US-Spionageaffäre erreicht das BMVg

Jetzt wird’s doch auch für Augen geradeaus! interessant: Nach Meldungen des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung soll ein weiterer deutscher US-Spion enttarnt worden sein – aus dem militärischen Bereich.

Die Süddeutsche Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) schreibt von einem Mitarbeiter des Bundesverteidigungsministeriums. Der dpa bestätigte die Bundesanwaltschaft grundsätzlich entsprechende Ermittlungen, ohne Einzelheiten zu nennen.

Dann warten wir mal die weitere Entwicklung ab…

Nachtrag: Ergänzend von Spiegel Online:

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE war der Verdächtige zunächst dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) aufgefallen, der für die Spionageabwehr bei der Bundeswehr und dem Verteidigungsministerium zuständig ist. Demnach war ein Soldat, der für das Ministerium in Berlin arbeitet, wegen verdächtiger Kontakte zu Personen aufgefallen, die möglicherweise für einen US-Geheimdienst tätig sind.
Als sich der Verdacht erhärtete, dass der Soldat geheime Informationen an seine Kontaktleute weiter gegeben haben könnte, gab der MAD den Fall an die Justiz weiter. Kenner der Ermittlungen betonten, dass die Beteiligung eines US-Geheimdienstes noch nicht erwiesen sei, die Recherchen würden aber in diese Richtung gehen.

Nachtrag 2:

und auf tagesschau.de:

Die Bundesanwaltschaft bestätigte, dass gegen einen weiteren mutmaßlichen Spion ermittelt wird. Offenbar handelt es sich um einen Referenten im Verteidigungsministerium. In der Abteilung Politik soll er für internationale Rüstungskooperation zuständig gewesen sein. Er wirkte damit an der Vorbereitung sicherheitspolitischer Richtungsentscheidungen des Ministeriums mit. Das berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Verweis auf Sicherheitskreise. Das Verteidigungsministerium hatte zuvor bestätigt, dass es „in seinem Bereich“ Ermittlungen gebe.

Nachtrag 3: Fürs Archiv dazu die Aussagen in der Bundespressekonferenz am Mittwoch von Regierungssprecher Steffen Seibert und Oberstleutnant Uwe Roth für das Verteidigungsministerium:

Frage: Herr Seibert, was können Sie uns zu neuen Fällen in Sachen US-Spionage sagen? In Bezug auf den ersten Fall hat es offenbar ein Gespräch mit Herrn Brennan gegeben. Ich wäre froh, wenn Sie etwas zu dem zweiten Fall sagen könnten. Auch im Verteidigungsministerium wird offenbar ermittelt, Herr Roth, und der amerikanische Botschafter war wieder einmal im Außenministerium. Herr Schäfer, können Sie uns etwas über den Charakter des Gesprächs und darüber sagen, wie es zustande kam? Welchen formalen Charakter hatte das?

StS Seibert: Vielleicht fange ich kurz an: Zu einem möglichen zweiten Fall – auch die Bundeskanzlerin ist danach ja gerade bei ihrer Pressekonferenz gefragt worden, und ich werde auch nicht über das hinausgehen können, was sie gesagt hat – gibt es laufende Ermittlungen, und darüber wird, wenn es so weit ist, der Generalbundesanwalt berichten. Ich kann hier überhaupt keine weitere Auskunft darüber geben.

Zu der ersten Frage nach der Angelegenheit des schon bekannten mutmaßlichen Spionagefalls, die Sie gestellt haben, muss man sagen: Die Bundesregierung steht auf verschiedenen Ebenen in Kontakt mit der amerikanischen Seite. Der Generalbundesanwalt und die Ermittler setzten ihre Aufklärungsarbeit fort. Die müssen wir abwarten. Der Sachverhalt muss aufgeklärt sein, bevor wir über Reaktionen und mögliche Konsequenzen sprechen können. Sie haben wahrscheinlich auch mitbekommen, dass eine Bundestagsfraktion eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für diese Woche beantragt hat. Selbstverständlich wird die Bundesregierung dort über ihren Kenntnisstand berichten. Ich rechne damit, dass diese Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums auch sehr bald erfolgen wird.

Schäfer: Ich kann Presseberichte bestätigen, wonach es heute Früh im Auswärtigen Amt ein erneutes Gespräch von Staatssekretär Steinlein mit dem amerikanischen Botschafter Emerson gegeben hat. Bei diesem Gespräch handelt es sich nicht um eine Einbestellung. Das Gespräch ist wie alle Gespräche grundsätzlich vertraulich. Aber ich kann Ihnen sagen, dass Staatssekretär Steinlein dem amerikanischen Botschafter eindringlich klargemacht hat, wie wichtig aus unserer Sicht eine aktive und konstruktive Mitwirkung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bei der Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe ist.

Zusatzfrage: Stimmt es, dass der US-Botschafter um das Gespräch gebeten hat, oder ging die Initiative vom Außenministerium aus?

Schäfer: Das ist richtig. Es gab den Wunsch des amerikanischen Botschafters, in diesen Fragen mit einem Vertreter des Auswärtigen Amtes zu sprechen. Das entsprach aber auch unserem Wunsch, mit ihm darüber zu sprechen.

Frage: Ich habe an das Innenministerium die Frage, ob Sie im Zusammenhang mit dem neuen Spionagefall mehr sagen können. Gab es da mittlerweile schon eine Verhaftung?

Herr Seibert, ich habe noch eine Frage zu dem wahrscheinlich stattgefundenen Telefonat von CIA-Direktor Brennan mit dem Kanzleramt: Können Sie wenigstens das Telefonat als solches bestätigen? Wer hat darum gebeten? Hat die deutsche Seite darum gebeten, oder kam die amerikanische Seite auf die deutsche zu?

Dr. Müller-Niese: Zur ersten Frage: Ich kann den Ausführungen von Herrn Seibert nichts hinzufügen.

StS Seibert: Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass in dieser Angelegenheit auf verschiedenen Ebenen zwischen der US-Seite und der Bundesregierung intensive Kontakte bestehen.

Zusatzfrage: Dann will ich eine allgemeine Frage anschließen: Sehen Sie durch die laufenden Vorgänge die Zusammenarbeit mit den Amerikanern im Geheimdienstbereich oder in allen anderen Bereichen beeinträchtigt?

StS Seibert: Da würde ich gerne noch einmal auf das zurückgreifen, was die Bundeskanzlerin bei ihrem China-Aufenthalt dazu gesagt hat, und ich glaube, das ist auch weiterhin mit Nachdruck richtig: Wenn das so ist und wenn sich bewahrheitet, was an Vorwürfen im Raum steht, dann ist das ein sehr ernsthafter Vorgang. Dann steht das in einem sehr klaren Unterschied zu dem, was sie, die Bundeskanzlerin, sich unter einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Diensten, aber auch einer Zusammenarbeit von Partnern vorstellt.

Frage: Herr Seibert, für wie hoch wird die Dunkelziffer seitens der Bundesregierung geschätzt, was US-Spione in Deutschland angeht?

Herr Roth, wann wurden zum letzten Mal von der Staatsanwaltschaft oder der Justiz Räume in Ihrem Ministerium durchsucht?

StS Seibert: Es tut mir leid, aber ich kann mich beim besten Willen nicht an Schätzungen beteiligen.

Zusatzfrage: Geht die Bundesregierung von einer Dunkelziffer aus?

StS Seibert: Auch darüber stelle ich jetzt keine Mutmaßungen an. Es gibt in zwei Fällen Ermittlungen hinsichtlich des sehr ernsthaften Verdachts der Spionage, und diese Ermittlungen werden intensiv vorangetrieben.

Roth: Ich kann Ihnen hier bestätigen, dass es Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft im Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsministeriums gibt. Ich kann mich zu weiteren Einzelheiten nicht einlassen, aber ich kann Ihnen sagen, dass wir den Fall sehr ernst nehmen. Für weitere Detailfragen bitte ich Sie, sich doch an die Generalbundesanwaltschaft zu wenden.

Zusatzfrage: Herr Roth, die Frage war, wann zum letzten Mal Räume Ihres Ministeriums von der Justiz durchsucht wurden. Das hat ja mit dem aktuellen Fall vermutlich gar nichts zu tun.

Roth: Ich habe Ihnen hier meine Aussage gemacht. Zu der anderen Frage, wann das das letzte Mal der Fall war, liegen mir keine Erkenntnisse vor.

Zusatzfrage: Heißt das, Sie schließen nicht aus, dass Räume in Ihrem Ministerium durchsucht wurden?

Roth: Ich habe hier in meiner Zeit, in der ich als Sprecher tätig bin, gelernt, dass ich nichts ausschließe.

Vors. Detjen: Ist das eine Information, die nachgeliefert werden kann?

Roth: Ja, ich werde das prüfen.

Zusatzfrage: Aber es gab doch schon die Information, dass Sie die Durchsuchung von Räumen in Ihrem Haus durch die Justiz nicht ausschließen, oder?

Roth: Ich habe Ihnen gesagt, dass momentan Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft laufen, und mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

Frage: Herr Seibert, das Auswärtige Amt hat ja die aktive Mitwirkung der amerikanischen Regierung bei der Aufklärung erbeten. Hat es denn vonseiten der amerikanischen Regierung schon irgendeine aktive Mitwirkung gegeben, oder hört man sich bisher nur an, was Sie zu sagen haben?

StS Seibert: Ich wiederhole noch einmal, dass es in dieser Angelegenheit intensive Kontakte auf allen Ebenen gibt. Den Stand des Wissensaustausches will ich hier nicht bewerten. Die Bundesregierung wird ihren jeweiligen Kenntnisstand selbstverständlich, wenn gewünscht, vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium vortragen.

Zusatzfrage: Hat es nach dem mutmaßlichen Gespräch mit Herrn Brennan gestern Abend interne Kommunikationen vonseiten der Bundesregierung mit dem Bundesanwaltschaft oder dem BKA mit einem Hinweis auf einen möglichen zweiten Fall gegeben?

StS Seibert: Ich kann mich hier jetzt über solche Interna nicht äußern. Ich habe gesagt, dass es Kontakte auf verschiedenen Ebenen gibt, und weiter werde ich mich dazu nicht äußern.

Frage: Ich habe zwei Fragen, wenn Sie gestatten, eine an Herrn Schäfer und eine an Herrn Roth. Herr Schäfer, Sie haben uns geschildert, welchen Wunsch oder welche Bitte Staatssekretär Steinlein gegenüber Botschafter Emerson formuliert hat. Können Sie uns denn auch inhaltlich etwas zu der Reaktion von Herrn Emerson sagen?

Herr Roth, seit wann weiß denn die Ministerin von den Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter Ihres Hauses?

Schäfer: Ich denke, das könnte ich, aber das tue ich nicht, weil es internationalen Gepflogenheiten entspricht, dass man jedenfalls nicht die Position des Gegenübers in diesen Gesprächen darstellt. Wir halten uns dabei an die Regeln. Deshalb würde ich Ihnen empfehlen, dass Sie sich bezüglich dessen, was der amerikanische Botschafter womöglich gesagt haben mag, an die Pressestelle der amerikanischen Botschaft wenden.

Zusatzfrage: Ich versuche es noch einmal anders: Sind Sie denn guter Dinge, dass Botschafter Emerson dieser Bitte entsprechen wird?

Schäfer: Wenn es solche Gespräche zwischen einer Regierung und dem im Land offiziell akkreditierten Botschafter gibt, die förmlichen Charakter haben, dann sind wir sicher, dass die Botschaft, die wir dem offiziellen Vertreter eines anderen Staates, eines Partnerstaates, übermitteln, auch so weitergegeben wird, wie es von uns intendiert ist. Ja, da sind wir sicher.

Roth: Die Ministerin ist informiert, aber zu dem genauen Zeitpunkt kann und möchte ich an dieser Stelle wegen des laufenden Verfahrens nichts sagen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Justizministerium: Wann wurde das Justizministerium über die Ermittlungen des Bundesanwalts informiert? Können Sie uns darüber Auskunft geben, seit wann die Ermittlungen des Bundesanwalts laufen?

Malachowski: Über den konkreten Zeitpunkt kann ich Ihnen leider nichts sagen. Bezüglich der Frage, seit wann die Ermittlungen laufen, würde ich Sie bitten, sich an den Generalbundesanwalt zu wenden.

Frage: Ich habe eine Frage zum Spionageverdacht im Verteidigungsministerium: Welche Behörde ist dafür eigentlich zuständig, das Bundesamt für Verfassungsschutz oder das Amt für den Militärischen Abschirmdienst? Ist jetzt, konkret auf diesen Fall bezogen, eine dieser Behörden in die Ermittlungen einbezogen worden oder hat sie möglicherweise sogar ausgelöst?

Vors. Detjen: An wen ging diese Frage?

Zusatz : An den, der sie beantworten kann.

Vors. Detjen: Kann jemand diese Frage beantworten?

Zusatzfrage: Ich würde es noch einmal mit der direkten Ansprache an Oberstleutnant Roth versuchen: Ist der Militärische Abschirmdienst zuständig und möglicherweise beteiligt gewesen?

Roth: Ich habe Ihnen eben gesagt, dass es Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft gibt, habe aber nichts zu den Inhalten der Ermittlungen gesagt.

Zusatzfrage: Deswegen stellte ich meine Frage: Ist, ganz allgemein gefragt, im Fall des Spionageverdachts im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums das Amt für den Militärischen Abschirmdienst zuständig oder nicht? Speziell in Bezug auf diesen Fall gefragt: Ist das Amt für den Militärischen Abschirmdienst in diesem Fall an den Ermittlungen beteiligt gewesen oder hat es sie gar ausgelöst?

Ich stelle die gleiche Frage auch gerne noch einmal an Frau Müller-Niese: Ist das Bundesamt für Verfassungsschutz in diesem Fall zuständig? Ist es an diesen Ermittlungen beteiligt oder hat sie gar ausgelöst?

Roth: Ich kann Ihnen ganz allgemein antworten: Zu den gesetzlichen Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes gehört auch die Spionageabwehr für den Bereich der Bundeswehr.

Dr. Müller-Niese: Inwiefern das Bundesamt für Verfassungsschutz in die Ermittlungen involviert ist, müssten Sie den GBA fragen. Grundsätzlich kann ich Ihnen hierzu jetzt keine Auskunft geben. Das müsste ich nachreichen, wenn es da etwas nachzureichen gäbe.

Frage : Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundeskanzlerin, in den nächsten Stunden oder Tagen noch einmal direkten telefonischen Kontakt zu Herrn Obama aufzunehmen?

StS Seibert: Es gibt, wie gesagt, intensive Kontakte auf verschiedenen Ebenen. Wir warten jetzt die Sachaufklärung des Falls ab, und dann werde ich gegebenenfalls über mögliche weitere Schritte und auch über mögliche weitere Kontakte berichten.

Frage : Herr Schäfer, ich habe eine allgemeine Frage: Ist denn der Bundesregierung oder dem Außenministerium bekannt gemacht worden, dass die US-Regierung in diesen Tagen oder Wochen Mitarbeiter aus der US-Botschaft in Berlin abziehen möchte?

Schäfer: Das ist mir nicht bekannt.

Zusatzfrage : War das auch nicht Inhalt des Gesprächs, das Herr Steinlein heute Morgen geführt hat?

Schäfer: Dazu kann ich nichts sagen.

Zusatzfrage : Gehen Sie also allgemein davon aus, dass die in der Besetzung weiterarbeiten werden, die Ihnen bekannt ist?

Schäfer: Ich bin sicher, dass es dort wie bei uns sehr viel Rotation gibt und ein Kommen und Gehen immer wieder einmal passiert.

Frage: Dieser jüngste Fall wird ja offensichtlich als schwerwiegender Fall eingeschätzt. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung? Worauf bezieht sich das Schwerwiegende, eventuell eher darauf, dass jetzt das Verteidigungsministerium betroffen ist, oder auch auf die Spionagetätigkeit an sich?

Eine zweite Frage: In der letzten Zeit häufen sich anscheinend die aufgefallenen Fälle. Ist die Bundesregierung jetzt besonders sensibilisiert? Hat sie jetzt aktiv irgendwelche Maßnahmen eingeleitet, um mögliche Fälle innerhalb der Bundesregierung aufzuspüren?

Roth: Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist ein laufendes Verfahren. Ich werde mich hier nicht weiter zu Details äußern. Aber ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass wir den Fall sehr ernst nehmen.

Zusatzfrage: Worauf bezieht sich dieses „sehr ernst nehmen“?

Roth: Auf den Fall.

StS Seibert: Ich kann das nur wiederholen: Spionage ist ein sehr ernster Vorwurf. Wann immer von Spionage oder von dem Verdacht auf Spionage die Rede ist, können Sie von einer großen Sensibilisierung der Bundesregierung ausgehen. Der Generalbundesanwalt – darauf vertrauen wir – ermittelt jetzt und wird eine möglichst umfassende Sachaufklärung herbeiführen.

Zusatzfrage: Wird derzeit mehr unternommen, um mögliche Fälle in den Ministerien aufzudecken, oder gilt business as usual?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier keine Auskunft über Umfang und Einzelheiten unserer Anti-Spionage-Maßnahmen geben.

Frage: Herr Roth, ich wüsste gern, welche Steigerungsform für Sie nach einem „sehr ernsten Fall“ kommt.

Roth: Für mich ist „sehr ernst“ sehr ernst.

Zusatzfrage: Ich will nur wissen, damit ich das, was Sie erklären, richtig einordnen kann, ob „sehr ernst“ sozusagen die oberste Eskalationsstufe ist, die Ihnen zur Verfügung steht.

Roth: Ich kann nur noch einmal sagen: „Sehr ernst“ ist sehr ernst.

Zusatzfrage: Wie kommen Sie auf das „sehr“? Möchten Sie das vielleicht ein wenig erläutern?

Roth: Ich möchte hier jetzt keine Semantik betreiben, aber „sehr ernst“ ist sehr ernst. Bitte nehmen Sie es so, wie ich es gesagt habe.

Zusatzfrage: Von Herrn Schäfer wüsste ich gerne noch Folgendes: Wenn man wie der US-Botschafter, der um ein Gespräch gebeten hat, etwas will, können Sie sagen, warum er dann bei Herrn Steinlein war? Ich nehme einmal an, der Besuch von Herrn Emerson hat einen Grund gehabt. Der hat ja wahrscheinlich nicht Sehnsucht nach Herrn Steinlein gehabt.

Schäfer: Er ist ins Auswärtige Amt gekommen, um im Auswärtigen Amt über die Themen zu sprechen, über die wir jetzt auch miteinander reden.

Zusatzfrage: Über beide Fälle?

Schäfer: Das Gespräch hat heute Morgen um 10 Uhr stattgefunden. Wenn ich es richtig verfolgt habe – das wissen Sie besser -, sind die öffentlichen Nachrichten über diesen zweiten Fall jedenfalls danach, im Laufe des Vormittags, erfolgt.

Zusatzfrage: Ich frage deswegen, weil ich mir gedacht habe, dass es zumindest ein Gebot der Höflichkeit wäre, Herrn Steinlein vielleicht zu sagen „Pass auf, schau dir in der nächsten halben Stunde einmal die Agenturen an, da kommt ein zweiter Fall“, auch wenn es natürlich diplomatisch geschliffener zugeht. Aber offenbar war das nicht der Fall, sondern man hat sich eher allgemein unterhalten.

Schäfer: Ich muss es Ihnen überlassen, darüber zu spekulieren, aber ich kann Ihnen weder das eine noch das andere bestätigen; es tut mir leid.

Frage : Herr Staatssekretär Seibert, Frau Müller-Niese, ich hatte schon am Montag danach gefragt, und jetzt sind zwei weitere Tage vergangen. Es gibt weitere Fälle, und man beschäftigt sich intensiv damit. Ich hatte danach gefragt, ob Sie Nachbesserungsbedarf und Notwendigkeiten hinsichtlich der Eigensicherung beim BND und, was die Spionageabwehr betrifft, beim Bundesamt für Verfassungsschutz sehen. Hat man mittlerweile – die Ermittlungen laufen ja nicht nur über den Generalbundesanwalt weiter, sondern auch sicherlich politisch intern – eine Einschätzung im Kanzleramt oder im Innenministerium dazu gefasst? Hat da bisher alles richtig funktioniert? Das ist ja eine ganz allgemeine Frage, die auch unabhängig von den aktuellen Fällen beantwortet werden kann.

StS Seibert: Ich bleibe trotzdem dabei, dass es erst einmal notwendig ist, Sachaufklärung zu betreiben, um dann zu sehen, wie darauf reagiert werden muss, und zwar innerhalb der Institutionen und auch mit anderen Mitteln. Ich kann es nicht anders sagen. Das kann doch nur im konkreten Fall besprochen werden, und den konkreten Fall kann man erst dann besprechen, wenn er klar ermittelt worden ist.

Dr. Müller-Niese: Gerne möchte ich noch einmal auf die Ausführungen von Herrn Minister de Maizière verweisen. In der Sendung „Bericht aus Berlin“ gab es am Sonntagabend ein Interview. Darin hat er unter anderem ausgeführt, dass eine effiziente und wirksame Spionageabwehr gegenüber jedermann wichtig, notwendig und auch noch besser zu organisieren ist.

Frage: Herr Roth, ich kann nicht verstehen, wenn Sie Ministeriumssprecher sind, warum Sie nicht entweder bestätigen oder dementieren können, ob Räume in Ihrem Ministerium durchsucht wurden. Wissen Sie es schlichtweg nicht?

Herr Seibert, bei offiziellen Anlässen heißt es gerne mit Blick auf die bilateralen Beziehungen, Deutschland könne sich keinen besseren Partner als die Vereinigten Staaten wünschen. Würden Sie diesen Satz heute so wiederholen, oder wachsen bei Ihnen Zweifel daran?

Roth: Ich habe Ihnen eben gesagt: Es laufen Ermittlungen. Was alles zu diesen Ermittlungen gehört, müssen Sie die Generalbundesanwaltschaft fragen. Die weiß das, und die kann Ihnen auch die Frage beantworten, was sie in diesem Rahmen für Ermittlungen durchführt.

StS Seibert: Die Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA ist historisch gewachsen, historisch begründet, sie hat aber auch im Alltag – auch im Jahre 2014 – immer noch ihre große Bedeutung. Wir sehen es beispielsweise derzeit in unserer gemeinsamen und miteinander immer wieder abgestimmten Reaktion auf die Ereignisse in der Ukraine. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Dennoch steht eine tiefgreifende Meinungsverschiedenheit im Raum, die Deutschland und die USA in der Frage haben, wie Sicherheit und Eingriff in Freiheitsrechte miteinander in Abstimmung zu bringen sind, was jeweils das richtige Verhältnis ist. Es herrscht eine klare Meinungsverschiedenheit. Lesen Sie die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vom Januar dieses Jahres nach, in der sie davon spricht, dass das Vertrauen natürlich der entscheidende Kern eines solchen Partnerschaftsverhältnisses ist und dass man deswegen sehr aufpassen muss, dieses Vertrauen nicht zu verletzen.

Diese Meinungsverschiedenheit geht an das Vertrauen in dieser Partnerschaft. Dennoch ist es eine Partnerschaft die für uns – nicht nur historisch, sondern auch aktuell – von enormer Bedeutung ist. Die Partnerschaft mit den USA sichert auch unsere tägliche Sicherheit hier in Deutschland. Sie sichert die Sicherheit unserer Soldaten im Auslandseinsatz. Von all dem ist nichts zurückzunehmen; aber es ist auch nicht zu beschönigen, dass wir eine tiefgreifende Meinungsverschiedenheit, eine tiefgreifend unterschiedliche Einschätzung einer sehr wichtigen Frage haben.

Frage: Würden Sie aber sagen, dass dieses Vertrauen jetzt doch verletzt ist?

StS Seibert: Ich komme noch einmal auf die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vom Januar zurück. Damals sagte sie wörtlich – dabei ging es um die Frage des Ausmaßes der angeblichen Überwachung durch die NSA -: „Ein Vorgehen, bei dem der Zweck die Mittel heiligt, bei dem alles, was technisch machbar ist, auch gemacht wird, verletzt Vertrauen“. Ich glaube, dass das auch aktuell seine Richtigkeit hat. Darüber hinaus will ich aktuelle Fälle jetzt nicht weiter kommentieren.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert: Es ist schon auffällig, dass jetzt innerhalb von wenigen Tagen zwei mutmaßliche Spione enttarnt wurden. Kann man das nicht auch als einen Erfolg der deutschen Spionageabwehr bezeichnen? Also: Funktioniert da jetzt etwas, was vielleicht in den vergangenen Jahren nicht so gut funktioniert hat? Denn diese mutmaßlichen Spione scheinen schon länger tätig gewesen zu sein.

StS Seibert: Ich kann nur ganz grundsätzlich sprechen und nicht auf diese angeblichen derzeitigen Fälle bezogen. Ein jeder überführter Spion ist ein Erfolg für diejenigen, die auf der Jagd nach Spionen sind, und ein jeder überführter Spion ist gleichzeitig Anlass, sich Gedanken zu machen, wie es zu diesem Spionagefall kommen konnte. – Das ist eine grundsätzliche Bemerkung.

Frage : Herr Seibert, ehemalige amerikanische Regierungsmitglieder, die freilich nicht ganz so diplomatisch sein müssen wie derzeitige Amtsinhaber, sagen schon seit Monaten, dass es notwendig ist, dass Washington Berlin ausspioniert. Man müsse wissen, was die Bundesregierung beispielsweise in Bezug auf Russland oder den Iran macht. Verstehen Sie diese Sorgen, und würde die Bundesrepublik das Gleiche machen?

StS Seibert: Ich möchte jetzt nicht Äußerungen von ehemaligen Regierungsmitgliedern – ich weiß auch nicht genau, auf wen Sie sich beziehen – kommentieren. Ganz grundsätzlich – deshalb habe ich ja den Fall Ukraine-Krise erwähnt – stehen wir in einer so engen, regelmäßigen, fast täglichen Abstimmung – gerade im Hinblick auf die Ukraine-Krise, und das seit Monaten -, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass man das nicht alles von der Bundesregierung auch sehr direkt und im normalen Gespräch erfahren kann.

Schäfer: Ich möchte ergänzen. Wir haben es als internationale Staatengemeinschaft zurzeit mit einer ganzen Reihe von Problemfällen zu tun, bei denen es darauf ankommt, an einem Strang zu ziehen. Wenn Sie die Haltung der Bundesregierung, der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten von Amerika bei dem Thema, das Herr Seibert gerade angesprochen hat, bei den Beziehungen zu Russland und der Ukraine, nebeneinander legen, aber auch die Haltung sehen, bei anderen Themen – etwa dem Umgang mit einer schwierigen Situation bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen in Afghanistan, bei den gemeinsamen Verhandlungen innerhalb der E3+3-Staaten mit dem Iran mit dem Ziel, eine Lösung für das iranische Nuklearprogramm zu finden, bei den gemeinsamen Bemühungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika in einer sich aufschaukelnden Eskalationssituation im Nahen Osten zwischen Israel und Hamas im Gazastreifen – eine gemeinsame Politik zu verfolgen, dann stellen Sie fest: Da gibt es eben ein hohes Maß an gemeinsamen Sichtweisen, sozusagen an übereinstimmenden Interessen, die wir uns gemeinsam mit unseren Partnern, auch den Vereinigten Staaten von Amerika, bemühen, in die Tat umzusetzen.

Zu Ihrer konkreten Frage möchte ich Sie auf eine Antwort von Herrn Steinmeier verweisen, die sich heute unter anderem in der „Saarbrücker Zeitung“ wiederfindet. Er sagt – ich zitiere -:

„Es wäre höchst beunruhigend, wenn es munter mit dem Bespitzeln weiter ginge, während wir gerade dabei sind, die NSA-Abhöraktivitäten aufzuarbeiten, und dafür im Bundestag einen Untersuchungsausschuss eingerichtet haben. Bei so engen und offenen Beziehungen, wie wir sie gegenüber den USA pflegen, ist mir im Übrigen schleierhaft, warum man sich solcher Methoden bedient. Wir sprechen sehr häufig miteinander, niemand hält mit seinen Positionen hinter dem Berg. Der Versuch, mit konspirativen Methoden etwas über die Haltung Deutschlands zu erfahren, gehört sich nicht nur nicht, es ist auch völlig überflüssig.“

Frage: Erstens. Herr Schäfer, ist Herr Steinmeier, um ihn beim Wort zu nehmen, zur Stunde höchst beunruhigt?

Zweitens. Herr Seibert, gehen Sie von einer zufälligen Häufung der derzeit in Deutschland aufgedeckten Spionagefälle aus?

Schäfer: Die Antwort des Außenministers war im Konjunktiv: Es wäre höchst beunruhigend, wenn etwas wäre. Dennoch kann ich natürlich sagen, dass es uns im Auswärtigen Amt, völlig unabhängig von dem, was derzeit von Ihnen in den Medien über die Urheberschaft berichtet und spekuliert wird, schon beunruhigt, wenn es so in der Welt steht, und dass es natürlich die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht gerade befördert, sondern belastet. Das ist, weil es Kernaufgabe eines Außenministers ist, mit möglichst vielen Ländern möglichst gute Beziehungen zu unterhalten, natürlich etwas, was uns im Auswärtigen Amt beunruhigt. Das ist völlig richtig.

StS Seibert: Wir haben nun zwei Ermittlungsfälle wegen sehr schweren Spionageverdachts. Ich kann nicht sagen, ob es dahinter Muster gibt. Ich kann nur sagen, dass wir als Bundesregierung ein großes Interesse daran haben, dass diese beiden Fälle umfassend, gründlich und auch zügig aufgeklärt werden, damit überlegt werden kann, wie darauf zu reagieren ist.

Frage: Noch ein anderer Randaspekt: Frau Müller-Niese, in der „Bild“-Zeitung wurde berichtet, dass Ihr Minister sich über eine Ausweitung der Spionageabwehr auch auf amerikanische Stellen in Deutschland Gedanken mache. Wie ist insoweit der Stand der Überlegungen?

An Herrn Seibert gerichtet: Es gibt ebenfalls die Möglichkeit, die Tätigkeit des BND auf amerikanische Stellen im Ausland auszuweiten. Gibt es solche Überlegungen derzeit in der Bundesregierung?

Dr. Müller-Niese: Der Bericht der „Bild“-Zeitung vom Montag ist uns bekannt. Von unserem Haus gibt es keine Stellungnahme dazu.

StS Seibert: Ich kann nur sagen, dass der BND den gesetzlichen Auftrag zur Gewinnung von Erkenntnissen und Informationen über das Ausland hat, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Bürger sind, und dass er diesem gesetzlichen Auftrag unter parlamentarischer Kontrolle nachkommt.

Frage: Eine Frage an Herrn Schäfer: Sie haben gesagt, dass Herr Emerson um das Gespräch gebeten hat. Können Sie sagen, wann er darum nachgefragt hat?

Schäfer: Das wird nicht so lange her sein. Das kann ich Ihnen nicht genau sagen.

Das erste Gespräch mit Herrn Emerson hat ja, wie Sie wissen, am Freitagnachmittag stattgefunden.

Zusatz: Genau. Das war am 4. Juli. Aber das war nicht mit Herrn Steinmeier.

Schäfer: Es war in beiden Fällen nicht der Außenminister, sondern es war jeweils Herr Staatssekretär Steinlein. Die Namensähnlichkeit ist rein zufällig.

Frage: Ganz kurz noch die Frage an Frau Müller-Niese wegen der Zuständigkeit des Verfassungsschutzes bei der Spionageabwehr: Haben Sie Informationen darüber, ob die beiden Fälle in irgendeiner Weise miteinander in Verbindung stehen?

Dr. Müller-Niese: Ich habe keine Informationen.

Zusatzfrage: Jetzt einmal grundsätzlich: Herr Roth und Frau Müller-Niese, ich habe ja ein gewisses Verständnis dafür, dass Sie aus laufenden Ermittlungen nicht berichten wollen. Aber dass Sie jetzt immer Angaben darüber machen, dass Sie Dinge, die eindeutig in Ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht wissen, verwundert mich dann doch ein bisschen, muss ich sagen. Wenn Sie sich auf Geheimnisschutz oder worauf auch immer berufen – von mir aus. Aber dass Sie immer sagen: „Wir wissen nicht, und es interessiert uns im Grunde auch nicht“ … Daher noch einmal die Bitte an Sie, Frau Müller-Niese, und auch an Sie, Herr Roth, zu klären, ob es eine Zuständigkeit in Ihrem Haus gibt, ob es sozusagen bei Ihnen – durch den Verfassungsschutz oder durch den MAD – auch tatsächlich eine aktive Mitwirkung an diesen Ermittlungen gibt, und wenigstens zu klären, ob das irgendwie in Ihren Häusern zu klären ist, selbst wenn Sie es uns nicht sagen wollen. – Vielen Dank.

Roth: Dann nehme ich einmal die Frage auf. Natürlich wirken wir an den Ermittlungen mit und tun alles, um die Generalbundesanwaltschaft bei ihren Ermittlungen zu unterstützen, weil wir den Fall sehr ernst nehmen. Aber es sind trotzdem Ermittlungen, und die Zuständigkeit fällt in den Bereich der Generalbundesanwaltschaft.