kriegsschiffen Personen evakuieren kann. Die rechtlichen Voraussetzungen wären aber die gleichen.)

Bislang gab es zwei solcher Aktionen der Bundeswehr: Die Operation Libelle 1997 in Albanien  und die Operation Pegasus 2011 in Libyen. Nach der Evakuierung aus der libyschen Wüste hatte die Bundesregierung eine nachträgliche Zustimmung des Parlaments verweigert, da bei diesem Einsatz nicht mit einer gewaltsamen Auseinandersetzung zu rechnen gewesen sei. Der Streit darüber beschäftigt derzeit das Bundesverfassungsgericht, vor dem die Grünen auf die Beteiligung des Bundestages klagten.

Aus der Opposition wurde bereits eine Einbindung des Parlaments bei einer möglichen bewaffneten Evakuierungsoperation gefordert. Der verteidigungspolitische Sprecher der Linkspartei, Alexander Neu:

Die Bundesregierung plant unter Umständen die noch verbliebenen 90 deutschen Staatsbürger und ca. 300 EU-Angehörige aus dem vom Bürgerkrieg und dem Angriffskrieg der arabischen „Koalition der Willigen“ zerrütteten Jemen mit der Bundeswehr zu evakuieren, sollten die zivilen Möglichkeiten nicht mehr gegeben sein.
Allerdings äußert sich die Bundesregierung hinsichtlich der verfassungsrechtlichen sowie völkerrechtlichen Lage erneut, wie schon bei der Operation „Pegasus“, bei der die Bundeswehr ebenfalls deutsche Staatsbürger im Jahre 2011 aus Libyen evakuierte, in inakzeptabler Weise nebulös, so der Obmann im Verteidigungsausschuss, Alexander S. Neu.
Die Bundesregierung räumt ein, sie müsse die jemenitische Regierung um Erlaubnis bitten. Dass ist richtig, da es sich ansonsten um eine völkerrechtswidrige Intervention handeln würde. Allerdings scheint es derzeit keine handlungsfähige jemenitische Regierung zu geben. Wie in solchen Fällen zu verfahren ist, ist in der Tat noch nicht hinreichend diskutiert.
Mindestens aber muss die Bundesregierung den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Deutschen Bundestages respektieren. Dass heißt, dass entweder die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag einen ganz konkreten Vorratsbeschluss zur Abstimmung vorlegen muss oder aber im Rahmen der Regelung „Gefahr im Verzug“ nachträglich den Deutschen Bundestag um ein Mandat zu bitten hat. Die Vorgehensweise wie in Libyen, in der der Deutsche Bundestag umgangen wurde, ist absolut inakzeptabel und entspricht nicht der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes nach parlamentsfreundlicher Auslegung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes.

Nun kann man drüber streiten, ob in so einem Fall die Einreise deutscher Soldaten ohne Genehmigung der jemenitischen Regierung tatsächlich völkerrechtswidrig wäre – klar ist allerdings, dass die Bundesregierung nach der Operation Pegasus mit ihrer Haltung ohne Not Abgeordnete gegen sich aufgebracht hat. Was sich in einer solchen Situation rächt.

Aus dem Bürgerkriegsland Jemen waren übrigens etliche Deutsche schon auf anderen Wegen evakuiert worden – zum Beispiel mit Hilfe Indiens. Der deutsche Botschafter in Neu-Delhi, Michael Steiner, hatte sich dafür öffentlich bedankt:

Falls es tatsächlich zu einer bewaffneten Abholung aus dem Jemen kommen würde, wären von der Bundeswehr in erster Linie Transall-Flugzeuge gefragt, sinnvollerweise mit der ESS-Ausstattung (elektronischer Selbstschutz) gegen eine mögliche Bedrohung durch Flugabwehrraketen. In Djibouti auf der anderen Seite des Golfes von Aden stünde auch eine Basis bereit, nämlich der Fliegerhorst der franzsösischen Truppen, den die Bundeswehr ohnehin jetzt schon für ihre Seefernaufklärer im Antipiraterieeinsatz wie für Transportflüge nutzt. Bewaffnete Soldaten als Begleitung wären vermutlich je nach Lageeinschätzung nötig, um die Flugzeuge nach der Landung und während der Aufnahme der zu Evakuierenden zu sichern. Allerdings in überschaubarer Zahl, da es ja nicht darum geht, die Deutschen und anderen Bürger mit militärischen Mitteln aus einer Gefahrenlage zu befreien.

Außerdem käme natürlich, je nach Ort, auch eine Evakuierung über See infrage. Da sind die unmittelbar einsetzbaren Mittel der Bundeswehr allerdings begrenzt: Derzeit ist die Deutsche Marine in der Nähe, nämlich im Antipiraterieeinsatz vor Somalia, nur mit der Fregatte Bayern präsent.

Da wäre die Deutsche Marine vergleichsweise stark präsent: Zusätzlich zur Fregatte Bayern,  die in der EU-Antipirateriemission Atalanta vor Somalia eingesetzt ist, ist derzeit der so genannte Einsatz- und Ausbildungsverband (EAV) der Marine auf dem Weg in die Region. Der Einsatzgruppenversorger Berlin, eines der größten Schiffe der Bundeswehr, und die Fregatte Hessen sollten vorübergehend bei Atalanta eingesetzt werden. Für die Fregatte Karlsruhe ist ein Hafenaufenthalt in Indien geplant, der aber abgesagt werden könnte.

EAV_2015_RouteA

(Eine grundsätzliche Bitte: Vermutlich gibt es den Wunsch zur Meta-Debatte, ob nämlich die Veröffentlichung der Evakuierungsplanung zu dieser Zeit sinnvoll ist. Diese Debatte wäre aber bitte bei der Süddeutschen Zeitung zu führen und nicht hier.)

— Zu diesem Thema bereits aufgelaufene Kommentare verschiebe ich in diesen Thread —

(Foto: Vorbereitung auf die Operation Pegasus 2011 auf Kreta – Bundeswehr/PIZ Einsatzführungskommando)