Die Nr. 2 der NATO: Sehen Russland als Gegner
Der deutsche NATO-Botschafter Martin Erdmann hatte sich bei einer Veranstaltung in Berlin am (gestrigen) Mittwochabend noch betont zurückhaltend geäußert: Der Gipfel des Bündnisses im September in Wales, hatte der Diplomat gesagt, müsse zu einer neuen Einschätzung des Verhältnisses zu Russland kommen – ob Moskau weiterhin als strategischer Partner, nur als Partner, als Nachbar oder gar als Gegner angesehen werde. Keine 24 Stunden später scheint sich das erledigt zu haben, wie Associated Press am (heutigen) Donnerstag von einer Journalistenrunde mit dem stellvertretenden NATO-Generalsekretär Alexander Vershbow in Washington berichtet:
„Clearly the Russians have declared NATO as an adversary, so we have to begin to view Russia no longer as a partner but as more of an adversary than a partner,“ said Alexander Vershbow, the deputy secretary-general of NATO.
In a question-and-answer session with a small group of reporters, Vershbow said Russia’s annexation of Crimea and its apparent manipulation of unrest in eastern Ukraine have fundamentally changed the NATO-Russia relationship.
Und Vershbow stellte auch weitere Reaktionen des Bündnisses in Aussicht – zusätzlich zu der bereits erfolgten Aufstockung der Luftraumüberwachung über dem Baltikum (Foto oben) und vor allem dem rotierenden Training von US-Truppen mit Soldaten in Polen, Estland, Lettland und Litauen. Dabei geht’s dann auch ans Eingemachte:
Vershbow, a former U.S. ambassador to NATO, said that among possible moves by NATO is deployment of more substantial numbers of allied combat forces to Eastern Europe, either permanently or on a rotational basis.
Der Knackpunkt ist an dieser Stelle more substantial numbers of allied combat forces – denn in der NATO-Russland-Grundakte von 1997, der Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, wird genau die dauerhafte Stationierung von substantial combat forces in den östlichen Mitgliedsländern ausgeschlossen.
Kündigt die Nummer 2 der NATO damit die faktische Aufkündigung dieses Vertrags mit Russland an? Der deutsche NATO-Botschafter hatte am Vorabend noch betont, aus deutscher Sicht gelte die Grundakte weiter – for the time being.
Auf Seiten der NATO scheinen allerdings die Planungen für eine Ausweitung der re-assurance, der Versicherung für die Ost-Mitglieder der NATO, dass sie auf den militärischen Rückhalt der Allianz bauen können, noch weitere Schritte vorzusehen. Das formal neutrale Schweden, Mitglied der EU aber nicht der NATO, öffnete – wohl erstmals – seinen Luftraum für AWACS-Überwachungsflugzeuge . Und Erdmann sprach, wenn auch in einem Nebensatz, von weiteren Maßnahmen, die derzeit hier in Berlin debattiert werden. Dabei dürfte die Allianz nicht nur auf die Ukraine gucken, sondern auch auf Vorgänge an anderen Ecken – wie von der russischen Staatsagentur RIA Nowosti gemeldet: Russia Starts Combat Helicopter Training Flights on Baltic Border
Nachtrag: Ein weiter Bericht von Vershbows Äußerungen beim Defense Writers Group breakfast.
(Eine Bitte: sinnvollerweise sollten wir uns in den Kommentaren in diesem Thread auf die NATO und ihre Maßnahmen beschränken und nicht aktuelle Lageinfos aus der Ukraine dazupacken, das wird dann sehr unübersichtlich. Und wie immer in diesen Tagen: eine ausdrückliche Bitte um Sachlichkeit.)
(Foto: Maj. Barak Amundson and 1st Lt. Matthew Scott, 493rd Expeditionary Fighter Squadron pilots, fly over Lithuania during a training mission with the Lithuanian air force April 23, 2014. The 48th Air Expeditionary Group has been conducting the Baltic Air Policing mission here since January and will be handing over the mission to the Polish air force at the beginning of May. (U.S. Air Force photo by Airman 1st Class Dana J. Butler)
Vielleicht passt die Frage hier rein, ansonsten bitte verschieben.
Die Ukrainer stellen ja seit einiger Zeit UN-Truppen für Friedensmissionen in Afrika (Kongo?), u.a. Mi-24. Wurden diese mit Beginn der Krise abgezogen und in die Ukraine zurück verlegt? Oder ist man weiterhin vor Ort und die Einheit ist intern politisch gespalten?
@-MK20-
Vielleicht finden sie hier was:
http://un.mfa.gov.ua/en/ukraine-un/peacekeeping
Da staunt der SACEUR wie anpassungsfähig die Russen sind:
http://www.npr.org/2014/05/02/308915826/nato-russia-uses-shadow-soldiers-in-eastern-ukraine
Wir machen uns hingegen möglichst wenig Gedanken über Krieg heute und morgen.
Alexander Vershbow: Clearly the Russians have declared NATO as an adversary, so we have to begin to view Russia no longer as a partner but as more of an adversary than a partner,
Wenn Herr Vershbow das so sieht,sei ihm das gegönnt.
Es ist unfassbar in was für einen Riesenschwachsinn wir Deutsche /Europäer uns da von wem auch immer haben hinein reißen lassen.
Also mit welchen potentiellen Partnern ostwärts des Bugs wollen wir unsere deutschen/europäischen Interessen denn verhandeln,wenn nicht mit einem Partner Russland,noch dazu in der Verbindlichkeit.
Ich habe keine Lust mir diese Frage länger durch Washington beantworten zu lassen,solange man dort keinen Präsidenten hat mit einem Minimum an Ehrlichkeit,Aufrichtigkeit und akzeptabler außenpolitischer Leitmotivation.
Für mich bleibt Russland DER Partner im Osten.Es gilt mit diesem die Spielregeln zu bestimmen,wie das jetzt weitergeht. Wenn Herr Obama per Herrn Vershbows da andere Sichtweisen vortragen lässt,ist das relevanter als meine.Aber ich bin dafür die USA mit UK da raus zu halten.
Ja,ich weiß:Sachlichkeit. Das möchte ich ja eigentlich gern beherzigen.
Noch ein paar Gedanken zum neuen Gegenüber:
http://www.ipolitics.ca/2014/04/16/a-new-kind-of-warfare-in-ukraine/
Die Vorstellungen der NATO zu Art. 5 und MJO+ scheinen diesen Wandel noch nicht zu umfassen.
Wie man hier lesen konnte, möchte Deutschland hier jedoch auch keine Impulse setzen.
Die rußlandnahen NATO-Partner machen sich natürlich mehr Gedanken:
http://fortunascorner.com/2014/04/30/russias-new-generation-warfare-in-ukraine-implications-for-latvian-defense-policy/
Ob man sich im BMVg (Strategie und Einsatz, Planung) und im Planungsamt (Abt. I) hierzu auch schon Gedanken macht?
Ich befürchte die Antwort lautet: nein.
Wir warten mal auf NATO-Vorgaben…
Franzosen Berichten das England schnell Flak System bestellt hat
Und aus Österreich hört man das England Neue Radfahrzeuge beschaffen will
Da hofft man eh das man den Schützenpanzer der auf ähnlich Basis wie der Ulan nur größer Technisch noch weiter betrieben wird
Hier nochmal der direkte link zur lettischen Studie (ist im obigen link unvollständig):
http://www.naa.mil.lv/~/media/NAA/AZPC/Publikacijas/PP%2002-2014.ashx
Der Aufsatz zeigt sehr gut wie Art. 5 durch Subversion unterlaufen werden kann. Man stelle sich vor die FüAk würde sowas veröffentlichen.
Innere Führung und so…
In den 60er bis 80er Jahren gab es auch in Deutschland entsprechende Veröffentlichungen.
Danke für den Verweis!
@Thomas Melber, Stuttgart:
Mir geht es darum, dass in der Bundeswehr über das Thema Krieg überhaupt keine intellektuelle Auseinandersetzung mehr stattfindet. Vor lauter Denkverboten und Sonntagsreden von Verantwortung und Innerer Führung.
Hier trägt dann auch die Dauerausrede Geldmangel nicht mehr.
Stimmt, ich hatte ja schon einmal das Beispiel des kleinen Breviers „Kriegsnah ausbilden“ genannt, welches dann in „Einsatznah ausbilden“ umbenannt und dann ausgesondert wurde.
Selbst Rommels „Infanterie greift an“ steht (beinahe – ?) auf dem Bw-Index.
@ memoria/t.melber
Immerhin schließt sich so der Kreis.
Denkvrbote und Gesinnungshygiene gab es auch in der NVA, ein später Triumph ist auch ein Sieg.
Es ist doch paradox das der InFü imprägnierte Staatsbürger in Uniform heute mehr zum politischen Soldaten degeneriert ist als es bei seinem historischen Negativvorbild jemals der Fall war.
Reichswehr und Wehrmacht hatten auf allen Ebenen und zu jeder Zeit eine lebhafte Diskurskultur und permanente Lernbereitschaft auf taktisch/operativem und stratgischem Gebiet.
Heute herrscht scheinbar ausschließlich stromlinienformiger Kadavergehorsam.
es kann doch nicht sein das anlässlich der einschneidensten strategischen Herausforderung für den Westen/Europa/deutschland nichts aber auch gar nichts von unseren Uniformierten zu hören ist. Nicht vom G1,nicht von der FüAK nicht von der Taktikschule oder was weiß ich woher.
Stattdessen bleiernes Schweigen und Ursulas Besorgnisorgien.
jetzt muss man schon nach Lettland ausweichen um fundierte kriegstheoretische Analysen zu finden.
kommen die auch auf den index „zu martialisch“?
Wo sind sie Jungtürken unter den jungen Offizieren?
Oder hat da sie geistige Säuberungskampagne auch schon gewütet?
Andererseits tut eine gründliche Lagefeststellung Not, Deutschüsse und operative (eigentlich: taktische) Hektik bringen uns derzeit nicht weiter. Nach der Krise muß das natürlich in Angriff genommen werden.
@ t.melber
haben sie bisher einen strukturierten Lernprozess oder Debatten nach den Erfahrungen Balkan/Afghanistan/Kongo usw. feststellen können? ich nicht.
daher bin ich auch für die zukunft post ukraine mehr als skeptisch.
die obigen defizite haben sich ja wenn überhaupt noch verschärft nicht gebessert.
mal sehen was dazu von uns kommt.
http://www.atlanticcouncil.org/blogs/natosource/nato-official-alliance-will-discuss-deployment-of-defensive-assets-in-georgia
Memoria | 02. Mai 2014 – 20:48
Sehen Sie einfach mal in das Geschichtsbuch
Ende des 2WK. Wurden Luftwaffen reg aufgefüllt mit Soldaten der Luftwaffen wo kein Gerät mehr da war
Das Sie nicht selbst in so einem Btl enden ihren Posten können sie behalten aber der Rest naja
Der NATO-Generalsekretär heute in SPON:
„Die 1997 an Moskau gegebene Zusage, keine Truppen und Material in die neuen Mitgliedstaaten zu verlagern, gelte nicht, wenn sich die Bedrohungslage ändere.“
Also gab es wohl doch eine Zusage?