Weihnachtsfrieden-Fußballspiel: Auch in Kabul
In diesem Jahr, 100 Jahre nach Beginn des ersten Weltkrieges, erinnern allerorts Fußballspiele deutscher und britischer (Soldaten)Mannschaften an den Weihnachtsfrieden an der Westfront 1914. Auch im ISAF-Einsatz, wobei der NATO-Videobericht zu Recht hervorhebt: Das einzige dieser Spiele in einem derzeitigen Kriegsgebiet…
(Direktlink: http://youtu.be/ZQk3KY2Htqc)
Mehr zu diesem Spiel bei dpa: In Kabul, Germans and British re-enact Christmas Truce football match
(Foto: Screenshot aus dem NATO-Video)
Schöne Idee.
Wird von der hiesigen Bevölkerung aber leider wieder nicht wirklich wahrgenommen werden.
Da haben Geschichte (bzw. die Erinnerung an diese) insgesamt und besonders der erste Weltkrieg auf der Insel einen ganz anderen Stellenwert.
Siehe Besuch von Soldatenfriedhöfen und Denkmälern durch Jugendspieler englischer Erstligisten etc.
Sind wir leider sehr weit von entfernt.
Die Geschichte mit dem Weihnachtsfrieden und dem Fußballspiel mitten im Krieg ist natürlich schön. Allerdings sind die geschichtlichen Details unter Historikern wohl nicht ganz unumstritten:
WWI Christmas Truce football match: Fact or fiction? (CNN)
@ chickenhawk
Es stimmt schon, so ganz sicher ist man sich nicht; es aber geht um die Geste, die dahinter steckt. Und deswegen drücke ich als Historiker in diesem Falle auch mal ein Auge zu ;-)
Ja, „Weihnachten sind wir zu Hause“ … dennoch eine schöne Geschichte, ähnliches gab es an der Ostfront nach dem Waffenstillstand 1917.
Als Kontrapunkt zu den „Stahlgewittern“: „Heeresbericht“ von Edlef Köppen.
http://www.bbc.com/news/magazine-30433729
Französische Perspektive, auch mit Blick auf das Vergessen.
Patrick S. | 25. Dezember 2014 – 14:37
„Sind wir leider sehr weit von entfernt.“ Ja, zurecht! Wir waren der Aggressor …
@ Heiko Kamann
Auch da streiten sich die Historiker – so einfach wie einst von Fischer gezeichnet, ist es nämlich auch nicht, sonst würden wir 2014 nicht noch immer darüber streiten.
Und selbst wenn man der Aggressor war, sollte man diesen Krieg trotzdem zurück in die deutsche Erinnerung holen, denn ohne ihn hätte es den nachfolgenden wahrscheinlich nicht gegeben. Da sind sich die Historiker ausnahmsweise einig ;-)
In diesem Sinne: Frohe und besinnliche Weihnachten.
@ Patrick S.
Hach ja, geht ja nichts über etwas Weltkriegsnostalgie.
Ein historisch zweifelhaftes Ereignis, das selbst im besten Fall einen Tag von gut 1500 ausmacht (also nichtmal 0,07% des Krieges) sollte eindeutig einen grösseren Anteil am Erinnern des ersten Weltkriegs einnehmen. Was ist das kollektive Gedächtnis Deutschlands nur ohne den Weihnachtsfrieden?! Wo doch der Umgang der Briten und Franzosen mit den beiden Weltkriegen so sachlich, unvoreingenommen und emotionslos ist…
(Achtung, Sarkasmus)
Gerade im Vergleich zur zu Pathos und Romantisierung neigenden Erinnerungskultur in Frankreich und Grossbritannien ist mir die deutsche um einiges lieber.
Voodoo | 25. Dezember 2014 – 19:22
Na, dann halt mit „Hurra“ auf die (deutschen) Soldatenfriedhöfe. Aber ohne mich.
Frohe Weihnachten
@Heiko Kamann | 25. Dezember 2014 – 19:33
Musste das jetzt sein?
Memo an mich selbst:
Auch an Weihnachten geht hier nichts ohne Polemik – nächstes Mal einfach nichts mehr schreiben.
Wenn hier einige aus meinem Kommentar, eine von mir gewünschte, Glorifizierung des ersten Weltkriegs (bzw. der deutschen Rolle in diesem) herauslesen, kann ich auch nicht helfen.
Ich bezog mich auf die Beschäftigung und die Auseinandersetzung (durchaus auch kritischer Art) mit Geschichte.
@ Heiko Kamann
Insbesondere im darauf folgenden Weltkrieg waren wir der Aggressor. Soll man sich deshalb nicht damit beschäftigen?
Ganz zu schweigen davon, dass 1914-1918 gerade im Bezug auf die Unterstützung und Befürwortung der NSDAP innerhalb der Reichswehr durchaus eine Rolle spielte. Wenn Sie also die Gedankengänge und die Motive dieser Generation von deutschen Soldaten verstehen wollen, so müssen Sie sich zwangsweise mit dem vorangegangenen Krieg befassen.
@ J.R.
Ich bezog mich auf den Krieg an sich, nicht auf eine angenommene, herausragende Bedeutung des „Weihnachtsfriedens“. Dieser stellt lediglich eine, aus menschlicher Sicht, schöne und außergewöhnliche Randerscheinung dar.
Wenn Sie die Tatsache, dass die Mehrheit der Bevölkerung (insbesondere die jüngeren Jahrgänge) im Prinzip keinerlei Kenntnisse bezüglich des ersten Weltkrieges haben, als „deutsche Erinnerungskultur“ betrachten möchten, können Sie dies gerne tun- ich teile diese Meinung dann eben nicht. Muss man auch nicht immer.
Würde jungen Menschen aber keinen Nachteil verschaffen, sich auch mal mit Dingen zu beschäftigen, aus denen sie lernen können bzw. lernen zu verstehen wie die Welt funktioniert und welche äußeren Umstände und Gefühle das Handeln der damaligen Generation beeinflussten.
Man kann, gerade im privaten Bereich, auf Literatur setzen die einen unterhält oder sich Material suchen, aus dem man auch etwas lernen kann und im Anschluss dazu in der Lage ist Rückschlüsse zu ziehen und Vorgänge besser zu verstehen.
Ich schreibe niemandem vor auf welche Karte er setzen soll.
@ Patrick S. | 25. Dezember 2014 – 23:36:
Grämen Sie sich bitte nicht. Ihrer Klarstellung hätte es gar nicht bedurft, denn Glorifizierung oder Geschichtsfälschung konnte man nicht herauslesen. Der Hinweis auf den anhaltenden Historikerstreit ist ja keine Relativierung oder gar Fälschung.
@den Machern der Fußballspiele: Ich finde die Idee gut, ganz unabhängig davon, ob das Spiel im WK I so stattfand oder nicht.
@Patrick S
Da ich gerade die handygetippte Antwort weggeklickt habe, hier nur die Kurzfassung.
1) Das historische Ereignisse mit der Zeit an Bedeutung verlieren ist normal. Zum einen geschieht neues, zum anderen wird der historische Kontext der Gegenwart immer fremder. So ist es beispielsweise normal, dass etwa die Jugoslawienkriege teilweise den Ersten Weltkrieg ersetzen. (Und der Fokus auf den Ersten Weltkrieg in Frankreich und den Zweiten Weltkrieg im UK hat da durchaus was von Flucht in die Vergangenheit, als man noch wer war. Wenn man da Militaria und Nationalpathos rausrechnet bleibt da gar nicht soviel an Geschichte, Erinnern und Erkenntnisgewinn.)
2) Mir geht das etwas zu sehr in Richtung Jugendbashing. Ins Museeum der Verdunschlacht fahren jährlich 30.000 Deutsche. Als ich vor 10 Jahren vom Studentenwohnheim aus dort war, waren das eher Junge als Alte.
http://www.memorialdeverdun.fr/index.php/memorial.html
In der Online Umfrage des British Council messen Jüngere dem Ersten Weltkrieg eine grössere Bedeutung zu als Ältere. Und 30% der deutschen Antwortenden kannten nebenbei den Weihnachtsfrieden.
http://www.britishcouncil.de/erster_weltkrieg
3) Mein eigentlicher Punkt war aber: Wenn die „bequemen“ Anekdoten immer mehr Raum dessen einnehmen was erinnert wird, dann ist das eben auch Geschichtsverfälschung.
Da macht es unter pädagogischen Gesichtpunkten mehr Sinn sich auf das charakteristische zu konzentrieren (das ist bei Kriegen unbequem), oder auf das wesentliche (da wäre man dann etwa bei den moralischen und gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen).
Das ist jetzt natürlich eine Überinterpretation eines symbolischen Fussballspiels.
Aber vielleicht können Sie jetzt nachvollziehen, warum es sauer aufstösst, wenn gerade anhand des Weihnachtsfriedens oder der britischen Gedenkweise gegen vermeintliche Kriegsvergessenheit argumentiert wird.
Dass Ereignisse mit der Zeit an Bedeutung verlieren, ist klar.
Mir ging es primär darum, dass beide Weltkriege nun mal miteinander verwoben sind. Beispielsweise ist es zwar übertrieben zu behaupten, Versailles hätte Hitlers Aufstieg erst ermöglicht, der Vertrag war aber mit Sicherheit einer der Hebel, die einem Menschen wie Hitler zur Verfügung standen und den er dann auch nutzte. Insofern benötigt man ein gesundes Maß an Wissen über den ersten WK um die Motivationen und Gedankengänge (gerade im Vorlauf des Zweiten) nachvollziehen zu können.
Deshalb finde ich es ein klein wenig seltsam, wie man den Ersten gerade im Schulunterricht mal eben „überfliegt“, während der Zweite in deutlich größerem Umfang behandelt wird.
Wobei in D erschwerend dazukommt, dass unsere Pädagogen einen zu großen Schwerpunkt auf bloßes Auswendiglernen legen. Daten u. Zahlen sind in dem Zusammenhang eher Zusatzinformationen und man sollte sich eher um eine Analyse der Vorgänge bemühen.
Kommt natürlich auch immer auf die Lehrkraft an sich an. Kann mich noch daran erinnern, wie ich in der mündlichen Abschlussprüfung Geschichte gefragt wurde, warum das Thronfolgerpaar in Sarajevo weilte. Dies war die einzige Frage zu diesem Ereignis. Mit den Auswirkungen und den diplomatischen Vorgängen als Folge des Attentates bzw. den Motivationen hinter diesen, hat man sich zumindest zu meiner Schulzeit leider nicht beschäftigt.
Interessante Umfrage des British Council. Die Zahlen machen ein klein wenig Mut, jedoch gibt es hierzulande eben auch Menschen, die trotz der durchaus vorhandenen Schulbildung davon ausgehen, dass Hitler schon 1914 an der Macht war etc.
Der Besuch von Museen durch junge Menschen ist immer eine gute Sache, ich zumindest stelle mir aber leider immer die Frage welcher Prozentsatz aus eigenem Antrieb dort ist und wer sich „zwangsweise“ im Rahmen von Schulausflügen dort aufhält.
Eine gesonderte Diskussion über das Standing der Weltkriege im Schulunterricht und Geschichte im Allgemeinen macht auf AG allerdings keinen Sinn und würde hier auch den Rahmen sprengen.
Mir ging es, wie bereits erwähnt, in erster Linie um die Verknüpfungen zwischen den beiden Kriegen und die Diskrepanz in der pädagogischen Auseinandersetzung mit diesen.
Auslöser war bei mir die Beschäftigung mit dem militärischen Widerstand gegen die Nazis. Es erschien mir seltsam, dass ich beispielsweise den Namen von Tresckow in der Schule nie gehört hatte (auch im Bezug auf die Tatsache, dass er die Nazis wie viele Widerstandskämpfer ursprünglich befürwortet hatte und dies vor allem durch Versailles und die Folgen bedingt war).
Der Themenkomplex Geschwister Scholl/ Weiße Rose wurde im von mir besuchten Geschichtsunterricht allerdings bis ins Detail behandelt. Mir stieß einfach die Unverhältnismäßigkeit unangenehm auf.
Könnte bei einigen Menschen zu der falschen Schlussfolgerung „Zivilisten: kritisch und oft im Widerstand aktiv / Soldaten: stumme, unkritische Mitläufer und eine Randerscheinung im Widerstand“ führen.
Wobei mir klar ist, dass die Geschwister Scholl gerne im Unterricht behandelt werden, da sie durch ihr Alter bedingt eine Vorbildrolle für junge Menschen einnehmen können.
Bezüglich des Weihnachtsfriedens stimme ich Ihnen zu. Kein sonderlich bedeutendes Ereignis, das allerdings gerade zu dieser Jahreszeit gerne in den Fokus gerückt wird. Die im Rahmen der Erinnerung durchgeführten Spiele sind jedoch eine schöne Geste und dass es auch im Laufe von Kriegshandlungen nicht immer kaltblütig und emotionslos zugeht, kann man sich ruhig hin und wieder in Erinnerung rufen.