Ausbildungsmission Irak: ‚Anbieten, was Deutschland leisten kann und leisten will‘

Den bevorstehenden Beschluss der Bundesregierung für eine Ausbildungsmission der Bundeswehr im Irak hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier der SPD-Bundestagsfraktion etwas detaillierter erläutert – sicherlich auch deshalb, um Skeptiker in den eigenen Reihen für die Parlamentsabstimmung über das Mandat umzustimmen. Die Passage zu dem geplanten deutschen Einsatz, mit dem kurdische Peshmerga-Kämpfer für den Kampf gegen die islamistische Terrormiliz ISIS fit gemacht werden sollen, nimmt einen großen Teil von Steinmeiers Brief zum Jahresende an die SPD-Abgeordneten ein.

Zur Dokumentation der entsprechende Teil des Briefes (der am heutigen Montag bekannt wurde und Augen geradeaus! vorliegt):

Die irakische Regierung hat die internationale Allianz um Unterstützung angerufen, unter anderem um die in den letzten Monaten schmerzhaft deutlich gewordenen Ausbildungsmängel zu beseitigen. Angesichts der nach wie vor prekären Lage können wir uns dieser Bitte nicht verschließen und wollen die kurdischen Sicherheitskräfte mit gezielter, strikt am dortigen Bedarf orientierter Ausbildung unterstützen. Wir denken hier insbesondere an Fähigkeiten wie militärische Logistik, technische Kommunikation, Versorgung und Sanitätsleistungen, aber auch Minenräumung und Sprengfallenbeseitigung, da hier die Quelle für einen Großteil der Verluste der Peschmerga liegt.
Ich habe mich unter den internationalen Partnern und innerhalb der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass wir dem Irak genau das anbieten, was Deutschland leisten kann und leisten will.

Wir dürfen kein Szenario akzeptieren, in dem wir unsere Soldatinnen und Soldaten in unabsehbare Gefahren schicken – räumlich unbeschränkt, mit einem untragbaren Kräfteansatz, und vor allem: ohne absehbares Ende. Auch solche Vorstellungen hat es gegeben.
Wir haben aber entschieden, das Engagement unserer Soldatinnen und Soldaten auf den Raum Erbil zu begrenzen. Die Bundeswehr soll für ein halbes Jahr die Koordinierung der internationalen Ausbildungsunterstützung für die Kurden im Nord-Irak übernehmen und diese danach an Italien weitergeben. Auf diese Weise vermeiden wir eine Verfestigung größerer Kontingente der Bundeswehr im Nord-Irak und stellen die jederzeitige Korrekturmöglichkeit der jetzigen Entscheidung sicher, wenn die Lage sich ändern sollte.
Liebe Genossinen und Genossen,
die Entscheidung über Waffenlieferungen im August ist vielen von uns – auch mir – nicht leicht gefallen; sie war eine Entscheidung mit Risiken, eine Abwägung zwischen lauter nicht-perfekten Optionen, denen wir in der Außenpolitik so häufig gegenüber stehen. Die jetzt anstehende Entscheidung zur Ausbildungsmission ist wie jeder Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten im Ausland ebenfalls eine schwierige Abwägungsentscheidung. Deshalb gehört sie in die Mitte der Demokratie, durch eine Mandatierung des Parlaments.
Ich glaube aber, sie ist eine verantwortbare Entscheidung – und zwar aus zwei Gründen. Verantwortbar, weil wir den Peschmerga, deren mutigen Kampf wir unterstützen wollen, neben der reinen Ausrüstung auch die notwendigen Fähigkeiten liefern können und sollten. Verantwortbar auch, weil Deutschland innerhab der internationalen Allianz gegen ISIS eine Rolle übernehmen muss, die unserem Gewicht und unseren Fähigkeiten entspricht. Genau deshalb bieten wir Ausbildungseinheiten an, aber keine Kampftruppen. Genau deshalb richten wir kein deutsches Lager unter deutscher Führung ein, sondern wechseln uns in einer Ausbildungseinrichtung unter kurdischer Leitung ab mit Partnern, von denen viele im Jahr 2003 gegen den Irak-Krieg standen wie wir; die aber sehen, dass wir angesichts der aktuellen Bedrohung daraus kein Recht zur Enthaltung heute ableiten können. Kollektive Sicherheit heißt eben auch: Arbeitsteilung – zwischen allen und von jedem gemäß seiner Möglichkeiten.

Nun ist dieses Schreiben natürlich in erster Linie an die eigene Partei gerichtet, was den Ton und die Argumentation erklärt. Allerdings: die Verbindung der Aussage weil Deutschland innerhab der internationalen Allianz gegen ISIS eine Rolle übernehmen muss, die unserem Gewicht und unseren Fähigkeiten entspricht mit der Schlussfolgerung genau deshalb bieten wir Ausbildungseinheiten an, aber keine Kampftruppen ist eine interessante Aussage eines in der Sicherheitspolitik maßgeblichen Regierungsmitglieds über die Ansicht der eigenen Streitkräfte: Ausbildungs- statt Kampftruppen, heißt das, nicht weil wir es politisch so entschieden haben – sondern weil es nicht anders geht. Oder wie sonst soll man diese Aussage verstehen?

Der Mandatsentwurf ist inzwischen auch weitgehend fertig, aber noch nicht endgültig zwischen den Ressorts abgestimmt. Deshalb im Moment noch nichts zu den Details darin, nur der Hinweis: In der Tat wird wohl die Koalition der Willigen gegen ISIS im Zusammenhang mit dem generellen UN-Aufruf, den ISIS-Vormarsch zu stoppen, als ausreichende Grundlage für das im Grundgesetz genannte System kollektiver Sicherheit angesehen. Nicht ohne Grund verwendet ja auch Steinmeier diesen Begriff in seinem Brief.

Nachtrag: Die Niederlande, die sich ja auch an der Ausbildungsmission beteiligen (neben ihrem Einsatz von F-16-Kampfjets), haben das weitere Vorgehen in einem Brief der Regierung ans Parlament ganz gut erläutert. Ich schaue mal, was man daraus mit Google Übersetzer in eine lesbare deutsche Form bringen kann – oder gibt’s hier einen des Niederländischen Kundigen, der die entsprechenden Passagen (S.11 und 12) übersetzen kann und mag? (Bei Eingabe des ganzen Dokuments übersetzt Gugel leider nur die ersten 9,5 Seiten…)

(Foto: Beginn der theoretischen Einweisung in die von Deutschland an die Peschmerga gelieferten Waffen in einer Ausbildungsstätte nahe Erbil, Nordirak am 01.10.2014 – Bundeswehr/Sebastian Wilke)