Bundestag billigt Irak-Ausbildungsmission, von der Leyen plant Waffenlieferungen im Februar
Der Bundestag hat am (heutigen) Donnerstag eine Ausbildungsmission der Bundeswehr für kurdische Kämpfer im Nordirak gebilligt – trotz Bedenken in der Opposition und teilweise auch in der Koalition, dass es dafür keine ausreichende verfassungsrechtliche Grundlage gibt. Bis zu 100 Soldatinnen und Soldaten sollen in Erbil, der Kurden-Hauptstadt im Nordirak, Peshmerga-Kämpfer für den Kampf gegen die islamistischen ISIS-Milizen schulen. Bereits zuvor hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angekündigt, dass voraussichtlich im Februar weitere Waffen aus Deutschland an die Kurden geliefert werden sollten.
Dem Antrag der Bundesregierung für den Einsatz stimmten in namentlicher Abstimmung 457 Abgeordnete zu, 79 sprachen sich dagegen aus und 54 enthielten sich. Im Mandatstext wie auch in der Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses wird als rechtliche Grundlage der Mission ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit genannt, wie es das Grundgesetz verlangt – allerdings ist nicht unstrittig, ob die Koalition der Willigen im Kampf gegen ISIS ein solches System darstellt. Für die Grünen kündigte deshalb auch ihr verteidigungspolitischer Sprecher Omid Nouripour Enthaltung seiner Fraktion an, obwohl sie der Ausbildungsmission eigentlich grundsätzlich zustimme.
(Nachtrag: Das detaillierte Ergebnis der Abstimmung hier – auch aus den Koalitionsreihen gab es Gegenstimmen; eine bei der Union und zwölf bei der SPD.)
Aus der Ausschussempfehlung:
Die deutschen Streitkräfte handeln im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes. Sie handeln bei ihrem Einsatz als Teil der internationalen Anstrengungen im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS, von der nach Feststellung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine Bedrohung für Weltfrieden und internationale Sicherheit ausgeht (Sicherheitsrats-Resolution 2170 [2014] vom 15. August 2014). Die internationale Gemeinschaft leistet damit der Aufforderung des Sicherheitsrates Folge, die irakische Regierung im Kampf gegen ISIS zu unterstützen (vom Sicherheitsrat im Konsens angenommene Vorsitz-Erklärung vom 19. September 2014). Die Ausbildungsunterstützung wird auf Bitten und im Einverständnis mit der Regierung des Irak sowie der Regierung der Region Kurdistan-Irak geleistet.
Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 an den Generalsekretär der Vereinten Nationen hat der irakische Außenminister alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen um Unterstützung im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS auch im Wege militärischer Ausbildung gebeten. Der Einsatz zur Ausbildungsunterstützung ist daher völkerrechtsgemäß, ohne dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Eingriff in die Hoheitsrechte des Irak autorisieren müsste.
Die Verteidigungsministerin hatte im ARD-Morgenmagazin die Verfassungsmäßigkeit dieses Einsatzes betont und zugleich die weiteren, im Mandat bereits vorgesehenen Waffenlieferungen angekündigt:
Frage:… Heute wird… abgestimmt über den Ausbildungseinsatz im Irak für kurdische Peschmerga… Bis zu 100 Soldaten sollen nun auch dahin geschickt werden. Ist das genug?
Antwort: Ja, wir sind ja dort mit anderen Nationen. Und das ist jetzt konzentriert auf die Ausbildungsmission. Wir haben sehr genau geguckt, was die Peschmerga brauchen… Und das geht mit den bis zu 100 Soldatinnen und Soldaten sehr gut.
Frage: Die Peschmerga sagt natürlich, wir brauchen Waffen…
Antwort: Den Peschmerga fehlt es im Grunde an allem. Deshalb sind wir jetzt dabei, das zusammenzupacken, was unkompliziert ist, zum Beispiel Winterkleidung…
Aber die Waffen und die Munition, da werden wir jetzt den bewährten Weg gehen der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung. Ich würde mal geschätzt sagen, Mitte, Ende Februar sind wir dann so weit, dass wir auch Waffen und Munition liefern können.
Frage: Werden das dann auch Milan-Raketen sein und Dingos?
Antwort: Wir haben ja sehr genau abgestimmt, was sinnvoll ist. Es muss einfach zu lernen sein. Es muss effektiv sein. Die Milan zum Beispiel versetzt die Peschmerga in die Lage, diese rollenden Bomben der IS, nämlich Autos gefüllt mit Sprengstoff, auf Distanz zu halten.
Das ist das erste Mal, dass sie nicht erleben, dass diese Autos mitten in ihre Reihen oder ihre Dörfer fahren. Das ist ganz, ganz wichtig für die Moral der Truppe und hat eben auch geholfen, Mut zu machen, dass man IS… tatsächlich auch schlagen… kann.
Frage: Obwohl es im Bundestag eine relative Einigkeit darüber gibt, dass man es machen muss, gibt es auch verfassungsrechtliche Bedenken. Halten Sie die für ausgeräumt?
Antwort: Ich vertraue da vollständig unseren Verfassungsressorts innerhalb der Bundesregierung, die das sehr genau durchdiskutiert haben und die Grundlage festgelegt haben, auf der wir gehen.
(Das Interview gibt es auch im Video, allerdings nur bis 29. Januar 2016)
(Foto: Waffenausbildung im Nordirak, Multiplikatoren-Ausbildung der kurdischen Peschmerga in die Handhabung des G3-Sturmgewehrs durch Soldaten der Bundeswehr auf einer Schießanlage nahe der nordirakischen Stadt Erbil am 02.10.2014 – Bundeswehr/Sebastian Wilke)
Spon meldet:
„Mittlerweile ist vor allem die Munition für die Sturmgewehre und die „Milans“ nach Auskunft der Bundesregierung weitgehend aufgebraucht. Von der Leyen signalisierte, dass auch zu der neuen Lieferung wieder Raketen gehören werden.“
Wie sieht es denn bezüglich einer hasuhälterisch/materiellen Kompensation für unsere Truppe bezüglic der an die Pesh zu liefernden MUnition aus. Was man so hört schwimmt man hierzulande nicht unbedingt in muniton für manöver. besonderns bei der milan.
oder ist das schon unsexy detailgenörgel unterhalb der VdL wahrnehmungsschwelle?
@Wacaffe: Das Verfalldatum der Milan Panzerabwehrraketen läuft ja ab, deshalb ist es logisch weitere Milan Systeme an die Kurden zu liefern.
Für die BW sollte man stattdessen schleunigst ein Nachfolgesystem für die Milan – für die ganze Truppe – und nicht nur für die Puma Panzer beschaffen und die BW sollte übungsmäßig den Rest der Milanraketen- der nicht an die Kurden geht – verschießen dürfen zu Übungszwecken oder an die Ukraine liefern, die hätten sicherich auch Bedarf an Milanraketen.
Wichtiger erscheint es mir, daß die Gewehrmunition fürs G 36 auch dann ersetzt wird und nicht plötzlich die BW abgerüstet weil sie noch Sturmgewehr besitzt, aber keine Munition mehr dafür.
Und falls wieder Handgranaten oder Maschinengewehre oder Dingos geliefert werden, dann muss sichergestellt werden, daß die Truppe auch Ersatz dafür erhält.
@closius
die interessantere Frage ist doch eigendlich ob mit dem Milan starter plus MIRA auch die neueren Milansysteme (Milan ER) abgefeuert werden können und wiviele Startgeräte eigendlich noch vorhanden sind. Neuere Milan varianten sind ja durchaus noch bei MBDA in produktion und prinzipiell beschaffbar.
@ dante
soweit ich weiß wurden die ER bewusst so konzipiert das sie mit alten startern kompatibel sind. ich kann mich aber auch irren
Die Lieferungen sind ja durchaus zu begrüßen. zu lasten der eigenen einsatz/manövertätigkeit sollten sie aber nicht gehen. müssten sie auch nicht wenn VdL sich bequemen würde beim hauhaltsausschuss um extraetat „kurdenhilfe“ zu bitten. das ginge glatt durch.
aber die zehn zeilen text sind wohl schon zu mühsam bzw. der medien ROI ist nicht hinreichend.
Kann gerade keine VIdeos anschauen – deswegen meine Frage:
Wurde eigentlich seitens der Presse bzg. Waffenlieferungen und Kompensation für die Truppe nachgefragt ?
Den Nachfolger für Milan gibt es schon in der BW – wie wir unlängst hier auf AG festgestellt haben: MELLS aka. Spike LR – leider nur als Lagerware und fast keine Startgeräte.
@Bang50:
MELLS-Startgeräte sind nur bei den SpezKr vorhanden.
Das Vorhaben MELLS Infanterie wurde bereits 2008 gestoppt.
Pragmatische (Zwischen-)Lösungen wie MILAN ADT werden weiterhin nicht vorangetrieben.
Dazu kommt noch der ganz normale Wahnsinn:
Depotbestände an LFK werden vernichtet, gleichzeitig bekommen Kompanien nicht genug LFK für die Erstausbildung (Richtschützen-ATN).
Ein Ausgleich im Jahr 2016 ist nicht ersichtlich.
Auch nicht für die Folgejahre.
Mal sehen was die Kurden in welchem Umfang bekommen.
Man wird sicher wieder seitens BMVg behaupten es gebe hierdurch keine Einschnitte in der Truppe.
@ wacaffe | 29. Januar 2015 – 16:13
[…]oder ist das schon unsexy detailgenörgel unterhalb der VdL wahrnehmungsschwelle?[…]
Wenn Sie ihr gegenüber fair sein möchten: ja. In Zeiten, da inhouse oft Mikromanagement in gleichem Atemzug angewendet wie kritisiert wird: Berechtigte Frage.
Ansonsten:
Ich begrüße die Ausbildungsmission. Die Kurden zum Kampf zu befähigen ist zielführend. Ich hoffe, dass man dies strategisch damit begleitet, dass die Kurden aus dem Autonomiestatus heraus in einen eigenen Staat überführt werden. Die diesbezüglichen kritischen Stimmen aus dem Irak und Syrien höre ich wohl, akzeptiere diese auch, allein: es würde lediglich de jure das, was de facto ist.
Strategisch ist aber wohl anzuraten, sofern nicht geschehen, Panzerabwehrwaffen zu entwickeln/zu beschaffen, die sich nach einer der Intention nach festgesetzten Zeit x selbst zerlegen bzw. allgemein: nicht mehr einsetzten lassen.
Omid Nouripours Einlassungen sind nachrangig, geht man wie ich von einem politikwissenschaftlichen Institutionenbegriff aus und nicht von einem durch den Wissenschaftlichen Dienst selbst definiertem juristischen. Der Rest ist furchterregender Grünenklamauk.
Die Position der Linkspartei hat man als Abgeordnetenentscheidung zu respektieren, mehr aber auch nicht, meiner Meinung nach. Es ist auch nicht sachlogisch, hat die Linke doch die Kurdenunterstützung nicht nur gegenüber der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen auf ihrer Agenda. Dies umfasste stets auch die Befähigung der Kurden zum Kampf. Und schlussendlich fehlt es doch keineswegs an einer, zumindest, stabilen normativen Beplankung durch die UN.Das ist etwas schade, da die Forderungen Katja Kippings gegenüber der Türkei und der Weltgemeinschaft bzgl. Ende der ISIS Unterstützung durchaus treffend waren.
Moin,
was spricht denn dagegen, die RGW 90 (MATADOR) zu liefern? Relativ einfach zu bedienen, hoher Gefechtswert und die gefährlichen Teile sind mit dem Schuss verschwunden… Besser geht es doch nicht…
http://de.wikipedia.org/wiki/MATADOR
@Stubenviech
Das die Bundeswehr 2012 im Rahmen des „Einsatzbedingten Sofortbedarfes“ nur 1000 Stück beschafft hat.
@axel_f
Aber sie hat sich doch im Einsatz sofort bewährt und es gibt keinen Anhalt, warum das in diesem Fall anders sein sollte. Wenn ich bedenke, was eine Flugstunde oder diverse andere Dinge kosten, kann ich mir keine bessere Kosten-Nutzen Relation vorstellen.
Wenn man nur noch einmal 1000 Stück beschaffen würde, die (aus der Hüfte geschätzt) vielleicht 2000 Euro pro Stück kosten, hätte man für zwo Millionen viel erreicht.
Ich möchte die Waffe nicht ganz mit dem was seinerzeit die Stinger im Afghanistan gegen die Sowjets erreicht hat vergleichen, aber eine Verschiebung des Gleichgewichtes wäre schon denkbar…
@Stubenviech und axel_f:
Nach meinem Verständnis sind Matador und ASM nicht die gleichen Systeme (HEAT/ HESH bzw. Blast). ASM hat die Bw nur sehr wenige.
Die Kurdenhilfe offenbart eben u.a. im Bereich der schultergestützten Waffen, aber auch bei Schutzwesten, Nachtsicht, etc. erhebliche Defizite.
Bereits beim SanMat kann es recht eng werden.
Aber das scheint an den entscheidenden Stellen nicht zu interessieren.
Die neue Lieferung wird wohl recht umfangreich – aber wer spricht die Auwirkungen auf die Truppe deutlich genug an?
Wohl niemand. Ist ja „politisch gewolllt“. Gerade deswegen müßte man den politischen Willen mit sinnvollen Ersatzlösungen ausgleichen.
Wer hebt dafür die Hand?
Guten Morgen in die Runde ;-)
Ich denke, das folgendes Waffensystem für die Kurde interessant sein dürfte:
http://de.wikipedia.org/wiki/Armbrust_%28Panzerabwehrwaffe%29
1. Relativ günstig und erprobt
2. Schnell zu beziehen, da die Produktion noch läuft
3. Handlich und einfach in der Bedienung
4. Für den Zweck vollkommen ausreichend
MILAN und andere BW-Waffensystem sollten meiner Meinung nach besser in eine hiesige Ausbildung eigener Soldaten „investiert“ werden.
@ Memoria: d’accord! –> Auswirkungen werden wie leider so oft nicht ausreichend beleuchtet, obwohl so etwas doch Bestandteil eines LVU ist. Manchmal erscheint es mir, als ob ab gewissen Dienstgraden/Positionen ein LVU immer der eigenen Meinung angepasst wird.
BTW: Das wäre doch mal etwas: EIn LVU im Bundestag mit Anwesenheitsplflicht aller BTA und gleichzeitig Handyverbot und Erfolgskontrolle zum Thema „Irakmission BW“. Wenn der so vorgetragen wird wie er in der OSH gelehrt wird, dann sollte eigentlich jeder Abgeordnete das kapieren…
@NMcM:
Man muss das nicht in allen Details dem Bundestag darlegen, sondern als Exekutive selbst seine Hausaufgaben machen. Und zwar jetzt in der Haushaltsaufstellung für 2016.
Aber dafür scheint ja sich niemand für zuständig zu sehen.
Denn das würde ja richtig viel Geld kosten und soo flexibel ist man nicht.
Also noch weniger Gefechtsmunition, noch weniger MILAN, etc.
Einsatzbereitschaft ist eben mehr als Großgerät.
Aber da geht es ja auch nicht voran.
Moin, ich meinte eigentlich auch die RGW 90 beim Hersteller zu kaufen und ohne Umweg über die Bw direkt an die Peschmerga zu liefern. Preis/Leistung würde sicherlich stimmen und der Aufwand geringer.
Dass die Ausstattung der Bw deutlich „ausbaufähig“ ist und „überarbeitet“ werden muss, steht ausser Frage, ist aber ein anderes Thema.
@Memoria
Ja, die Hausaufgaben der Exekutive sind leider oft im Thema Sicherheitspolitik nicht gemacht worden bzw habe ich das Gefühl das sie nicht gemacht wurden.
Schon alleine die Personallage ist, milde gesagt: Sehr schlecht
Aber es gilt ja: Der Sack ist zu!
Aber ich möchte den Thread hier nicht kapern. Deswegen: Waffen und Soldaten für die Kurden? Ja, aber nur wenn es völkerrechtlich und verfassungsrechtlich mal abgedeckt ist (deutsche Zeitungen berichten gerade darüber, gerade die Auslegung der oben gennanten Paragrafen ist mehr als fraglich, weil der Irak (anerkannter Staat) und nicht die Kurden(kein anerkannter Staat) um Hilfe gebeten haben. Falls ich da nun nicht etwas total durcheinander bringe) und eine Beeinträchtigung der Bundeswehr bzgl Zeit/Material/Personal nicht eintritt.
Schönes Wochenende
Die Kurdenhilfe geschieht mit Zustimmung und unter Aufsicht der irakischen Regierung.
@Stubenviech:
Die Bundeswehr weiß noch nicht mal wie sie den eigenen Bedarf an Matador, ASM und PzF NG finanzieren soll und dann beschafft man die Dinge für die Kurden?
Mit welchem Geld?
@NMcM:
Die verfassungsrechtliche Grundlage des Einsatzes wurde hier schon hoch und runter diskutiert.
@all:
Abseits aller Detailsfragen sollte man sich bewußt sein, dass Deutschland – wenn auch „nur“ im Rahmen der Ausbildung – Partei ergreift in einem Bürgerkrieg.
Dahersollte man sich schon ein paar grundlegende Gedanken über diesen Krieg machen und die entscheidenden Fragen klären:
Was wollen wir mit und in diesem Krieg erreichen?
Haben wir den Willen und die Mittel hierzu?
Gerade beim Willen sollte man die Gegenseite nicht – erneut – unterschätzen.
Denn darin sind westliche Staaten (oder besser Regierungen) seit 50 Jahren sehr gut:
http://www.washingtonpost.com/blogs/post-partisan/wp/2014/09/22/from-the-vietcong-to-the-islamic-state-the-perils-of-underestimating-the-enemys-will/
Wenn man sich allein anschaut wie lange es braucht bis man das – angeblich dringende – zusätzliche Sanitätsmaterial in den Irak liefert.
Die vergehen zwischen der Erkennntis auf politischer Ebene und Lieferung mehr als ein Monat!!
Aber auch dafür wird sich vdL wieder feiern lassen.