Waffen für die Welt: Zwölf Jahre deutsche Ausfuhrgenehmigungen zum Nachlesen
Da ist der Linksfraktion im Bundestag ein echter Scoop gelungen: Auf eine parlamentarische Anfrage ihrer Abgeordneten Jan van Aken und Christine Buchholz hat die Bundesregierung die Ausfuhrgenehmigungen von Rüstungsgütern durch den Bundessicherheitsrat seit 2002 detailliert veröffentlicht. Und, das ist neu, nicht mehr nur recht allgemein gehalten, sondern mit Angabe der Herstellerfirma. Einschließlich der Stückzahlen von Gewehren, Panzern, Flugzeugen. Dafür gibt es keine Angabe des finanziellen Ausfuhrvolumens, da – so die Argumentation der Bundesregierung – bei der Ausfuhrgenehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz die Menge, nicht aber der Wert erfasst wird. Deswegen gibt es bei Rüstungsgütern eine Wertangabe, nicht aber bei Kriegswaffen. Auch machte die Regierung nicht die erbetenen Angaben zu abgelehnten Anträgen auf Ausfuhrgenehmigung.
Die ganze Liste, über die zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte (Link aus bekannten Gründen nicht) wird zwar demnächst als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden; ich hab‘ aber schon mal die Linksfraktion darum gebeten und die Antwort auf die Anfrage auch erhalten:
Anfrage_Bundessicherheitsrat_Maerz2015
(komplett in der übermittelten Fassung)
Die genannten Ausfuhrgenehmigungen muss man sich jetzt mal in Ruhe im Detail anschauen. Der Abgeordnete van Aken ist zu einer kurzen Analyse gekommen, die ich allerdings nicht in allen Teilen für zutreffend halte:
Offenbar tagte der BSR in der Vergangenheit eher unregelmäßig, ungefähr vier Mal im Jahr. Im Schnitt wurden jedes Jahr nur rund 14 Genehmigungen im BSR erteilt, weniger als 0,1% aller Rüstungsexportentscheidungen (Vergleichsjahre 2008: 15.458 Genehmigungen insgesamt, 2009: 16.202; im Vorbereitenden Ausschuss (VoA): 16,8 Entscheidungen im Jahresdurchschnitt, etwas mehr als 0,1%). 99,8% werden demnach auf unterer Ebene, im Ministerium oder im BAFA genehmigt.
121 Genehmigungen für Heckler & Koch (32,7% aller Genehmigungen)
Das stimmt zwar, ist aber auch irreführend – den es handelt sich teilweise um Kleinstmengen wie die Lieferung von zwei Maschinenpistolen nach Hongkong und sagt nicht wirklich etwas über den Umfang. Das gleiche gilt für die Aussage
Rund 200 der Genehmigungen betreffen „Small Arms and Light Weapons“ (SALW)
104 Genehmigungen für Saudi-Arabien (28,1 % aller Genehmigungen)
Auch da muss man sich noch mal genauer angucken, um welche Größenordnungen es jeweils geht – die Zahl der Genehmigungen allein ist nicht wirklich aussagekräftig. Was nicht heißt, dass Saudi-Arabien kein guter Kunde in den vergangenen Jahren gewesen wäre.
Mehrfach wurde Herstellungsausrüstung für Munition genehmigt, unter anderem für Malaysia, Südafrika, Türkei, Saudi-Arabien
Erneut: Genaues Hinschauen wichtig – eine Munitionsfabrik im NATO-Partnerland Türkei dürfte einen anderen Stellenwert haben als die G36-Fabrik in Saudi-Arabien, die von der ersten schwarz-roten Merkel-Koalition genehmigt wurde.
Nachtrag: In ergänzenden Erläuterungen legt das federführende Bundeswirtschaftsministerium auch offen, warum es wie geantwortet – oder eben nicht geantwortet hat. Und warum nur der sehr kleine Teil aufgeschlüsselt wurde, der vom Bundessicherheitsrat oder dem vorbereitenden Ausschuss behandelt wurde:
Der BSR wird nur mit politisch sensiblen Ausfuhren von Rüstungsgütern befasst. Sensibel sind insbesondere Kriegswaffen für Drittländer. Daher sind in der Antwort meist nur Drittländer (z.B. arabische Staaten) und überproportional viele Kriegswaffen (insb. Kleinwaffen, z.B. Maschinenpistolen) aufgeführt. Genehmigungen unterhalb der BSR-Schwelle, etwa für Exporte in EU, NATO oder NATO-gleichgestellte Staaten (z.B. Australien) oder für „unproblematische“ Güter, erreichen nicht den BSR. Die Antwort gibt daher nicht die gesamten Rüstungsexportgenehmigungen, sondern lediglich einen kleinen Teilausschnitt wieder. Sie listet ca. 400 Genehmigungen über 13 Jahre auf, während allein in 2013 nach dem Rüstungsexportbericht ca. 17.000 Einzelgenehmigungen erteilt wurden.
Und wie lange an der Antwort gearbeitet wurde:
Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit größtmöglicher Sorgfalt und Engagement ca. 3 Monate an der Beantwortung gearbeitet. Zusammengerechnet war ein Kernreferat (1 Referatsleitung, 1 Referent/in, 1 Sachbearbeiter/in, 1 Schreibkraft) ca. sechs Wochen vollständig mit der Beantwortung befasst (in der Praxis verteilt auf mehrere Personen / Referate).
Im Wortlaut: Erläuterungen: Export von Rüstungsgütern seit 2002
(Archivbild: Ein lettischer Soldat mit einem G36 von Heckler&Koch in der Kurzversion 2009 in Afghanistan – Sgt. Teddy Wad via Wikimedia Commons/Public Domain)
SKANDAL!!!….not.
vermutlich hat dieser teil der linksparteikampagne zwecks demontage einer deutschen hochtechnologiebranche aber wieder den beabsichtigten medialen pavlov effekt.
rüstungsexporte sind sowohl volkswirtschaftlich, sicherheitspolitisch und verantwortungsethisch zulässig und sinnvoll.
für etwaigen missbrauch im bestellerland ist weder deutschland als nation noch der hersteller sondern der ausführende vor ort verantwortlich.
auch Solinger messerschmieden sind keine misogynen totschläger weil global häusliche gewalt mit deren produkten verübt wird.
Nun, ich finde es erst mal gut, dass jetzt auch gesagt wird, welchen Unternehmen Ausfuhranträge genehmigt wurden. Das bisschen Transparenz schadet nicht.
völlig richtig. mir ging es ja eher um die motivation dahinter.
altruistische transparenzinitiative ist das ganze sicher nicht
Interessante Liste in der man sicher sehr lange schmökern könnte und die stellenweise absurd detailiert, an anderer Stelle aber wieder extrem nichtssagend ist.
Meine Favoriten bisher: „Technologie für Maschinenkanone“ im Wert von 200 Euro für Libyen. Da kann ich mir mal gar nix drunter vorstellen. Und dann noch Patrouilienboote für 100 Mio für Turkmenistan, da musste ich erstmal nachschauen wo sie die denn bitte einsetzen wollen.
@T.W. Wenn für solche Anfragen die Behörden wochenlang geblockt werden und Geschäfte ins Leere laufen schadet diese Transparenz der Wirtschaft erheblich.
Zukunftsorientierter wäre eine Anfrage bezgl. der künftigen Ausrichtung der Industrie an Gabriel und vdL. Hier ist Transparenz für die Industrie genauso notwendig wie für den Bürger.
Gleitet evt. in OT ab, ist aber im Zusammenhang von Interesse:
Wie hat sich die Linkspartei in Regierungsverantwortung in TH zur Beteiligung des Landes an Jenoptik inzwischen positioniert?
Weiß hier jemand ob es sich bei den 20 Flugabwehrpanzern die 2006 von KMW an Ägypten exportiert worden sind um Gepard oder um Roland Flugabwehrpanzer gehandelt hat?
Ich würde zwar Gepard raten, weil KMW auch Gepard Flugabwehrpanzer an Brasilien exportiert hat, aber ich weiß leider nicht, was aus den Roland-Systemen geworden ist, ob diese vielleicht auch bei KMW gelandet sind nach der Ausmusterung bei der BW?
Denn bei Wiki finde ich keinen Export von Gepard oder Roland Flugabwehrpanzern an Ägypten.
@all
BMWi hat Erläuterungen zu dieser Antwort auf seine Homepage gestellt:
http://bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/erlaeuterungen-zu-bt-drucksache-18-3002-export-von-ruestungsguetern-seit-2002,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf
@ONA
Guten Morgen!
(Oben im Eintrag der letzte Link…)
Ich vermisse in der Liste die Leo’s und Pzh’s für Katar, hat jemand eine Erklärung?
Die Liste enthält ja nur die Waffenlieferungen, welche der Bundessicherheitsrat und sein Unterausschuß genehmigt hat. Aber keine Waffenlieferungen, welche von unteren Ebenen genehmigt worden sind.
Da es sich um eine große Waffenlieferung an ein umstrittenes Land gehandelt hat, hätte man erwarten sollen, daß diese Lieferung in der Liste erscheint. Da diese Lieferungen fehlen, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder die Liste ist unvollständig oder diese Panzer an Katar sind von unteren Ebenen genehmigt worden, weil dieser Waffendeal mit der Kanzlerin abgesprochen und von dieser schon genehmigt war.
Aber um dies rauszukommen müsste Herr Wiegold oder die Linkspartei eben deshalb nochmal bei der Regierung nachfragen. Denn eine unvollständige Liste wäre peinlich für die Regierung und sie hätte dann eine Anfrage der Linksfraktion falsch beantwortet.
In der Liste fehlt auch die Lieferung von Patrouillenbooten an Saudi-Arabien für immerhin 1,5 Milliarden Euro. Da 2014 gemeldet wurde, daß die Lürssen-Werft den 1,5 Milliardenauftrag erhalten hat, muss es eine Genehmigung für dieses Geschäft geben.
Da die Lieferung sehr umstritten war, hätte man erwartet, daß der Bundessicherheitsrat die Lieferung der Grenzschutzboote genehmigt. Also ist dieses Geschäft entweder von unteren Ebenen genehigt worden, und nicht vom Bundessicherheitsrat, möglicherweise weil Schiffe schwimmen und schlecht gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden können, oder die Antwort der Bundesregierung an die Linksfraktion wäre unvollständig.
Waren die Patrouillenboote für Saudi-Arabien nicht erst die Herstellungsgenehmigung, noch nicht die Ausfuhrgenehmigung? (Ich weiß es gerade wirklich nicht.)
@T.Wiegold: Die Ostsee-Zeitung hat über die Auftragserteilung an Lürssen letztes Jahr berichtet, allerdings ist nur die Überschrift zu lesen, weil Rest hinter Zahlschranke.
Einige Artikel und Wiki scheinen hier nicht präzise zu sein, so daß ich auf die Schnelle auch nichts finde, ob mit den dort beschriebenen Genehmigungen nur eine Voranfrage gemeint ist, welche mindestens noch von der alten Regierung erteilt worden war, oder ob auch die endgültige Ausfuhrgenehmigung erteilt worden ist.
Und auch SPD-Politiker sprechen zum Teil nur davon, daß es bei der Genehmigung der alten Regierung bleibe. Unterscheiden aber nicht zwischen Voranfrage, Herstellungsgenehmigung oder Ausführgenehmigung. Und die Fa. Lürssen selbst hüllt sich ins schweigen.
Da die Boote aber schon bis dieses Jahr ausgeliefert werden sollten, wäre die Frage, ob jemand weiß, wieviele Grenzschutzboote denn schon gebaut worden sind oder schon welche an die Saudis übergeben worden sind, weil dann müsste es eine Ausfuhrgenehmigung geben?
Vielleicht sollte man mal bei der IMA nachfragen ?
http://www.agaportal.de/pages/aga/ima.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ruestungsexporte-regierung-foerdert-deal-mit-saudi-arabien-a-950648.html
„Die Bundesregierung will mit einer Hermes-Bürgschaft einen milliardenschweren Rüstungsexport nach Saudi-Arabien absichern. Dies geht aus einem vertraulichen Schreiben vom 21. Januar hervor, das Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter an den Haushaltsausschuss des Bundestags gerichtet hat.“
@TW
sorry habe ich in der Tat übersehen.
@ all
In dieser Liste fehlen in der Tat viele – auch wichtige – Genehmigungen, die erteilt wurden und auch ausgenutzt wurden, weil sie von BAFA oder dem BMWi entschieden wurden.
Das kann zum Beispiel scheinbar auch dann geschehen, wenn eine gleichartige Lieferung zuvor genehmigt wurde: 2002 werden z.B. 9 Gewehre mit KWL-Nummer nach Ägypten genehmigt, die Genehmigungen für mehr als 600 G36, die dann 2003 und 2004 erteilt und geliefert wurden und später (teilweise) in Libyen auftauchten, sind dagegen nicht erwähnt. Deren Lieferung wurde jedoch von BMWi und HK bestätigt.
Es fehlen aber auch Geschäfte, die bereits öffentlich berichtet wurden, bei denen die abschließende Genehmigung noch ausstehtem. Das könnte zB. bei den saudischen Patrouillenbooten ebenso die Erklärung sein wie dass diese Genehmigung aufgrund einer Diskussion und Klärung der DEU-Haltung im BSR über die Voranfrage dann durch BMWi und BAFA erteilt werden konnte. Das die berichteten abschließenden Genehmigung ganz am Ende und lange nach Bekanntwerden des Geschäftes stehen können, zeigt das Beispiel der Dolphin-U-Boote. Sie wurden 2005 nach der Bundestagswahl und vor dem Regierungswechsel ohne BSR- oder STS-Sitzung genehmigt. Die abschließende für das erste dieser Boote wurde aber erst 2o14 erteilt.
Es scheinen auch einige Genehmigungen enthalten zu sein, über deren Ausnutzung nichts bekannt ist: Die 91 Eurocopter-Hubschrauber für die Türkei habe ich beispielsweise weder in den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung gesehen (obwohl das Volumen sicher dazu geführt hätte, dass sie erwähnt worden wären) noch wüßte ich das die Türkei Hubschrauber von ECD in solcher Zahl nutzt. Auch die 20 Flugabwehrpanzer für Ägypten habe ich bisher nirgends an anderer Stelle gefunden.
Das Ergebnis der 2014er Transparenzinitiative ist wohl einerseits mehr Information und andererseits erhebliche zusätzliche Verwirrung.
@ONA
Bei Airbus / Eurocopter wäre zu fragen, ob die Lieferung von DEU aus erfolgte oder FRA. Die Werksauslieferung von Airbus z.B. ist in Frankreich.
@ONA: Zuerst kommt ja die Voranfrage, dann würde ich denken wird der Kaufvertrag geschlossen und anschließend die endgültige Genehmigung beantragt und erteilt für die Waffenlieferung. Denn nach der Frage 2 handelt es sich hier ausschließlich um endgültige Genehmigungen. Diese zu beantragen, wenn kein Geschäft zustande gekommen wäre, würde sich mir nicht erschließen, es sei denn erst am Ende scheitert die Finanzierung noch überraschend.
Es könnte jedenfalls nicht schaden ,wenn die Linkspartei mit einer weiteren Anfrage, für den gleichen Zeitraum, die Rüstungsexporte abfragen würde, die von BAFA und BMWi erteilt worden wäre. Nur weil diese viel länger sein dürfte, vor allem Nato-Lieferungen enthalten dürfte, wäre die Bundesregierung vermutlich wochenlang mit einer Erstellung einer solchen Liste beschäftigt. Aber dann könnte man wirklich sehen, ob an problematische Drittländer ohne Einschaltung des BSR exportiert worden ist.
@Thomas Melber
Ja, das sehe ich auch so, aber die Erläuterung des BMWi sagt auch, dass in dieser Liste nichts steht, was nicht auch in den Rüstungsexportberichten stand – dort sind die Helis aber nicht auffindbar.
Zudem: Von Airbus hat die TR m.W. 40 Cougar. Cougars sind m.W. überwiegend französisch und wurden nur bis 2003 in der TR in Lizenz montiert. Meine Vermutung ist eher, dass es – wenn es kein Fehleintrag ist – um das Tiger-Angebot ging, das am T129-Konzept scheiterte – aber warum sollte es da 2006 eine „abschließende Genehmigung“ gegeben haben? (Siehe oben mein Dolphin-Beispiel). Irgendwie kurios.
@Closius
Ja, ihr Vorschlag macht Sinn (und viel Arbeit). Diese Überlegung wurde bereits kommuniziert. Ich halte es aber für sinnvoller, BMWi zunächst um mehr Klarheit zu bitten, was in die Antwort aufgenommen wurde und was nicht und in welchen Fällen was von BMWi/BAFA als „abschließende Genhmigung“ betrachtet wird. Bei Exporten aus DEU könnte das zu einem anderen Projektzeitpunkt der Fall sein als bei Lieferungen, mit den der BSR zwar befasst wird, aber letztlich z.B. aus FRA geliefert wird. Auf diesem Nachfrageweg würde ich zunächst auch versuchen zu klären, ob sich für die verwirrenden Auskünfte eine verständliche Erklärung finden lässt. Unnötige Arbeit soll ja nicht sein.
Ergänzung und Korrektur
Die G36 für Ägypten haben sich möglicherweise doch noch eingefunden: Für November 2006 wird eine abschließende Genehmigung für Maschinenpistolen und Gewehre mit KWL-Nr im Wert von 1,5Mio berichtet. Unklar bleibt, ob dies die G36 oder andere Gewehre meint und wenn es die G36 meint, warum BMWi jetzt von einer abschließenden Genehmigung in 2006 redet, während es früher über die Jahre 2003 und 2004 berichtete.
Es bleibt dabei: Die Antwort des BMWi wirft teilweise mehr neue Fragen auf als es alte beantwortet.