Ein bisschen mehr deutsche ‚Speerspitze‘ für die NATO

In großen Teilen ist es nicht ganz neu, was die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) am (heutigen) Sonntag unter dem Titel Die Deutschen an die Front! zu den Planungen der NATO zu schnellen reaktionsfähigen Kräften und der Rolle der Bundeswehr dabei dankenswerterweise zusammengefasst hat. Dass Deutschland beim Aufbau der neuen superschnellen Eingreiftruppe, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), wie sie vom NATO-Gipfel im September vergangenen Jahres in Wales beschlossen wurde, eine recht große Rolle spielen will, hatte sich bereits beim Treffen der Außenminister des Bündnisses im vergangenen Dezember gezeigt. Doch im Hinblick auf das Treffen der NATO-Verteidigungsminister am Donnerstag dieser Woche in Brüssel gibt es jetzt offensichtlich ein bisschen mehr Klarheit darüber, was die Bundeswehr noch zusätzlich leisten soll – und wie es mit der Finanzierung aussieht.

Zum Beschluss der Außenminister vergangenes Jahr ist hier einiges nachzulesen; wichtig war dabei, dass Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker am 25. November in einem gemeinsamen Brief mit seinen Kollegen aus den Niederlanden und Norwegen dem NATO-Oberbefehlshaber, dem US-General Philip Breedlove, angeboten hatte, Kräfte für eine Provisional Response Capability zur Verfügung zu stellen. Diese vorläufige Speerspitze mit massiver deutscher Beteiligung soll auch für Kampfeinsätze bereitstehen:

The three nations offer their contributions to IRF 2015 for NATO’s response to crisis situations including alert, stage and preparation for deployment after NAC approval. (…) The intention of the three nations is to contribute to a Provisional Response Capability in 2015, which is able to respond swiftly in a fit for purpose fashion to an emerging threat. The Provisional Response Capability in 2015 needs to be an agile and military responsive instrument, within the current NATO structure and NRF regulations. It should be scalable, rapid depoyable and capable to perform a broad range of military operations, including combat.

Nach dem Zeitungsbericht werden zusätzlich zu den Panzergrenadieren in der Provisional Response Capability auch deutsche Fallschirmjäger für einen rotierenden (Übungs)Einsatz in den osteuropäischen NATO-Mitgliedsländern bereitstehen:

Von April an schickt die Bundeswehr nach F.A.S.-Informationen außerdem in jedem Quartal eine Kompanie von Fallschirmjägern los, um die amerikanischen Soldaten zu ergänzen, die schon im vergangenen Frühjahr ins Baltikum und nach Polen verlegt worden waren. Sie werden zuerst in Polen, dann in Litauen und schließlich in Lettland sein. Die Staaten an der Grenze zu Russland sollen nicht alleingelassen werden.

Das scheint mir ebenso neu wie die Angaben des Blattes zur Kostenverteilung für die Eingreiftruppe wie für die ebenfalls geplanten zusätzlichen Depots und logistischen Stützpunkte im NATO-Osten. Die Kosten, so der Bericht, sollen nach Schätzungen der Allianz in den nächsten Jahren vier bis acht Milliarden Euro Kosten, von denen allerdings nur zehn Prozent von der NATO insgesamt, also dem common funding, getragen werden. Der Rest wird nach dem Motto costs lay where they fall von den jeweiligen Mitgliedsstaaten getragen, die sich an diesen Vorhaben beteiligen. Bei seinem jüngsten Besuch in Berlin hatte der neue Generalsekretär Jens Stoltenberg sich zu der möglichen Kostenverteilung noch recht ausweichend geäußert.

Sollte die Finanzierung tatsächlich so vereinbart werden wie berichtet, dürfte das auch für Deutschland ein bisschen teurer werden als bislang absehbar – schon die für Frühjahr und Sommer geplanten Verlegeübung eines ganzen Panzergrenadierbataillons wird nicht billig.

Von den Kosten her überschaubar, aber als politisches Signal wichtig werden die NATO Force Integration Units, die die Allianz laut FAS in den baltischen Staaten, Polen, Rumnänien, Bulgarien und Ungarn aufbauen will. Diese relativ kleinen, aus jeweils 40 Soldaten bestehenden Stäbe mit einer hälftigen Besetzung aus dem Gastland werden sozusagen die Empfangskomitees für eine rasche NATO-Verstärkung. Daran soll sich laut Bericht die Bundeswehr mit 25 Soldaten – also insgesamt, für alle diese Integration Units – beteilen.

Ob das alles so umgesetzt wird, entscheidet sich dann wohl auf dem Verteidigungsministertreffen am 5. Februar. Praktischerweise können die meisten Beteiligten, darunter die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, das dann sofort anschließend auf der Münchner Sicherheitskonferenz erläutern.

Nachtrag: Was die Entsendung der rotierenden Fallschirmjäger-Kompanie angeht: In die Richtung ging, habe das gerade erst wiedergefunden, auch eine Aussage des Chefs der lettischen Streitkräfte im vergangenen Jahr. Interessante Frage wird ja, ob das als Übung im NATO-Rahmen oder, wie bei den schon laufenden Aktivitäten der US-Streitkräfte, eher bilateral angelegt wird.

Nachtrag 2: Das gehört thematisch dazu: Die Vereinbarung zwischen Frankreich und Polen, die unter anderem massive Manöver-Präsenz der Franzosen in Polen beinhaltet: Draft declaration following the French-Polish intergovernmental consultations vom 30. Januar

(Im Bällebad bereits aufgelaufene Kommentare zu dem Thema verschiebe ich hierher.)

(Archivbild März 2014: Deutsche Fallschirmjäger bei der NATO-Übung „COLD RESPONSE 2014“ – Bundeswehr/Bender)