Gegen den Trend: Waffenexporte aus Deutschland zurückgegangen
Deutschland ist nach den Daten des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI derzeit der viertgrößte Waffenexporteur der Welt, allerdings sind die Ausfuhren in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Nach einem Anteil von elf Prozent an den internationalen Exporten in den Jahren 2005 bis 2009 betrug der deutsche Anteil in den Jahren 2010 bis 2015 noch fünf Prozent, heißt es in den am (heutigen) Montag veröffentlichten Trends der internationalen Waffenexporte. Die größten Empfängerländer deutscher Rüstung waren die USA, Israel und Griechenland:
Germany’s arms exports decreased by 43 per cent between 2005–2009 and 2010–14. However, it received several large arms orders in 2014 from Middle Eastern states.
Weltweit zeigt der Trend eine insgesamt steigende Tendenz. Das Volumen des internationalen Waffenhandels war zwischen 2010 und 2014 insgesamt 16 Prozent höher als in den Jahren 2005 bis 2009.
Aus Zeitgründen an dieser Stelle nur der Verweis auf die SIPRI-Veröffentlichungen: Die Pressemitteilung hier, das Fact Sheet hier und Grafiken hier.
(Archivbild 26. Februar 2015:
Unser Wirtschaftsminister wird sich freuen über diese Nachricht. Für die deutsche Rüstungsindustrie ist dies eine schlechte Nachricht mit schlechten Aussichten.
Außerdem fürchte ich, daß unser Wirtschaftsminister nicht versteht, das Waffen gerade in Arabischen Ländern ein Symbol der Männlichkeit sind und, daß wenn man Panzer an die Saudis liefern würden, einen Blogger eher freibekommen würde, als wenn man mit der falschen Begründung, daß wir keine Waffen in Krisengebiete liefern drüfen, ihnen Waffenlieferungen verweigert. Schließlich liefern wir nicht nur an Israel, sondern in den letzten Jahren haben wir auch viele Waffen an die Saudis geliefert. Mit einem Affront erreicht man eben nichts in Sachen Menschenrechte.
Auch wenn die Daten auf den ersten Blick alarmierend aussehen (oder exzellent – ganz nach Sichtweise), relativiert sich das auf den zweiten Blick.
Ein paar Einzelaspekte:
1. In die Periode 2005-2009 fallen – wenn ich das richtig Wiki-recherchiert habe – deutlich mehr Leo 2-Abgaben als in die Periode 2010-2014. Da SIPRI mit den Werten statt mit den Kosten rechnet, ergibt sich automatisch ein höherer Export, was über den Erfolg der deutschen Rüstungsindustrie erstmal wenig aussagt.
„Transfer of surplus weapons: In 2009, Germany delivered 43 surplus Leopard-2A4 tanks to Chile. One Leopard-2A4 tank is valued at 4 million SIPRI TIV and a used version is valued at 1.6 million SIPRI TIV (40 per cent of the value of a new version). Therefore, the delivery is valued at 68.8 million SIPRI TIV.“
2. Der Eurofighterexport an Saudi-Arabien wird komplett auf UK gebucht. Zusätzlich wurde 2005-2009 der EF-Export an Österreich komplett auf Deutschland gebucht.
„In 2009, Germany delivered 6 Eurofighter combat aircraft to Austria. One Eurofighter is valued at 55 million SIPRI TIV. Therefore the delivery is valued at 330 million SIPRI TIV.“
3. Beim Blick auf die stärksten Importeure fallen die Steigerungsraten von Saudi-Arabien und Indien ins Auge. Zu Saudi-Arabien habe ich oben was geschrieben. Die Inder kaufen das meiste (historisch) in Russland. Wenn allein diese zwei Staaten den Gesamtkuchen aufblähen, geht der deutsche Anteil zwangsläufig zurück.
Über die Zukunft müssen wir uns jedenfalls weniger Gedanken machen, wir ersetzen einfach die Schweden bei den Waffenlieferungen an Saudi-Arabien. :-)
(OK, das sollen wohl eher die Franzosen übernehmen.)
http://www.defensenews.com/story/defense/international/europe/2015/03/15/sweden-may-lose-gulf-allies-over-saudi-spat/70222682/
Wer sich für die SIPRI-Methodik interessiert:
http://www.sipri.org/databases/yy_armstransfers/background
@ Closius
Also folgen Sie den zwei Mottos: Nicht die Waffe, sondern der Mensch dahinter tötet und wenn wir nicht liefern, liefert ein anderer?
Ich finde die Entscheidung, dass an Ländern mit fragwürdiger Menschenrechtslage, nicht geliefert wird, richtig. Insbesondere die Verurteilung des Bloggers zeigt, dass Saudi-Arabien die Menschenrechte mit Füßen tritt.
Verantwortung übernehmen heißt auch ab und zu nein sagen zu können und dann muss man eben auch aushalten, dass die Rüstungsindustrie einen Auftrag weniger bekommt.
Irgendwie sind all diese Meldungen über Waffenlieferungen und Deutschland immer erbärmlich oberflächlich. Das ist alles so auf dem „Ihh bahh Waffen, igit!“ Niveau.
@ Daniel | 16. März 2015 – 10:30
Dann werden wir doch mal konkreter.
Deutschland hat gerade Waffen an Kurden geliefert, um die Schlächter des Islamischen Staates zu stoppen. War das in Ihren Augen richtig oder falsch? Im Detail betrachtet sind die Kurden auch Figuren, die aus unserer Werteordnung heraus kritikwürdige Sichtweisen und Handlungsweisen an den Tag gegen. Die Entscheidung unserer Regierung war in diesem Fall eine Entscheidung im Graubereich, für das geringere Übel. Gerade in der Sicherheitspolitik gibt es selten eindeutige Situationen oder ein klares schwarz/weiß bzw. gut/böse.
Wie sollten wir reagieren, wenn Saudi-Arabien vom Islamischen Staat angegriffen und in Bedrängnis kommen würde?
Sollten wir, frei nach Margot Käßmann, sagen: „Nichts ist gut in Saudi Arabien aber wir waschen unsere Hände in Unschuld und halten uns raus!“
Was bei „raushalten“ bei rumkommt, sehen wir gerade an dem Flächenbrand, den der syrische Bürgerkrieg inzwischen ausgelöst hat.
In jedem Fall ist Saudi-Arabien alles, aber kein „Anker der Stabilität in der Region“. Weder in der Region noch darüber hinaus.
@Daniel: Ja, was wir nicht liefern, liefern die Russen, Chinesen, USA oder Frankreich.
Da ich für eine Wiederaufrüstung Deutschlands bin, bin ich für eine starke Rüstungsindustrie, das geht aber nur, wenn diese mehr exportieren darf und ich habe keine Lust, daß der deutsche Steuerzahler immer die Entwicklungskosten von neuen Waffensystemen allein zu tragen hat. Deshalb will ich lieber, daß die Rüstungsindustrie für alle Welt selbst entwickelt und produziert, damit die BW bei der deutschen Rüstungsindustrie von der Stange weg einkaufen kann oder die Entwicklungskosten wegen höheren Stückzahlen auf BW und die zu exportierenden Waffen umgelegt werden können.
Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gefällt mir nicht, auch nicht die WM in Katar oder Russland, aber ich denke wir hätten den Blogger leicht mit einem inoffiziellen Deal befreien können, ihr lasst ihn ausreisen zur ärztlichen Behandlung oder schiebt ihn ab unter irgendeinem gesichtswahrenden Vorwand und wir liefern euch den Leopard II.
Aber wenn ich zu den Saudis hinfahre und und öffentlich zusage mich für den Blogger einzusetzen, eine Petition entgegennehme in Deutschland und keine Waffen lieferere, dann dürfte die Befreiung des Bloggers schwierig bis unmöglich sein.
Ganz ehrlich? Ich würde nicht mal Einkaufswagen an die Saudis liefern. Es sind diese, die seit knapp einem Jahrhundert den Wahabismus stützen und verbreiten, indem diese muslimischen Gemeinden in aller Welt kräftige Finanzspritzen versprechen, wenn diese nur dieser erzkonservativen, ja (beinahe) schon salafistischen Strömung des politischen Islam die Treue schwören. Als solches ist der Staat Saudi Arabien für mich ideologischer Wegbereiter für die Hardcore-Islamisten sunnitischer Prägung (ob jetzt Al Kaida oder ISIS ist dabei eher nebensächlich). Leos an die? Nee, danke!
Nach dem Prinzip dürften wir denen vor allem kein Öl mehr abnehmen, damit die Saudis weniger ultrareligiöse Gemeinden unterstützen können. Geht das? Nein.
Genauso sehe ich es mit den Panzern. Wir als EU/Westen können sagen nein, dann kaufen sie eben in China und Russland. Okay.
Aber warum sollen wir hier Frankreich oder den USA den Vortritt lassen?
Dann sollte aber auch kein deutscher Politiker sich mehr mit den falschen Federn von wegen Menschenrechten schmücken. So von wegen Glaubwürdigkeit und so … ;)
Klar, Herr Gabriel hat mit seiner stringenten Haltung primär den eigenen linken Flügel und ggf die Linke im Blick (auf 2017 hin), aber zu einer staatlichen Version von „King of War“ sollten wir hier dann doch nicht verkommen. ;)
@ Freiherr von Stein
Wenn Sie mich fragen, ob es richtig ist Menschen abzuschlachten, dann ist die Antwort wohl eindeutig. Natürlich ist es falsch das Kurden, wo auch immer, hingerichtet werden und nicht nur Kurden, auch jede andere ethische Gruppe. Das würde aber bedeuten, dass wir überall helfen müssten.
Ist es nun gut das wir irgendwo anfangen? Ja! Sind Waffenlieferung in diesem Fall richtig gewesen? Wir werden es nie erfahren, was passiert wäre, wenn wir diese Waffen nicht geliefert hätten oder andersherum wissen wir überhaupt was die Waffen konkret gebracht haben?
Zu Saudi…
Geht es denn um den Blogger? Nein! Es geht um die Gesetze die ihn und alle zukünftigen zum Tode Verurteilen (1000 Peitschenhiebe halten nicht viele aus).
Mir ist es egal was andere Staaten machen. Wenn Frankreich und USA damit kein Problem haben, fein, aber dann brauchen sie nicht mehr mit Menschenrechten anfangen und wir letztendlich auch nicht.
Ich denke nicht, dass die Bevölkerung durch Leo’s in Saudi sicherer leben wird, ganz im Gegenteil, wie Closius schon richtig festgestellt hat, ist in diesen Länder der Jenige am Drücker, der das größere Rohr hat und dadurch wird es der Bevölkerung nicht besser gehen.
Ich habe auch kein Superrezept wie es am besten geht, aber die Lösung, Panzer zu liefern, ist mir zu einfach. Da erwarte ich mehr von unseren top ausgebildeten Diplomaten.
@ Closius
Da ich dem Verein angehöre, kann ich nur schwer sagen, dass eine „Wiederaufrüstung Deutschlands“ der größte Fehler ist, aber was soll es bringen? Setzen wir die Armee ein? Da muss noch einiges geschehen, dass die Bevölkerung, insbesondere die Politiker anfangen umzudenken.
Wir brauchen definitiv eine Armee. Es ist die ureigenste Aufgabe des Staates, für die innere und äußere Sicherheit zu sorgen.
Kommen wir (die Welt) mit Armeen weiter? Kommen wir weiter wenn wir unzählige Waffen herstellen? Ich denke nicht, dass es dadurch besser wird. Ich habe auch gerade kein geschichtliches Beispiel parat, aus dem hervorgeht, dass ein Krieg für alle Beteiligten etwas positives gebracht hätte.
@ Daniel | 16. März 2015 – 15:50
Ihre Antwort entspricht der aktuellen bundesdeutschen Mentalität. So nach dem Motto: Da muss man sich die Hände schmutzig machen, da will ich nichts mit zu tun haben, sollen doch „unsere top ausgebildeten Diplomaten“ sich was Besseres überlegen. (Auch bei anderen Themen wie z.B. der Energiewende erleben wir ja regelmäßig Aktivisten, die Dinge fordern, die mit physikalischen Gesetzen nicht vereinbar sind … aber sollen sich halt die Techniker was überlegen …)
Was ist, wenn es nun keine bessere Lösung gibt und man die Wahl zwischen Pest und Cholera hat?
Leider löst man die Probleme der Welt nicht dadurch, dass man sie infantil angeht.
„Ich habe auch gerade kein geschichtliches Beispiel parat, aus dem hervorgeht, dass ein Krieg für alle Beteiligten etwas positives gebracht hätte.“
denken sie doch mal an die periode 1939-45 aus der nichtdeutschen (post weizsäcker auch aus der deutschen) perspektive.
frieden schaffen ohne waffen ist eben nur eine option solange der agressor pietätvoll genug ist diese illusion nicht zu zerstören.
anders gesagt, vulgärpazifismus kann man sich leisten solange die insel der seeligen sich keinen äußeren herausforderungen stellen muss.
ml ganz davon abgesehen dass die leiferung oder nichtlieferung deutscher hochtechnologie keinerlei einfluss auf das gebaren nahöstlicher potentaten hat. weder positiv noch negativ. binnenrepression findet auch nicht mit leo2 sondern mit der reitpeitsche im souterrain statt.
insofern ist diese ganze exportdebatte geradezu prototypisch deutsch.
moralisierend, gesinnungsethisch und selbstreferentiell auf die eigene psyche, nicht auf die reale situation abziehlend.
oder wie FvS schrieb „infantil“
@ Freiherr von Stein
Und genau bei der Wahl zwischen Pest und Cholera erwarte ich das man sich Gedanken macht. Das was nach außen kam, war der Blogger. Ich weiß nicht ob es gewollt so war oder aus Versehen, aber das war das „Zeichen“. Das ist kein „Ich-leg-mich-zurück-das-machen-die-top-diplomaten“ sondern das kann ich von einer vernünftigen Außenpolitik erwarten. Wenn das Ergebnis nicht so ist, wie ich es in meiner kleinen Welt gerne hätte, dann sollen sie einen Teil Ihres Entscheidungsprozesses offen legen, damit ich, vielleicht eher wir, es nachvollziehen können.
Ist das zu viel verlangt?
Wenn DEU zu dem Schluss gelangt, dass Waffen geliefert werden, dann aber bitte nicht nur mit einer wirtschaftlichen Begründung. In meinen Augen trägt der „Verkäufer“ auch wenn die Ware verkauft wurde noch Verantwortung.
@Closius
Es geht doch hier um einen Waffendeal, nicht um den Krieg.
Total plump ausgedrückt.. Wir haben Panzer, die Saudis nicht. Wie csThor bereits schrieb, ist es nicht wirklich klar was und wofür Saudi-Arabien steht und ich weiß nicht ob sie ähnliche Interesse wie DEU verfolgen. Wenn sie die „Guten“ sind und ähnliche Interessen wie DEU haben, dann können wir gerne noch ein paar Boxer rauflegen.
Es geht hier nunmal um Kriegsgerät und nicht eine Waschmaschine und da sollte vernünftig abgewogen werden.
@Daniel: Ich denke es ist ziemlich klar, wofür Saudi-Arabien steht. Die Saudis sind nicht nur reliös sehr konservativ, sondern auch in ihrer Politik und betreiben eine Politik der Stabilität und eine Politik gegen den Erzfeind Iran bzw. die Schiiten.
Die eigentliche Bevölkerung in Saudi-Arabien wird nicht unterdrückt, sondern eher mit Geldgeschenken bestochen, wie jetzt wieder bei der Thronbesteigung. Die Unterdrückung der Frauen, der Schiitischen Minderheit, der Einmarsch in Bahrain gefällt mir nicht, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, daß die Saudis für eine kriegerische Politik stehen. Saudi-Arabien existiert seit dem Ende des 1. Weltkrieges, sein religöser Fanatismus ist noch älter und gab es schon um 1830!
Saudi-Arbien allein führt keine Kriege gegen seine Nachbarstaaten oder Israel. Die Saudis hätten genug Geld um selbst Krieg gegen Israel zu führen oder ständige Kriege der Nachbarstaaten gegen Israel zu finanzieren. Die Regierung steht also dort für Stabilität in der Region und der Einmarsch in Bahrain dürfte auf der Feindschaft gegen den Iran beruhen, denn der Aufstand in Bahrain war ein schiitischer Aufststand.
Aufgrund der Geldverteidlung ans Volk ist ein Aufstand in Saudi-Arabien extrem unwahrscheinlich. Also ist klar, die Panzer richten sich gegen den Iran oder die ISIS, nicht gegen die Bevölkerung in Saudi-Arabien.
Hinter verschlossenen Türen sollte man sehr wohl Klartext reden, aber nicht in der Öffentlichkeit, gerade über die salafistische Auslegung des Korans in Saudi-Arabien und dessen Folgen für den islamistischen Terror und auf Reformen dringen. Aber natürlich haben die Saudis auch Angst, daß wenn sie liberaler würden , daß dann Gruppen wie die ISIS in Saudi-Arabien gefährlichen Zulauf bekommen könnten.
Das Beispiel Schweden zeigt, daß die Saudis sehr empfindlich gegen öffentliche Kritik sind.
Ich denke keine Macht im Nahen Osten ist nur gut oder böse. Und ich mache mir viel mehr Sorgen um die Türkei und deren Unzuverlässigkeit als Nato-Partner und deren Unterstützung für die ISIS als um die Saudis, welche die ISIS als Bedrohung für ihren Thron ansehen müssen.
Danke für die Informationen.
So in der Art würde ich es mir von einem Vertreter DEU wünschen. Sicherlich ist der ein oder andere Punkt streitbar, aber grundsätzlich wäre das eine Begründung für den Verkauf.
Wer weiß, vielleicht gab es so ein Statement, aber in den Medien kam bei mir nur der Blogger an.