Lagebeobachtung Irak/Deutschland: Doch lieber Soldaten?
Noch (?) sind es Einzelstimmen, aber offensichtlich beginnt da eine Debatte: Der CDU-Abgeordnete Patrick Sensburg hat als erster Parlamentarier aus dem Regierungslager für einen Bundeswehreinsatz im Irak plädiert. Wenn man befrieden will, muss man ehrlich sein. Es wäre sinnvoll, wenn deutsche Soldaten zur Verteilung der Hilfsgüter sowie insbesondere zum Schutz der Flüchtlingslager vor Ort eingesetzt würden, sagte Sensburg dem Berliner Kurier (Link aus bekannten Gründen nicht).
Nun hatte sich zwar auch der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour bereits vor einer Woche für einen Bundeswehr-Einsatz ausgesprochen, allerdings in erster Linie der Luftwaffe – und Nouripour ist Oppositionspolitiker. Deswegen wird spannend zu beobachten, ob Sensburgs Vorstoß Kreise zieht. Wenn auch die Praktikabilität ein wenig fraglich ist: Schutz der Flüchtlingslager klingt ein wenig nach Wach- und Schließgesellschaft. Aber was bedeutet das, wenn ein solches Camp konkret von einem massiven ISIS-Vorstoß bedroht ist?
Und noch eine Stimme für einen (auch deutschen) Kampfeinsatz, an Stelle von Waffenlieferungen. Der Theologe Thomas Hoppe, Professor für Sozialethik an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg, hält europäische Boots on the ground für sinnvoller: Aus meiner Sicht wäre es besser, dass sich die Staatengemeinschaft, entsprechend dem Prinzip der Schutzverantwortung, zu dem sie sich bekennt, zu einer begrenzten Intervention entschließt, bei der sie selbst das Heft des Handelns in der Hand behält. Denn wenn sie Waffen an die kurdischen Kämpfer gibt, könnten diese später ihre eigenen politischen Ziele verfolgen, die vielleicht nicht unbedingt dem Frieden in der Region dienen.
Fürs Archiv außerdem noch: Die Abschrift der Pressekonferenz von US-Verteidigungsminister Chuck Hagel und Stabschef Martin Dempsey zum Thema Irak/ISIS am 21. August hier.
@califax: Nur für den Luft-Luft Einsatz gibt es Waffen für den Eurofighter bis jetzt. Für den Luft-Boden Einsatz soll die GBU-48 erst nächstes Jahr eingeführt werden und die Einführung Taurus für Eurofighter wird weiterhin rausgeschoben laut Bundeswehr-HP.
Es könnten also im Moment nur Tornados gegen die ISIS eingesetzt werden.
Ob es sonst noch Waffenbehälter oder Munition gibt, welche vorhanden wären von Tornado oder Phantom, und auf welche man die Eurofighter umrüsten oder bewaffen könnte auf die schnelle, weiß ich nicht?
Ich sehe nur laut Wikipedia, daß die Bundeswehr mal Mavericks Luft-Boden Raketen beschafft hat bis 1996, ober ob die noch vorhanden sind und ob die Eurofighter damit ausgerüstet werden könnten oder nicht, wissen vielleicht die Experten hier?
@Closius
Die AGM-65 Mavericks der Lw sind seit vielen Jahren nicht mehr im Bestand. Es war sowieso die alte B-Variante mit der analogen TV-Kamera (Röhre, nicht CCD). Damit hätte man recht nah und tief an das Ziel fliegen müssen für Auffassung und evtl. Nachsteuerung.
Damit sind eben nur noch mehr oder weniger intelligente Eisenbomben (GP, Paveway, JDAM) für die Bekämpfung von Bodenzielen mit Lfz Tornado verfügbar. Eben abgesehen von Taurus, HARM, Kormoran. MW-1 Ist, meine ich, auch schon länger nicht mehr einsatzfähig. Habe ich was vergessen?
http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/west-poised-to-join-forces-with-president-assad-in-face-of-islamic-state-9686666.html
Interessante Lageanalyse IS in Syrien inkl. Spekulationen über intelligence support CIA via BND für Assad in dessen Luft-Kampf gegen IS. Die al- Tabqa Militärbasis scheint zZt das strategisch wichtigste Ziel für IS in Syrien zu sein.
http://www.sana.sy/en/?p=11003
Werde mich gerne eines Besseren belehren lassen, aber haben die INS der IS eine so ausgeklügelte Flugabwehr dass Tornados nicht mehr effizient wären ? Das würde mich doch stark wundern. Zumal ja die meisten Ziele nicht oder nur leicht gepanzert sind, wäre ein Teppich ja geradezu Zweckmäßig.
Der Independent hätte auch ein freundlicheres Bild von Assad nehmen können.
Da war doch gestern die BBC-Twitter Meldung, dass der saudische Botschafter in UK gesagt hätte, sein Land wolle die IS zerstören bzw. zerstört sehen. Könnte es sein, dass man die Geister die man rief, nun schnell wider los bekommen möchte? Selbst Hardliner-Islamisten haben anscheinend erkannt, dass es dem IS nur um den Terror an sich selbst geht und dem Islam mehr schadet als nutzt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Saudis sich selbst im Irak militärisch engagieren würden (wann haben die überhaupt mal ihr Militär eingesetzt). Vielleicht ist das ein Anzeichen eines entstehenden Burgfriedens unter den IS-Anrainerstaaten.
@wacaffe:
Der DM-Artikel zeigt, was man machen kann – wenn man will.
Aber bei uns gibt es ja noch nicht mal einen kohärenten Ansatz von AA, BMI, BMVg, BMZ etc.
Dazu noch bundeswehrinterne Querelen um eine Struktur der Spezialkräfte, die der in UK und FRA ähnelt.
Diese Ignoranz, Inkonsequenz und Inkomepetenz wird mittelfristig erhebliche Folgen haben, aber wenn interessiert das?
„aber wen interessiert das?“
Die BK jedenfalls nicht, „wünscht keine debatte“
na dann eben weiterhin friedhofsruhe.
@es-will-merr-net-in-mei-Kopp-enei
Nun, das Haus Saud bezeichnet sich ja als Hüter der Heiligen Stätten. Dabei ist dessen Position theologisch sehr angreifbar, weil sie selbst keine Nachfahren Mohammeds sind.
Daher stellt ein islamischer Staat / ein Kalifat quasi vor der Haustüre natürlich eine Bedrohung der religiösen Legtimation dar.
Zudem könnten sich gläubige Muslime im KSA zunehmend fragen, warum nicht gegen Israel vorgegangen wird.
Und dann gibt es natürlich noch die schiitische Minderheit in den Ölfördergebieten.
@es-will-merr-net-in-mei-Kopp-enei
Die Saudis wollen mal wieder, dass US/UK Ihnen die Schmutzarbeit abnimmt. Mit Truppen in den Irak ziehen werden sie wohl kaum, denn dann werden die Iraner Truppen nach Syrien schicken, um Assad im Kampf gegen IS zu unterstützen. Die Saudis haben natürlich ein Riesenproblem mit IS: die Pilgerfahrt nach Mekka und die Attraktivität des Kalifats für alle orthodoxen, arabischen Sunniten in KSA, denen die pro-westliche Modernisierungspolitik der Saudis schon viel zu weit geht. Das Königreich der S’aud besteht ja noch nicht so lange und die S’aud Dynastie sebst war nie eine religiöse Authorität in der arabisch-islamischen Welt.
„Dabei ist dessen Position theologisch sehr angreifbar, weil sie selbst keine Nachfahren Mohammeds sind.“
Ist der neue Kalif Nachfahre Mohammeds?
@Frager
Ähmm … wer weiß?
„Al-Baghdadi claims he is descended from Prophet Mohammed in an attempt to gain some legitimacy to his claim for the caliphate, genealogy scholar Hameed al-Jubury told Mawtani.“
http://mawtani.al-shorfa.com/en_GB/articles/iii/features/2014/06/25/feature-01
@Frager
Der Kalif fußt seine theologische Authorität auf den Koran selbst und nicht den Nachkommen des Propheten.
@klabautermann
‚wäre aber ein deutliches Plus für denjenigen, der die Herrschaft über die heiligen Stätten des Islam (inkl. Jerusalem) beansprucht.
„Der Kalif fußt seine theologische Authorität auf den Koran selbst und nicht den Nachkommen des Propheten.“
Worauf beruht dann eine höhere theologische Autorität des Kalifen gegenüber dem Haus Saud?
@Frager
Puh, wenn ich wüßte, wo ich das gelesen habe …
Für einen gläubigen Muslim steht ein Kalif sicher höher als ein König, insbesondere wenn man sich die Herkunft des Hauses Saud ansieht.
Fraglich ist jedoch die Legitimität des IS Kalifats.
IS ist leider wieder auf dem Vormarsch,jetzt in Syrien
Laut heute .de
IS erobert Flugstützpunkt im Nord-Osten Syriens
Flugzeuge sind soweit vorher auf andere Stützpunkte verlegt worden
Und laut Zeit Online
ist der Mörder von James Foley angeblich durch Britische Geheimdienste identifiziert worden,
die Jagd ist eröffnet
@Frager
„The Aal-e-Saud (descendants of Saud) have no hereditary claim to the Throne of Mecca since they are not the descendants of the prophet, nor even from the Quresh. They were the most primitive marauding nomadic tribesmen of Najd who defeated the Sharifs of Mecca violently after the collapse of the Ottomans in World War I. Their title to the throne of Saudi Arabia is de facto, not de jure, since neither do they have a hereditary claim nor do they hold elections to ascertain the will of the Saudi people. Thus they are the illegitimate rulers of Saudi Arabia and they feel insecure because of that; which explains their heavy-handed tactics is dealing with any kind of dissent, opposition or movement for reform.“
http://atimes.com/atimes/Middle_East/MID-02-231013.html
„aber haben die INS der IS eine so ausgeklügelte Flugabwehr dass Tornados nicht mehr effizient wären ?“
Ja, sie fahren einen Kinderwagen neben das Ziel, und aus ist es mit der Mission. Erinnere mal an dieTankwagen in AFG. Wir verlieren jeden Krieg an der Heimatfront.
Der Schock über die IS wird nachlassen und das Fell wird dicker werden, und dann wird die Wahl 100.000 Flüchtlinge oder Bodentruppe so ausfallen – weder noch ! und wir wenden uns wieder wichtigeren Dingen zu , das ist ja noch die Pkw Maut.
IS hat die syrische Miltärbasis Al-Tabka eingenommen. Attila läßt grüßen.
TF is Black is back
http://www.mirror.co.uk/news/world-news/sas-special-forces-forming-hunter-4097083#ixzz3BLyZVz8m
USA und UK formieren wieder die berühmte TF Black unter Führung der CIA mit Elementen von SAS, DELTAs und SEAL TEAM 6(auch wenn die US Einheiten gar nicht mehr so heißen). Für die SOF-Kräfte klingt das nach viele weitere Jahre harte Arbeit.
pi
@politisch inkorrekt:
Da stehen wohl einigen Herren unruhige Nächte bevor.
The man comes around…
USA und UK dürften die „Fischfutterlösung“ verfolgen, Deutschland könnte zur „Den Haag-Lösung“ beitragen, kann es aber definitiv mangels materieller Voraussetzungen nicht. Hoffentlich kommt es nie zur Erfordernis einen Deutschen Staatsbürger aus der Gewalt von IS befreien zu müssen, denn das ist dann keine Frage des politischen Willens mehr.
@Vtg-Amtmann:
Warum ist das dann keine Frage des politischen Willens mehr?
Siehe Freilassung der deutschen IS-Geisel (Bericht in der gestrigen WamS).
Auf dem gesamten Thema ist in Deutschland kein politischer Druck. Die Krisenstäbe sind de facto Lösegeldüberbringungselemente.
Allein schon mental, konzeptionell und strukturell sind wir hier insbes. von UK, aber auch FRA u. NL, Lichtjahre entfernt.
Da sind die ersten Hausaufgaben zu machen, dann steht das Material erst an. Aber wer interessiert sich dafür aus einer ressortübergreifenden und strategischen Perspektive??
Es is noch immer jut jegangen.
Nur in nicht allzu langer Zeit wird Geld kein Lösungsansatz mehr sein sondern bspw. Freilassung von Terroristen, etc.
Dann reden wir über Erpressbarkeit im politischen Handeln.
1. Sponsor offenbar vieler extremistischer Gruppen (und ev. auch der ISIS) sollen Saudi Arabien und div. Golf-Staaten sein. Ein Ansatz, für das Versiegen des Geldstromes zu sorgen, vermag ich keinen zu erkennen. Wie will man den Sumpf austrocknen, wenn man die (Geld-)Quelle nicht zudreht?
2. Panzerbrechende Waffen für die Kurden? Den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Lieferung sehe ich in keiner Weise geführt. Nach Wikipedia (dort Peschmerga unter Ausrüstung) verfügen die Peschmerga über mehrere hundert Panzer vom BMP-1 bis zum T-72. Kann man damit keine gepanzerten HUMVEES bekämpfen? Die Rote Armee wollte solche Gefechtsfahrzeuge zum Sturm auf Mitteleuropa verwenden, wenn es geknall hätte. Vielleicht irrt ja Wiki, aber Politker und Journaile liefern keine belastbareren Informationen.
@Memoria: Hätte im letzten Halbsatz besser schreiben sollen, „denn das ist dann keine Frage des politischen Nicht-Wollens mehr“.
Ansonsten bin ich voll auf Ihrer Linie.
Und auch ohne Anhänger der Grünen zu sein, stellt sich m.M.n. für unsere Regierung, das BMI und das BMJV längst die zwingende Erfordernis IS samt deren Folgeorgansationen und Kader sowie deren Symbolik als eindeutig kriminelle und terroristische Vereinigung zu klassifizieren. Man bedenke hierbei, daß die PKK nicht zu Unrecht von der EU und den USA als terroristische Vereinigung eingestuft ist und umso drastischerer Maßnahmen und Entschlossenheit bedarf gegenüber dem IS.
Vielleicht sollte man überhaupt in dieser Sache einmal die Kirche im Dorf lassen. Die „Kriegsführung“ des IS scheint mir seit jeher dem dortigen Kulturraum entsprechend zu sein. Nur wurde das Kamel durch nagelneue Toyota Pick Ups ersetzt. A propos: wie wird das denn bei der Fußball-WM in Katar? Die dortigen Clanchefs sind offenbar hauptsächliche Start Up-Finanziers des Unternehmens IS. Ob deren Kämpfer dann sogar die Choreographie der Eröffnungsveranstaltung übernehmen werden? „Say no to racism!“ und so? Man weiß es ja nicht.
@Vtg-Amtmann:
Verstehe es immer noch nicht.
Warum ist das dann (?) keine (!) Frage des polit. Nicht-Wollens mehr? Zumal es ja aktuell deutsche IS-Geiseln gibt.
Man kann dieses Thema immer kooperativ oder konfrontativ angehen. Ist nur eine Frage der Gegenleistung.
Und solange man politisch kooperative Modelle bevorzugt, wird man auch Wege finden diese zu gehen.
@Fredegar Bolgar
ich habe da in meinem Bücherschrank ein formidables, nunmehr über 100 Jahre altes Buch der britischen Armee über „Small Wars: Their Principles and Practice“ aus der Feder von Major General Sir Charles Edward Callwell mit dem großen Kapitel „Einsatz des KamelCorps“. Sollte man sich vielleicht mal zu Gemüte führen. Auch retrospektiv, was er über Small Wars in Afghanistan schreibt. Geschichte scheint sich zu wiederholen …
Und im Gegensatz zu mir, der dieses Prachtstück vor vielen Jahren – als es das Internet noch nicht gab – in englischen Antiquariaten mühsam suchen mußte, kann man dies heute online zu studieren …
http://www.history.navy.mil/library/online/small_wars.htm
Zur Taktik von al-Baghdadi:
http://smallwarsjournal.com/jrnl/art/abu-bakr-al-baghdadi-and-the-theory-and-practice-of-jihad
(Wurde das schon einmal verlinkt?)
Heute auf Deutschlandfunk
-Streit um den Tabubruch in der deutschen Außenpolitik-
mit
Fritjof Schmidt Bündnis/90 die Grünen,Mitglied im Auswärtigem Ausschusses des Bundestages
Walter Stützle,Publizist und Verteitigungsexperte
Alexander Graf Lambsdorff,FDP,Stellvertretender Präsident des Europäischen Parlaments
http://www.deutschlandfunk.de/waffen-fuer-den-irak-streit-um-den-tabubruch-in-der.1784.de.html?dram:article_id=295301
Scheinbar schließen sich auch Kurden dem IS an:
http://www.al-monitor.com/pulse/security/2014/08/kurds-join-islamic-state-iraq.html?utm_source=Al-Monitor+Newsletter+%5BEnglish%5D&utm_campaign=142049ca4b-August_25_2014&utm_medium=email&utm_term=0_28264b27a0-142049ca4b-93119693#
@Theodor
Die Kurden haben bestimmt auch Panzer, fragt sich nur ,ob diese Panzer, die alle schon älter sein dürften, überhaupt noch einsatzfähig sind? Wenn schon die Bundeswehr fast keine Einsatzfähigen Flugzeuge und Hubschrauber haben, wieso sollten dann die Panzer der Kurden, dier vermutlich noch aus den Zeiten des Kampfes gegen Saddam stammen, noch einsetzbar sein?
Laut Spiegel sollen jetzt 4.000 Helme und Schutzwesten jeweils, 200 Funkgeräte, 680 oder 780 Nachtsichtgeräte usw. geliefert werden.
Aber von Fahrzeugen, wie den Unimogs ist erst mal keine Rede von. Weiß jemand warum die Unimogs nicht mehr dabei sind? Ist die Reparatur zu teuer oder wollen die Kurden solchen „Schrott“ nicht haben?
@ closius
die initiative unimog ist eher ein relikt aus der phase „schnell (sic!) irgendwas liefern aber bitte non lethal“ ohne rücksicht auf die objektiven bedürfnisse vor ort.
das man das jetzt gestrichen hat ist insofern kein verlust.
abgesehen davon sind die restlieferungen ja durchaus sinnvoll und hätten,garniert mit supply drops überm sindchar und milan, einen adäquaten deutschen beitrag darstellen können. aber nur bei lieferung ende letzter woche und ohne das selbstflagellantische tamtam das man hier wieder aufgeführt hat.