Von der Leyen: ‚Dieses neue Thema muss Raum einnehmen‘

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, CDU besucht das KFOR Kontingent im Kosovo, 15.05.2014. In einem Hubschrauber, Superpuma, auf dem Flug nach Novo Selo.

Die Attraktivitätsoffensive von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, am vergangenen Freitag vorgestellt, ist auf viel öffentliche Kritik gestoßen (und schon die Diskussion hier auf Augen geradeaus! spricht Bände…) In der ZDF-Sendung Berlin direkt am (gestrigen) Sonntagabend wies die Ministerin die Kritik zurück. Zur Dokumentation die Abschrift dieses Interviews, in dem von der Leyen auf Fragen von Thomas Walde antwortete:

Frage: Warum können Sie die Kritiker mit Ihrem Programm nicht überzeugen?

Antwort:… Es geht hier nicht um eine Entweder-oder, sondern um Sowohl-als-auch. Denn Sie können keine Einsätze leisten, Sie können nicht Milliarden in die Ausrüstung stecken, was wir tun – wir haben ein großes Programm, das zur Zeit läuft -, wenn Sie nicht die Menschen haben, die besonnen und verantwortungsfähig in dieser Bundeswehr auch ihren Dienst leisten können. Und da wir eine Freiwilligenarmee inzwischen sind, das heißt, diese Menschen zu uns kommen müssen und die viele Angebote haben, ist auch eine Frage, wie die Arbeitsbedingungen sind, eine ganz entscheidende, eine vitale Frage für die Bundeswehr der Zukunft.

Frage:… Die Kritiker sagen, das mit dem Parallellaufen haut eben nicht hin.

Antwort:… Dieses neue Thema muss Raum einnehmen. Denn, wenn Sie sich mal anschauen, bei den Einsätzen: Wir haben für jeden Soldaten oder jede Soldatin in einem Auslandseinsatz 30 Soldatinnen und Soldaten hier im Grundbetrieb. Und die vergleichen sich mit anderen.

Die gesamte Wirtschaft konkurriert um diese jungen Menschen. Die fragen, wie sind die Arbeitsbedingungen? Wie sind meine Karrierechancen? Wie ist die Modernität, wie ist die Flexibilität der Bundeswehr? Und auf diese Fragen ist ganz lange keine Antwort gegeben worden, weil keine Antwort gegeben werden musste. Wir hatten eine Wehrpflicht. Und das war die alte Bundeswehr des letzten Jahrhunderts.

Wir sind jetzt heute auf zu neuen Ufern. Und da muss diese zweite Komponente auch da sein. Das ist kein Grund, die anderen Themen nicht zu bearbeiten. Sie wissen, dass wir in der Rüstung gerade ein Kapitel aufschlagen, (ein Kapitel) der Transparenz, die es vorher nicht gegeben hat. Sie wissen, dass wir zwei neue Bundeswehreinsätze im Ausland haben seit Beginn des Jahres.

Frage:… Die Fachleute sehen nicht, dass da parallel gearbeitet wird?

Antwort: Wir investieren Milliarden in die Ausrüstung. Und ich halte es für richtig, dass wir die Diskussion auch führen, was wir an Ausrüstung haben wollen. Wir werden z. B. jetzt in diesem Monat die Debatte im Parlament über die Drohnen haben, und zwar: Wollen wir Aufklärung? Meine Meinung ist, ja. Wollen wir sie bewaffnet haben, wollen wir Bewaffnungsfähigkeit haben? Das werden wir mit dem Parlament auch diskutieren.

Mir ist wichtig, dass wir das Bewusstsein auch erweitern, was eine Aufklärungsdrohne ist. Das ist nämlich etwas, die Fähigkeit zu sehen wie Google Earth oder wie sie z. B. die Wetterdienste haben, also dass Deutschland diese Technologie dringend auch braucht. Das sind Themen, die wir in diesem Monat diskutieren. Wir haben am Dienstag das Verteidigungsministertreffen der NATO, wo wir wegweisende Entscheidungen treffen werden. Trotzdem darf man die andere Seite, die Menschen in der Bundeswehr, nicht links liegen lassen.

Frage: Wie ist denn Ihre Position bei Kampfdrohen? Das haben wir lange von Ihnen nichts gehört.

Antwort: Sie haben lange von mir davon nichts gehört, weil ich bewusst gesagt habe, dass wir diese Debatte gemeinsam im Parlament führen. Aufklärung halte ich für wichtig, das Thema Google Earth, sehen können, was das ist, das, was Amazon oder die Wetterdienste längst auch als Fähigkeit entwickeln, also was wir zivil haben. Die Frage bei Kampfdrohnen, damit das Publikum das versteht, bewaffnet, ja oder nein. Dafür müssen wir Regeln haben. Und diese Regeln, die sollte ein Parlament, wir haben eine Parlamentsarmee, gemeinsam festlegen.

Frage: Sie haben zu Beginn des Jahres ein paar Themen angestoßen, neue Strategie, auch was Auslandseinsätze angeht. Seitdem hat man davon nichts mehr von Ihnen gehört. Lenkt da so ein Attraktivitätsprogramm nicht doch ab?

Antwort: Ich glaube, dann haben Sie die Debatten über die neuen Einsätze, die wir inzwischen haben, Zentralafrika, der neue Einsatz, den wir in Somalia als Trainingsmission haben, ausgeblendet. Das sind wichtige Themen, natürlich die aktuelle Krise in der Ukraine, die uns in den letzten Wochen beschäftigt hat, das veränderte Verhalten Russlands, was für Auswirkungen hat das auf die NATO, was für Auswirkung hat das auf Beziehungen Ost und West, Landes- und Bündnisverteidigungsstärken, alles Themen, die parallel gelaufen. Nochmal: Ohne die Menschen in der Bundeswehr werden wir nicht in der Lage sein, diese Themen zu bewältigen.

Nachtrag: Nach Angaben der Bundespressekonferenz bleibt es bei der Pk der Ministerin am kommenden Mittwoch. Allerdings ist sie nicht nur um eine halbe Stunde auf 12.00 Uhr vorgezogen, sondern hat auch einen neuen Titel: Aktuelle Fragen der Sicherheitspolitik und Attraktivität der Bundeswehr

(Foto: von der Leyen am 15. Mai beim Besuch des deutschen KFOR-Kontingents im Kosovo auf dem Flug nach Novo Selo – Ute Grabowsky/photothek.net)