DroneWatch: Camcopter für die Marine wurde wegen Zulassungsproblemen gestoppt

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Bereits im vergangenen Jahr hatte die Bundeswehr die geplante Beschaffung von Hubschrauber-Drohnen des Typs Camcopter S-100 der österreichischen Firma Schiebel (Foto oben) gestoppt. Damals gab es offiziell dazu keine Begründung; inzwischen ist klar: Aus Sicht der Beschaffer waren es vor allem Probleme mit der Zulassung, die zu diesem Stopp führten. Das geht aus der Antwort auf die Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko hervor:

31. Aus welchem Grund hat sich die Bundeswehr im zweiten Halbjahr endgültig
von dem Plan verabschiedet, selbst „Camcopter“ zu beschaffen (Bundes-
tagsdrucksache 18/2241)?
Die Bundeswehr hatte sich entschlossen, im Vorhaben „System zur Abbildenden
Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes Vertical TakeOff and Landing (VTOL)“
wegen der Notwendigkeit zur Reduzierung erkannter technischer und wirtschaftli-
cher Risiken (siehe dazu auch die Antwort auf Frage 34) bei der Projektierung des
Camcopters S-100 neu anzusetzen. Weitere Gründe waren die Notwendigkeit zur
trennscharfen Überarbeitung der funktionalen Forderungen nach dem Verzicht des
Heeres auf die Nutzung des Systems und ein für die Bedarfsdeckung geändertes
Marktumfeld.
32. Welche „Aktivitäten“ hatte die Marine bis dahin zur Beschaffung der „Cam-
copter S-100″ entfaltet?

Die Marine hat mit Blick auf eine Beschaffung von unbemannten Systemen in ei-
ner teilstreitkraftübergreifenden Kooperation das entsprechende Dokument „Ab-
schließende Funktionale Forderungen/Realisierungsgenehmigung“ erarbeitet.
Nach dessen Schlusszeichnung hat sich eine Arbeitsgemeinschaft für unbemann-
te Systeme der Marine mit den Planungen zum Betrieb und den Fragen der Infra-
struktur befasst. Begleitend ist im Jahr 2008 eine Erprobung des Systems Cam-
copter S-100 auf See an Bord einer Korvette der Klasse 130 (K130) erfolgt.

33. Welchen Stückpreis hatte der Hersteller für die „Camcopter“ angegeben,
und welche weiteren Produkte oder Dienstleistungen hätten davon erfasst
werden sollen?

Bedingt durch die Entscheidung zum Abbruch des Projektes vor dem Beginn der
Projektierungsaktivitäten ist eine Stückpreisfestlegung nicht erfolgt.

34. Inwiefern hat das BMVg Risiken hinsichtlich der Zulassungsfähigkeit der
„Camcopter“ gesehen, und worin bestanden diese?

In der Vorbereitung einer möglichen Projektierung wurden die Zulassungsfähigkeit
des marktverfügbaren Camcopters sowie die Systemauslegung der Marinevarian-
te geprüft. Die Bewertung ergab ein nicht akzeptables zeitliches, technisches und
finanzielles Risiko für den Zulassungsprozess. Die vorliegenden zulassungsrele-
vanten Unterlagen waren für eine Musterzulassung unzureichend.

35. Welche Schritte zu Prüfung der Zulassungsfähigkeit der „Camcopter“ hatte
das BMVg bereit unternommen?

Im Vorfeld wurden die grundsätzlichen Aspekte hinsichtlich der Zulassung derarti-
ger Systeme auf seegehenden Einheiten untersucht.

36. Inwiefern existiert aus Sicht der Bundesregierung überhaupt eine „Fähig-
keitslücke“ bei der Marine, die demnach durch senkrecht startende VTOL-
Drohnen abgedeckt werden müsste?

Die Korvetten K130 wurden so ausgeplant, dass die Fähigkeiten des Systems
durch ein unbemanntes Flugsystem als integraler Bestandteil vervollständigt wer-
den. Wegen der baulichen Rahmenbedingungen der Korvetten kommt nur ein9
kleines und deswegen unbemanntes System zur Schließung der Fähigkeitslücke
in Betracht. Eine Entscheidung dazu, mit welcher technischen Lösung diese Fä-
higkeitslücke geschlossen werden soll, ist noch nicht getroffen worden. Eine
VTOL-Komponente ist dabei eine der betrachteten Lösungsalternativen.
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Die Kleine Anfrage Hunkos zielte vor allem auf den Drohnen-Einsatz zur Überwachung eines Waffenstillstandes in der Ukraine, bei dem die OSZE diese Camcopter der Firma Schiebel bereits seit der vergangenen Woche nutzt. Ein paar interessante Zahlen zu den Kosten stehen da auch drin.

Nachtrag: Leider erst viel später habe ich das Interview gesehen, das der inzwischen pensionierte Marineinspekteur Axel Schimpf der NDR-Sendung Streitkräfte und Strategien für die Sendung vom 5. Oktober gegeben hat. Da ging es auch um den Camcopter, und was Schimpf damals sagte, klingt doch etwas anders als das, was in der Bundestagsdrucksache steht:

Flocken: Drohnen sind bei der Luftwaffe eine Zukunftstechnologie. Auch die Marine hat eine Drohne für die Korvetten angestrebt. Ein kleiner ferngesteuerter Hubschrauber war vor einiger Zeit auch erprobt worden. Ein sogenannter Camcopter. Doch nach der Euro-Hawk-Affäre hat man in der Öffentlichkeit von diesem Camcopter, von diesem ferngesteuerten Hubschrauber, nichts mehr gehört. Gibt es auch bei der Marine, wie damals beim Euro-Hawk, Zulassungsprobleme? Oder was sind die Gründe, dass man davon gar nichts mehr hört?
Schimpf: Lassen Sie mich nochmal kurz einen Schritt zurück machen. Unbemannte Systeme sind für die Marine wichtig – schon seit Jahren. Nicht nur in der Luft, sondern auch unter Wasser. Dort sind wir tatsächlich seit langen Jahren mit unbemannten Mitteln unterwegs für die Identifizierung von Minen bzw. von Sprengkörpern unter Wasser. Das ist bewährte Technik und auch ich sehe die Zukunft bei unbemannten Systemen. Es geht darum, die Gefährdung für den Menschen zu reduzieren, aber auch darum, Belastungen zu reduzieren. Personal ist knapp und wertvoll. Ja, wir haben eine Drohne vorgesehen, ein unbemanntes System für die Korvette, das sich im Moment in der Entwicklung befindet. Wir haben nochmal einen Schritt zurück machen müssen wegen bestimmter technischer Fragen, die noch zu lösen waren…
Flocken: Welche Fragen sind das? Auch Zulassungsfragen?
Schimpf: Nein. Es ging da um technische Fragen, also nicht um Verfahrens- und Lizensierungsverfahren. Es ging dort im Wesentlichen um technische Fragen. Es geht darum, mit welchem Brennstoff eine Drohne an Bord betrieben werden kann, welche Charakteristika sie hat, wie ich sie starten und landen kann. Das ist ja an Bord alles komplizierter als an Land. Sie müssen sehen, so eine Drohne der Marine wäre etwa so lang wie ein Esstisch, drei oder vier Meter lang. Das ist also gar nicht zu vergleichen mit so einem Riesengerät wie dem Euro-Hawk. Und wenn das einfach nur im taktischen Nahbereich fliegt, dann kann man das auch ganz anders kontrollieren. Also hier ist alles etwas unkomplizierter, und ich hoffe, dass wir auch bald ein derartiges System zur Verfügung haben, mit dem wir dann die Fähigkeiten der Korvette abrunden können.
Flocken: Also es gibt keine Probleme mit der Zulassung?
Schimpf: Also ich habe da noch nicht so tief reingeschaut, dass ich jetzt sagen könnte, da gibt es vielleicht hier und da noch eine Kommastelle, über die gesprochen werden muss. Aber ich denke, allein von der Dimension, vom Einsatzprofil, vom Einsatzgebiet ist das völlig anders zu werten.
Flocken:Das heißt, Sie sind zuversichtlich, dass dieser ferngesteuerte Hubschrauber auch bald kommt?
Schimpf: Also es ist Teil der Dienstpostenbeschreibung eines Inspekteurs, grundsätzlich zuversichtlich zu sein.
Flocken: Aber wann kommt der unbemannte Hubschrauber real?
Schimpf: Also das kann ich Ihnen nicht mit Datum und Uhrzeit hinterlegen. Aber jedem ist bekannt, dass wir dieses unbemannte System brauchen, um das Fähigkeitsprofil der Korvette abzurunden. Und ich hoffe, dass es auch zügig kommt.

 

(Einen Bericht über die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage gab es zuerst bei netzpolitik.org – nicht verwunderlich, da der Autor als Mitarbeiter im Büro des Abgeordneten Hunko tätig ist.)

(Foto: Camcopter S-100 – Schiebel-Pressefoto via APA-OTS)