Gabriels Rüstungsexporte: Details zur Genehmigung – durch die Vorgänger
Am Wochenende hatte das für ein bisschen Aufruhr gesorgt: Zwischen Januar und April dieses Jahres habe der Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte im Gesamtwert von knapp 1,2 Milliarden Euro erteilt, berichtete der Spiegel unter Berufung auf eine Anfrage des Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Jan van Aken. Der stellte das Schreiben des Wirtschaftsministeriums im Original auf seiner Webseite ein. Dass in dem Brief auf die Entscheidungen der früheren schwarz-gelben Bundesregierung verwiesen wurde, mochte van Aken nicht akezptieren.
Am (heutigen) Montag hat das Ministeriums das jetzt mal etwas genauer erklärt. Und auch teilweise gesagt, um welche Rüstungsgüter es sich denn da handelt. Im Wortlaut:
Der erhobene Vorwurf, dass das BMWi im derzeitigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht einerseits der Auffassung ist, dass positiv beschiedene Voranfragen nicht bindend sind und deshalb nicht dem Bundestag zu Kenntnis gegeben werden können, gleichzeitig aber in seiner am 15. Mai 2014 gegebenen Antwort auf die schriftliche Frage Nr. 31 des Bundestagsabgeordneten Jan van Aken positiv entschiedene Voranfragen als bindend erachte, ist falsch und entbehrt jeglicher Grundlage.
Die in der am 15. Mai 2014 gegebene Antwort auf die schriftliche Frage Nr. 31 an den Bundestagsabgeordneten Jan van Aken erwähnte rechtliche Verbindlichkeit von erteilten Ausfuhrgenehmigungen begründet sich gerade nicht auf zuvor positiv entschiedene Voranfragen. Die rechtliche Verbindlichkeit beruhte vielmehr auf anderen Gründen.
So handelt es sich etwa bei der größten Einzelposition (191 Mio. Euro) der von Januar bis April 2014 erteilten Ausfuhrgenehmigungen um eine Bundeswehrabgabe nach Singapur, die auf Basis eines bereits abgeschlossenen völkerrechtlichen, also rechtlich verbindlichen Vertrags zwischen Deutschland und Singapur erfolgt. Weitere Beispiele für eine bereits existierende Rechtsverbindlichkeit sind die am 19.11.2013 erteilte und bis zum 31.10.2014 gültige KWKG-Genehmigung zur Ausfuhr eines Patrouillenbootes nach Brunei (Genehmigungswert ca. 96 Mio. Euro) und die am 22.11.2012 erteilte und bis zum 31.12.2015 gültige KWKG-Genehmigung zur Ausfuhr von 100 Lenkflugkörpern IRIS-T nach Saudi Arabien (Genehmigungswert ca. 21 Mio. €).
Jetzt fehlt nur noch die genaue Angabe, wie viele Leopard-Kampfpanzer Singapur für das Geld bekommen hat. Die Zahl finde ich gerade nicht – war die nicht schon mal irgendwo veröffentlicht? Vor allem aber stelle ich mir die Frage: Warum hat das Ministerium diese Details nicht gleich öffentlich gemacht?
(Grafik: Luft-Luft-Raketensystem Iris-T – Diehl)
Der 2012 unterzeichnete und 2013 rechtswirksam gewordene Vertrag löste lt Bundesregierung eine KWKG-Genehmigung über Abgabe von 104 Leopard 2A4 aus; zu dem zu liefernden Paket gehören allerdings auch 42 Marder IFV sowie Ersatzteile und Komponenten.
Die Ausfuhrgenehmigung für ca 100 LfK IRIS-T nach Saudi Arabien ist eine von mehreren Teillieferungen im Rahmen einer umfangreicheren Bestellung. Saudi Arabien hat sich am Programm IRIS-T beteiligt.
Da auch die KWKG-Genehmigung für das Patrouillenboot für nach Brunei bereits in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Bundestagsanfrage 2013 erwähnt wurde, handelt es sich bis auf die Angabe der Tagesdaten und den Umfang der Teillieferung nach Saudi Arabien nicht um neue Fakten, die der Öffentlichkeit erstmals zugänglich emacht wurden.
@ONA
Danke für die Zahl wg. Singapur.
In der Tat nicht neue Fakten für die Öffentlichkeit – aber vielleicht hätte das BMWi den, pardon, Shitstorm halbwegs vermeiden können, wenn die das gleich in ihre Antwort reingeschrieben hätten?
@ONA
Die 104 Leopard 2 sowie die Marder inkl. Ersatzteile gingen aber nach Indonesien. Nicht nach Singapur.
Singapur hat seit Mitte 2007 102 Leopard 2 im Dienst. Hinzu kommen Brückenleger und Bergepanzer auf Leopard-2-Fahrgestell.
So wie es ausschaut sind es 2014 einige mehr geworden.
The early 1990s called. They want their computer graphics back. ;)
@ T.Wiegold
In der Tat, der „Shitstorm“ und die Fehlinterpretation van Akens wären vermutlich unterblieben.
Allerdings nur dann, wenn entsprechende Angaben auch für die anderen Empfängerländer und Genehmigungen gemacht worden wären. Unter diesen – so ist begründet zu vermuten – sind nämlich auch endgültige Genehmigungen nach AWG, denen (weil sonstige Rüstungsgüter und nicht Kriegswaffen) bislang nur ein „grünes Licht“ der Vorgängerregierungen auf eine Voranfrage vorausging – hätte man auch diese Lieferungen en detail benannt, so wäre deutlich geworden, dass van Aken durchaus berechtigterweise auf das Voranfragenproblem und den Unwillen der Bundesregierung hinweist, über ihre Antworten auf Voranfragen und deren rechtlich bindenden Charakter im Einzelfall Auskunft zu geben.
Hinter der Erklärung des BMWi’s und der Beschränkung auf Genehmigungen für Kriegswaffen steckt also ein genau austariertes Kalkül, was man sagt und was man nicht sagt. Mehr Transparenz bei sonstigen Rüstungsgütern sähe denn doch anders aus.
@ONA
Deine Stückzahlen und Zeitdaten sind denen von Indonesien aber verbüffend ähnlich. Von Mardern nach Singapur habe ich bisher aber auch noch nichts gehört. Ich habe eher den Verdacht, dass es sich bei der Lieferung der Leopard Panzer nach Singapur eher um das Update von IDB handelt und nicht um zusätzliche Panzer.
Interessant finde ich eher, dass Exportkunden den Flugkörper 50% günstiger bekommen, als die Luftwaffe….
@Marestic und Chris
oh, sorry – ich habe in der Eile auch tatsächlich die Daten für Indonesien nachgeschaut und gemeint. Shit happens.
ich trage meinen Stand zu Singapur heute später nach – ich muss ihn noch nachschauen und aktualisieren.
@ Chris
der Verdacht ist vermutlich richtig – aber erklärt es nicht ganz, denn SG hat über die 102 Leo 2 plus Berge- und Brückenleger hinaus weitrere bestellt
@Schorsch Das fällt für mich unter die Rubrik Situationskomiker, Opportunisten und Selbstdarsteller!
@Amtmann
Können Sie das erläutern?
Toll, so ein Internet mit Google:
http://www.waffenexporte.org/wp-content/uploads/2013/04/KA-R%C3%BCstungsexporte-Leopard-Kampfpanzer-11.9.13.pdf
Damit braucht dann auch niemand mehr den Held spielen und Dienstgeheimnisse weitergeben.
Die Erläuterungen sind im übrigen im Hinblick auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen als grenzwertig anzusehen – es sei denn, Antragsteller und Empfänger hätten einer Veröffentlichung zugestimmt.
@meinungsrecycling
Ja, allerdings steht da auch drin:
„Die Stückzahl der an Singapur gelieferten Kampfpanzer unterliegt gemäß einer
zwischenstaatlichen vertraglichen Vereinbarung amtlicher Geheimhaltung. Die
entsprechenden Angaben sind VS-Vertraulich eingestuft und wurden daher der
Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt. „
Es bleibt immer noch offen, ob und wie die sicherheitspolitischen Auswirkungen der Gabriel´schen Ankündigung mit dem Verteidigungsministerium abgestimmt sind.
Vermutlich mal gar nicht.
Dann sollte man mal bei vdL nachfragen, wie sie die zukünftige Versorgung der Bundeswehr sieht, wenn die Kapazitäten und Fähigkeiten der Industrie nicht mehr durch Exporte erhalten werden können.
@all wegen Singapur
Singapur wünscht, dass die Zahl der bestellten Leopard-Panzer geheim bleibt. Darin ähnelt der autokratische regierte Stadtstaat, der in den letzten Jahren zu einen der wichtigsten Kunden für deutsche Wehrtechnik wurde, den arabischen Autokratien, die sich ebenfalls gegen Transparenz bei ihren Rüstungsbestellunhgen wehren. Wir können uns der Gesamtzahl der gekauften kampfpanzer also derzeit nur annähern. Offiziell gibt es keine Gesamtzahl der bestellten Fahrzeuge, nur Einzelangaben.
Singapur bestellte 2007 erstmals gebrauchte Leopard 2A4. Aus den damals veröffentlichten Angaben resultieren die heute gebräuchlichsten Angaben, denen zufolge meist von 96 oder 102 Kampfpanzer die Rede ist, von denen etwas mehr als 60 modernisiert und der Rest als Ersatzteilträger genutzt werden sollten. Nicht berücksichtigt sind dabei 2 weitere Verkäufe der Bundeswehr in den Jahren 2008 und 2012.
Das UN-Waffenregister listet bis Ende 2012 die Ausfuhr von 158 Leopard 2A4 nach SG (ohne Bergefahrzeuge und Brückenleger) und für Singaur eine Einfuhr von 156 Panzern. Aus älteren Angaben des BMVgs ist zu entnehmen, dass die Verträge der Jahre 2007 und 2008 eine Abgabe von insgesamt 182 Fahrzeugen vorsahen. Hinzu kommt nun die 2012 zusätzlich vereinbarte Abgabe in bislang unbekannter Stückzahl. Die Gesamtzahl der zu übernehmenden Panzer dürfte damit auf mindestens rund 200 steigen und die Zahl der Fahrzeuge, die modernisiert werden, dürfte sich gegenüber den ursprünglich geplanten über 60 Fahrzeugen auch deutlich erhöht haben.
Singapur führt seit einigen Jahren je nach Verfügbarkeit des TÜP 1-2 bis zu 9-wöchige Ausbildungen für seine Panzerbesatzungen in Munster durch und zahlt der Bundeswehr dafür pro Durchgang rd 800.000€. Da die Bundeswehr selbst keine Leo2A4 mehr nutzt, ist es denkbar, dass einige an SG verkaufte Fahrzeuge in DEU verblieben sind, um diese Ausbildungsmöglichkeit sicherzustellen.
Nicht zwangsläufig, da Trockentrainer und SimContainer (einschließlich Fahrschule) in Munster noch verfügbar sein dürften.
Was ist schlimm daran, dass Singapur nicht möchte, das Zahlen nicht veröffentlicht werden? Jeder Fußballverein nimmt sich dieses Recht heraus, wenn es um Ablösemodalitäten geht, warum also nicht auch ein souveräner Staat? Nicht jeder geht so verkrampft mit Sicherheitspolitik um, wie die Bundesrepublik.
Fragt sich, wer hier verkrampft mit Sicherheitspolitik umgeht …
Na, jetzt bin ich gespannt… Folgt noch eine nähere Ausführung?
Genauso lange Ausführung wie die, auf die ich mich bezogen habe … wir beide werden hier keine Freunde. Macht auch nix.
@Vodoo
SG bildet in Munster auch taktisch aus (bzw. läßt ausbilden), somit auch auf Fahrzeugen.
Nun ja, Sicherheitspolitik ist auch im Bereich Rüstungsexporte durch internationale Abkommen reglementiert, die völkerrechtlich bindend sind, wie z.Bsp. das Wassenaar-Abkommen: http://de.wikipedia.org/wiki/Wassenaar-Abkommen
Gabriel hat z.Bsp. auch schon den Überwachungssoftware-Produkte und Dienstleistungen auf den Index gesetzt….siehe Artikel in der heutigen SZ.
Insgesamt erscheint mir persönlich Gabriel’s wirtschaftspolitischer Ansatz im Rahmen des erweiterten Sicherheitsbegriffes ziemlich konsistent zu sein.
Danke Herr Melber, das war mir nicht bewusst.
@diba
Mit Verlaub, das macht mir nichts. :)
Weiß zwar noch immer nicht, worauf Sie aus waren, aber es scheint nicht so wichtig gewesen zu sein.
Auf FAZ.net ist grad n schöner Artikel zu „Panzer und Genossen“…
ist auf der SZ
@Klabautermann: Stimmt. Mein Fehler :)